Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 19.06.1980, Az.: IVA ZR 11/80
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. August 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin glaubt, daà ihr früherer Prokurist und jetziger Geschäftsführer Gernot G. durch die Vermittlung eines Gesellschaftsvertrages einen Provisionsanspruch gegen die Beklagte zu 1) erworben habe. Sie macht in vorliegendem Rechtsstreit den ihr von G. abgetretenen Anspruch sowohl gegen die Beklagte zu 1) selbst auch gegen ihren persönlich haftenden Gesellschafter, den Beklagten zu 2), geltend.
Die Beklagte zu 1), ein Spezialunternehmen für vorgefertigte Beton- und Spannbetonteile, beauftragte 1975 den Zedenten mit der Vermittlung eines Partners, mit dem sie in Saudi-Arabien zusammenarbeiten könne. Die dabei getroffene Provisionsvereinbarung bestätigte sie in ihrem Schreiben vom 14. Juni 1975, in dem es unter anderem heiÃt:"Wir bestätigen Ihnen, daà für den arabischen Anteil an der Fertigteilfabrik eine Provision in Höhe von 10 % der Kosten der Feldfabrik mit Ihnen vereinbart wurde".
Dieses Schreiben ergänzte die Beklagte mit einem Fernschreiben vom 25. Juni 1975, in dem sie ausführte:"...Absatz 2 muà heiÃen:Arabischen und deutschen Anteil an der Fertig ...Fälligkeit der Provision:10 % mit Unterzeichnung des Vertrages (nach Vereinbarung)40 % mit Anzahlung auf Fabrik50 % mit Fertigstellung der Fabrikspätestens am 31.12.1975..."
Am 26. Juni 1975 schloà die Beklagte zu 1) mit zwei von dem Zeugen G. als Vertragspartner vermittelten saudi-arabischen Prinzen einen Vorvertrag über die Gründung einer Gesellschaft, deren Zweck die Errichtung einer Fabrik für Fertighäuser in Riad sein sollte.
Am 10. August 1975 richteten die Beklagten an den Zedenten ein als "Vergütungsbestätigung" bezeichnetes Schreiben, das maschinenschriftlich aufgesetzt und von dem Beklagten zu 2) an mehreren Stellen handschriftlich abgeändert worden war. Der maschinenschriftliche Text hatte folgenden Wortlaut:"mit Bezug auf unsere Unterredung vom 6.7.1975 erlaube(n) ich/wir mir/uns, wunschgemäà die in meinem/unserem Schreiben vereinbarte Provision und die in der Vereinbarung vom 25.6.1975 fixierten Punkte in diesem Schreiben zusammenzufassen.1. Für die Vermittlungs-, Organisations- und VertragsabschluÃarbeiten wegen der Erstellung von Betonfertigteilfabriken in Saudi-Arabien erhalten Sie oder ein von Ihnen noch zu benennender Dritter eine Provision wie folgt:1.1 Für die erste Betonteilfabrik, für die ein Vertrag zwischen Prinz K.B.T., Prinz A.B.M. und mir/uns unterzeichnet wurde, erhalten Sie ... % aus dem vereinbarten Erstellungspreis von Saudi Riyals ...1.2 Dieser Betrag ist fällig in einer Summe bis zum ... 1975....5. Mit diesem Schreiben werden wunschgemäà das Schreiben vom 14. Juni und die Vereinbarung vom 25. Juni 1975 auÃer Kraft gesetzt,..."
Im Absatz 1.1. hatte der Beklagte einen Prozentsatz von 6,77 und einen Riyal-Betrag von 11 Millionen eingesetzt. In Absatz 1.2 hatte er die Leerstellen im Schreibmaschinentext nicht ausgefüllt. Ãber die Zeile hatte er die Worte"zwei Raten zu 50 % bis Akkreditiveinlösg."
gesetzt.
Am 22. November 1975 schloà die Beklagte zu 1) mit den genannten saudi-arabischen Prinzen einen Vertrag über die Gründung einer saudischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma "T. S. C. F. P. C.".
