Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 31.10.1990, Az.: IV ZR 24/90
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Abtretung der Versicherungsansprüche gegen die beklagte Versicherungsanstalt durch den Versicherungsnehmer (VN) an einen Dritten absolut unwirksam ist, solange sie entgegen den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht angezeigt wurde.
Der Kläger hat wegen erheblicher Steuerrückstände eines VN der Beklagten dessen Ansprüche aus der Lebensversicherung Nr. 5547402 bei der Beklagten durch das zuständige Finanzamt mit am 9. November 1987 zugestellter Pfändungs- und Einziehungsverfügung gepfändet. Erst danach, nämlich am 17. Dezember 1987, wurde der Beklagten ein handschriftliches Schreiben des VN vorgelegt. Darin heißt es unter dem Datum "28.5.86" und der Überschrift "Abtretung":
"Zur Alterssicherung meiner Mutter übertrage ich ... meine Lebensversicherung 5547402 an meine Mutter. ..."
Unter Hinweis auf die von ihr als vorrangig angesehene Abtretung lehnte die Beklagte die Zahlung des um die Kapitalertragsteuer geminderten Rückkaufswertes in Höhe von 10.402,58 DM aus der vom Kläger zum Jahresende 1988 gekündigten Versicherung ab.
Der Kläger behauptet, die Abtretung sei rückdatiert worden. Er meint, daß die angebliche Abtretung schon mangels der in den Versicherungsbedingungen der Beklagten vom 14. Dezember 1978 vorgeschriebenen schriftlichen Anzeige wirkungslos sei. § 13 Abs. 3 dieser wörtlich den Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (ALB n.F. = VerBAV 1975, 434, Neufassung 1981, 118) entsprechenden Bedingungen lautet:
"Verpfändung und Abtretung der Versicherungsansprüche sowie Einräumung und Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts sind dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte schriftlich angezeigt hat."
Das Landgericht und das Oberlandesgericht (VersR 1990, 1141 [OLG München 11.12.1989 - 26 U 5116/89]) sind der Meinung des Klägers gefolgt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht meint, es komme nicht darauf an, ob und zu welchem Zeitpunkt der VN seine Rechte aus der Lebensversicherung abgetreten habe. Der Beklagten sei unstreitig vor Wirksamwerden der Pfändung keine Abtretung angezeigt worden. Solange der Berechtigte eine Abtretung dem Versicherer nicht schriftlich anzeige, sei eine solche nach der vorwiegend ihrem Zweck entsprechend auszulegenden Klausel des § 13 Abs. 3 ALB n.F. absolut unwirksam.
Das trifft zu.
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen enthalten wie andere Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) nicht selten Abtretungsbeschränkungen für Forderungen, die gegen den Versicherer oder sonstigen Verwender gerichtet sind. Der Verwender als Schuldner der Forderung will auf diese Weise nicht nur sicherstellen, daß seine Leistung für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwadet wird. Er will insbesondere die Abrechnung übersichtlich gestalten und verhindern, daß ihm eine im voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern gegenübertritt (BGHZ 51, 113, 117 [BGH 28.11.1968 - VII ZR 157/66] und 56, 228, 234). So will er weitergehend als durch den Schuldnerschutz der §§ 406 bis 410 BGB vor mehrfacher Inanspruchnahme bewahrt sein. Jene Bestimmungen stellen maßgeblich auf die Kenntnis des Schuldners ab; häufig kann jedoch zweifelhaft sein, ob und wodurch eine solche Kenntnis gegeben ist.
Deshalb schließen solche Bedingungen gelegentlich die Abtretbarkeit ausdrücklich aus (§ 6 Abs. 5 MB/KK). Zumindest stellen sie dafür zusätzliche Erfordernisse auf. Danach ist die Abtretung von der Mitwirkung des Schuldners, insbesondere seiner Zustimmung (z.B. §§ 3 Abs. 4 AKB, 7 Nr. 3 AHB, 16 Nr. 3 AUB = 12 III AUB 88) oder wie hier von einer schriftlichen Anzeige abhängig.
Immer zeigen solche Klauseln, daß der Verwender, anders als im Regelfall des § 398 BGB, die Abtretbarkeit selbst von diesen besonderen Erfordernissen abhängig machen will (vgl. grundlegend dazu Hadding/van Look, WM Sonderbeilage 7/88). Demgemäß macht auch hier die maßgebliche Klausel des § 13 Abs. 3 ALB n.F. die Wirksamkeit der Abtretung von der Anzeige dem Versicherer gegenüber abhängig. Offensichtlich zur Betonung dieser Rechtsfolge heißt es jetzt weitergehend als in der Vorgängerklausel des § 15 Abs. 2 ALB nicht allein, daß die "Abtretungen ... nur dann wirksam" sind, sondern, daß sie "nur und erst dann wirksam" sind, wenn sie schriftlich angezeigt werden. Das ist vom Ergebnis her nicht anders, als wenn die Klausel dahin lauten würde, daß die Abtretung ohne Zustimmung des Versicherers nur unter der Bedingung wirksam wird, daß sie schriftlich angezeigt wird. Auf eben diese Weise wird nicht selten das Zustimmungserfordernis mit dem Anzeigeerfordernis z.B. in Vergabebedingungen der Deutschen Bundespost oder von Gemeinden gekoppelt (vgl. die Fälle, die den Urteilen des BGH vom 4.5.1977 - VIII ZR 230/76 - WM 1977, 819 = LM BGB § 399 Nr. 16 und BGHZ 108, 172 [BGH 29.06.1989 - VII ZR 211/88] zugrunde lagen).
