Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 27.03.1952, Az.: IV ZR 188/51
Tenor
Das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 2. August 1951 wird aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts in Düsseldorf vom 27. November 1950 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision wird dem Schlußurteil des Oberlandesgerichts überlassen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der beklagte Ehemann kaufte am 15. Dezember 1948 von dem Spediteur O. einen Ford-Omnibus für 7.200,- DM. Zur Finanzierung dieses Kaufs gewährte die Klägerin den Beklagten gemäß schriftlichem Vertrag vom selben Tage ein Darlehen von 7.759, 40 DM. Die Beklagten gaben zur Tilgung des Darlehens Wechsel, die von O. ausgestellt und von ihnen akzeptiert waren. Sie übertrugen zur Sicherheit bis zur völligen Tilgung des Darlehens der Klägerin das Eigentum an dem Omnibus. Die Beklagten lösten nur die beiden ersten Wechsel über insgesamt 700,- DM bei Fälligkeit ein. Ende Mai 1950 teilte der beklagte Ehemann der Klägerin mit, daß er den jetzt fälligen Wechsel wegen Ablehnung der Konzession nicht einlösen könne.
Die Klägerin hat gegen O. ein rechtskräftiges Versäumnisurteil erwirkt, an sie 7.057, 47 DM nebst 1 % Kreditverlängerungsgebühren im Monat ab 1. Februar 1952 gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu zahlen.
Die Klägerin hat auf Grund ihrer vorgedruckten Vertragsbedingungen beantragt,a)die Beklagten zu verurteilen,1)an sie gesamtschuldnerisch mit. O. 7.057, 47 DM nebst 1 % Kreditverlängerungsgebühren im Monat ab 1.2.1951 zu zahlen,2)an sie den Ford-Omnibus zum Zwecke der Versteigerung herauszugeben mit der Maßgabe, daß durch Zahlung des unter 1) genannten Betrages nebst den festzusetzenden Kosten und etwaigen Zwangsvollstreckungskosten die Herausgabe abgewendet werden könne,b)den beklagten Ehemann zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil in das eingebrachte Gut seiner Ehefrau zu dulden.
Die Beklagten haben gebeten, die Klage abzuweisen, notfalls der Klage auf Herausgabe nur mit der Maßgabe zu entsprechen, daß die Klägerin ihnen die empfangenen Leistungen Zug um Zug zurückgewähre. Sie haben den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und machen hierzu geltend, O. habe ihnen, obwohl der Omnibus nur für 26 Sitze zugelassen sei, wider besseres Wissen zugesichert, daß er 31 Sitze ohne Notsitze habe. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den Omnibus an die Klägerin Zug um Zug gegen Zahlung von 700,- DM zum Zwecke der Versteigerung mit der Maßgabe herauszugeben, daß die Herausgabe durch Zahlung entsprechend dem Klagantrag abgewendet werden könne. Es hat ferner den beklagten Ehemann zur Duldung verurteilt, im übrigen jedoch die Klage abgewiesen.
Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat gebeten, in vollem Umfange ihren Klaganträgen zu entsprechen; die Beklagtem haben beantragt, auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs Zug um Zug gegen Empfang von 700,- DM nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zu erkennen.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagten durch Teilurteil verurteilt, als Gesamtschuldner mit O. an die Klägerin 7.057, 47 DM nebst 1 % Kreditverlängerungsgebühren im Monat ab 1. Februar 1951 zu zahlen; im übrigen hat es die Entscheidung dem Schlußurteil vorbehalten.
Hiergegen haben die Beklagten Revision eingelegt. Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise Zurückverweisung. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise sie als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision mußte Erfolg haben.
Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß es die Frage, ob und inwieweit das Reichsgesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 auf das Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Käufer anzuwenden sei, bei dem Erlaß des Teilurteils dahingestellt lassen könne.
Nach §5 AbsG gilt es als Ausübung des Rücktrittsrechts, wenn der Verkäufer die verkaufte Sache auf Grund des ihm vorgehaltenen Eigentums wieder an sich genommen hat. Ein Wieder-an-sich-nehmen liegt im allgemeinen schon in dem ernstlichen und begründeten Rückgabeverlangen des Verkäufers, stets jedoch in einer Herausgabeklage (RGZ 144, 62 [64]; Crisolli, 1931, Anm. 83 zu §5 AbzG; Klauß 1950, Anm. 287 zu §3 AbzG). Die in der Herausgabeklage liegende Rücktrittserklärung beseitigt den Erfüllungsanspruch. Der Verkäufer kann daher auf Grund des Abzahlungsgesetzes nicht zugleich die Herausgabe der Sache und die Zahlung des Restkaufpreises fordern. Er muß sich vielmehr entscheiden, welchen der beiden Ansprüche er verfolgen will. Das Berufungsgericht hat demgegenüber ausgeführt, §5 AbzG habe seinen gesetzgeberischen Grund darin, daß der "Verkäufer" mit der Rücknahme des Kaufgegenstandes Rücktrittsfolgen geltend mache und deshalb die Wirkungen der Rücktrittsfiktion hinnehmen müsse. Gleiches könne nicht ohne weiteres für den Darlehensgeber gelten, der sich auf sein Sicherungseigentum berufe. Die Klägerin begehre, indem sie Zahlung des noch ausstehenden Darlehensbetrages und Herausgabe des Kraftfahrzeugs verlange, nicht Rückgängigmachung des Kaufvertrages, sondern Erfüllung des Darlehensvertrages. Ihr Klagantrag könne deshalb nicht ohne weiteres als ein "Wieder-an-sich-nehmen" gewertet werden. In dieser Hinsicht werde wegen einer etwaigen Anwendung des Grundgedankens dieser Vorschrift noch das richterliche Fragerecht auszuüben sein.
