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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 27.10.1994, Az.: IX ZR 168/93

Tatbestand

Die klagende Sparkasse nimmt die beklagte Iranerin aus einer Bürgschaft in Anspruch.

Die Beklagte besuchte seit dem Jahre 1980 mehrmals ihren Vetter Dr. M. in N., der aus dem Iran stammt und die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat. Im August 1980 eröffnete die Beklagte ein Sparkonto bei der Klägerin, die in Geschäftsverbindung mit Dr. M. stand.

Am 8. März 1985 kauften Dr. M. und seine Ehefrau ein Hausgrundstück für 800.000 DM. Der Kaufpreis sollte durch die Klägerin finanziert werden. Am 15. März 1985 unterzeichnete die Beklagte, die von Dr. M. begleitet wurde, in den Geschäftsräumen der Klägerin ein von dieser vorgelegtes, in deutscher Sprache verfaßtes Bürgschaftsformular. Dessen Inhalt hatte die Klägerin vor der Unterschrift nicht erläutert oder übersetzt. Nach der Urkunde verbürgte sich die Beklagte selbstschuldnerisch ohne zeitliche oder betragsmäßige Begrenzung für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus ihrer Geschäftsverbindung mit Dr. M. und seiner Ehefrau. Am 10. April 1985 gewährte die Klägerin den Hauptschuldnern ein Darlehen von 800.000 DM. Die Klägerin, die den Hauptschuldnern weitere Kredite gegeben hat, macht aus der Geschäftsverbindung eine restliche Gesamtforderung von mehr als 400.000 DM geltend.

Von der Beklagten begehrt die Klägerin die Begleichung einer Verbindlichkeit der Hauptschuldner in Höhe von 251.783,91 DM und Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Arresthypothek über 255.000 DM an einer Eigentumswohnung, die die Beklagte Mitte des Jahres 1985 erworben hat. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg; die Widerklage der Beklagten, die Klägerin zur Bewilligung der Löschung dieser Hypothek zu verurteilen, wurde abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung und die Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache.

I. Das Berufungsgericht hat eine rechtswirksame Bürgschaft der Beklagten (§§ 765 ff BGB) angenommen und ausgeführt: Zur Wahrung des § 766 BGB genüge es, wenn ein Ausländer, der keine Deutschkenntnis habe, eine deutschsprachige Bürgschaftsurkunde unterschreibe. Das von der Klägerin verwendete Vertragsformular sei nicht ungewöhnlich im Sinne des § 3 ABGB, da es nach seiner Gestaltung geeignet sei, einen deutschen Durchschnittsbürgern vor dem Risiko infolge des Umfangs der Bürgschaft zu warnen. Diese sei nicht sittenwidrig, weil die Beklagte nicht unvorbereitet und unter Ausnutzung ihrer Verständigungsschwierigkeiten zur Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde bestimmt worden sei. Die Beklagte habe ihre Vertragserklärung nicht wirksam angefochten, weil sie einen Erklärungsirrtum nicht schlüssig dargelegt habe. Sie habe nicht konkret vorgetragen, welche Vorstellung sie vom Inhalt der unterschriebenen Erklärung gehabt habe; insoweit sei ihr Vorbringen widersprüchlich. Die Anfechtung gemäß § 123 BGB scheitere, weil Anhaltspunkte dafür fehlten, daß die Klägerin die Beklagte über den Bürgschaftscharakter ihrer Verpflichtung getäuscht habe; eine Täuschung der Beklagten durch ihren Vetter brauche sich die Klägerin nicht zurechnen zu lassen. Eine Ersatzpflicht der Klägerin aus einem Verschulden bei Vertragsschluß entfalle. Diese habe die Beklagte nicht zu einem Irrtum über ihr erhöhtes Risiko veranlaßt und habe davon ausgehen können, daß der Hauptschuldner die Beklagte unterrichtet habe und Fragen anläßlich der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde übersetzen werde. Da umfassende Bürgschaften gegenüber Kreditinstituten üblich seien, sei es unerheblich, daß die Verpflichtung der Beklagten weitergegangen sei, als dies zur Sicherung von Ansprüchen der Klägerin aus der Finanzierung des Kaufpreises für das Haus der Hauptschuldner nötig gewesen wäre.

II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein wirksamer Bürgschaftsvertrag der Parteien sei nicht zustande gekommen, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG fehlten.

