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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 24.09.1992, Az.: IX ZR 195/91

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Eltern als Mitbürgin auf Ausgleich von Bürgschaftsleistungen in Anspruch. Der Vater der Klägerin war Geschäftsführer und mit einem Anteil von 62, 5 % Gesellschafter der P. GmbH (fortan. GmbH). Er hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Mutter der Klägerin, zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Volksbank M. gegen die GmbH unter anderem zwei selbstschuldnerische Bürgschaften bis zu einem Betrag von insgesamt 165.000 DM übernommen. Darüber hinaus hatte die Mutter der Klägerin zugunsten der Volksbank auf ihrem Grundstück Waldstraße 10 in W. eine Sicherungsgrundschuld über 100.000 DM bestellt. Die Beklagte, die an der GmbH einen Geschäftsanteil von 37, 5 % erworben hatte und ebenfalls zur Geschäftsführerin bestellt worden war, übernahm für die Verpflichtungen gegenüber der Volksbank eine Bürgschaft bis zu einem Betrag von 150.000 DM. In der Folgezeit geriet die GmbH in Zahlungsschwierigkeiten. Am 25. November 1987 betrugen ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Volksbank noch 151.242,47 DM. Die Eltern der Klägerin vereinbarten mit der Volksbank die Ablösung der Verpflichtungen der GmbH. Sie wurde durch einen ihnen persönlich eingeräumten Kredit der Volksbank finanziert. Ansprüche aus der von der Beklagten übernommenen Bürgschaft trat die Volksbank an die Eltern der Klägerin ab. Die Eltern erklärten in Höhe eines Teilbetrages von 75.000 DM die Abtretung an die Klägerin. Diese hat mit der Klage Zahlung des ihr abgetretenen Teilbetrages begehrt und die Ansicht vertreten, in Höhe der Hälfte der abgelösten Verbindlichkeiten sei die Beklagte zum Ausgleich verpflichtet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 12.810,62 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin weitere 43.905,32.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hat einen Ausgleichsanspruch der Klägerin lediglich wegen der Zahlung der Eltern in Höhe von 51.242,47 DM bejaht, weil diese nur insoweit ihre Bürgschaftsverpflichtungen erfüllt hätten. In Höhe von 100.000 DM hätten sie den dinglichen Anspruch der Volksbank aus der von der Mutter der Klägerin bestellten Grundschuld getilgt. Insoweit bestehe kein Ausgleichsanspruch. Das Gesetz räume dem Bürgen im Verhältnis zum dinglichen Schuldner eine Vorzugsstellung ein. Wegen des Betrages von 51.242,47 DM sei zu berücksichtigen, daß der Vater der Klägerin und die Beklagte Gesellschafter der Hauptschuldnerin gewesen seien, so daß der auf sie gemeinsam entfallende Anteil von 2/3 von der Beklagten nur in Höhe von 37,5 %, das heißt von 12.810,62 DM zu tragen sei.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Zweifel bestehen bereits an der Annahme, die Eltern hätten bei der Ablösung der Verpflichtungen der GmbH lediglich in Höhe von 51.242,47 DM auf ihre Bürgschaftsschuld geleistet. Zwar wird die Feststellung, die Zedenten hätten die Leistung im Umfang der bestehenden Sicherungsgrundschuld zu deren Tilgung erbracht, von der Revision nicht beanstandet. Gleichwohl erscheint die vom Berufungsgericht aus dieser Feststellung gezogene Rechtsfolgerung, eine Begleichung der Bürgschaftsverpflichtungen komme insoweit nicht in Betracht, bedenklich. Daß der Vater, der an der Ablösung der Verpflichtungen der GmbH in gleicher Weise wie die Mutter der Klägerin beteiligt war, zumindest auch auf die von ihm übernommenen Bürgschaften zahlen wollte, folgt bereits daraus, daß er lediglich aus den Bürgschaften persönlich verpflichtet, nicht jedoch Eigentümer des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks war. Aber auch das von der Mutter der Klägerin verfolgte Leistungsziel schließt eine Tilgung ihrer Bürgenschuld nicht ohne weiteres aus. Bei Identität von persönlichem und dinglichem Schuldner ist im Regelfall aus Sinn und Zweck der Sicherungsabrede zu entnehmen, daß mit der Leistung auf die dingliche auch die persönliche Schuld erlischt (vgl. BGH, Urt. v. 9. Mai 1980 - V ZR 89/79, NJW 1980, 2198, 2199; v. 13. November 1986 - IX ZR 26/86, NJW 1987, 503, 504; Palandt/Bassenge, BGB 51. Aufl. § 1191 Rdn 32). Im Streitfall war nicht eine persönliche Schuld aus Bürgschaft durch eine von dem Bürgen bestellte Grundschuld abgesichert, sondern Grundschuld und persönliche Schuld des Bürgen dienten der Sicherung einer weiteren Schuld. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Bürgschaft diese weitere (Haupt-)Schuld voll abdeckt, könnte einiges für die Annahme sprechen, daß der Sicherungsgeber Zahlungen auf die Grundschuld auch auf die Bürgenschuld erbringen will (vgl. auch BGH, Urt. v. 11. Juli 1973 - VIII ZR 178/72, WM 1975, 100, 101). Einer abschließenden Beantwortung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Der Klägerin kann ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte auch zustehen, wenn die Leistung der Eltern im Umfang von 100.000 DM ausschließlich die Tilgung der Grundschuld bezweckte.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht zwischen mehreren auf gleicher Stufe stehenden Sicherungsgebern beim Fehlen einer zwischen ihnen getroffenen besonderen Vereinbarung eine Ausgleichsverpflichtung entsprechend den Regeln über die Gesamtschuld (BGHZ 108, 179, 183 ff; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990 - XI ZR 200/89, WM 1990, 1956, 1957; v. 20. Dezember 1990 - IX ZR 268/89, WM 1991, 399, 400) [BGH 20.12.1990 - IX ZR 268/89]. Grundschuld und Bürgschaft sind von Gesetzes wegen gleichstufige Sicherungsmittel. Allerdings ist die Annahme verbreitet, der Bürgschaft komme gegenüber anderen Sicherungsmitteln eine gesetzliche Vorrangstellung zu. Eine Bevorzugung des Bürgen wird insbesondere aus § 776 BGB (vgl. Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Aufl. § 194 I 3; Larenz, Schuldrecht Besonderer Teil 12. Aufl. § 64 III) sowie aus § 768 Abs. 2, §§ 770, 771 BGB und daraus abgeleitet, daß der Bürge mit seinem ganzen Vermögen hafte und die Bürgschaft vielfach aus altruistischen Erwägungen übernommen werde (vgl. Tiedtke BB 1984, 19, 20). Dem folgt der Senat nicht. § 776 BGB regelt nur das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen, läßt aber - wie auch der Entstehungsgeschichte entnommen werden kann (vgl. Motive Bd. 2 S. 678 ff; Knütel, Festschrift für Werner Flume Bd. I S. 559, 560) - den Rang verschiedener Sicherungsgeber und den Ausgleich zwischen ihnen grundsätzlich unberührt (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 1992 - IX ZR 161/91IX ZR 161/91, WM 1992, 1312, 1313 zum Innenausgleich zwischen mehreren Bürgen; Staudinger/Wiegand, BGB 12. Aufl. § 1225 Rdn. 29; Steinbach/Lang, WM 1987, 1237, 1242). § 768 Abs. 2, § 770 BGB vermögen eine Vorzugsstellung des Bürgen gegenüber anderen Sicherungsgebern schon deshalb nicht zu begründen, weil sie nicht auf das Bürgschaftsrecht beschränkt sind, sondern auch im Verhältnis des Gläubigers zum Hypothekenschuldner gelten (§ 1137 Abs. 1, 2 BGB). Die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) spielt praktisch eine geringe Rolle; sie wird in der Regel abbedungen (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Daß der Bürge mit seinem gesamten Vermögen haftet, während die Haftung eines (Grund-)Pfandgläubigers sich auf den verpfändeten Gegenstand beschränkt, mag ein Grund sein, den Bürgen in einzelnen Beziehungen - wie etwa in § 776 BGB gegenüber dem Gläubiger - besonders zu schützen. Für die Frage der Haftung des Bürgen im Vergleich zu anderen Sicherungsgebern ist diesem Umstand eine entscheidende Bedeutung jedoch nicht beizumessen. Der verpfändete Gegenstand kann das ganze Vermögen des Pfandschuldners darstellen, so daß dieser bei einer Verwertung des Pfandes im Ergebnis ebenso hart getroffen wird wie ein aus seinem Bürgschaftsversprechen in Anspruch genommener Bürge. Eine generelle Besserstellung des Bürgen läßt sich schließlich nicht daraus herleiten, daß die Bürgschaft oft aus altruistichen Erwägungen übernommen wird. Andere Sicherungsgeber handeln nicht selten aus ähnlichen Gründen.

