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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 09.07.1953, Az.: IV ZR 242/52

Tenor

Das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 14. Juli 1952 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kaufmann Heinrich Ha. war persönlich haftender Gesellschafter der Margarinefabrik "H." F.Ha. KG (im folgenden Gemeinschuldnerin genannt). Kommanditisten waren Familienangehörige des Kaufmanns Ha.. Während der Kriegs- und Nachkriegszeit hatte die Gemeinschuldnerin die Margarineproduktion allmählich aufgegeben und sich auf den Margarinegrosshandel umgestellt, 1946 nahm sie die Herstellung und den Vertrieb von Nährhefe und Ersatzerzeugnissen aus Molkereiprodukten auf, die während der Zwangsbewirtschaftung guten Absatz fanden. Diese Erzeugnisse wurden durch die zu diesem Zweck errichtete "A., Nahrungs- und Arzneimittel GmbH" hergestellt. Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft war Heinrich Ha.. Beide Firmen wurden auf demselben, der Kommanditgesellschaft gehörenden Grundstück betrieben. Soweit der Geschäftsbetrieb es zuliess, ergänzten die Gesellschaften sich. Die Kunden- und Unkostenkonten wurden gemeinsam geführt und die Unkosten pauschal verrechnet. Die Buchführung wurde im übrigen getrennt gehalten. Im April 1948 nahm die Gemeinschuldnerin die Herstellung von Margarine in kleinem Umfange wieder auf.

Alsbald nach der Währungsreform räumte die Beklagte der A. GmbH einen grösseren Kontokorrentkredit ein, der durch eine erststellige Grundschuld von 300.000,- DM auf dem Fabrikgrundstück der Gemeinschuldnerin, das einen Einheitswert von 156.080,- DM hat, gesichert wurde. Ende des Frühjahrs 1949 musste die Produktion der A. GmbH fast vollständig eingestellt werden. Aus diesem Grunde begann Heinrich Ha., die Margarineproduktion zu erweitern. Um sein Vorhaben durchführen zu können, bat er die Beklagte um einen weiteren Kredit. Die Beklagte lehnte diese Bitte ab. Der von der Beklagten eingeräumte Kredit war durch Zinsbelastungen und Aufnahme fälliger Wechsel inzwischen auf 350.000,- DM angestiegen. Heinrich Harmsen vermochte die Beklagte nicht umzustimmen. Auch ein Versuch, aus Mitteln des Landesministers für Wirtschaft einen Kredit zu erhalten, schlug fehl.

Im November 1949 gelang es Rechtsanwalt Dr. ..., der den Kaufmann Ha. beriet, die Beklagte zu bewegen, der Gemeinschuldnerin einen Kredit einzuräumen. Dr. ... hatte der Beklagten dargelegt, es sei angesichts der finanziellen Lage der Gemeinschuldnerin unmöglich, ihren Fortbestand ohne Gewährung eines Kredits durch die Beklagte zu gewährleisten. Eine jetzt mögliche Umsatzausweitung sei vielleicht die letzte und einzige Gelegenheit, den Zusammenbruch der Gemeinschuldnerin zu vermeiden. Die Umsatzsteigerung sei auch das einzige Mittel, um in den nächsten Monaten zu einer langsam sich steigernden Rückführung der Verpflichtungen des Unternehmens zu gelangen und damit auch der Beklagten das bisher von ihr gegebene Geld zu retten. Heinrich Ha. erklärte sich bereit, alle Auflagen hinzunehmen, die die Beklagte zur Überwachung der Rückwicklung des Kredits für erforderlich hielt. Die Beklagte räumte darauf der Gemeinschuldnerin einen Kredit in Höhe von 25.000,- DM ein. Sie forderte, einer ihrer Direktoren müsse in der Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin derart treuhänderisch tätig sein können, dass finanzielle Dispositionen an seine Genehmigung gebunden seien. Auch über den Kredit dürfe nicht ohne seine Mitzeichnung verfügt werden. Zur Sicherung dieses Kredits wurden der Beklagten Ansprüche aus Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von insgesamt 17.500,- DM und alle Forderungen aus Verkäufen von Margarine, Speisefett und Kokosfett im Einzelbetrage von mehr als 100,- DM mit der Maßgabe abgetreten, dass bis zur Höhe des in Anspruch genommenen Kredits laufend weitere Forderungen abzutreten seien. Ferner wurden der Beklagten die Rohstoffe und Fertigwaren, die auf dem mit der Grundschuld belasteten Grundstück stehenden Maschinen und der Fuhrpark, bestehend aus einem Lastzug mit Anhänger, einen Opel-Blitz-Lieferwagen und zwei Volkswagen, zur Sicherheit übereignet. Die in den Übereignungs- und Abtretungsverträgen beigefügten Vermögensaufstellungen enthalten folgende Wertangaben:a)Rohwaren: "keine vorhanden". b)Fertigwaren:16.471,80 DMc)Forderungen:24.536,96 DMd)Maschinen:207.216,- DM

