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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 20.12.1956, Az.: III ZR 82/55

Tenor

Die Revision der Kläger gegen die Urteile des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm i.W. vom 11. Juni 1954 und 25. Februar 1955 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Erblasser der jetzigen Kläger (im folgenden: früherer Kläger) war Eigentümer des in der Gemarkung H. Krs I. am W. weg gelegen Grundstücks Flur 2 Flurstück 178. Wegen des Verkaufs eines Teils dieses Grundstücks stand er mit einem Kaufinteressenten in ernstlichen Verhandlungen. Diese scheiterten daran, daß der Antrag des früheren Klägers, die Teilung des Grundstücks nach § 4 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten zu genehmigen, durch Bescheid des Landkreises Iserlohn vom 12. Juli 1951 abgelehnt wurde. In der Begründung des Bescheides heißt es:"Das Grundstück liegt im Außengebiet und innerhalb der Verbandsgrünfläche Nr. 4, die zum Zwecke des Landschaftsschutzes und der Erholung für die Bevölkerung von jeglicher weiteren Bebauung freigehalten werden soll. Ferner ist die Straße W. weg, an der das Grundstück liegt, als Zubringer zur Autobahn vorgesehen, so daß aus Gründen der Verkehrssicherheit eine weitere Bebauung an dieser Straße nicht vertretbar ist.Der Teilung und dem Erwerb des Grundstücks steht nichts entgegen, wenn es, wie bisher, landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt wird. Die Genehmigung nach dem Wohnsiedlungsgesetz kann dann unter der Bedingung (Auflage) erteilt werden, daß das Grundstück nicht bebaut werden darf."

Die von dem früheren Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen, Außenstelle Essen, mit Bescheid vom 25. August 1951 zurück. Dagegen hat der frühere Kläger eine Klage zum Landesverwaltungsgericht nicht erhoben.

Das in Rede stehende Grundstück ist wiederholt, zuletzt am 27. Mai 1949, in das nach § 16 der Pr. Ges betr. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (Pr. GS S 286) alle drei Jahre neu aufzustellende Grünflächenverzeichnis aufgenommen worden.

Der frühere Kläger hat vorgetragen: In der Aufnahme des Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis liege eine der Enteignung gleichkommende Beschränkung des Eigentums. Es müsse ihm daher eine Entschädigung gewährt werden. Wenn aber eine Enteignung nicht bejaht werde, so stehe ihm ein Anspruch auf Entschädigung deshalb zu, weil ihm durch die Versagung des Verkaufs zum Zwecke der Bebauung bei der gegenwärtigen starken Nachfrage nach Bauland, zumal im Hinblick auf seine persönlichen Verhältnisse, ein unzumutbares Opfer auferlegt werde. Das Grundstück sei 1.080 qm groß. Der ortsübliche Baupreis für Bauland betrage 2,50 DM je qm. Der Wert für Ackerland, der ihm verbleibe, könne nur mit 1 DM je qm angenommen werden.

Dementsprechend hat der frühere Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.620 DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu 2) zu verurteilen, bei dem Wiederaufbauminister des Landes Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Feststellung der Enteignungsentschädigung für einen Teil des betroffenen Grundstücks (1.080 qm) des Klägers in der Gemarkung Holzen Flur 2 Flurstück 178 (Parzelle 675/118) zu stellen.

Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten und geltend gemacht: Sie seien nicht passiv legitimiert, Vielmehr könne die Klage nur gegen die Gemeinde Holzen gerichtet werden. Die Aufnahme des Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis stelle keine Enteignung dar. Das Grundstück könne auch deshalb nicht bebaut werden, weil eine Bebauung dem geltenden Wirtschaftsplan widerspreche (§§ 4, 6 des Wohnsiedlungsgesetzes), das Grundstück ferner im Außengebiet i.S. des § 3 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 liege, zudem § 7 A Ziff 50 der Bauordnung des Verbandspräsidenten des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk der Bebauung entgegenstehe, neuerdings auch die von der Gemeinde Holzen nach § 12 des Fluchtliniengesetzes erlassene Ortssatzung vom 20. März 1953. Der Kläger sei aber auch durch das Bauverbot nicht beeinträchtigt. Er habe das Grundstück 1917 nicht als Bauland erworben, sondern als Teil eines zusammenhängenden Gutshofes von insgesamt 46 ha. Er verfüge über andere baureife Grundstücke an der L.straße in Holzen, so daß er auf den Verkauf gerade dieser Parzelle nicht angewiesen sei. Schließlich müsse die jetzt geltende Grünflächenbestimmung nicht unbedingt von Dauer sein; sie könne im laufe der Zeit zugunsten des Klägers abgeändert werden.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den früheren Kläger 1.620 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 11. Juni 1954 die Klage abgewiesen und in diesem Urteil die Revision zugelassen. Nach dem Inhalt des Berufungsurteils ist der gegen den Beklagten zu 2) gestellte Hilfsantrag im zweiten Rechtszug nicht mehr weiterverfolgt worden. Der frühere Kläger ist am 20. September 1954 verstorben. In einem Aufnahmeverfahren nach § 239 ZPO hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 25. Februar 1955 festgestellt, daß das in der Sache ergangene Berufungsurteil vom 11, Juni 1954 gegen die jetzigen Kläger als Rechtsnachfolger (Miterben) des früheren Klägers wirksam ist.

