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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 27.03.1991, Az.: IV ZR 90/90

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die beklagten Eheleute wirksam dazu verpflichtet haben, an die klagende Makler-GmbH auch bei einem Eigenverkauf 3% Provision zu zahlen.

Die Beklagten wollten ihr Einfamilienhaus verkaufen. Sie unterzeichneten einen von der Klägerin vorformulierten, drei Seiten umfassenden "Auftragsschein für Grundstücksverkäufer" vom 24. Juli 1987 über einen Alleinauftrag zu einer Maklergebühr von 2,28% einschließlich Mehrwertsteuer. Auf der letzten Seite stehen unter der Überschrift "vom Auftraggeber gewünschte Vertragsänderungen sowie von den Parteien ausgehandelte Vertragsverbindungen (Individualvereinbarungen) " in Maschinenschrift unter anderem die Sätze:

Dem Makler ist es gestattet, gleichzeitig für die andere Seite tätig zu werden.

...

Bei einem Eigenverkauf - ohne Mitwirkung des Maklers - zahlt der Auftraggeber an den Makler eine Provision von... zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer, berechnet auf den erzielten Verkaufspreis laut Notarvertrag.

An der offen gebliebenen Stelle ist handschriftlich eingetragen und durchgestrichen 3,5%, darunter nicht durchgestrichen 3%. Auch diese maschinenschriftlichen Sätze werden von der Klägerin ständig verwandt.

Die Beklagten haben Ende 1987 wahrend der Laufzeit dieser Vereinbarung ohne Mitwirkung der Klägerin das Hausgrundstück für 225.000 DM verkauft. Sie weigern sich, die von der Klägerin geforderte Provision in Höhe von 7.695 DM zu zahlen.

Die Klägerin behauptet:

Am 10. Juli 1987 habe ihr Mitarbeiter, der Zeuge K., mit der beklagten Ehefrau telefonisch den Inhalt des vor ihm liegenden Auftragsscheins durchgesprochen. Er habe mit ihr Sinn und Zweck der Eigenverkaufsklausel erörtert und dabei darauf hingewiesen, daß die Klägerin eine solche mit ihren Kunden üblicherweise vereinbare. Zur Provisionshöhe habe er gefragt, ob die beklagte Ehefrau mit 3,5% einverstanden sei. Als ihr das zuviel gewesen sei, habe er 3% Provision angeboten, womit sie einverstanden gewesen sei. Zum Zwecke der Dokumentation dieses Gesprächsverlaufs habe der Zeuge K. die entsprechenden Zahlen handschriftlich in das Formular eingefügt.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage auf Zahlung der Provision von 7.695 DM nebst Zinsen abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Rechtsfehlerfrei legt das Berufungsurteil dar, daß eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Maklers nach § 9 AGBG unwirksam ist, nach welcher der Kunde im Rahmen eines Alleinauftrages kein Eigengeschäft abschließen darf, ohne provisionspflichtig zu werden (BGHZ 60, 377, 380;  88, 368 und 99, 374, 377; Urteil vom 6.11.1985 - IVa ZR 96/84 - WM 1986, 72, 73 = LM BGB § 652 Nr. 99; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 6. Aufl. Anh. §§ 9-ll Rdn. 487). Demgemäß kann die Klägerin nur dann einen Provisionsanspruch haben, wenn die Klausel über die Provisionspflicht auch bei Eigenverkauf keine Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin, sondern zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt worden ist (§ 1 Abs. 2 AGBG).

Auch die allgemeinen Ausführungen im Berufungsurteil zum Begriff "ausgehandelt" des § 1 Abs. 2 AGBG stehen gerade für das Verhältnis zwischen dem Makler und seinem Kunden im Einklang mit der vom Tatrichter umfassend dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. insbesondere die Senatsurteile vom 3.7.1985 - IVa ZR 246/83 - und vom 30.9.1987 - IVa ZR 6/86 - WM 1985, 1208 und 1988, 28 = LM AGBG § 1 Nr. 4 und 11; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO § 1 Rdn. 47ff.). Nur soweit der Vertragsinhalt nicht nur vom Verwender, sondern ebenso vom Kunden in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden ist, kann er als Ausdruck seiner rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gewertet werden (Senatsurteil vom 3.7.1985 aaO unter II. 2. c).

2. Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung den Vortrag der Klägerin zugrunde, daß und auf welche Weise der Zeuge K. mit der beklagten Ehefrau über die fragliche Klausel gesprochen hat. Es meint aber, dieser Vortrag reiche nicht aus, um ein Aushandeln zu bejahen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) "Aushandeln" bedeutet nach feststehender höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 9.10.1986 - VII ZR 245/85 - LM AGBG § 1 Nr. 7 = WM 1987, 42 unter I 2a und vom 9.4.1987 - III ZR 84/86 - WM 1987, 646 = NJW 1987, 2011 [BGH 09.04.1987 - III ZR 84/86] unter I lb) mehr als verhandeln. Es genügt nicht, daß das Formular dem Vertragspartner bekannt ist und daß der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht. Vielmehr kann von "Aushandeln" nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden" Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (Senatsurteile vom 3.7.1985 - IVa ZR 246/83 - WM 1985, 1208 = LM AGBG § 1 Nr. 4 unter II 2c und vom 30.9.1987 - IVa ZR 6/86 - WM 1988, 28 = NJW 1988, 410 unter I 2). Auch wenn es schließlich bei der gestellten Klausel verbleibt, muß der Verwender sie vorher grundsätzlich zur Disposition gestellt haben.