Das Berufungsgericht hat sich hierbei nicht ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welcher Weise die §§1-5 AbzG gemäß §6 AbzG auch auf den vorliegenden Darlehensvertrag anzuwenden sind. Sofern es an §6 gedacht haben sollte, hat es die Auswirkungen dieser Bestimmung auf den hier geschlossenen Darlehensvertrag verkannt. Nach §6 AbzG finden die Vorschriften der §§1-5 auf Verträge, welche darauf abzielen, die Zwecke eines Abzahlungsgeschäfts in einer anderen Rechtsform zu erreichen, entsprechende Anwendung. Wie der I. Zivilsenat in dem Urteil vom 9. Oktober 1951 - I ZR 20/51 -, BGHZ 3, 257 entschieden hat, ist §6 auch dann anzuwenden, wenn die Verpflichtung des Käufers zur Entrichtung des Kaufpreises in Teilzahlungen durch einen von dem Käufer im Einverständnis aller Beteiligten mit einem Dritten geschlossenen Darlehensvertrag ersetzt wird, der dem Käufer die alsbaldige Bezahlung des Preises ermöglicht und ihn zur Rückzahlung des Darlehens in Teilzahlungen verpflichtet. Für solche Fälle der sog. Kundenfinanzierung ist auch sonst in der Rechtsprechung und Rechtslehre die Anwendbarkeit des §6 AbzG weitgehend bejaht worden (vgl. Crisolli Anm. 54 ff [64] zu §6; Klauß Anm. 500 ff zu §6 AbzG; RGZ 152, 283 ff; LG Hamburg in MDR 1950, 220 [LG Hamburg 05.01.1950 - 9 S 667/49]; OLG Bremen in NJW 1952, 347). Dem Schließt sich der erkennende Senat an. Dabei braucht für den vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, in welchem äußersten Rahmen Finanzierungsverträge dem Abzahlungsgesetz unterworfen sind. Nach Crisolli a.a.O. Anm. 64, 69 soll ein ratenweise zurückzuzahlendes Darlehen zum Zwecke des Ankaufs beweglicher Sachen dann als verhülltes Abzahlungsgeschäft zu behandeln sein, wenn durch die Hingabe des Darlehens wirtschaftlich das gleiche Ergebnis herbeigeführt wird, wie wenn die Sache auf Abzahlung gekauft wäre, wobei nicht erforderlich sei, daß der Geldgeber sich gewerbsmäßig mit Finanzierungsgeschäften befasse. Einschränkend fordert Klauß ein eigenes, wenn auch nur mittelbares Interesse des Geldgebers an dem Abschluß des Kaufes (a.a.O. Anm. 507). Das LG Hamburg sieht dagegen als maßgeblich an, ob der Geschäftsbetrieb des Finanzierungsinstituts auf die Gewährung solcher Darlehen mindestens teilweise zugeschnitten ist (a.a.O. S. 221, ähnlich Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, 1930, S. 293 ff [295]). unabhängig von diesem Meinungsstreit zwingt im vorliegenden Falle schon der besondere Sachverhalt dazu, den §6 anzuwenden. Denn der Sinn dieser Vorschrift geht dahin, alle Verträge, die wirtschaftlich auf das gleiche Ziel gerichtet sind wie das unverhüllte Abzahlungsgeschäft, der entsprechenden Anwendung der §§1-5 zu unterwerfen, wobei es gleichgültig ist, in welcher Rechtsform das Geschäft abgeschlossen ist. Im Vordergrunde steht hierbei nach dem Grundgedanken des Abzahlungsgesetzes der Schutz des Abzahlungskäufers. Wirtschaftlich gesehen sind die Beklagten jedoch infolge des Abschlußes des Kaufvertrages mit O. und des am selben Tage geschlossenen Darlehensvertrages mit der Klägerin in die gleiche Lage gekommen, in der sie bei dem Abschluß eines Abzahlungskaufvertrages mit einem Partner gewesen wären. Der Kaufvertrag und der Darlehensvertrag ergeben darüber hinaus schon durch ihren Wortlaut, daß sie zusammen darauf abzielten, die Zwecke eines Abzahlungsgeschäfts zu erreichen. Denn der Kaufvertrag enthält den Hinweis: "Im übrigen gelten die getroffenen Vereinbarungen mit der Bank"; der Darlehensvertrag dagegen bringt zum Ausdruck, daß das Darlehen für den Ankauf eines Omnibusses gewährt werde. Beide Verträge beziehen sich also wechselseitig aufeinander. Die Klägerin hat diese Einheit der beiden Verträge auch selbst mit der