Der Fuhrpark wurde nicht bewertet.

Als die Gemeinschuldnerin mit dem eingeräumten Kredit ihre Produktion und ihren Umsatz tatsächlich steigerte, erhöhte die Beklagte den Kredit um weitere 25.000,- DM, ohne dass sie zusätzliche Sicherheiten verlangte. Am 31. Januar 1950 wurden die A. GmbH mit Wirkung vom 31. Dezember 1949 aufgelöst und mit sämtlichen Aktiven und Passiven von der Gemeinschuldnerin übernommen. Der Margarineumsatz der Gemeinschuldnerin steigerte sich zunächst laufend, und zwar von 96.000,- DM im November 1949 auf 328.000,- DM im August 1950. Dann ging er zurück. Im Oktober 1950 betrug er nur noch 87.800,- DM. Die Schulden der Gemeinschuldnerin bei der Beklagten waren inzwischen auf 474.850,- DM, davon 37.940,- DM Zinsbelastungen, aufgelaufen. Einen von der Gemeinschuldnerin erbetenen weiteren Kredit lehnte die Beklagte ab. Sie gab mit Schreiben vom 12. Dezember 1950 die ihr übereigneten Waren frei und begann, die ihr zur Sicherung abgetretenen Forderungen im eigenen Namen einzuziehen. Am 3. Januar 1951 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Konkursverwalter ist der Kläger. Die übrigen Gläubiger der Gemeinschuldnerin haben noch Forderungen in Höhe von etwa 223.000,- DM, denen verwertbare Aktiven in Höhe von etwa 35.000,- DM gegenüberstehen.

Der Kläger hält die von der Gemeinschuldnerin mit der Beklagten abgeschlossenen Sicherungsverträge für nichtig. Er begehrt mit der Klage jedoch nur die Feststellung, dass die Übereignung des Fuhrparks nichtig sei. Er hat ausgeführt, die Gemeinschuldnerin sei spätestens im November 1949 konkursreif gewesen. Ein Kredit von 50.000,- DM habe den Zusammenbruch nicht verhindern können. Die Gemeinschuldnerin habe daher auch einen Kredit von 100.000,- bis 150.000,- DM erbeten. Die Beklagte habe ihr auch ursprünglich einen höheren Kredit zugesagt. Heinrich Ha. habe ausdrücklich erklärt, dass er den Umsatz mit einem Kredit von 50.000,- DM nicht nachhaltig steigern könne. Die laufenden Geldeingänge hätten zur Abdeckung des Kredits verwandt werden müssen. Als die Beklagte die Aussenstände selbst eingezogen habe, sei die Gemeinschuldnerin ohne jede Geldmittel gewesen, so dass sie ihre Angestellten ohne Rücksicht auf den Kündigungsschutz habe entlassen müssen. Der Kläger hat beantragt,festzustellen, dass der zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten abgeschlossene Sicherungsübereignungsvertrag vom 12. November 1949 über1einen Lastzug mit Anhänger Daimler-Benz AG, Fahrgestell Nr. 30/6414406, BS 30 - 5236, Anhänger BS 30 - 9960,2Lieferwagen Opel-Blitz, Fahrgestell Nr. 11999, BS 30 - 7605,3Volkswagen PKW, Fahrgestell Nr. 93372, BS 30 - 4804,4Volkswagen PKW, Fahrgestell Nr. 1 - 079780, BS 30 - 4304,