Nach dieser Vorschrift werden Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) nur dann Bestandteil eines Vertrages, falls der Verwender bei Vertragsabschluß die andere - nichtkaufmännische - Vertragspartei (vgl. § 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG) auf die AGB hinweist (Nr. 1) und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (Nr. 2), und wenn diese Partei mit der Geltung der AGB einverstanden ist.

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Parteien ihre Beziehungen aufgrund der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 15. März 1985 dem deutschen Recht unterworfen haben (vgl. dazu für die hier maßgebliche Zeit vor dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 - BGBl I 1142 - BGHZ 53, 189, 191 ff und BGH, Urt. v. 13. Juni 1984 - IVa ZR 196/82, NJW 1984, 2762, 2763 m.w.N.). Dies wird von den Parteien nicht beanstandet.

b) Weiterhin hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, die Bürgschaftsurkunde enthalte AGB im Sinne des § 1 AGBG; dies entspricht der Ansicht der Parteien.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen sogenannten Formularvertrag, der in seinem Text alle wesentlichen Vertragsbedingungen der Klägerin enthält. Da das Vertragsformular mit einem im wesentlichen gleichen Inhalt für eine Vielzahl von Verträgen benutzt werden soll und der Verwender die darin aufgeführten Bedingungen der Gegenseite abverlangt, erfüllt der gesamte Formularvertrag den gesetzlichen Begriff der AGB (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG; vgl. BGHZ 62, 251, 252 f [BGH 29.03.1974 - V ZR 22/73];  63, 238, 239;  75, 15, 20).

§ 2 Abs. 1 AGBG ist auf einen Formularvertrag nicht anzuwenden (BGHZ 104, 232, 238; OLG Frankfurt NJW 1986, 2712, 2713; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, AGBG 1977 § 2 Rdnr. 6, 19; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. § 2 Rdnr. 2; MünchKomm/Kötz, BGB 3. Aufl. AGBG § 2 Rdnr. 6, 11; Soergel/Stein, BGB 12. Aufl. AGBG § 2 Rdnr. 3; Erman/Hefermehl, BGB 9. Aufl. AGBG § 2 Rdnr. 5; in diesem Sinne auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 2. Aufl. § 2 Rdnr. 9; Palandt/Heinrichs, BGB 53. Aufl. AGBG § 2 Rdnr. 8).

Das gilt auch für den vorliegenden formularmäßigen Bürgschaftsvertrag. Die Vertragsurkunde enthält alle wesentlichen Bürgschaftsregelungen. Die Unterschrift der Beklagten deckt diesen Vertragsinhalt. Mit der formlosen Annahme der Bürgschaftserklärung durch die Klägerin kam der Vertrag zustande.

An dem Abschluß eines Bürgschaftsvertrages der Parteien ändert nichts, daß die beklagte Iranerin nach ihrem Vorbringen, das mangels anderer tatrichterlicher Feststellungen im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, bei Unterzeichnung des - in deutscher Sprache verfaßten - Vertragsformulars Deutsch weder sprechen noch lesen konnte. Nach eigener Behauptung bediente sich die Beklagte in ihrem geschäftlichen Umgang mit der. Klägerin des Hauptschuldners - ihres Vetters -, der unstreitig die deutsche Sprache und Schrift beherrscht, als Dolmetscher (GA I 107). Da dieser die Beklagte damals begleitete, hatte diese vor Unterzeichnung der Vertragsurkunde die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von der Art und dem Inhalt des seitens der Klägerin vorgelegten Schriftstücks Kenntnis zu nehmen, indem sie sich durch den Dolmetscher die auf einer DIN A 4-Seite befindlichen, gut lesbaren, übersichtlich gegliederten und inhaltlich auch für einen Rechtsunkundigen hinreichend verständlichen Vertragsbedingungen übersetzen ließ. Nachdem die Beklagte diese Möglichkeit nicht genutzt hat, steht sie demjenigen gleich, der eine Urkunde unterschrieben hat, ohne sich über ihren Inhalt Gewißheit verschafft zu haben. Dieser erklärt sich mit dem Inhalt der Urkunde aus der maßgeblichen Sicht des Vertragsgegners einverstanden (vgl. BGH, Urt. v. 2. November 1955 - IV ZR 100/55, BB 1956, 254; v. 21. September 1967 - II ZR 150/65, DB 1967, 2115). Diese Rechtsstellung der Beklagten wäre - vorbehaltlich eines noch zu erörternden Rechts zur Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) - nicht anders, wenn sie einen im einzelnen ausgehandelten, von der anderen Vertragspartei aber unrichtig niedergelegten Vertragstext ungelesen unterschrieben hätte. Auch in dem - hier nicht gegebenen - Fall, daß gesonderte, in deutscher Sprache verfaßte AGB in einen Vertrag einbezogen werden, muß ein Ausländer, falls deutsch die Verhandlungs- und Vertragssprache ist, den nicht zur Kenntnis genommenen Text der AGB gegen sich gelten lassen (BGHZ 87, 112, 114 f).