Mit der Revision gegen beide genannten Urteile des Berufungsgerichts verfolgen die Kläger den ihnen vom Landgericht zugesprochenen Zahlungsanspruch weiter mit der Maßgabe, daß die Klagesumme an sie gemeinsam zu zahlen sei, Die Beklagten bitten um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.Was die Zulässigkeit der Revision anlangt, ergibt sich folgendes:

Das Berufungsurteil zur Hauptsache ist am 11. Juni 1954 verkündet und am 1. Oktober 1954 im Parteibetrieb zugestellt worden; die Revision ist erst am 19. April 1955 eingegangen.

Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten des früheren Klägers hat das Oberlandesgericht am 29. Oktober 1954 einen Aussetzungsbeschluß gemäß § 246 ZPO erlassen und ihn am gleichen Tage an die Parteien zu Händen ihres Prozeßbevollmächtigten abgesandt. Da es sich um einen Beschluß handelt, zu dessen Wirksamkeit gemäß § 329 Abs. 3 ZPO formlose Mitteilung genügt, kommt es auf den späteren Zeitpunkt der förmlichen Zustellung des Beschlusses nicht an; er war mit der Absendung am 29. Oktober 1954 wirksam erlassen (vgl. Baumbach ZPO 24. Aufl. § 249 Anm. 1; § 329 Anm. 4 und 5; u.a.). Das bedeutet, daß der Rechtsstreit noch vor Ablauf der mit der Zustellung des Berufungsurteils am 1. Oktober 1954 in Lauf gesetzten Revisionsfrist ausgesetzt worden ist. Damit hörte gemäß § 249 ZPO der Lauf der Revisionsfrist auf; die volle Frist begann nach Beendigung der Aussetzung des Verfahrens von neuem zu laufen.

Grundsätzlich endet die Aussetzung des Verfahrens gemäß §§ 246 Abs. 2, 239 ZPO mit der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei; sie erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (§ 250 ZPO), oder wird in der mündlichen Verhandlung erklärt (RGZ 140, 348 [352]; Stein-Jonas-Schönke ZPO 17. Aufl. § 239 III und IV, 4 sowie § 249 II). Im vorliegenden Fall hat nun der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Januar 1955 beim Berufungsgericht einen Antrag nach § 239 Abs. 2 ZPO gestellt, der den Erben (den Klägern zu 1-3) und dem Prozeßbevollmächtigten des früheren Klägers in der Zeit vom 26. bis 29. Januar 1955 zugestellt worden ist, Dieses Verfahren war vor dem Berufungsgericht zulässig (RGZ 68, 247 [256]). Die jetzigen drei Kläger haben gegenüber dem Verlangen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß für den im Streit befindlichen Klageanspruch als Rechtsnachfolger des früheren Klägers nicht sämtliche drei Erben in Betracht kämen, sondern als Hofnachfolger ausschließlich der Miterbe und jetzige Kläger zu 1). Darüber ist zwischen den Parteien streitig verhandelt worden. In dem darauf ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts vom 25. Februar 1955 ist festgestellt worden, daß das am 11. Juni 1954 erlassene Sachurteil gegen alle drei Miterben, also gegen die jetzigen Kläger zu 1)-3), als Rechtsnachfolger nach dem verstorbenen früheren Kläger wirksam sei.

