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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 30.11.1953, Az.: 1 STR 318/53

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. Dezember 1952 aufgehoben, soweit das Verfahren im Falle I wegen Verjährung und im Falle III wegen Straffreiheit eingestellt, ferner, soweit der Angeklagte in den Fällen II, IV, V und VI verurteilt worden ist, sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe und des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte. Die zu den Fällen II und V getroffenen Feststellungen werden ebenfalls aufgehoben; im übrigen werden die Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Entscheidungsgründe

Die Revision des Angeklagten wendet sich nicht gegen seine Verurteilung wegen Betrugs und Urkundenfälschung im Falle X des Eröffnungsbeschlusses. Im übrigen greift sie das Urteil an, soweit der Beschwerdeführer verurteilt und soweit das Verfahren eingestellt wurde.

A.Verfahrensrügen.

1.)§ 24 Abs. 3 Satz 2 StPO.

Das Landgericht hat dem Angeklagten auf Verlangen vor der Hauptverhandlung die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Richter namhaft gemacht. Dabei wurden ihm versehentlich Schöffen genannt, die für eine andere Sitzung ausgelost worden waren. Die Persönlichkeit der in der Hauptverhandlung tätigen Schöffen hat der Angeklagte, wie er vorträgt, erst aus der ihm zugestellten Urteilsausfertigung erkannt. Die angeführte Verfahrensvorschrift ist hiernach verletzt worden. Zur Aufhebung des Urteils würde das aber nur führen, wenn es auf der Gesetzesverletzung beruhen könnte. Das würde dann der Fall sein, wenn der Angeklagte einen der mitwirkenden Schöffen mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit hätte ablehnen können (RGSt 66, 10; RG JW 1930, S. 925 Nr. 35). Dies macht der Angeklagte hinsichtlich des Schöffen Hans He. unter Anführung von Einzelheiten geltend. Dazu hat der Senat die richterliche Anhörung des Schöffen veranlaßt. Seine Erklärung hat den Senat davon überzeugt, daß das Vorbringen des Angeklagten im wesentlichen nicht zutrifft. Dieser selbst hat zu der Äußerung des Schöffen Stellung genommen. Er gibt jetzt an, niemals behauptet zu haben, daß He. ihn persönlich angefeindet habe; was er gegen den Schöffen im einzelnen noch vorbringt, will er im wesentlichen nur daraus gefolgert wissen, daß dieser seit langem der Sozialdemokratischen Partei angehört, während der Angeklagte selbst Mitglied der Freien Demokratischen Partei war oder ist und dort auch ein Amt bekleidet hat. Diesen Folgerungen vermag der Senat nicht beizutreten. Die Parteizugehörigkeit des Schöffen rechtfertigte für sich allein seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht. Die Rüge greift daher nicht durch.

2.)§ 172 GVG.

Den Antrag des Angeklagten, die Öffentlichkeit auszuschließen, hat die Strafkammer abgelehnt mit der Begründung, daß weder die öffentliche Ordnung noch insbesondere die Staatssicherheit gefährdet erscheine. Diese in der Sitzungsniederschrift beurkundete und daher für die Entscheidung des Revisionsgerichts maßgebliche Begründung (§ 274 StPO) läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Es lag im pflichtmäßigen Ermessen der Strafkammer, ob sie in dem Vorbringen des Angeklagten einen Ausschließungsgrund fand. Auch diese Rüge bleibt deshalb ohne Erfolg. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Nichtausschluß der Öffentlichkeit überhaupt jemals eine Revision zu rechtfertigen vermag.

3.)§ 193 GVG.

Während der Zwischenberatungen der Strafkammer hat sich die Ergänzungsschöffin Frau H. im Beratungszimmer aufgehalten. Ob das mit dem § 193 GVG vereinbar ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls beruht das Urteil nicht darauf; denn die Ergänzungsschöffin hat sich, wie die dienstlichen Äußerungen der drei Berufsrichter ergeben, an den Beratungen überhaupt nicht beteiligt und abseits von den beratenden Richtern und Schöffen Platz genommen.

4.)§ 48 StPO.

Es liegt im Ermessen des Gerichts, auf welche Weise es die Ladung eines Zeugen vollziehen läßt (RGSt 35, 232; 40, 138). Wesentlich ist nur, daß dafür Sorge getragen wird, daß ihn die Ladung erreicht. Der im Saargebiet wohnhafte Zeuge Sch. brauchte daher nicht auf diplomatischem Wege geladen zu werden. Auf die gesetzlichen Folgen des unentschuldigten Ausbleibens mußte er nicht hingewiesen werden, weil sein Erscheinen nicht mit den Mitteln des § 51 StPO erzwungen werden konnte, § 48 StPO ist daher nicht verletzt worden.

5.)Gegen § 250 StPO ist nicht verstoßen worden. Da der Zeuge Sch. sein Erscheinen abgelehnt hatte und seine Anwesenheit nicht erzwungen werden konnte, durfte die Strafkammer seine frühere richterliche Aussage nach § 251 StPO verlesen.

6.)§§ 244 Abs. 3, 338 Nr. 8 StPO.

Die Ablehnung des Antrages des Angeklagten, den Staatsminister a. D. Josef M. als Zeugen zu laden, könnte nicht gegen § 250, sondern nur gegen § 244 Abs. 3 StPO verstoßen haben. Aber auch diese Vorschrift ist nicht verletzt. Das Gericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil ihm der Beweisgegenstand aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung erschien; es hat dies in seinem Beschluß näher begründet. Dadurch ist zugleich der vom Landgericht gebrauchte, dem Gesetz jedoch nicht bekannte Ausdruck "unbehelflich" ausreichend verdeutlicht worden. Die Ablehnung war nach § 244 Abs. 3 StPO zulässig.

Das Urteil stimmt mit der Begründung des ablehnenden Beschlusses überein. Dort wird unterstellt, daß der Angeklagte Gegner Auerbachs war und sich daran beteiligt hat, diesen belastende Tatsachen zu ermitteln. Gleichwohl durfte die Strafkammer zu der Überzeugung gelangen, daß der Entschädigungsantrag des Angeklagten vom 11. März 1950 seine persönliche Bereicherung bezweckte.

7.)§ 252 StPO.