nichtig sei.

Die Beklagte hat beantragt,die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Einsetzung eines ihrer Direktoren als Treuhänder habe nur den Zweck gehabt, die ordnungsmässige Verwendung des Kredits sicherzustellen. Beim Einkauf, bei der Produktion und beim Absatz habe die Gemeinschuldnerin völlig freie Hand gehabt. Sie, die Beklagte, sei überzeugt gewesen, durch den bewilligten Kredit den Zusammenbruch der Gemeinschuldnerin vermeiden zu können. Die spätere Entwicklung auf dem Margarinemarkt sei nicht vorhersehbar gewesen. Die Gemeinschuldnerin habe auch über die bei ihr eingehenden Gelder frei verfügen können. Sie habe diese nicht zur Abwicklung des Kredits verwendet. Die Sicherheiten seien in der Vermögensaufstellung zu hoch bewertet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, mit der der Kläger seinen im ersten Rechtszug gestellten Antrag weiterverfolgt. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Fuhrpark sei der Beklagten rechtswirksam übereignet worden. Die Übereignung sei weder wucherisch noch enthielten die von der Beklagten mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Verträge eine sittenwidrige Knebelung. Die Gemeinschuldnerin habe beim Einkauf, bei der Produktion und beim Absatz freie Hand gehabt. Die Tätigkeit des. Treuhänders habe sich darauf beschränkt, Verfügungen über den eingeräumten Kredit gegenzuzeichnen. Der Treuhänder habe sich den Betrieb nur einmal angesehen, aber nicht in die Betriebsführung eingegriffen. Heinrich Ha. habe auch den für den Unterhalt seiner Familie erforderlichen Betrag den Bareingängen entnehmen dürfen. Er habe dazu monatlich etwa 1.000,- DM zur Verfügung gehabt.

Die Beklagte habe sich auch nicht eines Kreditbetrugs schuldig gemacht. Zweck der Sicherungsverträge sei es nicht gewesen, Dritte zur Kreditgewährung an die Gemeinschuldnerin zu bestimmen. Dass die Sicherungsverträge die wahren Vermögensverhältnisse der Gemeinschuldnerin nicht offengelegt hätten, sei keine wucherische Täuschungshandlung. Eine Rechtspflicht zur Offenbarung habe nicht bestanden.

Es sei auch nicht erwiesen, dass die Beklagte die Gemeinschuldnerin zum Nachteil anderer Gläubiger von dem durch die Verhältnisse gebotenen alsbaldigen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens abgehalten habe, um sich selber aus den erlangten Sicherheiten oder dem sonstigen Vermögen der Gemeinschuldnerin ungehindert befriedigen zu können. Die Gemeinschuldnerin sei zwar im November 1949 konkursreif gewesen. Bereits im Frühjahr 1949 habe sie ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen können. Die Beklagte habe aber im November 1949 mit Recht davon ausgehen dürfen, dass es gelingen werde, durch eine Erhöhung des Kredits um 50.000,- DM den drohenden Zusammenbruch der Gemeinschuldnerin zu verhindern. Schon die Umsatzsteigerung beweise, dass der gewährte Zusatzkredit ausgereicht habe, um die zur Sanierung erforderliche Ausweitung des Umsatzes zu erzielen. Der im September 1950 eingetretene Rückgang sei im November 1949 nicht vorhersehbar gewesen, zumal da die Absatzkrise eine Folge der Verwicklungen in Korea gewesen sei. Die Beklagte habe auch mit Rücksicht auf ihre bisherigen Forderungen keine Veranlassung gehabt, ein etwa unvermeidliches Konkursverfahren hinauszuzögern. Ihre Grundschuld von 300.000,- DM sei am 19. Februar 1949 bestellt und am 26. März 1949 in das Grundbuch eingetragen worden. Die Anfechtungsfristen nach den Bestimmungen der Konkurs- und Vergleichsordnung seien also bereits verstrichen gewesen.