Im April 1976 wurde der Beklagten zu 1) über die Commerzbank ein unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv der Banque du Caire in Riad über einen Betrag von 5.400.000,- Saudi Riyals zu Lasten der Firma S. C. F. P. C. Riad avisiert. Die Commerzbank bestätigte das Akkreditiv nicht. Zu einer Lieferung von Maschinen und Ausrüstungen durch die Beklagte zu 1) und zur gemeinsamen Aufnahme der Geschäfte ist es in der Folgezeit nicht gekommen.
Die Beklagten haben behauptet, Gegenstand des Maklervertrages sei nicht der Abschluà eines Gesellschaftsvertrages, sondern der eines Vertrages über die Lieferung von Maschinen und Ausrüstungsgegenständen gewesen. Sie, die Beklagten, seien vom Vertrag vom 22. November 1975 wirksam zurückgetreten. Von den arabischen Partnern sei der Vertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten worden. Im übrigen bezweifeln die Beklagten die Fälligkeit der Provision.
Das Landgericht hat die auf Zahlung einer Provision von 538.312,10 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 31. September 1975 gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.1.Das Berufungsgericht nimmt an, daà mit dem Abschluà des Gesellschaftsvertrages vom 22. November 1975 ein Anspruch des Zedenten G. auf Maklervergütung entstanden sei. Dieser Anspruch sei aber noch nicht fällig, "Bedingung für die Fälligkeit" sei die Einlösung des Akkreditivs gewesen. Diese Bedingung sei nicht eingetreten; ihr Eintritt sei von den Beklagten auch nicht treuwidrig verhindert worden. Bei einem Geschäft der vorliegenden Art sei es weder unbillig noch wirtschaftlich unvernünftig, den Vergütungsanspruch des Maklers nur dann zur Entstehung kommen zu lassen, wenn das Gesamtprojekt hinreichend Aussicht auf Gelingen biete.
2.Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
In Maklerverträgen wird verhältnismäÃig häufig vereinbart, daà die Provision erst nach Ausführung des Geschäfts, insbesondere nach Eingang des Kaufpreises zu zahlen sei (vgl. dazu aus der Rechtsprechung RGZ 95, 134; RG LZ 1921, 61; RG JW 1922, 487; BGH LM BGB § 652 Nr. 18 = NJW 1966, 1404; OLG Hamburg OLG 34, 51). Eine solche Abrede kann dahin verstanden werden, daà der Anspruch auf Maklerlohn nur dann entstehen soll, wenn der Kaufpreis gezahlt wird; in diesem Falle wird die Zahlungspflicht von einem ungewissen zukünftigen Ereignis, also einer (aufschiebenden) Bedingung im Sinne des § 158 BGB abhängig gemacht. Sie kann aber auch so gemeint sein, daà lediglich die Fälligkeit des mit dem Abschluà des Hauptvertrages entstandenen Provisionsanspruchs bis zur Zahlung des Kaufpreises hinausgeschoben werden soll (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 24. Oktober 1924 VII 917/23, zitiert nach BGB-RGRK 12. Aufl. § 652 Rdn. 16; ähnlich Urteil des BGH vom 20. Juni 1969 IV ZR 796/68 für den Fall einer entsprechenden nachträglichen Vereinbarung).
Haben die Parteien nur die Fälligkeit, nicht aber die Entstehung des Anspruchs von der Ausführung des Hauptvertrages abhängig gemacht, dann kann der Umstand, daà es überhaupt nicht zu einer Ausführung des Hauptvertrages gekommen ist, nicht dazu führen, daà der Makler überhaupt keine Provision erhält; denn dann würde der Abrede entgegen dem Parteiwillen der Charakter einer Bedingung beigelegt. In diesem Falle liegt vielmehr eine Lücke im Vertrag vor, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schlieÃen ist. Der Zeitpunkt der Fälligkeit ist dann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des vermutlichen Parteiwillens zu bestimmen (BGH, Urteil vom 20. Juni 1969 - IV ZR 796/68). In der Regel wird der Maklerlohn nach Ablauf der Zeitspanne als fällig angesehen werden können, innerhalb derer die Ausführung des Hauptvertrages erwartet werden konnte (BGH LM BGB § 652 Nr. 18 = NJW 1966, 1404).