Erklärung anerkannt, O. habe den Kaufvertrag nur unter der Voraussetzung abschliessen können, daß den Beklagten ein Darlehen gewährt werden wärde (Schriftsatz vom 28. Oktober 1950 - Bl 26 GA -). Den Beklagten als Abzahlungskäufern sind mithin anstatt eines Abzahlungsverkäufers die Klägerin und O. gemeinsam gegenübergetreten. Diese Einschaltung eines Dritten kann die Anwendung des §6 nach dessen Wortlaut nicht ausschliessen; vielmehr spricht der Gesetzeszweck für eine solche ausdehnende Anwendung, weil es unter dem Gesichtspunkt des Käuferschutzes gleichgültig ist, ob dem Käufer die vom AbzG bekämpften Rechtsnachteile vom Verkäufer selbst oder von einem Dritten drohen. Die in §6 AbzG angeordnete entsprechende. Anwendung der §§1-5 führt deshalb dazu, daß die Klägerin den Beklagten gegenüber keine weitergehenden Rechte ausüben kann, als bei einem gewöhnlichen Abzahlungskauf der Verkäuferin zugestanden hatten.
Die Klägerin hat in diesem Rechtszuge insbesondere geltend gemacht, die vom I. Senat in BGHZ 3, 257 entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil hier der Darlehensgeber die Herausgabe verlangt habe, während in jenem Falle das Herausgabebegehren von der Verkäuferin gestellt worden sei. Dieser Unterschied ist jedoch schon nach den vorstehenden Erwäguhgen unerheblich. Es besteht weder wirtschaftlich noch rechtlich ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem hier zu prüfenden Sachverhalt. Denn der Tatbestand jenes Urteils ergibt, daß die Verkäuferin die Kaufsache nicht aus eigenem Recht, sondern auf Grund des Sicherungseigentums der Darlehensgeberin in deren Auftrag und für diese an sich genommen hat. Bei der vorerörterten Rechtslage konnte die Klägerin nicht gleichzeitig auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs und Zahlung der Darlehensrestschuld klagen. Sie mußte sich vielmehr wie ein Abzahlungsverkäufer für einen der Ansprüche entscheiden. Dabei ist es unerheblich, das die Herausgabe strenggenommen nicht zu einer " Wieder-an-sich-nahme" führt, weil die Darlehensgeberin den Wagen vorher nicht besessen hat, und daß die Vorschriften über die Rückgewähr bei Rücktritt (§§1-3 AbzG) nicht in allen Teilen auf die Abwicklung des Darlehensschuldverhältnisses passen. Denn nach §6 AbzG sind die Vorschriften der §§1-5 AbzG nur entsprechend anzuwenden.
Es ist bei dem jetzigen Stande des Rechtsstreits auch nicht möglich, der Klägerin, woran das Berufungsgericht gedacht haben mag, durch eine einschränkende Auslegung oder Neufassung ihres Herausgabeantrags, die Verfolgung ihres Zahlungsanspruchs offenzuhalten, da die Beklagten gemäß dem Klagantrag zu a 2 zur Herausgabe des Omnibusses verurteilt worden sind und die Klägerin sich, wie ihre Berufungsanträge ergeben, auch weiterhin auf den Boden dieses Urteilsspruches gestellt hat. Das Abzahlungsgesetz wäre nur dann nicht anzuwenden, wenn die Beklagten als Kaufleute in das Handelsregister eingetragen wären (§8 AbzG). Den Vortrag der Beklagten, daß sie nicht im Handelsregister eingetragen seien (Schriftsatz vom 15. Mai 1951 - Bl 104 GA), hat die Klägerin jedoch nach dem Tatbestände des angefochtenen Urteils und den darin angezogenen Schriftsätzen nicht bestritten. Er ist daher als zugestanden anzusehen (§138 ZPO), so daß insoweit keine weitere Aufklärung erforderlich ist.
Da schon die Anwendung des Abzahlungsgesetzes zur Abweisung des Zahlungsantrages führt, kann die. Frage, ob das Berufungsgericht die Anfechtbarkeit des Darlehensvertrages wegen arglistiger Täuschung rechtlich bedenkenfrei verneint hat, dahingestellt bleiben. Das angefochtene Teilurteil war daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung war zweckmäßigerweise dem Schlußurteil des Oberlandesgerichts zu überlassen.