c) Entgegen den - nicht näher dargelegten - Bedenken der Revision ist die gemäß § 766 BGB erforderliche Schriftform der Bürgschaftserklärung gewahrt. Die Urkunde drückt den Willen des Bürgen aus, für fremde Schuld einzustehen, und bezeichnet den Gläubiger, den Hauptschuldner und die verbürgte Schuld (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1993 - IX ZR 90/92, NJW 1993, 1261, 1262 m.w.N.). Die Warnfunktion der Schriftform hat die Beklagte mißachtet, indem sie die Urkunde unterzeichnet hat, ohne sich zuvor die Tragweite dieses Schritts durch Kenntnisnahme vom Inhalt der Urkunde klarzumachen.

2. Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht ein Recht der Beklagten verneint hat, ihre Vertragserklärung wegen Irrtums über deren Inhalt anzufechten und damit dem Bürgschaftsvertrag rückwirkend die Rechtswirksamkeit zu nehmen (§§ 119 Abs. 1, 121, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 BGB).

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt, daß sie bei Abgabe ihrer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum gewesen sei (§ 119 Abs. 1 Fall 1 BGB). Maßgeblich ist ihre letzte Behauptung, sie sei damals - aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des Hauptschuldners - davon ausgegangen, daß es sich um eine formelle Unterschrift für ihre Geldanlage bei der Klägerin (Sparkonto) handele; sie habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewußt, daß die Hauptschuldner sieben Tage zuvor ein Haus gekauft hatten und die Klägerin den Kaufpreis finanzieren sollte (GA I 75, II 185 f). Zwar war demgegenüber ursprünglich für die Beklagte vorgetragen worden, diese habe gewußt, daß sie für die Finanzierung der Kaufpreisschuld der Hauptschuldner aus dem Hauskauf bürgen solle (GA I 50). Dieses Vorbringen hat die Beklagte jedoch schon vor der mündlichen Verhandlung fallen lassen, weil es nach ihrer - bisher unwiderlegten - Darstellung nicht von ihr stammte, sondern auf Angaben des Hauptschuldners gegenüber ihrem Prozeßbevollmächtigten beruhte (GA I 118 mit GA I 75, 115). Danach ist ihr Vortrag insoweit nicht widersprüchlich (vgl. § 138 Abs. 1 ZPO).

Bei Richtigkeit ihres Vorbringens hat sich die Beklagte über den Inhalt ihrer Erklärung geirrt. Auch derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben hat, darf anfechten, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH, Urt. v. 2. November 1955 - IV ZR 100/55, aaO.; BAG NJW 1971, 639, 640). Hat die Beklagte angenommen, sie billige mit ihrer Unterschrift einen tatsächlichen Vorgang bezüglich ihres Sparguthabens, so hat sie nicht gewußt, daß sie eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgab. Sollte die Beklagte davon ausgegangen sein, daß sie mit ihrer Unterschrift ein Rechtsgeschäft hinsichtlich ihres Sparguthabens vornahm, so hat sie nicht gewußt, daß sie eine Bürgschaftsverpflichtung einging. In beiden Fällen hat die Beklagte, ohne dies zu merken, etwas anderes zum Ausdruck gebracht, als das, was sie in Wirklichkeit hatte erklären wollen; sie hat sich darüber geirrt, welche Bedeutung ihrer Erklärung im Rechtsverkehr zukam (vgl. BGH, Urt. v. 28. April 1971 - V ZR 201/68, LM BGB § 119 Nr. 21).