Die gleichen Grundsätze sind dann anzuwenden, wenn die Parteien vereinbart haben, daà die Zahlung der Maklerprovision bei Einlösung eines Akkreditivs gezahlt werden soll. Es kommt demnach entscheidend darauf an, ob die Parteien mit der vom Berufungsgericht festgestellten Vereinbarung die in § 652 BGB enthaltene Regelung über die Entstehung des Vergütungsanspruchs des Maklers abändern oder lediglich die Fälligkeit des Anspruchs zu einem späteren Termin eintreten lassen wollten. Im Berufungsurteil wird unter I. ausgeführt, daà der Anspruch des Zedenten G. auf Maklervergütung entstanden sei. Nach Ziff. III (S. 12 1. Abs. des Berufungsurteils) ist dieser Anspruch noch nicht fällig. Damit ist aber die Bemerkung am Schluà des Urteils (S. 15 unter III, 5 c) nicht vereinbar, bei einem Geschäft der vorliegenden Art sei es weder unbillig noch wirtschaftlich unvernünftig den Vergütungsanspruch des Maklers nur dann zur Entstehung kommen zu lassen, wenn das Gesamtprojekt hinreichende Aussicht auf Gelingen bietet.
Das Berufungsurteil muà daher aufgehoben werden, damit das Berufungsgericht Gelegenheit erhält, widerspruchsfreie Feststellungen über den Parteiwillen zu treffen. Dabei wird es nicht so sehr darauf ankommen, ob objektiv gesehen am 10. August 1975 die Einlösung des Akkreditivs als ein ungewisses zukünftiges Ereignis angesehen werden konnte, sondern vielmehr darauf, ob nach den Vorstellungen der Parteien dem Zedenten bei einer Nichteinlösung des Akkreditivs jegliche Vergütung für seine Bemühungen versagt bleiben sollte.
Sollte die erneute Prüfung ergeben, daà die Parteien nur eine Fälligkeitsabrede treffen sollten, lieÃe sich die vom Berufungsgericht für die Klageabweisung gegebene Begründung nicht aufrechterhalten. Denn nachdem der eine Vertragspartner vom Hauptvertrag zurückgetreten und der andere Vertragspartner den Hauptvertrag angefochten hat, ist mit einer Ausführung des Vertrages und mit der Einlösung eines Akkreditivs nicht mehr zu rechnen. Der Zahlungszeitpunkt müÃte also nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des vermutlichen Parteiwillens bestimmt werden. Da der Hauptvertrag bereits vor über vier Jahren geschlossen worden ist, ist kaum anzunehmen, daà die ergänzende Vertragsauslegung zur Bestimmung eines noch in der Zukunft liegenden Fälligkeitstermins führen wird.
II.Auch im übrigen sind die im Berufungsurteil enthaltenen Ausführungen über den Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Provisionsabrede nicht frei von Rechtsirrtum.
1.Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung auf das Schreiben der Beklagten vom 10. August 1975. Soweit zwischen dem maschinengeschriebenen und dem handschriftlichen Text Widersprüche bestünden, sei der letztere maÃgeblich. Entgegenstehende Bekundungen des Zeugen G. komme keine Bedeutung zu, da der Urkundenbeweis schwerer wiege als der Zeugenbeweis und G. im übrigen am Ausgang des Rechtsstreits interessiert sei.