Wenn die frühere Ehefrau des Angeklagten auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht verzichtet hatte, so durfte ihre polizeiliche Aussage auch nicht zum Zwecke des Vorhalts an den Angeklagten verlesen werden (RGSt 15, 100; 27, 29; vgl. BGHSt 2, 110, 111 aE). Diese Aussage ist aber, wie das Urteil zweifelsfrei ergibt, bei der Beweiswürdigung zur Schuld- und Straffrage nicht verwertet worden. Insbesondere beruhen die Feststellungen über die Dauer der Konzentrationslagerhaft des Angeklagten auf ganz anderen Grundlagen. Die polizeiliche Vernehmung der Frau W. war für die Strafkammer nur wegen des Eingangsstempels der Landeskriminalpolizei Saarbrücken von Bedeutung, der sich auf der darüber gefertigten Aufzeichnung befindet; diesen Stempelabdruck hat die Strafkammer bei ihren Erwägungen zu § 10 des Straffreiheitsgesetzes vom 31.12.1949 berücksichtigt. Das ist unbedenklich.

8.)§ 268 StPO.

Auf den behaupteten Widerspruch zwischen der mündlichen und der schriftlichen Urteilsbegründung kann die Revision nicht gestützt werden (RGSt 4, 382; BGH 2 StR 22/51 vom 8. Juni 1951).

9.)§ 265 StPO ist nicht verletzt. Die Vorschrift des § 154 StGB, auf Grund deren der Angeklagte verurteilt wurde, war im Eröffnungsbeschluß angeführt.

10.)

§ 60 Nr. 3 StPO.

Nach den Urteilsfeststellungen liegt es zumindest nahe, daß die Zeugin Bi. an der Urkundenfälschung des Angeklagten im Falle VIII strafbar beteiligt war.

Dann durfte sie nicht, wie geschehen, vereidigt werden. Das Urteil kann aber nicht auf einem Verstoß gegen den § 60 Nr. 3 StPO beruhen. Der Angeklagte hatte die Tat zugestanden; sie war auch urkundlich nachgewiesen. Die für die Anwendung des Straffreiheitsgesetzes vom 31.12.1949 bedeutsame Tatzeit hat die Strafkammer auch unabhängig von der Aussage der Zeugin Bi. aus Urkunden festgestellt.

B.Sachbeschwerde.

I.Im Falle I hat die Strafkammer das Verfahren eingestellt. Sie hat entgegen dem Eröffnungsbeschluß nicht nur eine, sondern zwei selbständige strafbare Handlungen des Angeklagten festgestellt, nämlich 1.) eine mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) in Tateinheit mit unbefugter Führung des Doktortitels (§ 5 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade vom 7.6.1939, RGBl I S. 985 = AkGrG), sowie 2.) eine fortgesetzte Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Die Strafverfolgung der ersten Tat hält das Landgericht für verjährt, indem es anstelle des § 271 StGB auf Grund des § 2 a Abs. 2 StGB (in der bis zum 30.9.1953 geltenden Fassung) die inzwischen in Kraft getretene mildere, nur Übertretungsstrafe androhende Vorschrift des § 3 Abs. 1 b des Gesetzes über Personalausweise vom 19.12.1950 (BGBl S. 807) anwendet. An einer Verurteilung des Angeklagten wegen der zweiten Tat sieht sich das Landgericht durch den § 4 des bayerischen Straffreiheitsgesetzes vom 24. Januar 1948 (GVBl S. 3, BayStFG) gehindert; denn die Tat sei vor dem Stichtag dieses Gesetzes (1.10.1947) begangen, und der Angeklagte habe dafür nicht eine 6 Monate übersteigende Gefängnisstrafe verwirkt.

1.)Auf die allgemeine Sachrüge des Angeklagten hat der Senat zunächst geprüft, ob die Feststellungen des Tatrichters statt zur Einstellung des Verfahrens etwa zum Freispruch des Angeklagten hätten führen müssen. Das ist zu verneinen. In beiden Unterfällen verstieß das Verhalten des Angeklagten zum wenigsten gegen die vom Landgericht angeführten Strafgesetze. Was insbesondere die in dem zweiten Unterfall angenommene Urkundenfälschung anlangt, so bedarf es an dieser Stelle keiner Erörterung, ob die Abänderung von Photokopien eine Urkundenfälschung sein kann. Der Tatbestand dieses Vergehens ist jedenfalls insoweit zweifelsfrei gegeben, als der Angeklagte im Zusammenwirken mit "gewerbsmässigen Fälschern" eine Reihe falscher Urkunden, also scheinbarer Urschriften, neu hat herstellen lassen.

2.)Die Gründe, aus denen das Landgericht eine Entscheidung zur Sache für unzulässig gehalten hat, sind nicht frei von Rechtsirrtum. Soweit das Verfahren - in dem ersten Unterfall - wegen Verjährung eingestellt wurde, bestehen rechtliche Bedenken gegen die Annahme, daß der § 3 Abs. 1 b des Gesetzes über Personalausweise, wie das Landgericht meint, eine Sondervorschrift gegenüber dem § 271 StGB darstelle; denn zu dessen Tatbestände gehört, daß es zu der falschen Beurkundung tatsächlich gekommen ist, während § 3 Abs. 1 b a.a.O. das nicht voraussetzt. Überdies ist, wie das Landgericht selbst annimmt, die tateinheitlich begangene unbefugte Führung des Doktortitels nicht verjährt, so daß mindestens insoweit ein Schuldspruch geboten und deshalb auch die Einstellung im übrigen nicht zulässig war. Soweit das Verfahren - in dem zweiten Unterfall - nach dem BayStFG eingestellt wurde, ist vom Landgericht übersehen, daß vor dem Stichtag dieses Gesetzes auch die Tat des Falles III begangen worden ist; § 4 BayStFG war deshalb nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (RevReg Nr. III 305/51 vom 14.11.1951), der der Senat beitritt, nur anwendbar, wenn die aus beiden Taten zu bildende Gesamtstrafe 6 Monate Gefängnis nicht überstieg; das hat die Strafkammer nicht geprüft.

Durch diese Rechtsfehler ist der Angeklagte aber nicht beschwert.

3.)Der Angeklagte erstrebt mit seiner Revision die Anwendung der §§ 9 und 10 des Bundesstraffreiheitsgesetzes vom 31.12.1949 (BundStFG). Damit kann er keinen Erfolg haben. Denn mehr als die schon ausgesprochene Einstellung des Verfahrens könnte er auch nach diesen Vorschriften nicht erreichen. Das Urteil beschwert ihn daher auch unter diesem Gesichtspunkte nicht. Zudem geht eine Einstellung wegen Verjährung der Einstellung auf Grund eines Straffreiheitsgesetzes vor (RGSt 53, 276; RG JW 1938, 1886 Nr. 25), ebenso die Einstellung auf Grund eines früheren Straffreiheitsgesetzes der nach einem späteren.

