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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 03.02.2011, Az.: IX ZR 183/08

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. September 2008 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagten zu 2 und 3 betreiben eine Steuerberatersozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Beklagten zu 1. Die Kläger beauftragten die Beklagten im Frühjahr des Jahres 2000 mit der Erstellung ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1998. Auf die von den Beklagten eingereichte Steuererklärung erließ das Finanzamt am 27. Juli 2000 einen Steuerbescheid, der als zu versteuerndes Einkommen Einkünfte der Kläger aus Spekulationsgewinnen in Höhe von 849.759 DM berücksichtigte. Grundlage für die Besteuerung der Spekulationsgewinne war § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG in der für das Jahr 1998 geltenden Fassung. Die Beklagten legten gegen den Steuerbescheid vom 27. Juli 2000 nur wegen nicht berücksichtigter Steuerberatungskosten Einspruch ein. Den darauf ergangenen Änderungsbescheid vom 21. August 2000, der unverändert die Spekulationsgewinne als zu versteuerndes Einkommen auswies, ließen sie bestandskräftig werden. Mit Urteil vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94) erklärte das Bundesverfassungsgericht die der Besteuerung von im Jahr 1998 erzielten Spekulationsgewinnen zugrunde liegende Norm für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig, soweit sie Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betraf. An der Besteuerung der Spekulationsgewinne der Kläger änderte sich dadurch wegen der Bestandskraft des Steuerbescheids nichts.

Mit ihrer Klage haben die Kläger die Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 314.439,24 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten, die sich unter anderem auf Verjährung berufen haben, zur Zahlung von 227.541,57 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagten seien den Klägern nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet. Sie hätten die ihnen aus dem Steuerberatervertrag obliegenden Pflichten verletzt, indem sie die Besteuerung der im Jahr 1998 von den Klägern erzielten Spekulationsgewinne entgegen der von den Klägern erteilten Weisung bestandskräftig werden ließen. Bei pflichtgemäßem Verhalten hätte die Besteuerung der Spekulationsgewinne vermieden werden können. Der Schaden sei vom Landgericht zutreffend berechnet worden. Sofern überhaupt ein Mitverschulden der Kläger berücksichtigt werden könne, sei die vom Landgericht angenommene Quote von 25 v.H. jedenfalls ausreichend. Der Anspruch der Kläger sei auch nicht verjährt. Der Schaden der Kläger sei erst entstanden, als das Bundesverfassungsgericht die der Besteuerung der Spekulationsgewinne zugrunde liegende Norm mit Urteil vom 9. März 2004 für verfassungswidrig erklärt habe. Die damit in Lauf gesetzte Verjährungsfrist von drei Jahren nach dem noch anwendbaren § 68 StBerG aF sei durch die Erhebung der Klage im Jahr 2006 rechtzeitig unterbrochen worden.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die geltend gemachten Ansprüche der Kläger verjährt.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Verjährung ist, wie die Vorinstanzen mit Recht angenommen haben, die durch Art. 16 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3217) mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehobene, gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 und Satz 2, § 6 Abs. 1 EGBGB im Streitfall aber noch anwendbare Bestimmung des § 68 StBerG. Danach verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.

2. Die Verjährungsfrist wurde mit Ablauf des 22. September 2000 in Gang gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt ist der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz entstanden.

a) Die Entstehung eines Anspruchs auf Schadensersatz setzt voraus, dass ein Schaden eingetreten ist. Nach der vom Bundesgerichtshof seit dem Urteil vom 2. Juli 1992 (IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69) in ständiger Rechtsprechung vertretenen Risiko-Schaden-Formel muss der Schaden im Sinne einer objektiven Verschlechterung der Vermögenslage wenigstens dem Grunde nach erwachsen sein; ist dagegen noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten tatsächlich zu einem Schaden führt und liegt deshalb eine bloße Vermögensgefährdung vor, ist der Anspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist des § 68 StBerG nicht in Lauf gesetzt wird (Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1342 f mwN). In Steuersachen tritt der Schaden des Steuerpflichtigen in der Regel ein, sobald sich das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters in einem belastenden Bescheid der Finanzbehörde ausgewirkt hat (BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 72; vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 389 f; vom 12. November 2009 - IX ZR 218/08, WM 2010, 138 Rn. 10 mwN). Hat der Steuerberater - wie hier - pflichtwidrig gegen einen Steuerbescheid keinen Einspruch eingelegt, beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs mit Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids (BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2067). Im Streitfall wurde der maßgebliche Steuerbescheid vom 21. August 2000, welcher den Beklagten am 22. August 2000 zuging, mit Ablauf des 22. September 2000 bestandskräftig. Damit begann der Lauf der Verjährungsfrist.

