Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 18.12.1959, Az.: IV ZR 145/59
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 23. April 1959 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden ist. In diesem Umfang sowie zur Entscheidung über die Kosten der Revision wird die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien haben im Jahre 1921 die Ehe geschlossen. Kinder sind aus dieser nicht hervorgegangen. Seit 1954 leben die Eheleute getrennt. Die Klägerin erhält von dem Beklagten eine Unterhaltsrente von monatlich 350 DM. Sie ist zur Hälfte Eigentümerin eines Einfamilienhauses, in dem sie wohnt. Ihr fließen Mieteinnahmen von monatlich 35 DM zu, von denen sie die Kosten für die Unterhaltung des Hauses aufbringt.
Der Beklagte, der auf eigenem Grundbesitz eine Metallwarenfabrik betreibt, hat am 5. Juli 1957 die notarielle Erklärung abgegeben, daß für seine Ehe nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes Gütertrennung gelten solle.
Die Klägerin beabsichtigt, gegen den Beklagten eine Klage zu erheben. Mit dieser will sie beantragen, den Beklagten zu verurteilen, Auskunft durch Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz über das gemeinsam erworbene Betriebs- und sonstige gemeinsame Vermögen der Eheleute zu erteilen und den Anteil der Klägerin sicherzustellen. Sie will diese Klage damit begründen, daß beide Parteien die Metallwarenfabrik gemeinsam begründet und in gemeinsamer Arbeit aus kleinsten Anfängen aufgebaut hätten. Sie sei bis 1949 ununterbrochen in dem Betrieb tätig gewesen.
In dem vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung des für die Durchführung dieses Rechtsstreits nötigen Prozeßkostenvorschusses in Ansprüch. Sie hat den Streitwert für die beabsichtigte Klage nach dem halben Einheitswert des dem Beklagten gehörigen Grundbesitzes, nämlich nach 22.000 DM angenommen und den erforderlichen Vorschuß für das Gericht und ihren Rechtsanwalt auf 1.286,32 DM berechnet.
Sie hat behauptet, sie habe kein weiteres Vermögen und könne diesen Betrag aus eigenen Mitteln nicht aufbringen, der Beklagte sei dagegen bei seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen zur Zahlung der Kosten in der Lage.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie zu Händen ihres Prozeßbevollmächtigten 1.286,32 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat seine Vorschußpflicht in Abrede gestellt und die von der Klägerin beabsichtigte Klage als mutwillig und aussichtslos bezeichnet. Er hat behauptet,die Klägerin habe nur im Rahmen der ihr seinerzeit als Ehefrau obliegenden Verpflichtung vorübergehend in seinem Betrieb gearbeitet und dort nur eine Hilfstätigkeit ausgeübt. Dafür habe sie ein Gehalt von monatlich 120 RM erhalten. Die Klägerin, die außer ihrem Grundvermögen ein weiteres Barvermögen von 15.000 DM habe, könne die Kosten für den von ihr beabsichtigten Rechtsstreit aufbringen.
Das Landgericht hat nach dem Klagantrag erkannt.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise geändert und die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin einen über 680 DM hinausgehenden Betrag zu zahlen.
Mit der Revision, die von dem Berufungsgericht zugelassen worden ist, will der Beklagte erreichen, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.Die Klägerin verlangt von dem Beklagten noch die Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses für eine Klage, mit der sie die Verurteilung des Beklagten zu einer Auskunfterteilung begehrt, um dann die Auseinandersetzung des angeblich von den Parteien während der Ehe gemeinsam erarbeiteten Vermögens betreiben zu können. Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Vorschuß für eine solche Klage nach einem Streitwert von 5.000 DM in Anwendung des §1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB zuerkannt, wobei es allerdings ersichtlich die niedrigeren Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren, die vor dem 1. Oktober 1957 galten, eingesetzt hat. Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision.