Angesichts dieser offensichtlichen Zielrichtung ist ausgeschlossen, daß eine solche Klausel - und damit auch das hier in Rede stehende Anzeigeerfordernis - nur als informative Klarstellung des bürgerlich-rechtlichen Schuldnerschutzes aufzufassen ist (so zu Unrecht Kuhnert, VersR 1988, 1218ff. und 1989, 613f sowie Kalischko, VersR 1988, 118).
Vielmehr ist sie auszulegen als Bestimmung, die als Ausnahme vom Regelfall der Abtretbarkeit gemäß § 398 BGB vereinbarungsgemäß von vornherein für die zu begründende Forderung den (eingeschränkten) Abtretungsausschluß des § 399 Fall 2 BGB festlegt. Das Forderungsrecht wird schon begründet mit der Eigenschaft, nur eingeschränkt abtretbar zu sein. Diese Befugnis räumt das Gesetz in § 399 Fall 2 BGB ausdrücklich dem Schuldner und dem Gläubiger ein.
2. Die Wirkung dieses Abtretungsausschlusses besteht darin, daß eine abredewidrige Abtretung gegenüber jedermann unwirksam ist. Sie ist also nicht nur relativ gegenüber dem Schuldner ähnlich dem gesetzlichen, gerichtlichen oder behördlichen Veräußerungsverbot der §§ 135, 136 BGB unwirksam.
a) Diese schon vom Reichsgericht (RGZ 136, 395, 399) begründete Auffassung zur Rechtsfolge des § 399 Fall 2 BGB wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. z.B. BGHZ 40, 156, 160; 56, 173, 176 und 228, 230; 70, 299, 301; 102, 293, 301; 108, 172, 176). Bis auf wenige Ausnahmen folgt ihr auch das Schrifttum (vgl. die Nachweise zum Meinungsstand bei Hadding/van Look, aaO. Fn. 6 und 117). Entscheidend für die absolute Wirkung sprechen neben den dogmatischen Gesichtspunkten der §§ 135-137 BGB (dazu insbesondere Keltenich, VersR 1965, 412, 414) die Entstehungsgeschichte (dazu MünchKomm/Roth, 2. Aufl. § 399 Rdn. 4 und 5 sowie Hadding/van Look, aaO. S. 17) und der Wortlaut des Gesetzes. Nach § 399 BGB "kann" eine Forderung, für die Nichtabtretbarkeit vereinbart wurde, "nicht abgetreten werden"; § 851 Abs. 2 ZPO bezeichnet sie als "nicht übertragbare Forderung".
b) An der absoluten Wirkung ändert sich nichts dadurch, daß es sich hier nach den Ausführungen unter 1. um einen nicht ausdrücklich festgelegten, vielmehr erst durch Auslegung ermittelten Abtretungsausschluß handelt. Auch ein solcher abgeschwächter Abtretungsausschluß (MünchKomm/Roth, 2. Aufl. § 399 Rdn. 25) hat absolute Wirksamkeit (RGZ 136, 395, 399; BGH Urteile vom 4.5.1977 und 11.5.1989 - VIII ZR 230/76 und VII ZR 150/88 - WM 1977, 819 und 1989, 1227 unter II. 2. bzw. unter 2. und 3.; BGHZ 108, 172, 174ff.) [BGH 29.06.1989 - VII ZR 211/88].