b) Der Umstand, dass der Steuerbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes entsprach und die maßgebliche Norm erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004 für nichtig erklärt wurde, ändert daran nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZR 102/06, DB 2007, 1400; OLG Hamburg DStRE 2007, 1593, 1598).

aa) Ein Vermögensschaden besteht in der Differenz zwischen der Güterlage, die durch das Schadensereignis geschaffen wurde, und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten Güterlage (sogenannte Differenzhypothese; vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 18 mwN; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. vor § 249 Rn. 10). Die Verletzung der den Beklagten übertragenen Pflicht, die Besteuerung der Spekulationsgewinne offen zu halten, hatte die bestandskräftige Belastung der Kläger mit Einkommensteuer auf die im Jahr 1998 erzielten Gewinne zur Folge. Hätten die Beklagten die Besteuerung pflichtgemäß offen gehalten, wären die Kläger mangels Bestandskraft des Steuerbescheids dauerhaft nicht zur Zahlung der Steuer verpflichtet gewesen. Der in der Steuerbelastung liegende, von den Klägern geltend gemachte Schaden ist daher mit der Bestandskraft des Steuerbescheids vom 20. August 2000 eingetreten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellte mit rückwirkender Kraft verbindlich fest, dass die Besteuerungsgrundlage mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig war. Sie brachte nicht den Vermögensnachteil zum Entstehen, sondern erwies, dass der bereits mit Bestandskraft des Steuerbescheids entstandene Vermögensnachteil bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten vermeidbar war, und machte für die Kläger erkennbar, dass es sich bei der Steuerbelastung um einen den Beklagten zuzurechnenden, ersatzfähigen Schaden handelte. Die Erkennbarkeit des Schadens ist aber keine Voraussetzung des Beginns der Verjährungsfrist nach § 68 StBerG aF.

bb) Im Übrigen war auch das in der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Eintritt des Schadens als maßgeblich angesehene Kriterium, ob der Geschädigte bereits auf Feststellung der Ersatzpflicht Klage erheben konnte (BGH, Urteil vom 23. März 1987 - II ZR 190/86, BGHZ 100, 228, 231 mwN), entgegen der von den Klägern in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht bereits im Zeitpunkt nach Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids erfüllt. Die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten hätte zwar den Nachweis vorausgesetzt, dass die Steuerlast bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten vermieden worden wäre. Die dazu erforderliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Steuernorm hätte aber im Regressprozess über eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG erreicht werden können.

3. Die dreijährige Verjährungsfrist endete mit Ablauf des 22. September 2003. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 22. Juni 2006 war der Anspruch daher bereits verjährt. Eine Hemmung der Verjährung konnte nicht mehr eintreten.

4. Die Beklagten sind nicht nach den Grundsätzen der Sekundärverjährung (etwa BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 391 mwN) gehindert, sich auf die eingetretene Verjährung des (Primär-)Anspruchs zu berufen. Die Kläger haben zu den Voraussetzungen einer sekundären Hinweispflicht der Beklagten auf einen möglichen Schadensersatzanspruch und dessen kurze Verjährungsfrist nichts vorgetragen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache folglich zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der gel-

tend gemachte Anspruch ist verjährt. Die Klage ist daher unter Aufhebung auch des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Kayser Gehrlein Vill Fischer Grupp Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 02.01.2008 - 2 O 330/06 -

OLG Köln, Entscheidung vom 04.09.2008 - 8 U 14/08 -