4.)Gleichwohl ist das Urteil insoweit aufzuheben, als in dem ersten Unterfalle das Verfahren wegen Verjährung eingestellt worden ist. Die hier festgestellte, nicht verjährte unbefugte Titelführung ist nur ein Teilstuck eines fortgesetzten Vergehens gegen § 5 AkGrG; denn der Angeklagte hat, wie die Feststellungen ergeben, auf Grund eines einheitlichen Gesamtvorsatzes den Doktortitel nicht nur hier, sondern auch später noch jahrelang bei mannigfachen Gelegenheiten unberechtigt geführt, so insbesondere in den Fällen II, IV, V, VI des Urteils. Die Entscheidung des Landgerichts ist, wie noch darzulegen sein wird, in den soeben genannten Fällen aufzuheben. Dies führt, da über alle Bestandteile einer fortgesetzten Tat einheitlich entschieden werden muß, auch zur Aufhebung der in dem ersten Unterfalle ausgesprochenen Einstellung des Verfahrens; die dazu getroffenen Feststellungen sind jedoch aufrecht zu erhalten. In der kommenden Verhandlung wird das Landgericht allerdings durch § 358 Abs. 2 StPO gehindert sein, insoweit eine besondere Strafe auszusprechen; doch steht nichts im Wege, die hier vorliegende unbefugte Titelführung in einen Schuldspruch wegen eines fortgesetzten Vergehens gegen § 5 AkGrG einzubeziehen.

Dagegen ist in dem zweiten Unterfalle, in dem ein Vergehen gegen § 5 AkGrG weder im Eröffnungsbeschluß angenommen noch im Urteil festgestellt worden ist, das Rechtsmittel des Angeklagten zu verwerfen.

II.Im Falle II ist der Angeklagte wegen folgender fortgesetzten, tateinheitlich zusammentreffenden strafbaren Handlungen verurteilt worden: Urkundenfälschung, falsche Versicherung an Eides Statt, versuchtes Vergehen gegen § 49 des bayerischen Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz, im folgenden "EG") vom 12.8.1949 (GVBl S. 195) und Vergehen gegen § 5 AkGrG. Seine Revision hat in diesem Falle Erfolg.

1.)Den Tatbestand der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) hat der Angeklagte nach der Auffassung des Tatrichters in zwei Fällen verwirklicht, nämlich am 20. Juli 1948 und am 11. März 1950; das zweite Mal hat er drei eidesstattliche Versicherungen zugleich eingereicht. Alle Versicherungen wurden gegenüber dem Bayerischen Landesentschädigungsamt abgegeben, das übrigens zur Zeit der ersten Tat noch die Bezeichnung "Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte" führte (vgl. § 3 der II.VO über die Organisation der Wiedergutmachung vom 22.11.1949, GVBl S. 276).

a)Daß diese Behörde überhaupt befugt war, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen, ergibt sich für den Zeitpunkt der ersten Versicherung des Angeklagten (20. Juli 1948) aus dem § 5 des bayerischen Gesetzes Nr. 75 über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung vom 1.8.1947 (GVBl S. 164). Nach dieser Bestimmung hat der Antragsteller seinen Antrag durch Urkundenbeweis oder eidesstattliche Versicherungen glaubwürdiger Personen zu belegen. Zur Zeit der am 11. März 1950 abgegebenen Versicherungen des Angeklagten war schon das Entschädigungsgesetz erlassen; das Sonderfondsgesetz Nr. 75 ist aber hierdurch nicht aufgehoben worden; mit dessen Vorschriften läßt sich daher die allgemeine Zuständigkeit des Landesentschädigungsamts auch noch für diesen Zeitpunkt begründen. Versicherungen an Eides Statt gegenüber dem Landesentschädigungsamt sind ferner in § 7 Abs. 1 EG zugelassen. Schliesslich war im März 1950 auch schon die Haftentschädigungsverordnung vom 28.11.1949 (GVBl S. 287) in Kraft, die in § 8 Abs. 3 ebenfalls die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen durch das Landesentschädigungsamt vorsieht. Auf die rechtlich bedenklichen Ausführungen des Urteils, die Zuständigkeit des Landesentschädigungsamts sei auch aus gewissen Bestimmungen des Rückerstattungsgesetzes zu folgern, braucht bei dieser Sachlage nicht eingegangen zu werden.

Mit dieser allgemeinen Zuständigkeit ist aber noch nicht die in § 156 StGB vorausgesetzte Zuständigkeit der Behörde zur Abnahme von Versicherungen an Eides Statt nachgewiesen. Dazu gehört weiter, daß die Versicherung über den in Rede stehenden Gegenstand und in dem Verfahren, um das es sich handelt, abgegeben werden darf und dort nicht völlig wirkungslos ist (RGSt 73, 144; 75, 399; BGHSt 2, 218, 222; BGH 4 StR 548/52 vom 22.1.1953, NJW 1953, 994 Nr. 21). In diesem Sinne ist die Zuständigkeit des Landesentschädigungsamtes für die erste Versicherung vom 20. Juli 1948 bisher nicht dargetan. Bedenken ergeben sich allerdings nicht daraus, daß der Angeklagte diese Versicherung nicht als Zeuge, sondern als Antragsteller in seinem eigenen Verfahren abgegeben hat. Wenn auch § 5 des Sonderfondsgesetzes von eidesstattlichen Versicherungen "glaubwürdiger Personen" spricht, so fehlt es doch an einem Anhalt dafür, daß damit grundsätzlich nur unbeteiligte Dritte gemeint seien; auch ein Antragsteller kann als glaubwürdige Person angesehen werden. Die Versicherung vom 20. Juli 1948 war aber einem Antrag beigegeben, der nur die Ausstellung eines "Ausweises für ehemalige KZ-Insassen" zum Gegenstande hatte. Es ist bisher nicht dargetan, daß das Staatskommissariat schon damals zur Ausstellung solcher Ausweise berufen war (vgl. dagegen das bayerische Gesetz über die Anerkennung als rassisch, religiös und politisch Verfolgte vom 15.11.1950, GVBl S. 224, und das bayerische Gesetz über die Anerkennung als Verfolgte vom 27.3.1952, GVBl S. 124), und daß es in diesem Verfahren Versicherungen an Eides Statt abnehmen durfte. Der § 5 des Sonderfondsgesetzes bezieht sich nur auf Anträge auf Wiedergutmachungsleistungen geldlicher Art (vgl. § 1 a.a.O.). Daß der Angeklagte mit seinem Antrage vom 20. Juli 1948 solche erreichen wollte, hat die Strafkammer für nicht nachgewiesen erachtet, wie sich aus ihren Ausführungen zur Frage des Betruges ergibt (UA S. 154).