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, daß eine Aufnahme des Rechtsstreits durch die Kläger zu 1)-3) nicht erfolgt ist, insbesondere auch nicht durch den Miterben und Kläger zu 1). Denn die Klägerinnen zu 2) und 3) haben ihre Rechtsnachfolge überhaupt verneint; der Kläger zu 1) hat in Abrede gestellt, gemeinsam mit den Klägerinnen zu 2) und 3) Rechtsnachfolger in Bezug auf den Klageanspruch zu sein und damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er zur Aufnahme des Rechtsstreits erst nach Klärung der Frage, wer Rechtsnachfolger nach dem früheren Kläger ist, bereit sei.

Hiernach bewirkte erst die Zustellung des den Zwischenstreit über die Rechtsnachfolge nach dem früheren Kläger entscheidenden und das frühere Urteil zur Hauptsache ergänzenden Endurteils (Aufnahme- oder Zusatzurteil) die Beendigung der Aussetzung (vgl. Stein-Jonas-Schönke a.a.O. § 249 II, 2; RG in JW 1931 S 2564 Nr. 5). Mit der Zustellung dieses ergänzenden Urteils, die am 4. April 1955 erfolgte, begann also die volle Revisionsfrist von neuem zu laufen, und innerhalb dieser Frist haben die Kläger rechtzeitig gegen das Sachurteil vom 11. Juni 1954 und das Aufnahmeurteil vom 25. Februar 1955 Revision eingelegt.

Da das Aufnahmeurteil lediglich die Entscheidung des in der Hauptsache ergangenen Urteils insofern ergänzt, als es die Personen bezeichnet, die als Erben an die Stelle des früheren Klägers getreten sind, wird es Bestandteil der Entscheidung über die Hauptsache (RGZ 68, 247 [256]) Das hat zur Folge, daß die Revision - soweit die Sachentscheidung angegriffen werden soll - gegen beide Urteile zu richten ist (vgl. RGZ in JW 1924 S 1986 Nr. 19; Stein-Jonas-Schönke a.a.O. § 239 IV, 4), wie dies hier geschehen ist, Aus dem gleichen Grunde ist für die Zulässigkeit der Revision ausreichend, wenn im Berufungsurteil zur Hauptsache gemäß § 546 ZPO die Zulassung der Revision ausgesprochen worden ist; es bedarf keines erneuten Ausspruchs der Zulassung der Revision in dem das Sachurteil ergänzenden Aufnahmeurteil.

Nach alledem ist die Revision der Kläger in der rechten Form und Frist eingelegt, also zulässig.

II.1.)Das Berufungsgericht führt aus:

Die Klage gegen den beklagten Siedlungsverband sei schon deshalb unbegründet, weil der von ihm vorgenommene Eingriff (Aufnahme des Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis des Siedlungsverbandes) nur den Stast "begünstigt" habe, dem es obliege, die Volksgesundheit zu fördern.

Aber auch gegen das beklagte Land sei die Klage nicht gerechtfertigt. Zwar stelle die Aufnahme eines Teils des Grundbesitzes des früheren Klägers in das Verbands-Grünflächenverzeichnis eine Beschränkung in der Verfügung über diesen Grundstücksteil dar. Auszugehen sei davon, daß eine Eigentumsbeschränkung, die alle tatbestandsgleichen Fälle in gleicher Weise treffe, nicht als Enteignung anzusehen sei. Darin allein lasse sich aber das unterscheidende Merkmal, ob eine Enteignung oder zulässige Eigentumsbeschränkung vorliege, nicht erblicken. Wenn der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll (Art. 14 Abs. 2 GrundG) so könne auf dem Gebiet des Grundeigentums dieses Wohl der Allgemeinheit von dem einen diese, von dem anderen jene Art der Beschränkung des Eigentums fordern. Das unterscheidende Merkmal bei derartigen sich ergebenden ungleichen Beschränkungen müsse deshalb in der Stärke des Eingriffs erblickt werden, den der Eigentümer dulden solle. Das Berufungsgericht führt sodann mit näherer Begründung aus, im Bereich des Grundeigentums mache es das Wohl der Allgemeinheit erforderlich, neben Wohngebieten im Interesse der Volksgesundheit auch Grünflächen zu bestimmen; wenn sich auf Grund solcher Maßnahmen ergebe, daß ein Eigentümer sein Grundstück nur so nützen könne, wie es bisher geschehen sei, so sei dies eine zulässige Begrenzung des Rechtes im Gebrauch des Eigentums im Rahmen der Schranken, die dem Gebrauch des Eigentums zugunsten des Wohles der Allgemeinheit gesetzt seien Das gelte vor allem für das dicht besiedelte Ruhrgebiet, für das die Schaffung einer angemessenen Sozialordnung unter Berücksichtigung der Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums besonders notwendig sei. Der Eingriff taste das Eigentum in seinem Wesensgehalt nicht an, seine wirtschaftliche und soziale Funktion werde nicht beseitigt. Im übrigen sei hier nur ein Teil des Grundeigentums des früheren Klägers durch die Aufnahme in das Grünflächenverzeichnis von der Bebauung im Interesse der Allgemeinheit ausgeschlossen worden, während der beträchtliche andere Teil als Bauland ausgewiesen und als solches verwertbar sei. Die Nutzung des streitigen Grundstücks im bisherigen Umfang sei dem Kläger nicht verwehrt, er sei nur an der Ausnutzung bloßer Gewinnchancen gehindert. Da somit die Beschränkung der Verfügungsbefugnis des früheren Klägers über einen Teil seines Grundbesitzes rechtmäßig sei, liege keine Enteignung, auch nicht ein enteignungsgleicher Eingriff vor, so daß ein Anspruch auf Entschädigung entfalle.