Der Tatbestand einer sittenwidrigen Aufsaugung sei gleichfalls nicht gegeben. Die Beklagte habe die Gemeinschuldnerin nicht in ihren Mitteln und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt und allmählich derart ausgesaugt, dass ihr Geschäft habe zugrunde gehen müssen. Aus diesem Grunde sei die Gemeinschuldnerin nicht zum Schaden anderer Gläubiger zum Konkurs getrieben worden.

Die Beklagte habe die Gemeinschuldnerin auch nicht zu ihrem blossen Strohmann erniedrigt. Die Gemeinschuldnerin sei nicht nur nach aussen als Inhaberin des Geschäfts erschienen. Es sei nicht die Absicht der Beklagten gewesen, risikolos den Gewinn abzuschöpfen und einen etwaigen Verlust der Gemeinschuldnerin und deren Gläubigern zu überlassen. Die Beklagte sei vielmehr bestrebt gewesen, die Gemeinschuldnerin zu sanieren und ihr die Möglichkeit zu geben, in absehbarer Zeit alle Gläubiger zu befriedigen statt Konkurs anmelden zu müssen.

Die Revision wendet sich im Ergebnis nicht dagegen, dass das Berufungsgericht keinen der vorstehend erörterten Tatbestände, auf Grund dessen Sicherungsverträge nichtig sein können, angenommen hat. Insoweit bestehen nach den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch keine Rechtsbedenken gegen das angefochtene Urteil.

II.Die Revision rügt aber, das Berufungsgericht habe das Recht verkannt, soweit es verneint habe, dass die Sicherungsverträge aus dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung nichtig seien. Die Rüge greift durch.