Demgemäß ist nach § 13 Abs. 3 ALB n.F. eine dem Versicherer nicht angezeigte Abtretung wegen Fehlens der Anzeige absolut unwirksam. Dabei ist für die Auslegung der hier maßgeblichen Klausel in diesem Sinne entscheidend, daß sie mit dem oben dargelegten Zusatz "nur und erst dann" gegenüber ihrer Vorgängerklausel die Rechtsfolge der absoluten Unwirksamkeit hervorhebt und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unübersehbar macht. Demgegenüber ist die, sinngemäße Beibehaltung der Worte "der Gesellschaft ("dem Versicherer") gegenüber" aus § 15 Abs. 2 ALB a.F. ohne Bedeutung (vgl. auch Senatsurteil vom 5.3.1986 - IVa ZR 141/84 - NJW 1986, 2107). Mit Recht hat vielmehr das Oberlandesgericht Karlsruhe zu dieser Klausel ausgeführt (VersR 1989, 34, ähnlich schon OLG München VersR 1987, 810 [OLG München 13.06.1986 - 10 U 1622/86]):
"Die Unwirksamkeit der Abtretung gegenüber dem Versicherer läßt sich demnach (vorher ist ausgeführt, daß im Rahmen des § 399 BGB eine relative Unwirksamkeit in Analogie zu § 135 BGB nicht in Betracht kommt) nur dadurch begründen, daß die Unwirksamkeit der nicht angezeigten Abtretung auch das Verhältnis zwischen Zedenten und Zessionar bestimmt. Daß Letzteres durch den Wortlaut des § 13 Abs. 3 AVB ausgeschlossen sein soll, ist angesichts der klaren Zielsetzung der Klausel nicht anzunehmen. Diese enthält gerade keine Bestimmung, daß die Abtretung im übrigen Wirkungen entfalten soll. Sie beschränkt sich vielmehr auf die den Versicherer in erster Linie interessierenden eigenen Verhältnisse zum Zedenten und Zessionar."
Diese Auffassung wird neuerdings auch im Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung vertreten (Bruck/Möller/Winter, VVG 8. Aufl. Bd. V/2 Anm. H 257; a.A. jeweils ohne nähere Begründungen Prölss/Martin, 24. Aufl. ALB § 15 Anm. 7. und Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung ALB § 13 Rdn. 114). Sie wird zusätzlich gestützt dadurch, daß § 13 Nr. 3 ALB n.F. die Verpfändung der Versicherungsansprüche sowie Einräumung und Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts ebenso wie die Abtretung behandeln. Für die Verpfändung legt das Gesetz in § 1280 BGB die absolute Wirkung des Fehlens einer Anzeige fest. Für die Einräumung und den Widerruf des widerruflichen Bezugsrechts hat der Senat im gleichen Sinne entschieden (BGHZ 81, 95).
3. Die in jenem letztgenannten Senatsurteil ausdrücklich (BGHZ 81, 95, 100) offen gelassene Frage, ob auch die Abtretung bei Fehlen der notwendigen Anzeige absolut unwirksam ist, wird demgemäß jetzt vom Senat bejaht.
Er ist daran durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (vom 26.10.1965 - VI ZR 119/64 - NJW 1966, 156 [BGH 18.10.1965 - II ZR 36/64] = VersR 1966, 140 und vom 8.6.1967 - II ZR 248/64 - VersR 1967, 795) und des Bundesarbeitsgerichts (vom 29.7.1967 - 3 AZR 55/66 - NJW 1967, 2425) nicht gehindert, schon weil diese Entscheidungen zu der Vorgängerklausel (§ 15 Abs. 2 ALB a.F.) ergangen sind. Jene Entscheidungen beruhen aber auch nicht auf der Rechtsansicht, daß absolute Unwirksamkeit wegen des damaligen Wortlauts der Klausel zu verneinen sei. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat weitere Begründungen hinzugefügt, die allein seine Entscheidung schon tragen. Das Bundesarbeitsgericht hat seine diesbezüglichen Ausführungen zu einer von ihm für seine Aufhebungsentscheidung nicht herangezogenen Norm gebracht.
Auch das weitere Urteil des II. Zivilsenats vom 24. April 1978 (II ZR 168/76 - VersR 1978, 915) hindert nicht. Es verneint zwar in einem Fall, in dem anscheinend schon § 13 Abs. 3 ALB n.F. vereinbart war, die absolute Unwirksamkeit der nicht angezeigten Abtretung. Zur Begründung verweist der II. Zivilsenat jedoch nur auf sein früheres Urteil vom 8. Juni 1967, das, wie ausgeführt, zur Vorgängerklausel ergangen ist, als der II. Zivilsenat noch die Zuständigkeit zur Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten über Versicherungsverhältnisse hatte. Jetzt aber hat der erkennende Senat die alleinige Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über Lebensversicherungsvertragsverhältnisse, so daß es einer Anfrage beim II. Zivilsenat nicht bedarf.
4. Die Klausel des § 13 Abs. 3 ALB n.F. hält der Inhaltskontrolle stand. Es ist anerkannt, daß sogar ausdrückliche Abtretungsverbote grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung mit sich bringen (vgl. Hadding/van Look, aaO. S. 9ff. m.w.N.). Das gilt umso mehr bei einem abgeschwächten Abtretungsausschluß der hier vorliegenden Art. Denn hier haben es der bisherige und der neue Gläubiger in der Hand, die Abtretung allein durch.die von der Willensbildung des Schuldners unabhängige Anzeige wirksam werden zu lassen.