b) Dieser Irrtum war nach dem weiteren Vorbringen der Beklagten für die Unterzeichnung der Urkunde ursächlich (§ 119 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 8. Juni 1988 - VIII ZR 135/87, BGHR BGB § 119 - Ursächlichkeit 1). Die Beklagte hat behauptet, sie hätte bei Kenntnis der wahren Sachlage keine Bürgschaftsverpflichtung unterschrieben (GA I 75, II 186). Damit hat die Beklagte zugleich geltend gemacht, daß sie sich so auch bei verständiger Würdigung des Falles verhalten hätte. Zwar fühlte sich die Beklagte nach ihrem Vorbringen gegenüber dem Hauptschuldner zu Dank verpflichtet, weil er ihr eine schmerzlindernde Rückenoperation vermittelt hatte (GA I 49 f). Zu einer solchen Dankesschuld stand aber außer Verhältnis, daß die Beklagte für Verbindlichkeiten der Hauptschuldner in Höhe von 800.000 DM für den Hauskauf und darüber hinaus für deren weitere Schulden aus dem finanzierten Erwerb von drei Eigentumswohnungen einstehen sollte (GA I 50-52).

c) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte ihre Vertragserklärung gemäß § 121 BGB unverzüglich angefochten hat. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist das nicht auszuschließen.

Die Anfechtungserklärung im anwaltlichen Schriftsatz vom 3. Juli 1991, der Klägerin zugestellt am 12. Juli 1991, konnte nicht zum Erfolg führen mit der - in diesem Schriftsatz gegebenen - Begründung, die Beklagte habe bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde gewußt, daß sie für den Kredit bürgen solle, mit dem der Kaufpreis für das Haus der Hauptschuldner beglichen werden sollte; sie habe allerdings infolge fehlender Sprachkenntnis nicht gewußt, daß sie mit ihrer Unterschrift eine Bürgschaftserklärung abgebe (GA I 50 f). Bei Richtigkeit dieses Vorbringens hätte sich die Beklagte nicht im Rechtssinne geirrt, da ihr Wille und ihre Erklärung übereingestimmt hätten. Rechtserheblich ist dagegen die erstmals im Schriftsatz vom 16. September 1991 aufgestellte Behauptung der Beklagten, sie habe bei Unterzeichnung der Urkunde nicht gewußt, daß sie für die Hauptschuldner bürgen solle; vielmehr sei sie davon ausgegangen, daß ihre Unterschrift ihre Geldanlage bei der Klägerin betreffe (GA I 75). Es kann offenbleiben, ob die Beklagte, wie die Revisionserwiderung meint, mit diesem Vorbringen einen neuen Anfechtungsgrund in unzulässiger Weise nachgeschoben hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11. Oktober 1965 - II ZR 45/63, NJW 1966, 39). Zumindest hat die Beklagte, indem sie anstelle des ursprünglichen Anfechtungsgrundes einen anderen geltend gemacht hat, eine neue.Anfechtungserklärung ausgesprochen, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11. Oktober 1965 - II ZR 45/63, aaO.; v. 19. Februar 1993 - V ZR 249/91, NJW-RR 1993, 948).

Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob die Anfechtungserklärung im Schriftsatz vom 16. September 1991, die der Klägerin durch das Gericht an demselben Tage zugeleitet wurde (Vermerk GA I 75), ohne schuldhaftes Zögern erfolgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 1962 - V ZR 168/60, WM 1962, 511, 513). Dies ist nach dem Vorbringen der Beklagten unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht auszuschließen. Kenntnis vom Anfechtungsgrunde hat die Beklagte frühestens erlangt, als ihr Prozeßbevollmächtigter mit der Einsicht in die Gerichtsakte die Klagebegründung kennengelernt hat; dies ist Anfang Juli 1991 geschehen (GA I 47). Die Sach- und Rechtslage hat die Beklagte nach ihrem Vorbringen Anfang September 1991 mit ihrem Prozeßbevollmächtigten erörtert (GA I 75).

d) Sollte rechtzeitig angefochten worden sein, so muß das Berufungsgericht dem Beweisangebot der - beweispflichtigen - Beklagten nachgehen (GA II 185), da die Klägerin einen Irrtum der Beklagten bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde bestritten hat (GA II 241 f).

3. Das angefochtene Urteil ist nicht aus einem anderen Grunde richtig (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob der zugesprochene Betrag der Klägerin als Ersatz eines Vertrauensschadens gemäß § 122 BGB zusteht, falls die Anfechtung durchgreift.