1.Zu der in Rede stehenden Frage hat das Berufungsgericht ausgeführt, eine Gläubigergefährdung liege vor, wenn die ausbedungenen Sicherheiten durch ihren Umfang und ihre Undurchsichtigkeit die von dem Sicherungsnehmer bewusst oder als möglich in Kauf genommene, nicht ganz fernliegende Gefahr mit sich bringen, dass spätere, nichtsahnende Gläubiger zu Schaden kommen, ohne dass jedoch von einem betrügerischen Vorgehen des Sicherungsnehmers ihnen gegenüber die Rede sein könne. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der objektive Tatbestand der Gläubigergefährdung erfüllt sei. Die Beklagte habe sich in erheblichem Umfang undurchsichtige Sicherheiten bestellen lassen. Die Aktiven der Gemeinschuldnerin hätten 726.000,- DM betragen, hiervon seien 609.000,- DM, also 84 Prozent, der Beklagten übertragen worden. Dabei seien auch die Sicherheiten für den der Aminowerk GmbH eingeräumten Kredit berücksichtigt. Denn diese Gesellschaft und die Gemeinschuldnerin hätten wirtschaftlich eine Einheit gebildet. Es sei bei den Kreditverhandlungen zwischen beiden auch nur rein formal unterschieden worden. Von diesen Sicherheiten könne nur die Grundschuld in Höhe von 300.000,- DM als offene Sicherheit bezeichnet werden. Durch die Bestellung der verdeckten Sicherheiten sei die Gefahr begründet worden, dass spätere, nichtsahnende Gläubiger Schaden leiden könnten. Denn die Aufnahme weiterer Kredite, insbesondere von Lieferanten der Gemeinschuldnerin, habe nicht nur nahegelegen, sondern sei von der Gemeinschuldnerin und auch von der Beklagten als wünschenswert erstrebt worden. Die Gemeinschuldnerin und die Beklagte hätten beim Abschluss der Sicherungsverträge die Schädigung künftiger Gläubiger auch als möglich erkannt oder doch als möglich erkennen müssen. Sie hätten sie jedoch nicht gebilligt verfolge die mit der Bestellung der Sicherheiten verbundene Kreditgewährung zur Sanierung des Schuldners, so reiche aber der Umstand allein, dass die Bestellung der Sicherheiten nach aussen nicht in Erscheinung trete und die Vertragsteile mit der Möglichkeit rechnen, die übrigen Gläubiger könnten hierdurch über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und Schaden erleiden, nicht aus, um einen Verstoss gegen die guten Sitten anzunehmen. Der Umstand, dass der Sicherungsnehmer mit der Möglichkeit rechne, andere Personen könnten über die Kreditwürdigkeit des Sicherungsgebers getäuscht werden, erfülle den subjektiven Tatbestand der Gläubigergefährdung nur, wenn der Sicherungsnehmer die als möglich erkannte Schädigung künftiger Gläubiger auch billige, wenn es Zweck der Kreditgewährung gewesen sei, dem Schuldner über eine augenblickliche Geldverlegenheit hinwegzuhelfen, nicht aber, ihn wieder kreditwürdig zu machen. Die Beklagte und alle übrigen Beteiligten hätten aber im November 1949 ernsthaft geglaubt, dass der gewährte Kredit der Gemeinschuldnerin ermöglichen werde, ihre Krise zu überwinden und ihre Schulden abzutragen.

2.Die von der Revision gegen diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts vorgetragenen Bedenken sind zum Teil berechtigt. Die Revision ist der Ansicht, die Sicherungsverträge seien in dem hier zu entscheidenden Fall schon dann wegen sittenwidriger Gläubigergefährdung nach § 138 BGB nichtig, wenn die Vertragsparteien die Vermögenslage der Gemeinschuldnerin so weit übersehen hätten, dass sie zumindest mit der Möglichkeit gerechnet hätten, andere Personen könnten über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden, oder wenn sie sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschlossen hätten.

Die Frage, unter welchen Umständen Sicherungsverträge wegen sittenwidriger Gläubigergefährdung nichtig sind, ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht immer einheitlich beantwortet worden. Verschiedene Entscheidungen sprechen für den von der Revision vertretenen weiteren Standpunkt, so die in LZ 1931 Sp 694; RGZ 143, 49 (52); und RGZ 118, 361 (363) abgedruckten Urteile des Reichsgerichts, Aus den bei Warneyer 1929 Nr. 74 und Nr. 84 veröffentlichten Entscheidungen lassen sich sichere Schlüsse auf die vom Reichsgericht vertretene Rechtsansicht nicht ziehen. Beide Entscheidungen behandeln einen Sachverhalt, der zugleich den Tatbestand einer sittenwidrigen Knebelung des Schuldners erfüllte und deswegen anders zu beurteilen war. Die in RGZ 132, 187; Warneyer 1929 Nr. 165 und in KonkTreuW 34, 178 veröffentlichten Urteile des Reichsgerichts sprechen dagegen für die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht.

Die in dem vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidende Frage, ob die Sicherungsverträge nach § 138 BGB nichtig sind, ist streng zu trennen von der wesentlich anders liegenden Frage, ob die etwa geschädigten übrigen Gläubiger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 826 BGB haben. In früherer Zeit hat das Reichsgericht nicht immer genügend zwischen diesen beiden Tatbeständen geschieden. Auch das angefochtene Urteil hält sie nicht stets scharf auseinander.

