Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 12.06.2014, Az.: III ZR 245/13
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung.
Er beteiligte sich nach Beratung durch einen Mitarbeiter der K. Vermögensverwaltung GmbH (im Folgenden: K. ) mit Beitrittserklärung vom 11. Dezember 2000 mit einer Kommanditeinlage von 20.000 € an der A. GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaft befindet sich seit dem 25. Januar 2008 in Liquidation.
Die K. übertrug durch notariellen Spaltungsvertrag vom 28. November 2002 im Wege der Ausgliederung Teile ihres Vermögens auf die Beklagte. Nach § 1 Nr. 1 des Spaltungsvertrags übertrug sie die in den Anlagen 1 bis 3 des Vertrags genannten Vermögenswerte an die Beklagte. In § 5 des Vertrags ist unter anderem geregelt, dass die Übertragung der Vermögenswerte laut Anlage 1 von der K. an die Beklagte vollumfänglich erfolgt, also insbesondere mit den in Anlage 3 genannten Geschäftsbeziehungen, Kundenverträgen und allen sonstigen Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem zu übertragenden Vermögenswert.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe im Rahmen der Spaltung auch das Kundenverhältnis mit ihm übernommen. Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation bestritten und vorgetragen, sie habe nur die Verträge mit den Kunden übernommen, die in der Anlage zum Spaltungsvertrag genannt worden seien. Dort sei der Kläger nicht aufgeführt. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. März 2012 eine Ablichtung des notariellen Spaltungsvertrags nebst Anlagen vorgelegt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht den Beweis einer fehlerhaften Anlageberatung habe führen können. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten mit Verfügung vom 7. Dezember 2012 aufgegeben, den notariellen Spaltungsvertrag in beglaubigter Abschrift vorzulegen. Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Februar 2013 die Ablichtung eines notariell beglaubigten Lichtbildauszuges des notariellen Spaltungsvertrags nebst Anlagen vorgelegt. Die Ablichtung der zugehörigen Anlage 3 'zu übertragende Kundenverträge' enthält eine 'Kundenliste des P. I. Fund, die von der K. Vermögensverwaltung GmbH auf die P. Vermögensverwaltung AG übertragen werden'. In dieser Liste werden Kundennamen sowie - den einzelnen Kunden zugeordnet - Depotnummern und Depotpositionen aufgeführt. Die mit Schriftsatz vom 6. Februar 2013 vorgelegte Ablichtung der Anlage 3 zum Spaltungsvertrag enthält eine zweite Liste mit Kundennamen und -anschriften. Diese Liste ist wie folgt überschrieben: 'Folgende Kunden des Bereichs Vermögensverwaltung werden von der K. Vermögensverwaltung GmbH ... an die P. Vermögensverwaltung AG übertragen'. Das zweite Blatt dieser insgesamt aus drei Blättern bestehenden Ablichtung der zweiten Liste endet mit dem Namen 'K. '. Das dritte Blatt beginnt mit dem Namen 'T. '. In beiden Listen der mit Schriftsatz vom 6. Februar 2013 eingereichten Ablichtung der Anlage 3 zum Spaltungsvertrag findet sich der Name des Klägers nicht.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte nicht passivlegitimiert. Sie habe den zwischen dem Kläger und der K. geschlossenen Beratungsvertrag nicht im Wege der Spaltung übernommen. Nach § 1 des Spaltungsvertrags habe die K. die in den Anlagen 1 bis 3 genannten Vermögenswerte auf die Beklagte übertragen. In der Anlage 3 würden unter der Überschrift 'zu übertragende Kundenverträge' Namen und Depotnummern von Kunden aufgeführt. Der Name des Klägers finde sich in dieser Anlage nicht. Die Übertragung der Kundenverbindung mit dem Kläger folge auch nicht aus dem weiteren Inhalt des Spaltungsvertrags und einem Anschreiben der Beklagten an den Kläger nach Wirksamwerden der Spaltung. Eine Haftung der Beklagten nach § 133 Abs. 1 UmwG sei ebenfalls nicht gegeben.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Geschäftsbeziehung zum Kläger sei von der Ausgliederung nicht erfasst worden, beruht auf einer verfahrensfehlerhaften, gegen § 286 Abs. 1 ZPO verstoßenden Würdigung des Prozessstoffs.
1. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 226/12, BGHZ 196, 35 Rn. 16 mwN).
2. Das Berufungsurteil erweist sich - auch bei Anwendung dieses engen revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs - als verfahrensfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Annahme, die Geschäftsbeziehung zum Kläger sei von der Ausgliederung nicht erfasst worden, den Prozessstoff nicht umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt.
Den knappen Ausführungen des Berufungsgerichts lässt sich - entgegen § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO - schon nicht entnehmen, welche 'Anlage 3' zum Spaltungsvertrag es seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat. Zwar hat es unter I (S. 3 der Urteilsgründe) auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 6. März 2012 vorgelegte Ablichtung des notariellen Spaltungsvertrags Bezug genommen. Diese Ablichtung enthält Anlagen mit teilanonymisierten Kundenlisten. Infolge der Anonymisierung sind in keiner dieser Listen Depotnummern erkennbar. Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung jedoch damit, dass in der Anlage 3 Namen und Depotnummern von Kunden aufgeführt werden (Seite 5 der Entscheidungsgründe). Dies lässt nur den Schluss zu, dass es die mit Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2013 eingereichte Anlage 3 zum Spaltungsvertrag seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat. In dem ersten Teil dieser Anlage befindet sich eine 'Kundenliste des P. I. Fund', die - den jeweiligen Kunden zugeordnete - Depotnummern aufweist. Indes ist diese Kundenliste für die Frage, ob die Geschäftsbeziehung zum Kläger auf die Beklagte übergegangen ist, ohne Bedeutung. Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger in den 'P. I. Fund' investiert hat oder in welcher Beziehung dieser Fonds gegebenenfalls zu der Beteiligung des Klägers steht. Streitgegenständlich ist allein die Beteiligung des Klägers an der A. M. GmbH & Co. KG. Der Umstand, dass der Name des Klägers nicht in der Kundenliste des 'P. I. Fund' aufgeführt wird, ist daher unmaßgeblich.
Die zweite in Anlage 3 zum Spaltungsvertrag befindliche Kundenliste weist dagegen keine Depotnummern auf. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht, das sich ausdrücklich auf Depotnummern bezogen hat, die Ablichtung dieser Liste seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat. Zudem trifft der Einwand der Revision zu, dass die Ablichtung der zweiten, alphabetisch geordneten Liste der Anlage 3 zum Spaltungsvertrag zwischen den Namen 'K ' und 'T. ', das heißt genau an der Stelle, an der sich der Name des Klägers befinden könnte, sehr wahrscheinlich eine Lücke aufweist. Das Fehlen des Namens des Klägers in dieser - wahrscheinlich unvollständigen - Ablichtung lässt daher ebenfalls nicht den Schluss darauf zu, dass die Geschäftsbeziehung zu ihm nicht auf die Beklagte übergegangen ist.
3. Die vorliegend erfolgte tatrichterliche Überzeugungsbildung mittels einer nicht maßgeblichen Kundenliste ist verfahrensfehlerhaft. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 ZPO), um dem Berufungsgericht die Gelegenheit zu geben, sich aufgrund zutreffender Tatsachengrundlage, insbesondere einer vollständigen, notariell beglaubigten Abschrift des Spaltungsvertrags und seiner Anlagen davon zu überzeugen, ob die Geschäftsbeziehung zum Kläger auf der Grundlage des Spaltungsvertrags auf die Beklagte übergegangen ist.
Dabei erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Revision auseinanderzusetzen, auf die näher einzugehen der Senat bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine Veranlassung sieht.
Schlick Seiters Tombrink Remmert Reiter Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 29.03.2012 - 3 O 248/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 22.02.2013 - 10 U 120/12 -