Diese Bedenken bestehen dagegen nicht, soweit es sich um die eidesstattlichen Versicherungen vom 11. März 1950 handelt. Für die Versicherung, mit der der Angeklagte seinen Haftentschädigungsanspruch begründete, ergibt sich dies unmittelbar aus dem schon angeführten § 8 Abs. 3 der Verordnung vom 28.11.1949. Für die beiden weiteren Versicherungen, die die Anträge auf Entschädigung für Eigentum und Vermögen sowie für Nachteile im wirtschaftlichen Fortkommen unterstützen sollten, ist die Zuständigkeit daraus zu folgern, daß schon das Entschädigungsgesetz zur Genüge erkennen läßt, daß dem Landesentschädigungsamt ein förmliches Beweisverfahren als Grundlage seiner Entscheidung über die bei ihm erhobenen. Ansprüche übertragen wurde; in diesem Verfahren konnten die Versicherungen des Angeklagten jedenfalls nach der damaligen Rechtslage auch Beweisbedeutung haben (vgl. BGHSt 2, 218). Die Zuständigkeits- und Verfahrensverordnung vom 14.4.1950 (GVBl S. 73), nach deren § 10 Abs. 1 im Verfahren über Wiedergutmachungsansprüche nur Versicherungen unbeteiligter glaubwürdiger Personen zugelassen werden, war damals noch nicht erlassen; sie hat insoweit rechtsändernde Bedeutung.

b)Daß die Erklärungen, deren Wahrheit der Angeklagte eidesstattlich versicherte, unrichtig waren, hat der Tatrichter in rechtlich unangreifbarer Beweiswürdigung festgestellt. Mit seinem hiergegen gerichteten Vorbringen kann der Angeklagte in diesem Rechtszuge nicht gehört werden.

c)Zur inneren Tatseite hat das Landgericht für erwiesen gehalten, daß der Angeklagte die Unrichtigkeit seiner Erklärungen kannte und daß er sowohl am 20. Juli 1948 als auch am 11. März 1950 das Landesentschädigungsamt für zuständig hielt, Versicherungen an Eides Statt abzunehmen.

d)Danach sind die Voraussetzungen des § 156 StGB für die eidesstattlichen Versicherungen des Angeklagten vom 11. März 1950 völlig dargetan. Für die Versicherung vom 20. Juli 1948 fehlt es dagegen, wie oben unter a) dargelegt, bislang an einem Nachweis des äusseren Tatbestandes. Der innere Tatbestand alle in könnte keine Strafbarkeit des Angeklagten begründen; denn § 156 Abs. 2 StGB, der den Versuch unter Strafe stellte, ist inzwischen durch Art. 2 Nr. 26 des III. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4.8.1953 (BGBl I S. 735) mit Wirkung vom 1. Oktober 1953 aufgehoben worden; im Revisionsrechtszuge ist dies zugunsten des Angeklagten nach § 2 Abs. 2 StGB n.F., § 354 a StPO zu berücksichtigen.

2.)Urkundenfälschung, und zwar durch Gebrauch unechter und verfälschter Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr, hat W. nach der Auffassung der Strafkammer dadurch begangen, daß er am 20. September 1947 und am 10. Januar 1949 einem Beamten des Bürgermeisteramts in L. sowie am 15. März 1950 dem Notar in Fürth gefälschte und verfälschte Urkunden vorlegte mit dem Ansuchen, Abschriften davon zu beglaubigen; er gab die Urkunden dabei als echt aus.

a)Diese rechtliche Würdigung ist unbedenklich, soweit es sich um die gefälschten Urkunden handelt. Insoweit ist den Feststellungen zu entnehmen, daß der Angeklagte von "gewerbsmäßigen Fälschern" Schriftstücke hat anfertigen lassen, die den falschen Schein erweckten, als rührten sie von den Personen her, die als Aussteller darauf erschienen. Von diesen Falschstücken hat der Angeklagte zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht, indem er sie mit der Vorspiegelung, sie seien echt, den Beglaubigungspersonen zur Einsicht vorlegte. Dem Urteil ist freilich nicht mit voller Klarheit zu entnehmen, ob W. den Beglaubigungspersonen die Falschstücke selbst oder nur Photokopien davon vorlegte (vgl. UA S. 144); doch ist dies unschädlich; denn auch die Lichtbilder ermöglichten den Beglaubigungspersonen mittelbar die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten gefälschten Urkunden, die dem Begriff des Gebrauchens wesentlich ist (RGSt 69, 228; vgl. BGHSt 2, 50).

b)Was die verfälschten Urkunden anlangt, und zwar zunächst den Schutzhaftbefehl der Geheimen Staatspolizei, so unterstellt die Strafkammer zugunsten des Angeklagten, er habe, als er die Verfälschung vornehmen ließ, nur noch eine Photokopie des Schutzhaftbefehls besessen. Demnach geht das Landgericht hier davon aus, daß nur die Photokopie verfälscht worden ist (UA S. 31, 151). Bei den übrigen Verfälschungen scheint das Landgericht mit derselben Möglichkeit zu rechnen. In diesem Falle muß der Tatbestand des § 267 StGB verneint werden. Die Annahme des Landgerichts, daß eine Photokopie grundsätzlich als Urschrift gelte, trifft nicht zu. Sie ist vielmehr, jedenfalls in aller Regel, nur ein Abbild davon, mittels dessen zwar im Sinne des § 267 von der Urschrift Gebrauch gemacht werden kann, aber nicht selbst Urkunde. Das ergibt sich schon daraus, daß aus ihr nicht hervorgeht, wer sie hergestellt hat, wer ihr Aussteller ist (vgl. RGSt 46, 297; 69, 228; RG HRR 1940, 1364; BGHSt 1, 117, 119); ob dies unter besonderen, hier jedoch nicht ersichtlichen Umständen anders liegen könnte und dann die Urkundeneigenschaft einer Photokopie zu bejahen sein würde, bedarf keiner Entscheidung. Soweit es also an Urschriften überhaupt fehlt und nur Photokopien verändert wurden, ist der Tatbestand der Urkundenfälschung nicht erfüllt.