Das Gesetz selbst enthält keinen besonderen Tatbestand der Gläubigergefährdung. Vielmehr hat die Rechtsprechung Sicherungsverträge nach der Gestaltung der einzelnen Umstände im Hinblick auf die durch sie bewirkte Gläubigergefährdung für nichtig erklärt. Die Dichtigkeit folgt in allen diesen Fällen aus § 138 Abs. 1 BGB. Es kann nicht allgemein von einem bestimmten Tatbestand der Gläubigergefährdung ausgegangen und gesagt werden, dass in allen Fällen ganz bestimmte Merkmale in subjektiver oder objektiver Hinsicht vorliegen müssen, damit ein Sicherungsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung nichtig ist. Es sind vielmehr stets die besonderen Umstände des einzelnen Falles darauf zu prüfen, ob der Vertrag mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden übereinstimmt. Dabei sind vor allem die Anschauungen der in Betracht kommenden beteiligten Kreise, hier die der ehrbaren Kaufmannschaft zu berücksichtigen, wobei das Durchschnittsmaß von Redlichkeit und Anstand zugrunde zu lesen ist. Etwaige Missbräuche, die sich in bestimmten Kreisen gebildet haben, sind nicht zu beachten (BGB RGR 10. Aufl § 138 Anm. 1 Abs. 3 S 270).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes hat die Nichtigkeit ihren wesentlichen Grund in dem objektiven Inhalt des Geschäfts. Nach den Motiven I, 211 soll sogar die subjektive Seite völlig unberücksichtigt bleiben und das Urteil über die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts allein aus dessen objektiver Natur gefolgert werden. Dieser Standpunkt ist von der Rechtsprechung des Reichsgerichts zutreffend als zu eng abgelehnt worden. Über die Sittenwidrigkeit ist vielmehr auf Grund des objektiven und subjektiven Gehalts des Rechtsgeschäfts zu entscheiden (vgl. BGB RGR 10, Aufl § 138 Anm. 1 Abs. 2 S 269).

Ein Sicherungsvertrag, der die Möglichkeit eröffnet, dass neue Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und Schaden erleiden, kann unter Umständen vorwiegend wegen seines objektiven Inhalts sittenwidrig sein. Derartige Umstände können vorliegen, wenn wegen der besonderen Verhältnisse die Möglichkeit, dass Dritte infolge des Vertrages Schaden leiden, so naheliegend ist, dass die Vertragschliessenden bei der von ihnen nach den Umständen zu verlangenden sorgfältigen Überlegung sich sagen mussten, diese Möglichkeit werde sich mit ziemlicher Sicherheit verwirklichen. Ein Rechtsgeschäft, das die Möglichkeit setzt, dass Dritte getäuscht werden und dadurch Schaden leiden, verstösst auch dann gegen das Anstands- und Gerechtigkeitsgefühl aller ehrbaren Kaufleute, wenn die Vertragschliessenden sich grob fahrlässig der Erkenntnis verschlossen haben, dass dieser Schaden tatsächlich eintreten werde. Es ist nicht so, wie es das Berufungsgericht angenommen hat, dass Sicherungsverträge, die im Zusammenhang mit Sanierungsvorhaben abgeschlossen werden, wegen Gläubigergefährdung nur dann nichtig sind, wenn die Vertragschliessenden die Schädigung Dritter bewusst in Kauf genommen haben. Auch das Reichsgericht hat schon ausgesprochen, dass unter Umständen grobe Fahrlässigkeit (Gewissenlosigkeit) die Annahme eines Sittenverstosses rechtfertigen könne (RGZ 143, 49, 51).