Deshalb ist davon auszugehen, daß es sich bei der Bürgschaft und sonstigen Sicherungsrechten, insbesondere Grundschulden, nach dem Gesetz um gleichstufige Sicherungsmittel handelt (vgl. im einzelnen Schmitz, Festschrift für Franz Merz S. 553, 557 ff. m.w.N.). Daß der Beklagten aufgrund von Absprachen zwischen ihr und den Eltern der Klägerin oder zwischen diesen und der Volksbank eine Vorzugsstellung eingeräumt worden wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Es hätte deshalb einen Ausgleichsanspruch der Klägerin wegen der auf die Grundschuld erbrachten Leistung mit der gegebenen Begründung nicht ablehnen dürfen.

3. Mit Erfolg greift die Revision auch die Ausführungen zur Bemessung der Haftungsanteile im Innenverhältnis der Bürgen an.

Im Verhältnis des Vaters der Klägerin zu der Beklagten hat das Berufungsgericht den Ausgleich zutreffend anhand der jeweiligen Gesellschaftsanteile bemessen (vgl. insoweit RG WarnRspr 1914 Nr. 247; RGZ 88, 122, 124; BGH, Urt. v. 11. Juli 1973 aaO.; v. 19. Dezember 1985 - III ZR 90/84, WM 1986, 363, 364 unter 3. c). Davon geht auch die Revision aus.

Die Revision rügt indessen, daß das Berufungsgericht den Haftungsanteil der Mutter der Klägerin gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB mit einem Drittel angesetzt habe. Diese Rüge ist im Ergebnis berechtigt. Zwar läßt sich eine Leistungsfreiheit der Mutter der Klägerin nicht allein daraus herleiten, daß sie nicht Gesellschafterin der als Hauptschuldnerin haftenden GmbH war (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1985 aaO.). Jedoch können weitere Umstände, wie etwa die der Verbürgung zugrundeliegenden wirtschaftlichen Hintergründe, auf eine stillschweigende Vereinbarung hinweisen, ein Innenausgleich solle allein zwischen den Gesellschaftern der Hauptschuldnerin stattfinden (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1985 aaO. unter 3. d). Das Berufungsgericht hatte demnach Veranlassung zur Prüfung der Frage, ob die Mutter der Klägerin als Nichtgesellschafterin im Innenverhältnis zu den anderen Bürgen von Ausgleichspflichten ganz oder teilweise freigestellt war. Dies hat die Klägerin unter Beweisantritt behauptet (GA I 61). Dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben.

III. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf die bislang nicht behandelte Frage einzugehen, ob der Klägerin Ansprüche ihrer Eltern gegen die Beklagte wirksam abgetreten wurden. Nach der Abtretungserklärung vom 26. November 1985 (GA I 31) wurde der Klägerin von den Eltern "aus den uns abgetretenen Ansprüchen der Volksbank M. aus der Bürgschaftsurkunde vom 28. 01. 85 gegen Frau P. B. ein Teilbetrag von 75.000 DM abgetreten. Der Wortlaut spricht dafür, daß der Klägerin ausschließlich Ansprüche aus der Bürgschaftsübernahme der Beklagten abgetreten wurden. Eine isolierte Abtretung der Bürgschaftsforderung ohne gleichzeitige Abtretung der Hauptforderung ist jedoch nur möglich, wenn der Hauptschuldner infolge Vermögensverfalls untergegangen ist (BGHZ 82, 322, 326 ff) [BGH 24.11.1981 - X ZR 36/80]. Andernfalls verbleiben die Rechte aus der Bürgschaft dem Gläubiger der Hauptforderung (BGHZ 115, 177, 180).

Ferner wird zu prüfen sein, ob in der zwischen den Eltern der Klägerin und der Volksbank M. vereinbarten Umschuldung eine Schuldübernahme im Sinn von § 414 BGB lag mit der Folge, daß mangels Zustimmung der Beklagten deren Bürgschaft nach § 418 Abs. 1 Satz 1 BGB erlosch und damit die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte entfielen.