Hiernach ist der Umfang der Schuld des Angeklagten nicht rechtlich fehlerfrei festgestellt.

c)Unbedenklich ist die Annahme der Strafkammer, daß der Angeklagte zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt hat. Ferner liegt kein Rechtsfehler darin, daß sie in dem Gebrauche der gefälschten und verfälschten Urkunden gegenüber der unter C I ihres Urteils erörterten fälschlichen Anfertigung bezw. Verfälschung eine selbständige strafbare Handlung sieht. Zwar ist schon durch diese Handlungen einer der Tatbestände des § 267 StGB verwirklicht und damit eine Urkundenfälschung vollendet worden. § 267 stellt aber in gleicher Weise auch den Gebrauch unechter oder verfälschter Urkunden unter Strafe. In vielen Fällen stellen allerdings die Fälschung oder Verfälschung zusammen mit dem Gebrauch des Falschstückes nur eine Straftat dar, dann nämlich, wenn dieser Gebrauch dem schon bei der Fälschung oder Verfälschung bestehenden Plane des Täters entspricht; dann wird die schon mit dem Fälschen bezw. Verfälschen rechtlich vollendete Straftat erst durch den Gebrauch beendet (BGH 1 StR 399/51 vom 23.10.1951; 1 StR 743/52 vom 17.3.1953). Der gegenwärtige Fall liegt anders. Der Angeklagte verfolgte, wie das Landgericht für glaubhaft hält, bei den Fälschungen und Verfälschungen nur den Zweck, über seinen Personenstand zu täuschen; er hatte damals noch nicht vor, sich mit den unechten und verfälschten Urkunden auch staatliche Wiedergutmachungsleistungen zu verschaffen, Dazu hat er sich erst im Frühjahr 1947 entschlossen; dort liegt die "große Zäsur" (UA S. 152). Unter diesen Umständen war es hier geboten, in dem Gebrauche der unechten und verfälschten Urkunden neue, selbständige Straftaten zu sehen.

3.)Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Vergehens gegen § 49 EG, begangen sowohl durch die Entschädigungsanträge vom 11. März 1950 als auch durch das Darlehensgesuch an das Bayerische Finanzministerium vom 23. März 1950, hat das Landgericht ohne Rechtsirrtum begründet. Die Behauptung des Angeklagten, er habe ohne Bereicherungsabsicht und ohne Schädigungsvorsatz, nur als "agent provocateur" gehandelt, um A. zu stürzen, hat der Tatrichter für widerlegt erachtet. Darin zeigt sich weder ein Denkfehler noch ein sonstiger Rechtsverstoß. Das Revisionsgericht ist daher an die getroffene Feststellung gebunden.

Der Angeklagte ist von dem - beendeten - Versuch nicht mit strafbefreiender Wirkung nach § 46 Nr. 2 StGB zurückgetreten. Das der Staat nicht geschädigt wurde, ist nicht auf sein angebliches Schreiben an das Landesentschädigungsamt vom 13. April 1950 zurückzuführen, sondern darauf, daß dieses Amt - und zwar schon vorher - von den Machenschaften des Angeklagten durch die Kriminalpolizei Kenntnis erhalten hatte.

Während des Revisionsverfahrens, nämlich mit Wirkung vom 1. Oktober 1953, hat das bayerische (zoneneinheitliche) Entschädigungsgesetz durch das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18.9.1953 (BGBl I S. 1387) eine neue Fassung erhalten. § 49 der früheren Fassung oder eine sonstige Strafvorschrift ist in die Neufassung nicht aufgenommen worden. Das vom Landgericht angewandte Strafgesetz ist jetzt also nicht mehr in Kraft.

Das bedeutet aber nicht, daß die Tat des Angeklagten nach der jetzigen Rechtslage straflos ist; denn sie enthält auch alle Merkmale eines versuchten Betruges nach den §§ 263, 43 StGB, der dem Angeklagten übrigens bereits im Eröffnungsbeschluß zur Last gelegt worden war. Schon das Landgericht hätte die Tat zugleich (§ 73 StGB) als versuchten Betrug würdigen müssen; denn die Straftatbestände des § 49 EG und des § 263 StGB stehen nicht im Verhältnis der Gesetzeseinheit, können vielmehr in Tateinheit miteinander treten (BGHSt 3, 248, 256). Daraus ergibt sich, daß die neue Rechtslage dem Angeklagten günstiger ist; nach ihr ist sein Verhalten nur noch als versuchter Betrug nach den §§ 263, 43 StGB anzusehen. Das Revisionsgericht hat das nach § 2 Abs. 2 StGB, § 354 a StPO zu beachten. Eine Änderung des Schuldspruchs erübrigt sich indes, weil die Verurteilung aus anderen Gründen aufzuheben ist.

4.)Die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergehens gegen § 5 AkGrG zeigt keinen Rechtsfehler. Diese Straftat ist nicht, wie der Angeklagte meint, ein sogenanntes Zustandsvergehen mit der Folge, daß nur das erstmalige unbefugte Annehmen des Doktortitels zu bestrafen wäre; denn dadurch allein ist noch kein rechtswidriger Zustand geschaffen worden. Sie wird vielmehr durch jede einzelne Handlung verwirklicht, in der die unbefugte Führung des Titels zum Ausdruck kommt. Deshalb ist sie auch kein sogenanntes Dauervergehen, wie das Landgericht annimmt; es handelt sich vielmehr um eine fortgesetzte Tat (vgl. oben B I 4).

5.)Das Landgericht nimmt an, daß alle in diesem Abschnitt behandelten Straftaten des Angeklagten tateinheitlich zusammentreffen. Der Entschädigungsantrag vom 11. März 1950 weise zunächst schon für sich allein die Merkmale der falschen Versicherung an Eides Statt wie auch die der unbefugten Titelführung und des versuchten Vergehens gegen § 49 EG auf. Ferner habe der Angeklagte die Urkundenfälschungen vom 10. Januar 1949 (Bürgermeisteramt L.) und vom 15. März 1950 (Notar in Fürth) in der Absicht begangen, mit den dadurch erstrebten beglaubigten Abschriften nicht bestehende Entschädigungsansprüche zu verfolgen; da er sodann die beglaubigten Abschriften dem Entschädigungsantrag vom 11. März 1950 beigefügt habe, seien auch diese Urkundenfälschungen in die Tateinheit einbezogen. Entsprechendes nimmt das Landgericht hinsichtlich des Antrages vom 20. Juli 1948 an; in diese Straftat soll auch die am 20. September 1947 begangene Urkundenfälschung (Bürgermeisteramt L.) tateinheitlich einbezogen sein. Endlich soll nach der Ansicht des Landgerichts jeweils Fortsetzungszusammenhang bestehen zwischen den beiden falschen Versicherungen an Eides Statt, den wiederholten Urkundenfälschungen und den am 11. und 23. März 1950 begangenen Vergehen gegen das Entschädigungsgesetz. Hieraus wird dann die Folgerung gezogen, daß alle Gesetzesverletzungen eine Tateinheit bilden.

