Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 22.05.1990, Az.: IX ZR 208/89
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Detektivunternehmen. Der Beklagte ist Wirtschaftsberater. Bei der von ihm betreuten Firma W. vom H. in W. (fortan: Firma) waren wiederholt Verluste im Lagerbereich aufgetreten. Um zu erfahren, ob diese auf kriminellen Handlungen von Mitarbeitern beruhten, kam der Beklagte mit der Klägerin überein, diese solle für die Zeit vom 21. September bis 3. Oktober 1987 einen Mitarbeiter als angeblichen neuen Arbeitnehmer bei der Firma einschleusen. In dem am 18. September 1987 unterzeichneten Vertragsformular ist als Entgelt ein Pauschalbetrag von 10.000 DM nebst Mehrwertsteuer vereinbart. Der von der Klägerin eingesetzte Mitarbeiter S. trat seinen Dienst, wie abgesprochen, im Hauptlager der Firma am Klever Tor an. Der Beklagte behauptet, die Klägerin sei bei Vertragsschluß darauf hingewiesen worden, daß ihr Mitarbeiter sich unter keinen Umständen als kurzfristige Aushilfe zu erkennen geben dürfe, weil man ihn dann nur zum "Hofkehren" einsetzen werde. Trotzdem habe er dem Lagermeister am zweiten Tag nach Dienstantritt erklärt, er werde nur 14 Tage bleiben. Daraufhin sei er - das ist unstreitig - während mehr als der Hälfte der vorgesehenen Zeit nicht mehr im Hauptlager, sondern in dem nur mit einem Mann besetzten Außenlager an der Isselstraße eingesetzt worden.
Der Beklagte hält die von der Klägerin geleisteten
Dienste für völlig nutz- und wertlos. Er weigert sich, die mit der Klage verlangte Vergütung zu zahlen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage in der Hauptsache stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus, die von der Klägerin geschuldeten Dienstleistungen hätten im wesentlichen darin bestehen sollen, daß sie einen ihrer Mitarbeiter bei der Firma einschleuste, um zu beobachten, ob Angestellte etwa Teile der Lagerbestände entwendeten. Der Zahlungsanspruch der Klägerin sei fällig im Sinne des § 614 BGB. Die Einwendung des Beklagten, die Dienstleistung sei mangelhaft erbracht worden und daher nutzlos, sei nicht erheblich. Eine Minderung des Vergütungsanspruchs aus Gewährleistungsgesichtspunkten komme nicht in Betracht, weil das Recht des Dienstvertrages keine Regelung über die Gewährleistung enthalte. Deshalb seien die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen anzuwenden. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen. Da der Dienstverpflichtete nicht einen bestimmten Erfolg, sondern eine sorgfältige Tätigkeit schulde, würde ihm ein überverschuldensmäßiges Risiko aufgebürdet, wie es nur die Gewährleistungshaftung kenne, wenn ihm bei Erbringung einer qualitativ mangelhaften Leistung nach § 320 BGB der Lohn entzogen würde. Auch soweit der Beklagte geltend mache, die Klägerin sei von der ihr erteilten Weisung abgewichen, daß sich ihr Mitarbeiter nicht als Aushilfe zu erkennen geben dürfe, sei die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht gerechtfertigt. Dies folge jedenfalls daraus, daß der Beklagte nach seinen eigenen Angaben bereits am zweiten Tag der Ermittlungen die Erklärung des Mitarbeiters S. gegenüber dem Lagermeister erfahren und diesen Sachverhalt mit der Klägerin besprochen habe. Wenn er dann in Kenntnis der Weisungsabweichung die weitere Auftragsdurchführung zugelassen habe, habe die Klägerin dieses Verhalten dahin verstehen dürfen, daß der Beklagte ihr später nicht entgegenhalten werde, sie habe wegen Abweichung von einer Anweisung des Beklagten überhaupt keine zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten geeignete Leistung erbracht. Das Zahlungsverlangen der Klägerin sei ferner nicht als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Sie brauche den geforderten Betrag auch nicht nach § 812 BGB zurückzuerstatten und habe dem Beklagten nicht einen ihm durch die Erfüllung des Zahlungsanspruchs entstehenden Schaden zu ersetzen. Eine Haftung für die unzureichende Qualität von Dienstleistungen sei allein nach den Grundsätzen über die Haftung für positive Vertragsverletzungen zu beurteilen. Der Beklagte habe jedoch nicht dargetan, daß ihm durch die behauptete Schlechtleistung ein Schaden entstanden sei oder entstehen könne. Insbesondere stelle die Zahlung der vereinbarten Vergütung für eine nicht sachgerecht ausgeführte Dienstleistung einen ersatzpflichtigen Schaden nicht dar. Auch bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Dienstverpflichtung bestehe ein Anspruch gegen den Dienstberechtigten auf Zahlung der vereinbarten Vergütung. Daraus, daß das Dienstleistungsrecht für den Fall der Schlechtleistung eine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung nicht vorsehe, sei die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, daß der Dienstherr das Risiko der Einstellung eines den Ansprüchen nicht genügenden Dienstverpflichteten trage. Eine Honorarkürzung ergebe sich schließlich nicht aus dem Fehlen zugesagter Psychogramme der einzelnen Lagerarbeiter. Der Beklagte habe nicht in substantiierter Weise dargetan, daß es sich insoweit um eine - nach Werkvertragsrecht zu beurteilende - selbständige Vertragsleistung gehandelt habe, für deren Erbringung ein gesondert feststellbarer Teil der Gesamtvergütung zu zahlen sei.
II. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als Dienstvertrag gewertet. Dies entspricht der rechtlichen Einordnung eines Detektivvertrages in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGH, Urt. v. 2. März 1978 - VII ZR 104/77, WM 1978, 723, 725; Erman/Hanau, BGB 8. Aufl. § 611 Rdn. 40; Lieb, Dienstvertrag, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd. III 1983 S. 183, 194). Auch die Revision erhebt insoweit keine Bedenken. Daß das Ergebnis der detektivischen Tätigkeit in einem Bericht zusammengefaßt werden sollte und nach der Behauptung des Beklagten Psychogramme über die einzelnen Mitarbeiter der Firma zu erstellen waren, vermag die Einordnung des Vertrages als Dienstvertrag nicht in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diese Leistungen werkvertragliche Elemente enthalten, treten sie hinter dem dienstvertraglichen Charakter des Gesamtvertrages zurück (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB 12. Aufl. § 305 Rdn. 79; Staudinger/Richardi Vorbem. zu §§ 611 ff Rdn. 85).
2. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts bestätigt hat, tragen das von ihm gefundene Ergebnis auch dann nicht, wenn man die umstrittene Frage, ob im Fall der Schlechtleistung ein Dienstverpflichteter die Dienstvergütung verwirken oder ein Dienstberechtigter diese herabsetzen kann, mit dem Berufungsgericht verneint. Die Revision rügt mit Recht, der Berufungsrichter habe sich nicht mit der Frage der Unmöglichkeit befaßt.
a) Nach dem bisherigen Vortrag muß der Senat davon ausgehen, daß zwischen den Parteien abgesprochen war, der bei der Firma einzusetzende Mitarbeiter der Klägerin solle die nach dem Vertrag geschuldete detektivische Tätigkeit im Hauptlager am Klever Tor entfalten. Hier lag das Schwergewicht der Aktivitäten der Firma. In dem Lager waren sieben Personen beschäftigt. Hier befand sich die gesamte Warenpalette der Firma einschließlich aller kleinen Geräte und hochwertigen kleinen Ersatzteile, die durch ungetreue Mitarbeiter leicht beiseite geschafft werden konnten. Demgegenüber kam einer Aufklärungsarbeit in dem nur mit einem Mann besetzten Außenlager an der Isselstraße, das nur mit großvolumigen und schweren Artikeln bestückt war, allenfalls eine ganz untergeordnete Bedeutung zu. Der Ort, an dem die Dienste der Klägerin vereinbarungsgemäß zu erbringen waren, hatte mithin eine für den Inhalt des Dienstvertrags wesentliche Bedeutung. Nach dem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen des Beklagten ist der Mitarbeiter S. der Klägerin deshalb überwiegend nicht in dem Hauptlager, sondern in dem Außenlager beschäftigt worden, weil er dem über die Funktion von S. nicht unterrichteten Lagermeister am zweiten Tag seines Einsatzes erklärte, er werde nur 14 Tage bei der Firma tätig sein. Danach ist der Klägerin die von ihr geschuldete Aufklärungsarbeit in dem Hauptlager für die Zeit, in der ihr Mitarbeiter S. in dem Außenlager eingesetzt war, unmöglich geworden.
b) Die durch den Einsatz ihres Mitarbeiters in dem Außenlager herbeigeführte Unmöglichkeit der Leistung der versprochenen Dienste hat die Klägerin nach dem Vortrag des Beklagten zu vertreten. Dieser behauptet, bei Vertragsschluß ausdrücklich darauf hingewiesen zu haben, der Mitarbeiter der Klägerin dürfe sich unter keinen Umständen als nur für 14 Tage eingestellte Aushilfe zu erkennen geben, weil man ihn dann nur zum "Hofkehren" einsetzen werde. Daraus konnte die Klägerin entnehmen, daß die Gefahr eines anderweitigen Einsatzes ihres Mitarbeiters bestand, der die Leistung der versprochenen Dienste ausschloß. Dem mußte sie durch eine entsprechende Unterrichtung ihres Mitarbeiters vorbeugen. Dessen Verschulden ist ihr nach § 278 BGB anzulasten.