b) Das hat die Klägerin nach ihrem Vortrag nicht getan. Das Verlangen des Maklers, daß der Kunde auch bei einem Eigengeschäft Provision zahlen muß, ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 652 Abs. 1 BGB unvereinbar (BGHZ 88, 368, 371) und damit gesetzesfremd. Eben dieses Verlangen enthält die Eigenverkaufsklausel in dem von der Klägerin unstreitig auch insoweit vorformulierten Auftragsschein. Diese Klausel hat der Zeuge K. nach dem von der Klägerin behaupteten Inhalt des Telefongespräches mit der beklagten Ehefrau nicht inhaltlich zur Disposition gestellt. Er hat nur - was nicht genügt - ihren Sinn und Zweck erörtert. Er hat dann darauf hingewiesen, daß die Klägerin eine solche Klausel mit ihren Kunden üblicherweise vereinbare. Eine Bereitschaft der Klägerin zu konkreter Abänderung hat der Zeuge danach nicht kundgetan. Deshalb konnte die beklagte Ehefrau aus ihrer Sicht diesen Hinweis nur so verstehen, daß die Klägerin auf der Klausel beharren und den Beklagten keinen Entscheidungsspielraum dafür lassen wolle, ob die Klausel gelten sollte. Dieses Verständnis wurde durch den weiteren Verlauf der von der Klägerin behaupteten Unterredung nur verstärkt. Denn danach hat der Zeuge K. die beklagte Ehefrau lediglich gefragt, ob sie mit 3,5% Provision einverstanden sei, und auf deren Verneinung 3% angeboten. Er hat somit nicht die vorformulierte Eigenverkaufsklausel, sondern nur die Höhe der darin vorgesehenen Provision zur Disposition gestellt. Das genügt für das Aushandeln nicht.

3. Das hat das Berufungsgericht verkannt. Es geht davon aus, daß es für ein Aushandeln genüge, wenn lediglich die Höhe der Provision, nicht aber der Inhalt der Provisionklausel zur Disposition gestellt werde (vgl. auch OLG Schleswig, NJW 1990, 394 [OLG Schleswig 21.04.1989 - 14 U 190/88], dazu Schwerdtner, NJW 1990, 369 [OLG Schleswig 21.04.1989 - 14 U 190/88]). Dieser rechtsfehlerhafte Ausgangssatz beruht darauf, daß das Berufungsgericht zwei Sätze aus dem Senatsurteil vom 30. September 1987 (aaO unter I. 2. am Ende) isoliert betrachtet und deshalb mißverstanden hat. Sie lauten:

Auch in einem Falle, in welchem es den Vertragschließenden lediglich um eine einzige vorformulierte Klausel geht, kann nichts anderes gelten. Wenn der Verwender grundsätzlich auf dieser Klausel besteht, kann er dennoch in einem Teilpunkt, beispielsweise in der Entgeltvereinbarung, dem Kunden entgegenkommen, was für das Aushandeln genügen würde.

Diese Sätze stehen in dem Zusammenhang, daß ein Aushandeln auch nach ausführlichen und wiederholten Gesprächen zu verneinen sei, wenn nur die Alternative zur Disposition gestanden habe, entweder die gestellten Bedingungen unverändert anzunehmen oder ganz von dem Vertrag Abstand zu nehmen.

Im Urteil vom 30. September 1987 ging es darum, ob das auch auf den damals vorliegenden Fall angewendet werden konnte, in dem der Alleinmakler nur die einzige vorformulierte Klausel stellte, daß der Kunde den selbstgefundenen Käufer zur Zahlung einer Käuferprovision verpflichten mußte, um der Zahlung der Verkäuferprovision zu entgehen. Die Anwendbarkeit konnte deshalb zweifelhaft sein, weil bei nur einer einzigen Klausel möglicherweise nichts anderes als die genannte Alternative blieb, die Klausel unverändert anzunehmen, oder aber den Maklervertrag überhaupt nicht zu schließen; wäre es so, dann hätte der Makler allein dadurch, daß er die Klausel zur Disposition zu stellen hatte, zwangsläufig vollständig auf sie verzichten müssen. Um deutlich zu machen, daß diese Zweifel nicht berechtigt waren, daß vielmehr auch in diesem Falle ein Aushandeln in Frage kommen kann, wurde in jenem Urteil hinzugefügt, daß "beispielsweise" ein Entgegenkommen in der Entgeltvereinbarung für ein Aushandeln genügen würde. Als selbstverständlich vorausgesetzt war dabei, daß der Makler vorher seine Bereitschaft kundgetan hat, dem Kunden Entscheidungsspielraum zu lassen, ob die Klausel überhaupt in den Vertrag mit einbezogen werden solle. Mit diesem Beispiel ist der Senat also nicht von seiner auch in jenem Urteil im Absatz vorher noch einmal betonten Grundforderung abgerückt, daß für ein Aushandeln der "gesetzesfremde" Kerngehalt der Klausel zur Disposition gestellt werden muß.