Diese Ausführungen unterliegen rechtlichen Bedenken. Tateinheit ist nicht schon dann gegeben, wenn mehrere Straftaten auf einen einheitlichen Plan des Täters zurückgehen, insbesondere eine Straftat die Begehung anderer ermöglichen oder fördern soll (BGHSt 3, 289, 295). Voraussetzung der Tateinheit ist vielmehr nach ständiger Rechtsprechung, daß ein und dasselbe Handeln den Tatbestand mehrerer Strafgesetze mindestens zu einem Stück verwirklicht. Das ist hier, soweit es sich um die beiden Fälle falscher Versicherungen an Eides Statt einerseits, den Gebrauch unechter und verfälschter Urkunden andererseits handelte, offenbar nicht der Fall. Auch die Annahme von Fortsetzungszusammenhang ist bedenklich Dazu gehört, abgesehen von einer engen zeitlichen Beziehung, die hier schon zweifelhaft sein kann, ein von vornherein vorhandener einheitlicher Gesamtvorsatz: Der Täter muß von Anfang an einen durch mehrere Teilhandlungen zu erreichenden Gesamterfolg im Auge haben; seine Vorstellung von Art, Ort und Zeit dieser Teilhandlungen muß von Anfang an einigermassen bestimmt sein (BGHSt 1, 313, 315). Es ist mindestens zweifelhaft, ob das Landgericht mit dem von ihm angenommenen "einheitlichen Willensentschluß" des Angeklagten, die durch das Sonderfondsgesetz und das Entschädigungsgesetz dargebotenen Möglichkeiten, soweit tunlich, auszuschöpfen, einen solchen Gesamtvorsatz feststellen wollte. Beim Fehlen näherer Darlegungen kann dem Urteil nicht entnommen werden, daß der Angeklagte bei dem ersten Gebrauch falscher Urkunden schon an weitere mehr als ein und zweieinhalb Jahre später folgende gleichartige Handlungen und daß er bei der ersten falschen eidesstattlichen Versicherung an eine Wiederholung dieser Tat nach fast zwei Jahren dachte. Das aber wäre insoweit Voraussetzung einer fortgesetzten Tat gewesen. Der Umstand, daß alle Handlungen, durch welche sich der Angeklagte gegen die §§ 156, 267, 263 StGB, § 49 EG vergangen hat, zugleich Teilstücke des einheitlichen, fortgesetzten Vergehens gegen § 5 AkGrG darstellen, vermag jene mit erheblich schwererer Strafe bedrohten Handlungen nicht zur Tateinheit zusammenzuschließen; dies hat das Landgericht schon zutreffend ausgeführt (BGHSt 1, 67; 2, 246; 3, 165; NJW 1952, 795 Nr. 22).

6.)Die festgestellten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung der ganzen im Falle II ausgesprochenen Verurteilung des Angeklagten.

Stellt die Strafkammer in der neuen Verhandlung selbständige Straftaten fest, die vor den Stichtagen der Straffreiheitsgesetze des Landes Bayern und des Bundes liegen, so wird sie wiederum die Frage der Niederschlagung zu prüfen haben. Dass in solchen strafbaren Handlungen zugleich ein Teilstück eines über die Stichtage hinaus fortgesetzten Vergehens gegen § 5 AkGrG enthalten ist, würde die Anwendung der Straffreiheitsgesetze im übrigen dann nicht hindern, wenn für die Taten ungeachtet der bestehenden Tateinheit (oben 5 am Ende) besondere Strafen festzusetzen wären. Das fortgesetzte Vergehen gegen § 5 a.a.O. könnte allerdings von der Straffreiheit auch nicht teilweise ergriffen werden. Diese würde daher bei solcher Rechtslage nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern nur dazu führen können, daß der Schuldspruch auf das Vergehen gegen § 5 AkGrG beschränkt wird.

Den § 10 BundStFG hat das Landgericht, soweit er zeitlich überhaupt in Frage kam, bisher aus zutreffenden Gründen nicht angewandt. Hat der Angeklagte einzelne Straftaten zur Verschleierung seines Personenstandes aus politischen Gründen begangen, so hat er doch seine unwahren Angaben nicht, wie § 10 es verlangt, rechtzeitig freiwillig widerrufen. Diese waren spätestens im März 1950 der Kriminalpolizei bekannt geworden und sind ihm, wie das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt feststellt, bei der polizeilichen Vernehmung vom 30. März 1950 vorgehalten worden. Sein Widerruf am folgenden Tage ist daher selbst dann nicht mehr freiwillig, wenn er sich ihn schon früher vorgenommen hatte; der Aufschub bis zum letzten Tage der in § 10 gewährten Frist ging auf seine Gefahr. Mit Recht hält das Landgericht einen freiwilligen Widerruf jedenfalls dann nicht mehr für möglich, wenn die unwahren Angaben, wie hier, schon entdeckt sind und dies dem Täter auch bekannt ist.

Die Verneinung der Voraussetzungen des § 10 BundStFG schließt aber nicht die Anwendbarkeit des § 9 dieses Gesetzes aus; diese bleibt vielmehr zu prüfen (BGH 1 StR 398/51 vom 23.10.1951; 3 StR 841/51 vom 13.12.1951).

III.Im Falle III hat die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten als Betrugsversuch angesehen, das Verfahren aber nach § 4 BayStFG eingestellt. Der Angeklagte erstrebt mit der Revision seinen Freispruch; seine Ausführungen sind aber mit den bindenden Feststellungen des Tatrichters nicht vereinbar und müssen deshalb in diesem Rechtszuge unbeachtet bleiben. Wohl nimmt die Strafkammer an, daß er sich um das Amt des Spruchkammerklägers in der Absicht bewarb, auf diesem Wege Einblick in die Fahndungslisten zu erhalten. Dem widerspricht aber nicht die weitere Feststellung, daß er, nachdem ihm das Amt übertragen war, versuchte, sich durch unwahre Behauptungen eine ihm nicht zustehende höhere Besoldung zu verschaffen. Nur hierin hat die Strafkammer die Betrugshandlung des Angeklagten gesehen; ein Rechtsirrtum ist darin nicht zu finden. Im übrigen steht einem Freispruch auch entgegen, daß der Angeklagte sich, was das Landgericht zwar festgestellt, rechtlich aber nicht gewürdigt hat, auch hier zugleich, eines Vergehens der unbefugten Titelführung schuldig gemacht hat.

Die Anwendung des bayerischen Straffreiheitsgesetzes ist zwar aus den schon oben unter B I 2 dargelegten Gründen rechtlich zu beanstanden. Ferner war es unrichtig, daß die Strafkammer die Voraussetzungen des strafschärfenden Rückfalls (§ 264 StGB) deshalb verneinte, weil der Angeklagte sich die letzte Betrugsstrafe im Saargebiet und somit im Auslande zugezogen habe. Das Saargebiet war auch in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags und dem 1. März 1935 nicht Ausland, sondern Bestandteil des Deutschen Reiches; vgl. die Entscheidung des Reichsgerichts vom 21.1.1930 (RGSt 63, 395). Doch ist der Angeklagte durch diese Rechtsfehler nicht beschwert.