Wenn aber eine Enteignung oder ein enteignungsgleicher Eingriff nicht vorliege, dem früheren Kläger vielmehr sein Eigentumsrecht in seinem gesetzlichen Inhalt bliebe, liege auch ein Aufopferungstatbestand nicht vor, auf den der frühere Kläger seinen Klageanspruch hilfsweise gestützt hat.

2.)Demgegenüber vertritt die Revision die Auffassung, das Berufungsgericht habe entgegen den in BGHZ 6, 270 entwickelten Grundsätzen für die Frage, ob eine (entschädigungspflichtige) Enteignung vorliege, rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, ob dem betroffenen Kläger der Eingriff zuzumuten sei. Daß die Eintragung eines Teils des Grundbesitzes des Klägers in das Grünflächenverzeichnis entsprechend § 16 der Verbandsordnung zulässig und der Eingriff zugunsten der Allgemeinheit erfolgt sei, sei unter dem Gesichtswinkel des hier anzuwendenden Artikels 14 GrundG unerheblich. Die mangelnde Bebaubarkeit auf Grund hoheitlicher Anordnung, das heißt hier die Aufnahme in das Grünflächenverzeichnis, stelle einen nach Art. 14 GrundG entschädigungspflichtigen Eingriff in das Grundeigentum des früheren Klägers dar. Im übrigen sei auch der beklagte Siedlungsverband "begünstigt", da er als Vermögensträger eine spezielle Funktion mit begrenztem Aufgabenkreis habe, und zu diesen ihm übertragenen speziellen Aufgaben gehöre nach der Verbandsordnung insbesondere die Feststellung der Grünflächen, die der Bebauung entzogen bleiben sollen.

3.)Dem Berufungsurteil ist im Ergebnis beizutreten:

Auszugehen ist davon, daß mit der Aufnahme eines Grundstücks in das nach § 16 Abs. 1 des Pr. Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (Pr. GS S 286) vom Siedlungsverband aufzustellende Grünflächenverzeichnis und in den dazugehörigen Plan ein Bauverbot verbunden ist. Das hat das Pr. Oberverwaltungsgericht in OVG Bd. 105 S 252 überzeugend begründet. Dem schließt sich der Senat an. Die von der Revisionserwiderung angezogene Entscheidung des Senats in BGHZ 17, 96 steht dem nicht entgegen, da sie einen völlig anderen Fall betrifft.

Es ist demnach zu fragen, wie es auch das Berufungsgericht getan hat, ob dieses Bauverbot eine (entschädigungslose) Beschränkung des Eigentums oder eine (entschädigungspflichtige) Enteignung ist, Mit dem Beschluß des Großen Zivilsenats in BGHZ 6, 270 [280] (ebenso BGHZ 15, 268 [271]) ist ein hoheitlicher Eingriff dann als Enteignung zu charakterisieren, wenn in ihm ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt, der dem betroffenen Einzelnen oder einzelnen Gruppen ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer im Interesse der Allgemeinheit auferlegt. Eine Eigentumsbeschränkung ist demgegenüber anzunehmen, wenn ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz eine inhaltliche und soziale Begrenzung des Eigentums ausgesprochen wird, die ihrem Wesen nach allgemeiner Natur ist. Das schließt nicht aus, daß eine Differenzierung hinsichtlich verschiedener Gruppen von Personen entsprechend den tatsächlich verschiedenen konkreten Verhältnissen und der vorliegenden besonderen Situation möglich wäre. Denn der Gleichheitssatz schützt gegen ungleiche Behandlung bei im wesentlichen gleicher tatsächlicher Lage (vgl. auch BVGE 3, 58/[135]; BGHZ 13, 265 [312]), so daß auch nur die Personengruppen verglichen werden können, die sich in der grundsätzlich gleichen Situation befinden. Deshalb sind der Gesetzgeber und die Verwaltungsbehörden nicht gehindert, verschiedene Personengruppen aus sachlichen Gründen, die sich aus der jeweiligen verschiedenen tatsächlichen Lage, aus der Situationsgebundenheit vernünftigerweise ergeben, differenziert zu behandeln. Jedoch darf auch eine so zulässige allgemeine Eigentumsbeschränkung nicht den Wesenskern des Eigentums, der allerdings entsprechend den verschiedenen Eigentumsfunktionen nach der Art des jeweiligen Eigentums auch unterschiedlich abgegrenzt werden kann, (nicht) antasten (Art. 19 Abs. 2 GrundG).