Ist die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung Dritter weniger naheliegend, dann sind Beweggrund und Zweck des Vertrages für das Urteil, ob dieser mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen vereinbar ist, bedeutsamer. Verfolgen die Parteien mit dem Sicherungsvertrag nur Zwecke, die nicht als berechtigt anerkannt werden können, soll der Zusammenbruch des Schuldners nur hinausgeschoben werden und hofft der Gläubiger, sich dadurch persönliche Vorteile zu verschaffen, so kann der Vertrag aus diesem Grunde sittenwidrig sein, wenn er die Möglichkeit einer zu Schaden führenden Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Schuldners schafft, ohne dass es darauf ankommt, ob die Vertragsparteien diese Folge gewollt haben.

Wird dagegen mit dem Sicherungsvertrag der Zweck verfolgt, den Schuldner wirklich zu sanieren, so reicht die nicht allzu naheliegende Möglichkeit einer Täuschung und Schädigung Dritter dann nicht aus, um den Vertrag sittenwidrig erscheinen zu lassen, wenn die Parteien auf Grund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten überzeugt waren, das Sanierungsvorhaben werde Erfolg haben und eine Schädigung Dritter letztlich nicht eintreten. Dabei sind an die Pflicht zur sachkundigen, sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Lage des Schuldners und der Entwicklungsmöglichkeit seines Geschäfts strengere Anforderungen zu stellen, wenn der Beweggrund für die Bewilligung des Kredites zur Sanierung des Schuldners eigennützig war. Ein eigennütziger Beweggrund würde z.B. insbesondere dann vorliegen, wenn der Gläubiger befürchtet, der Schuldner werde, falls eine Sanierung nicht versucht werde, auch die ihm von dem Gläubiger früher eingeräumten Kredite nicht zurückzahlen können. Unter solchen Umständen, in denen der Beweggrund für die Sanierung des Schuldners von Seiten des kreditgewährenden Gläubigers eigennützig ist, müssen Gläubiger und Schuldner, um dem Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens zu entgehen, besonders sorgfältig prüfen, ob das Sanierungsvorhaben auch Erfolg haben wird.

Da das Berufungsgericht insoweit die Rechtslage verkannt und den Sachverhalt auch in tatsächlicher Beziehung nur im Hinblick auf den irrig angenommenen Rechtsstandpunkt, somit nicht erschöpfend gewürdigt hat, musste das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

III.Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht zunächst wieder festzustellen haben, zu welchem Zweck die Beklagte den Kredit eingeräumt hat. Falls die Beklagte ihn nicht allein und auch nicht vorwiegend deswegen gegeben hat, um ihre eigenen Gelder, also ihre Forderungen, die sich damals auf bereits 350.000,- DM beliefen, zu retten, wird zu prüfen sein, ob diese Absicht nicht mindestens mit ein Beweggrund für die Hingabe des weiteren Kredites gewesen ist. Einen Anhaltspunkt dafür kann z.B. die Vorstellung geben, die die Beklagte sich über die Möglichkeit machte, wegen ihrer eigenen Forderungen im Falle eines Zusammenbruchs der Gemeinschuldnerin Befriedigung zu finden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den bisherigen Feststellungen vor Abschluss der Novemberverträge an sich von den damaligen Forderungen der Beklagten von 550.000,- DM ein Betrag von 50.000,- DM überhaupt nicht gesichert war. Wesentlich könnte weiter sein, ob die Beklagte annahm, sie würde wegen ihrer Grundschuld von 300.000,- DM aus dem Grundstück voll befriedigt werden, obwohl der Einheitswert des Grundstücks nur 156.080,- DM betrug und erfahrungsgemäss Fabrikgrundstücke schwer angemessen zu veräussern sind, wenn das in ihnen betriebene Unternehmen zusammengebrochen ist. Bei der Prüfung wird auch zu berücksichtigen sein, dass selbst der Rechtsberater der Gemeinschuldnerin in seinem Schreiben vom 8. November 1949 deutlich ausgesprochen hat, die Hingabe eines neuen Kredits sei das einzige Mittel, um damit auch der Beklagten die bisher von ihr gegebenen Gelder zu retten. Auch das eigene Verhalten der Beklagten könnte Rückschlüsse auf ihre Beweggründe und die von ihr verfolgten Zwecke gestatten. Es fällt auf, dass sie zunächst nur einen verhältnismässig geringen weiteren Kredit gegen die beträchtlichen Sicherheiten tatsächlich eingeräumt und auch der Gemeinschuldnerin von einer beabsichtigten späteren Erhöhung zunächst nichts gesagt hat.