c) Daß der Beklagte sich mit einem Einsatz des Mitarbeiters der Klägerin in dem Außenlager einverstanden erklärt hätte, ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen hat, nachdem er von dem Hinweis des Mitarbeiters S. auf die kurze Dauer seiner Beschäftigungszeit und der daraufhin erfolgten Versetzung in das Außenlager erfahren habe, habe er Herrn T. von der Klägerin angerufen und ihm vorgeschlagen, den Auftrag sofort abzubrechen. T. habe ihn beschwichtigt und versprochen, S. bekomme eine völlig neue Legende und werde sich das Vertrauen seiner Kollegen schnellstmöglich zurückgewinnen. Davon habe er - Beklagter - jedoch nichts gemerkt. Nach ca. einer Woche habe er selbst dafür Sorge tragen müssen, daß S. zumindest zeitweise wieder im Hauptlager tätig geworden sei. Danach verstößt der Beklagte auch nicht unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben, wenn er sich wegen des Einsatzes von S. in dem Außenlager auf Unmöglichkeit beruft.
d) Im Fall der Unmöglichkeit kann der Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder die für den Fall des § 323 BGB bestimmten Rechte geltend machen (§ 325 Abs. 1 BGB). Ein Rücktritt kommt bei Dienstverhältnissen nicht in Betracht; er ist durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ersetzt (vgl. Palandt/Putzo, BGB 49. Aufl. § 611 Anm. 1 d; Staudinger/Richardi § 611 Rdn. 455; auch Staudinger/Otto § 326 Rdn. 24 f). Davon hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht.
Nach dem bisherigen Sachstand ist davon auszugehen, daß der Klägerin die von ihr geschuldete Leistung durch den Einsatz ihres Mitarbeiters S. außerhalb des Hauptlagers teilweise unmöglich geworden ist. Auch wenn in Fällen der vorliegenden Art eine Frist von mindestens zwei Wochen erforderlich ist, um sinnvolle Observierungsarbeit zu leisten, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, ein kürzerer Zeitraum sei zur Erlangung von mit dem Vertrag erstrebten Ergebnissen von vornherein völlig ungeeignet gewesen. Vielmehr war es nicht auszuschließen, daß der Mitarbeiter der Klägerin in den Tagen seiner Anwesenheit im Hauptlager Beobachtungen machte, die für die Firma von Bedeutung sein konnten. Freilich ist der Beklagte gemäß § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach Maßgabe des § 280 Abs. 2 BGB zu verlangen, wenn die Teilerfüllung des Vertrages für ihn kein Interesse hat. Das träfe dann zu, wenn die Erbringung der möglichen Teilleistung gegen eine entsprechende Teilgegenleistung für den Beklagten ohne Interesse und es günstiger für ihn wäre, insgesamt neu abzuschließen (vgl. Erman/Battes § 325 Rdn. 32; MünchKomm/Emmerich, BGB 2. Aufl. § 325 Rdn. 71; Palandt/Heinrichs § 325 Anm. 6; Staudinger/Otto § 325 Rdn. 77; auch BGH, Urt. v. 27. Mai 1981 - V ZR 184/78, WM 1981, 792, 795). Dazu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, daß die Klägerin Psychogramme über das Personal des Hauptlagers nicht erstellt und nach der Behauptung des Beklagten die für einen Zeitpunkt im unmittelbaren Anschluß an die Tätigkeit ihres Mitarbeiters im Betrieb der Firma zugesagte Schlußbesprechung derart verzögert hat, daß sie ohne Erkenntnisgewinn blieb.
Der Schaden des Beklagten bestünde bei gänzlichem Interessewegfall darin, daß er mit der vereinbarten Vergütung belastet ist. Er brauchte diese Vergütung dann grundsätzlich nicht zu leisten. Freilich hat er nach § 280 Abs. 2 in Verbindung mit § 346 Satz 2 BGB für die in dem Hauptlager geleisteten Dienste das vereinbarte (anteilige) Entgelt zu entrichten. Dieses ist in Anwendung von § 287 ZPO zu ermitteln. Dabei wird eine Aufteilung der vereinbarten Pauschalvergütung im Verhältnis der Zeitdauer, während der der Mitarbeiter der Klägerin in dem Hauptlager und an anderer Stelle eingesetzt war, nicht ohne weiteres genügen. Vielmehr ist gegebenenfalls der anteilige Wert von Mitarbeiterpsychogrammen und einer zeitnahen Schlußbesprechung zu gewichten und zu Lasten der Klägerin mit in Ansatz zu bringen. An die Darlegungs- und Beweislast des Beklagten sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. Ihm werden die dem Pauschalpreis zugrundeliegenden Berechnungsfaktoren nicht bekannt sein. Das Gericht hat nötigenfalls zu schätzen und nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 16. Dezember 1963 - III ZR 47/63, LM ZPO § 287 Nr. 33).
Möglicherweise kann die Frage des gänzlichen Interessewegfalls auch auf sich beruhen. Dies träfe dann zu, wenn - wofür einiges spricht - die Berechnung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen teilweiser Nichterfüllung (vgl. BGH, Urt. v. 7. Dezember 1987 - II ZR 206/87, ZIP 1988, 568, 569 f) im Streitfall zu demselben Ergebnis führte wie die Berechnung eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit.
III. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, das Parteivorbringen unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte umfassend neu zu würdigen und die erforderlichen Beweise zu erheben.