Der hier zu entscheidende Fall muß demzufolge in seiner Situationsgebundenheit erfaßt werden: Es handelt sich um ein Grundstück, das seit je zu einem großen Hofgut gehörte, bisher Teil eines größeren landwirtschaftlich genutzten Geländes war, in der Nähe einer Stadt und innerhalb eines dicht besiedelten und hochindustrialisierten Gebietes liegt, Innerhalb eines solchen Gebietes bedarf es im Interesse der Allgemeinheit einer Raumplanung, die u.a. insbesondere auch die Erhaltung der für die Gesundheit und die Erholung der Bevölkerung nötigen Grünflächen sicherte Allem Grundbesitz ist unter solchen Umständen eigentümlich, daß er in höherem Maße sozial gebunden ist als ein Besitz, auch ein Grundbesitz, bei dem die Art seiner Verwendung in der Hand des Eigentümers nicht in derselben intensiven Weise kollidieren kann mit den jedermann einleuchtenden zwingenden Erfordernissen einer sinnvollen, dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Ordnung. Grundeigentum in der umschriebenen besonderen Situation ist - nicht erst kraft einer positivrechtlichen Regelung, sondern "seiner Natur nach" - verbunden ("belastet") mit einer begrenzten Pflichtigkeit (im Rechtsinne), die sich nach näherer Bestimmung des Gesetzes zu einer Pflicht (im Rechtsinne) verdichten kann, - mit der Pflichtigkeit, u.U. eine unter den zahlreichen denkbaren, aus dem Eigentumsrecht fließenden Einzelbefugnisse zur Nutzung zu unterlassen. Die Eigentümerfunktion (Dispositionsfreiheit) hinsichtlich eines solchen Grundstücks wird - weil sie gar nicht so weit reicht! - nicht eigentlich beeinträchtigt und verkürzt, wenn dem Eigentümer für die Zukunft eine bisher noch nicht verwirklichte Verwendungsart, die unvereinbar ist mit jener Situationsgebundenheit, untersagt wird, während ihm die Fülle der Befugnisse aus dem Eigentum - Besitz, Verwaltung, Verfügungsmacht und Nutzung im übrigen - ungeschmälert erhalten bleibt. Vielmehr stellt eine solche von der Verwaltung auf Grund gesetzlicher Ermächtigung ausgesprochene Bindung nur eine konkrete Ausgestaltung der sozialen Gebundenheit des Eigentums, eine Eigentumsbeschränkung dar; und zwar auch dann, wenn diese Bindung nicht gegenüber allen Eigentümern von Grundstücken, denen sie nach den dargelegten Grundsätzen auferlegt werden könnten, ausgesprochen worden ist. Die darin liegende "Ungleichheit" ist nicht die eine Enteignung charakterisierende, weil letztere begrifflich voraussetzt die von hoher Hand herbeigeführte Verkürzung einer - nicht variablen - Rechtsposition, die anderen in gleicher Lage nicht zugemutet wird, während die hier gegebene "Ungleichheit" in der Eigenart der Rechtsfigur der "Pflichtigkeit" (also in der Rechtsposition selbst) liegt, die nur gedacht werden kann als eine rechtliche läge, aus der heraus sich für alle Betroffenen dieselbe konkrete Pflicht entwickeln kann, aber nicht entwickeln muß, für die es sogar charakteristisch ist, daß sich regelmäßig - nach einer nicht willkürlichen Auswahl - nur für einen Teil der Betroffenen die Pflichtigkeit zur Pflicht verdichtet; der Gleichheitssatz kann in diesem Zusammenhang nur verletzt sein bei einer unsachlichen (willkürlichen) Abgrenzung des Kreises, dem die konkrete Bindung, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums fordert, auferlegt wird.