Soweit der Angeklagte hilfsweise die Einstellung des Verfahrens nach den §§ 9, 10 BundStFG erstrebt, fehlt es an einer ihm durch das Urteil zugefügten Beschwer. Insoweit wird auf die Ausführungen unter B I 3 Bezug genommen. Da indes das Verhalten des Angeklagten im Falle III zugleich ein Teilstück seiner fortgesetzten, auch in anderen Fällen vorliegenden unbefugten Titelführung (§ 5 AkGrG) enthält, muß die im Falle III getroffene Entscheidung des Landgerichts aufgehoben werden; die Feststellungen sind jedoch aufrecht zu erhalten. Das; oben zu B I 4 Dargelegte gilt auch hier entsprechend.

IV.Im Falle IV muß die Revision Erfolg haben.

1.)Die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung nach den §§ 271, 272 StGB ist nicht aufrechtzuerhalten. In das beim Staatsministerium für Wirtschaft geführte öffentliche Berufsregister (§ 7 des bayerischen Gesetzes Nr. 105 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 9.3.1948, GVBl S. 45) ist nichts Unrichtiges eingetragen worden; denn der Angeklagte war in der Tat von dieser Behörde zum Wirtschaftsprüfer bestellt worden. Daß er die Bestellung durch unwahre Behauptungen erschlichen hat, namentlich die, er habe die Prüfung im Jahr 1935 abgelegt, ändert hieran nichts. Das Register beweist, wie sich aus § 24 der DurchfVO zum Gesetz Nr. 105 vom 15.12.1948 (GVBl 1949 S. 4, 7) ergibt, nicht, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Bestellung vorgelegen haben, insbesondere die Prüfung abgelegt worden ist, sondern nur die Tatsache der Bestellung.

Entsprechendes gilt für die Bestellungsurkunde. Deren Erwirkung kann ebenfalls nicht nach den §§ 271, 272 StGB geahndet werden.

2.)Der Angeklagte hat das Ministerium über seine angeblich abgelegte Prüfung mittels unechter oder verfälschter Urkunden irregeführt. Dem Urteil ist aber zu entnehmen, daß er diese Urkunden nicht in Urschrift, sondern nur in beglaubigten Abschriften vorgelegt hat. Diese Abschriften sind keine unechten oder verfälschten Urkunden; ihre Vorlage ist auch kein Gebrauch der Falschstücke selbst. Die Voraussetzungen des § 267 StGB sind daher in diesem Falle im Ergebnis zutreffend verneint worden. Die Vorlage der unechten oder verfälschten Urkunden an die Beglaubigungsbeamten ist schon beim Falle II gewürdigt worden; sie ist eine andere Tat als die hier in Rede stehende.

3.)Gleichwohl kann der Angeklagte nicht freigesprochen werden. Es bleibt das Vergehen der unerlaubten Titelführung, dessen er sich auch hier schuldig gemacht hat. Da Teilakte dieses fortgesetzten Vergehens mit strafbaren Handlungen rechtlich zusammentreffen, wegen deren die Sache der neuen Entscheidung durch den Tatrichter zugeführt wird, muß die Zurückverweisung den Fall IV umfassen. Die Feststellungen bleiben jedoch bestehen.

V.Fall V.

Die Verurteilung wegen Meineids (§§ 154, 157 StGB) kann nicht aufrechterhalten werden.

1.)Die Feststellung allerdings, daß der Angeklagte sich eines Meineids schuldig gemacht hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von den verschiedenen unwahren Angaben, die er bei seiner Vernehmung als Zeuge in dem Strafverfahren gegen B. gemacht hat, legt die Strafkammer nur die eine der Verurteilung zugrunde, er habe sich zwei Jahre lang, und zwar von 1936 bis 1938, in den Konzentrationslagern E. und S. befunden. In Wirklichkeit hatte der Lageraufenthalt des Angeklagten nach der Überzeugung des Tatrichters wesentlich kürzere Zeit gedauert; der Angeklagte wußte das, und es war ihm auch bekannt, daß dieser Teil seiner Aussage unter den Zeugeneid fiel. Damit sind die Merkmale des Meineids dargetan.

Daß das Landgericht nicht geprüft hat, ob der Angeklagte wegen seiner weiteren unrichtigen Bekundungen des fahrlässigen Falscheids oder uneidlicher Falschaussage schuldig sei (BGH 4 StR 241/53 vom 21.5.1953, NJW 1953, 1113 Nr. 28), beschwert ihn ebensowenig wie die Tatsache, dass seine Tat nicht auch als Vergehen gegen § 5 AkGrG gewürdigt worden ist.

Die Revision versucht, dem Landgericht rechtliche Irrtümer bei der Beweiswürdigung nachzuweisen. Sie kann damit keinen Erfolg haben. Der Tatrichter stützt seine Überzeugung, daß W. während eines erheblichen Teils der von ihm angegebenen Zeit nicht in Konzentrationslagern, sondern als Strafgefangener im Gefängnis in Sa. war, nicht allein auf die Urschrift des Strafregisters, die ihm vorgelegen hat, sondern auch auf andere Urkunden. Aber auch das Strafregister durfte er für beweiskräftig halten, selbst wenn es zum Teil nicht ganz den Vorschriften entsprechend geführt war; übersehen hat die Strafkammer das nicht. Ihre Beweiswürdigung hält sich durchweg in den Grenzen des § 261 StPO.

2.)Das Landgericht hat aber nicht geprüft, ob die Strafverfolgung wegen des Meineids nicht nach § 9 BundStFG unzulässig war. Der Angeklagte macht dies auf Grund seiner rechtzeitig erhobenen allgemeinen Sachbeschwerde ausdrücklich geltend. Die zeitlichen Voraussetzungen des § 9 sind gegeben.