Die Klägerin hat bisher nicht dargelegt, daß die Klageforderung sich auf einen Vermögensverlust beziehe, der ihr entstanden sei, weil sie auf die Gültigkeit der Bürgschaft der Beklagten vertraut habe (vgl. BGH, Urt. v. 17. April 1984 - VI ZR 191/82, NJW 1984, 1950). Es ist unklar, ob sich die Klageforderung auf den Hauskauf bezieht. Außerdem hat die Klägerin nicht behauptet, daß die Hauptschuldner ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin nicht erfüllen können.

Eine Ersatzpflicht kann gemäß § 122 Abs. 2 BGB entfallen, wenn die Klägerin Anhaltspunkte dafür hatte, daß der Hauptschuldner die Beklagte nicht richtig und vollständig über Art, Inhalt und Umfang der angestrebten Bürgschaftsverpflichtung unterrichtet hatte.

4. Da eine Bürgschaftsschuld der Beklagten nicht feststeht, durfte diese nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund der Arresthypothek (§§ 932 ZPO, 1147, 1184 BGB) verurteilt werden.

Aus demselben Grunde durfte das Berufungsgericht nicht die Widerklage der Beklagten, die Klägerin zur Mitwirkung an der Löschung dieser Hypothek zu verurteilen, abweisen.

III. Danach beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler, so daß es aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).

Der Senat braucht nicht einzugehen auf die Frage, ob der Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus einem Verschulden der Klägerin bei Vertragsschluß zusteht, der auf Befreiung von der Bürgschaftsschuld gerichtet wäre (§ 249 BGB) und der eingeklagten Bürgschaftsforderung einredeweise entgegengesetzt werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juni 1966 - VIII ZR 84/64, WM 1966, 944, 945). Die Beklagte hat nicht - im Anschluß an die Zeugenaussage des Hauptschuldners im Arrestverfahren (GA I 116 f) - behauptet, die Mitarbeiter der Klägerin hätten eine Bürgschaft der Beklagten gegenüber dem Hauptschuldner als eine reine Formsache bezeichnet und eine solche Verharmlosung des Bürgschaftsrisikos habe sich über den Hauptschuldner auf ihre Entschließung ausgewirkt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83, WM 1985, 155, 157; v. 22. Oktober 1987 - IX ZR 267/86, ZIP 1987, 1519, 1521). Eine entsprechende schadensursächliche Pflichtverletzung der Klägerin entfiele von vornherein, sollte sich ihre Behauptung als richtig erweisen, das Sparguthaben der Beklagten bei der Klägerin, das nach der Aussage des Hauptschuldners im Arrestverfahren bei Eingehung der Bürgschaft etwa 500.000 DM betragen hat, stamme zumindest zum erheblichen Teil vom Hauptschuldner (GA I 96). Handelte es sich bei diesem Guthaben in Wirklichkeit um verschleiertes Vermögen des Hauptschuldners, so kann eine Äußerung der Mitarbeiter der Klägerin, eine Bürgschaft der Beklagten sei eine reine Formsache, die allen Beteiligten bekannte Tatsache zum Ausdruck gebracht haben, dieses rechtlich der Beklagten zustehende, wirtschaftlich jedoch zum Vermögen des Hauptschuldners gehörende Guthaben solle über eine Bürgschaft der Beklagten als Sicherheit für den Kredit von 800.000 DM dienen, mit dem die Klägerin den Kaufpreis für das Hausgrundstück der Hauptschuldner finanzieren sollte.

Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine Bürgschaftshaftung der Beklagten gemäß §§ 3, 4 AGBG auf den Kredit der Klägerin für den Hauskauf der Hauptschuldner zu beschränken sei (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17. März 1994 - IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 785 f [BGH 17.03.1994 - IX ZR 102/93]; v. 1. Juni 1994 - XI ZR 133/93, NJW 1994, 2145 f [BGH 01.06.1994 - XI ZR 133/93]), stellt sich beim derzeitigen Sachstand nicht. Die Beklagte hat ihr ursprüngliches Vorbringen, sie habe bei Unterzeichnung des Bürgschaftsformulars angenommen, daß sie für die Rückzahlung dieses Darlehens bürgen solle, fallen lassen.