Die Auffassung, daß es sich in Fällen der hier erörterten Art um eine Eigentumsbeschränkung und nicht um eine Enteignung handelt, liegt auch erkennbar einer Reihe von Gesetzen zugrunde, so dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933 (RGBl. I, 659) i.d.F. des Gesetzes vom 27. September 1938 (RGBl. I, 246), der Verordnung des früheren Reichsarbeitsministers über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (RGBl. I, 104), ferner dem Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 (RGBl I, 821) (vgl. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch BundesVerwGer in NJW 1955 S 1647 Nr. 23; 1956 S 1369 Nr. 22 und S 1810 Nr. 20; in BundesBauBl 1955 S 84; ferner BayerVerfGH in DÖV 1954 S 27 sowie die Zusammenstellung von Ernst in BundesBauBl 1955, 414).

Sinn und Zweck des Pr. Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 ist es, die im Ruhrgebiet - einem Gebiet, in dem sich eine unverhältnismäßig große Bevölkerung, eine gewaltige Industrie mit ihren technischen Anlagen und den damit verbundenen Verwaltungs- und Wirtschaftseinrichtungen sowie ein dichtes und vielfältiges Verkehrsnetz zusammenballen besonders dringlichen und unentbehrlichen überörtlichen Ordnungs- und Lenkungsaufgaben zusammenzufassen (vgl. hierzu RGZ 149, 34 [40-43]). Eines der Mittel zur Verwirklichung der. Planungsziele bildet die dem Siedlungsverband eingeräumte Befugnis, Grundstücke in das Grünflächenverzeichnis aufzunehmen. Das damit verbundene Bauverbot ist demnach zurückzuführen auf die Überlegung und Feststellung, daß die Bebauung jener Grundstücke unvereinbar wäre mit den zwingenden Erfordernissen einer sinnvollen, dem Gemeinwohl, insbesondere auch der Gesundheit der Bevölkerung Rechnung tragenden Ordnung. Daß hier andere Motive für die Aufnahme des Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis entscheidend waren, hat der Kläger nicht behauptet, Wird aber, wie hier, von diesem Bauverbot (das periodisch wiederkehrend darauf überprüft wird, ob eine Notwendigkeit besteht, es aufrechtzuerhalten) ein Grundstück betroffen, das vom Eigentümer als landwirtschaftlich genutzter Boden erworben worden ist und bis zur Aufnahme in das Verzeichnis weder als Baugrundstück noch als Lagerplatz noch in ähnlicher Weise wirtschaftlich genutzt worden ist, sondern sich als landwirtschaftlich genutzte oder landwirtschaftlich nutzbare Fläche darbot und darbietet (mag auch der Eigentümer an dieses "stille Kapital" spekulative Erwartungen geknüpft haben), so handelt es sich nach dem oben näher Dargelegten um eine Konkretisierung der Sozialgebundenheit des Eigentums, um eine Eigentumsbeschränkung hinsichtlich dieses Grundstücks. Damit stimmt die schlichte Wertung überein: Im Grunde wird der Eigentümer nur an einer Verwendungsweise seines Eigentums gehindert, die der vernünftige und einsichtige Eigentümer von sich aus mit Rücksicht auf die gegebene Situation nicht ins Auge fassen würde. - Daß die Art der Beschränkung, die den Kläger getroffen hat, nach Inhalt, Dauer, Umfang und Abänderbarkeit nicht über das Maß des unumgänglich Notwendigen hinausgeht und daß mit ihr nicht an den Wesensgehalt des Grundrechts gerührt wird, liegt nach den vorangegangenen Ausführungen auf der Hand.

Hiernach kann in der Aufnahme des streitigen Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis des beklagten Siedlungsverbandes eine entschädigungspflichtige Enteignung nicht erblickt werden.

Dann entfällt aber auch ein Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung (BGHZ 15, 268 [295/296 mit weiteren Nachweisen]). Es bedarf ferner keines Eingehens auf die weiter aufgeworfene Frage, wer der "Begünstigte" sein könnte, insbesondere ob den Ausführungen des Berufungsurteils zur Präge der Passivlegitimation des beklagten Siedlungsverbandes beizutreten wäre.

Nach alledem ist die Revision unbegründet und muß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.