Bei diesen Ãberlegungen hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet, daà der Zeugenbeweis nicht den gleichen Gegenstand hatte wie der Urkundenbeweis. Gegenstand der Zeugenvernehmung war jedenfalls auch die Frage, was die Parteien des Maklervertrages bei der dem Schreiben vorausgegangenen Besprechung erörtert haben. Das Ergebnis dieser Besprechung braucht keineswegs mit dem Inhalt des Schreibens vom 10. August 1975 identisch zu sein. Ob bei einer Abweichung die mündliche Absprache (die nach dem Wortlaut des Schreibens am 6. Juli 1975 getroffen worden sein soll) oder das am 10. August an den Zedenten gerichtete Schreiben maÃgeblich ist, ist eine Frage des materiellen Rechts; sie kann daher nicht mit Erwägungen über die bessere Beweiskraft des Urkundenbeweises beantwortet werden. MaÃgeblich müssen vielmehr folgende Ãberlegungen sein:
Das Schreiben vom 10. August 1975 ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht als ein Bestätigungsschreiben in dem von der Rechtsprechung entwickelten Sinn anzusehen; denn es bezweckt - zumindest seinem reinen Wortlaut nach - nicht die Festhaltung einer bereits mündlich bindend getroffenen Vereinbarung. Auf den buchstäblichen Sinn des Brieftextes käme es allerdings dann nicht an, wenn die Parteien das Schreiben übereinstimmend als bloÃe Bestätigung eines bereits zustandegekommenen Vertrages aufgefaÃt hätten. Dies ist jedoch nicht tatrichterlich festgestellt. Das Berufungsgericht spricht zwar unter Ziff. III, 1 von einem Bestätigungsschreiben. Doch ist nicht völlig klar, ob es diesen Ausdruck in seinem juristisch-technischen Sinn verstanden hat; möglicherweise ist es zu dem Gebrauch des Wortes lediglich durch die dem Schreiben vorausgestellte Bezeichnung "Vergütungsbestätigung" veranlaÃt worden. Zumindest hätte die Annahme, daà das Schreiben entgegen seinem Wortlaut als Bestätigungsschreiben aufzufassen sei, einer näheren Begründung bedurft. Als Bestätigungsschreiben für eine am 6. Juli 1975 getroffene mündliche Vereinbarung wäre es im übrigen unwirksam, weil es nicht unverzüglich nach der Besprechung abgesandt wurde.
Es könnte auch so gewesen sein, daà die Beklagten mit ihrem Schreiben dem Zedenten G. einen Antrag zur Abänderung der bisherigen Provisionsregelung machen wollten und daà Glatz den Antrag gemäà § 151 Satz 1 BGB unverändert angenommen hat; dies würde insbesondere auch dann gelten, wenn das Schreiben - wie der Zeuge Glatz bekundet hat - von diesem entworfen, vom Beklagten zu 2) abgeändert und unterzeichnet und sodann dem Zeugen Glatz zugeschickt oder Ãbergeben worden sein sollte. Wenn dem so ist, dann bestimmt sich der Inhalt des Vertrages ausschlieÃlich nach dem Schreiben vom 10. August 1975. Dies schlieÃt jedoch nicht aus, daà ÃuÃerungen, die die Vertragsparteien im Rahmen von Vorverhandlungen gemacht haben, zur Auslegung des Vertrages herangezogen werden. Dazu besteht im vorliegenden Fall besondere Veranlassung, weil das Schreiben vom 10. August 1975 in mehrfacher Hinsicht unklar und auslegungsbedürftig ist. Die Erklärungen, die im Rahmen der Vorverhandlungen abgegeben worden sind, können zu einem besseren Verständnis des Textes beitragen; ihre Berücksichtigung darf daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dem Zeugenbeweis komme ein geringerer Wert zu als dem Urkundenbeweis.
2.Nicht zu beanstanden ist es dagegen, daà das Berufungsgericht Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Zeugen G. geäuÃert hat. Er ist als Zedent der Forderung und Gesellschafter (zeitweilig auch Geschäftsführer) der Klägerin am Ausgang des Rechtsstreits wirtschaftlich kaum weniger interessiert als die Klägerin selbst; wenn er auch im Zeitpunkt der Beweisaufnahme formell keine Parteistellung hatte und daher als Zeuge vernommen werden durfte, so kommt seiner Aussage doch kein wesentlich gröÃeres Gewicht bei als der einer Partei. Es ist Jedoch nicht ersichtlich, daà diese Erwägung für sich allein das Berufungsgericht veranlaÃt hätte, von einer Berücksichtigung der Zeugenaussage schlechthin abzusehen. Bei der erneuten Prüfung wird zu erwägen sein, ob der prozessuale Vorteil, den die Klägerin dadurch hat, daà sie den auf ihrer Seite stehenden Gesprächspartner als Zeugen benennen konnte, nicht dadurch ausgeglichen werden kann, daà der andere Gesprächspartner, der Beklagte zu 2), vom Gericht gemäà § 448 ZPO als Partei vernommen wird; der Tatrichter wird dann aufgrund seines persönlichen Eindrucks beurteilen können, welche Aussage ihm glaubwürdiger erscheint.