Daß der Angeklagte die mit dem Meineid rechtlich zusammentreffende unbefugte Führung des Doktortitels über den Stichtag des BundStFG hinaus fortgesetzt hat, würde die Anwendung des § 9 auf den Meineid nicht hindern, weil für diesen trotz der Tateinheit eine besondere Strafe auszusprechen wäre (vgl. oben B II 6). Die "politische Grundlage" der Tat im Sinne dieser Vorschrift ist sachlich zu bestimmen; unter den "besonderen politischen Verhältnissen der letzten Jahre" sind die durch den Zusammenbruch des Nationalsozialismus geschaffenen Zustände zu verstehen (BGHSt 1, 215; BGH 4 StR 38/50 vom 30.1.1951, NJW 1951, 283 Nr. 24; 1 StR 398/51 vom 23.10.1951; 3 StR 841/51 vom 13.12.1951). Für das Vorliegen dieser Merkmale könnte die Feststellung des Landgerichts sprechen, daß der Angeklagte von französischen Behörden wegen des Verdachts verfolgt wurde, wahrend des Krieges im Elsaß, in Belgien und in Luxemburg für das "Nazi-Regime" Spionage getrieben zu haben, und daß er im Mai 1946 aus deswegen verhängter französischer Untersuchungshaft entwichen ist. Das Landgericht hat für glaubhaft gehalten, daß der Angeklagte, um möglichst sicher einer Auslieferung an die Franzosen zu entgehen, mittels strafbarer Handlungen seinen Personenstand verschleiert und förmliche Aufnahme in den Kreis der vom Nationalsozialismus Verfolgten, zu denen er übrigens unwiderlegt gehörte, gesucht und gefunden hat. Die bei seiner eidlichen Vernehmung behauptete Haftzeit hatte er schon früher, besonders in einem Antrag an die "Betreuungsstelle der Opfer des Nazismus" in Fürth vom 19. Dezember 1946 und in der eidesstattlich versicherten Erklärung vom 20. Juli 1948 in derselben unrichtigen Weise angegeben. Das Landgericht hat ihm für den Meineid den Strafmilderungsgrund des § 157 StGB zugebilligt, weil er durch Angabe der Wahrheit die Unrichtigkeit jener eidesstattlichen Versicherung aufgedeckt haben würde. Diese Umstände ergaben die Notwendigkeit einer Prüfung, ob der Angeklagte, hätte er bei seiner eidlichen Vernehmung die Wahrheit bekundet, mit der Feststellung seiner wahren Persönlichkeit und seines Vorlebens sowie mit Strafverfolgungsmaßnahmen seitens der Besatzungsbehörden zu rechnen hatte. Dann könnte die in § 9 BundStFG geforderte ursächliche Verknüpfung der "politischen Grundlage" und der "besonderen politischen Verhältnisse der letzten Jahre" mit dem Meineid des Angeklagten zu bejahen sein. Die einer Straffreiheit entgegenstehenden Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 sind den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres zu entnehmen.

Die Nichterörterung des § 9 BundStFG führt daher zur Aufhebung der Verurteilung in dem Falle V. Wegen der engen tatsächlichen Beziehung dieses Falles zu dem Falle II erschien es dem Senat geboten, auch die tatsächlichen Feststellungen aufzuheben.

In der neuen Verhandlung wird das Landgericht wiederum die gesamte Aussage des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt des § 154 StGB zu prüfen haben. Zum inneren Tatbestande dieser Vorschrift gehört u.a. die Erkenntnis des Täters, daß seine unwahre Aussage von dem Eid umfaßt wird, nicht aber eine Vorstellung, daß sie "beweiserheblich" sei. Eine Anwendung des § 9 BundStFG auf den Meineid würde nicht zur Einstellung des Verfahrens führen, wenn der Angeklagte durch dieselbe Tat sich auch eines Vergehens gegen § 5 AkGrG schuldig gemacht und dieses Vergehen durch andere Handlungen über den Stichtag des BundStFG hinaus fortgesetzt hat; sein Verhalten im Falle V wäre dann vielmehr in einen Schuldspruch aus § 5 AkGrG einzubeziehen.

VI.Im Falle VI ist das Verhalten des Angeklagten mit Recht als Betrug beurteilt worden. Der Angeklagte hat hierzu außer der allgemeinen Sachrüge selbst nichts vorgebracht. Er erstrebt jedoch auch hier die Einstellung des Verfahrens auf Grund des § 9 BundStFG.

Daß indes dieser Zeugengeldbetrug auf politischer Grundlage beruhe, ist nicht ersichtlich und von dem Angeklagten auch nicht näher dargelegt.

Gleichwohl kann die Verurteilung nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht für die vor dem 15. September 1949 begangene Tat eine unter der Grenze des § 3 BundStFG liegende Strafe für angemessen gehalten hat. Da die Verurteilung wegen Meineids (oben V) aufgehoben worden ist, läßt sich auch nicht mehr feststellen, daß eine für mehrere Taten aus der Zeit vor dem 15. September 1949 zu bildende Gesamtstrafe sechs Monate Gefängnis übersteigen würde. Diese Möglichkeit läßt sich jedoch (auch bei Berücksichtigung der unter II erörterten Taten) für die künftige Verhandlung nicht ausschliessen. Die Sache ist daher hinsichtlich des Falles VI an den Tatrichter zurückzuverweisen; doch sind die Feststellungen auch hier aufrechtzuerhalten.

VII.Im Falle VIII zeigt die Verurteilung des Angeklagten keinen ihm nachteiligen Rechtsfehler. Der Urkundenfälschung hat er sich sowohl durch die Herstellung als auch durch den Gebrauch der unechten Urkunden schuldig gemacht. Der Gebrauch ist keine straflose Nachtat, vielmehr hat der Angeklagte damit die schon mit der Herstellung der falschen Urkunden begangene Straftat fortgeführt (vgl. die oben unter B II 2 c angeführten Urteile des Senats). Die gegenteilige Meinung der Strafkammer beschwert ihn aber nicht.

Der § 3 BundStFG kann entgegen dem Antrag des Angeklagten auf diese Tat nicht angewandt werden, weil sie erst nach dem 15. September 1949 beendet worden ist. Diese Feststellung des Tatrichters, die keinen Rechtsirrtum erkennen läßt, bindet das Revisionsgericht (RGSt 69, 318; 71, 259, 261 f). Das Rechtsmittel ist daher in diesem Falle zu verwerfen.

VIII.Die Feststellung, daß der Angeklagte voll zurechnungsfähig ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

IX.Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II, IV, V und VI führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Es bedarf daher keiner Entscheidung mehr über die Rüge der Revision, daß der Tatrichter rechtsirrig dem Angeklagten zu wenig Untersuchungshaft angerechnet habe. Das Landgericht hat Gelegenheit, in der neuen Verhandlung das Vorbringen des Angeklagten zu prüfen, daß die Dauer der Untersuchungshaft nicht von ihm verschuldet, sondern auch durch Taten bedingt worden sei, wegen deren er nicht angeklagt oder nicht verurteilt wurde.

Die Strafe des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte ist neben der Gesamtstrafe ausgesprochen und deshalb mit dieser aufzuheben (RGSt 68, 176); sie wäre auf Grund der Feststellungen des Tatrichters keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

X.Stellt die Strafkammer in der neuen Verhandlung mehrere selbständige strafbare Handlungen des Angeklagten fest, die mit demselben fortgesetzten Vergehen gegen § 5 AkGrG rechtlich zusammentreffen, so ist der Schuldspruch dahin zu fassen, daß der Angeklagte wegen aller jener Randlungen verurteilt wird und daß diese sämtlich mit einem fortgesetzten Vergehen gegen § 5 a.a.O. in Tateinheit stehen.

Zu der von dem Angeklagten beantragten Zurückverweisung der Sache an ein anderes Landgericht besteht kein Anlaß.