2.Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Frage, in welchen Fällen ein Ehegatte dem anderen die Kosten für einen von diesem geführten Rechtsstreit vorzuschießen habe, durch §1360 a Abs. 4 BGB abschließend geregelt sei. Dafür mögen bedeutsame Gründe sprechen. Doch bedarf es keiner Entscheidung darüber, denn jedenfalls bezieht sich die Klage, die die Klägerin zu erheben beabsichtigt, auf eine persönliche Angelegenheit von ihr, und schon deshalb kann sich im vorliegenden Fall die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses nur nach §1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB bestimmen.
3.Nach der Auffassung des Berufungsgerichte ist der Begriff der persönlichen Angelegenheiten, wie er in dieser Vorschrift gebraucht wird, weit auszulegen (ebenso das Berufungsgericht in der FamRZ 1958, 418 veröffentlichten Entscheidung, ferner OLG Frankfurt MDR 1959, 134). In dem angefochtenen Urteil wird ausgeführt, es reiche aus, daß durch den streitigen Anspruch die Persönlichkeit des Ehegatten als solche betroffen werde, und das sei schon dann der Fall, wenn wegen der Wichtigkeit und der Bedeutung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs die wirtschaftliche und soziale Stellung des berechtigten Ehegatten in entscheidendem Maße beeinflußt werde.
Gegen eine so weit gefaßte Formulierung bestehen Bedenken. Auch die Durchsetzung von Ansprüchen, die mit persönlichen Bindungen und Beziehungen nichts zu tun haben, sondern allein auf wirtschaftlichem Gebiet liegen, kann für die wirtschaftliche und soziale Stellung des Berechtigten von erheblicher Bedeutung sein; trotzdem läßt sich dann aber von einer persönlichen Angelegenheit nicht sprechen, wenn nicht dieser Begriff jede Begrenzung und Bestimmbarkeit verlieren soll. Ob sich eine dem Sinn des Gesetzes entsprechende, alle Fälle umfassende Formel für das, was in §1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB unter den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten verstanden wird, finden läßt, mag jedoch auf sich beruhen, wie es auch offen bleiben kann, ob, wie das Berufungsgericht meint, allgemein lebenswichtige Prozesse darunter fallen.
Soviel ist sicher, daß die im Zivilprozeßrecht geltende Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen hier nicht maßgebend ist. Schon in Art. 199 EGBGB und ebenso in Art. 8 I Nr. 1 GleichberG ist ausdrücklich die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten als den zwischen ihnen bestehenden persönlichen Rechtsbeziehungen zugehörig bezeichnet worden. Ebenso ist in der Rechtsprechung zu §1402 BGB a.F. die Durchsetzung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs als persönliche Angelegenheit im Sinne dieser Vorschrift aufgefaßt worden (BayObLGZ 22, 61, 62; KG Recht 1917 Nr. 832, 1923 Nr. 1016), und der erkennende Senat hat die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs eines Kindes als dem Gebiet der Personensorge zugehörig bezeichnet (LM EheG §74 Nr. 7). Andererseits werden, worauf Gernhuber FamRZ 1959, 465, 466 Fußn. 11 hingewiesen hat, die Unterhaltsansprüche in §26 EheG, §16 1. DV-EheG, §15 AVO-EheG BrZ zu den vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten gerechnet. Daraus ergibt sich, daß Rechtsverhältnisse auch dann, wenn sie Vermögenswerte Leistungen zum Gegenstand haben und deshalb auf manchen Rechtsgebieten den vermögensrechtlichen Angelegenheiten zuzuordnen sind, gleichzeitig persönliche Angelegenheiten eines an ihnen Beteiligten sein können.
Zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten im Sinne des §1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB gehören insbesondere diejenigen auf Vermögenswerte Leistungen gerichteten Ansprüche, die ihre Wurzel in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist eine umfassende, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehepartner umgreift. In dem gemeinsamen Einsatz der Ehegatten für die Sicherung dieser Existenz, wie er nach den Gegebenheiten der jeweiligen Ehe geboten ist, kann die persönliche Verbundenheit der Eheleute zu einem wesentlichen Teil ihren Inhalt und ihre Gestaltung finden. Ein derartiger Einsatz gehört zum persönlichen Lebensbereich jedes Ehegatten, und dem entspricht es, daß sein Recht, an den wirtschaftlichen Ergebnissen der gemeinsamen Tätigkeit in der Ehe beteiligt zu werden, zu seinen persönlichen Angelegenheiten zählt.
Hier will die Klägerin einen derartigen Anspruch geltend machen. Sie will mittels des Auskunftsanspruchs erreichen, daß die Ergebnisse der nach ihrer Behauptung von ihr zusammen mit ihrem Ehemann während der Ehe geleisteten Arbeit nicht diesem allein, sondern auch ihr zufallen. Ein solcher Anspruch steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem, was die Klägerin in der Ehe und der daraus folgenden Bindung an ihren Ehemann persönlich getan und erarbeitet hat. Der Anspruch betrifft wegen der wesentlich persönlich-ehelichen Grundlage, auf der er beruht, die persönlichen Angelegenheiten der Klägerin in dem Sinne, wie sie in §1360 Abs. 4 Satz 1 BGB zu verstehen sind. Nicht entscheidend ist es in diesem Zusammenhang, ob der Anspruch als solcher ausschließlich auf familienrechtliche Vorschriften zu stützen ist oder auch Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten heranzuziehen sind.
4.Die Revision hat die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Klägerin nicht in der Lage sei, die Kosten für den von ihr beabsichtigten Rechtsstreit aufzubringen, nicht beanstandet. Darauf braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses setzt aber weiter voraus, daß die beabsichtigte Klage schlüssig und nicht aussichtslos oder mutwillig erhoben ist.
Von vornherein mutwillig erscheint das Begehren der Klägerin nicht. Ihr Vortrag könnte die Annahme eines zwischen den Ehegatten bestehenden Gesellschaftsverhältnisses nahelegen. Ob die Einwendungen des Beklagten gegen diese Annahme berechtigt sind, ist in dem vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen; die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe diese Einwendungen zu Unrecht nicht berücksichtigt, ist deshalb nicht begründet.
Richtig ist es jedoch, wenn in dem angefochtenen Urteil ausgeführt wird, daß der angekündigte Antrag auf Verurteilung "zur Auskunft durch Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz über das gemeinsam erworbene Betriebs- und sonstige gemeinsame Vermögen" voraussichtlich abgewiesen werden müßte, da er in dieser Form auch beim Vorliegen einer Innengesellschaft zwischen den Ehegatten nicht gerechtfertigt wäre. In Betracht käme dagegen ein Antrag auf Verurteilung zur Rechenschaftslegung für denjenigen von der Klägerin genau zu bezeichnenden Zeitpunkt, an dem nach ihrer Auffassung die Innengesellschaft endete (§§713, 666 BGB). Solange die Klägerin in dieser Richtung nichts Ausreichendes vorgetragen und nicht den richtigen Antrag angekündigt hat, kann sie von dem Beklagten die Zahlung des Prozeßkostenvorschusses nicht verlangen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts braucht der Beklagte sich nicht darauf verweisen zu lassen, daß in dem von der Klägerin anhängig zu machenden Prozeß gemäß §139 ZPO eine richtige Antragstellung herbeigeführt werde. Ob die beabsichtigte Klage überhaupt schlüssig sein wird, läßt sich erst ersehen, wenn klargestellt ist, was die Klägerin zu ihrer Begründung vortragen und beantragen will. Das Berufungsgericht hätte selbst nach §139 ZPO auf die in dieser Richtung bestehenden Bedenken hinweisen und der Klägerin die Möglichkeit verschaffen sollen, ihren Vortrag zu ergänzen und zu ändern. Da der Klägerin Gelegenheit gegeben werden muß, das nachzuholen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden ist, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.