Sollte die neue Prüfung des Sachverhalts wiederum ergeben, die Beklagte habe den Zweck verfolgt, die Gemeinschuldnerin zu sanieren und sie sei überzeugt gewesen, dieses Vorhaben werde auch Erfolg haben, dann ist zu untersuchen, ob die Beklagte diese Überzeugung auf Grund einer wirklich sorgfältigen fachkundigen und gründlichen Prüfung, wie sie unter den hier gegebenen Umständen geboten war, gewonnen hat. Für das Ausmaß der von der Beklagten zu verlangenden Sorgfalt ist zu beachten, dass nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils die Aufnahme weiterer Kredite bei Dritten, insbesondere bei Lieferanten auch von seiten der Beklagten, als wünschenswert erstrebt wurde. - Sollte die neue Verhandlung sogar ergeben, die Beklagte habe eine Sanierung überhaupt nur unter diesen Voraussetzungen für möglich gehalten, dann könnte ihr Verhalten schon aus diesem Grunde gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Kaufleute verstossen haben. Die Beklagte hätte dann selbst durch die Verträge, die nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Folge hatten, dass ihr 84 Prozent der Aktiven der jetzigen Gemeinschuldnerin übertragen waren, den objektiven Tatbestand für eine Kredittäuschung gesetzt, Sie hätte auch gewusst, der erstrebte Erfolg, der allenfalls ihr Verhalten zu einem erlaubten machen konnte, werde nur eintreten, wenn Dritte sich tatsächlich täuschen liessen. Durch die Inanspruchnahme der Sicherheiten hätte sie für sich selbst das Risiko ausgeschlossen und dieses allein den zu täuschenden Dritten überlassen. Ein solches Verhalten würde der Rechts- und Sittenordnung widerstreiten. - Aber auch wenn die Beklagte annahm, das Sanierungsvorhaben werde bereits auf Grund der von ihr gewährten neuen Kredite Erfolg haben, so verpflichtete der Umstand, dass sie jedenfalls auch erstrebte, die jetzige Gemeinschuldnerin solle auch Lieferantenkredite erhalten, sie doch zu einer ganz besonders sorgfältigen Prüfung, zumal da sie möglicherweise schon damit rechnete, als Bank später Auskünfte über die Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin geben zu müssen. Solche Auskünfte konnten sie in eine zwiespältige Lage bringen. Wenn die Beklagte die Auskünfte vollständig und den Verhältnissen entsprechend erteilte, hätte sie damit notwendig das Sanierungsvorhaben gefährdet.

Für die Frage, ob die Beklagte das von ihr zu verlangende hohe Maß von Sorgfalt hat walten lassen, könnte weiter zu beachten sein, dass das Landwirtschaftsministerium und anfänglich auch die Beklagte selbst eine Sanierung abgelehnt haben. Es wird zweckmässig aufzuklären sein, auf welchen Erwägungen diese Entscheidungen beruhten, ob die Beklagte beim Landwirtschaftsministerium Erkundigungen eingezogen hat und wodurch sie schliesslich anderen Sinnes geworden ist. Stets wird es bedeutsam sein, festzustellen, welche fachkundigen wirtschaftlichen Untersuchungen die Beklagte über die Erfolgsaussichten des Unternehmens der Gemeinschuldnerin angestellt hat. Es wäre bedenklich und nach den bisher getroffenen Feststellungen ungenügend, wenn sie sich nur auf die Angaben des oder der Rechtsberater der Gemeinschuldnerin und solcher Personen, die in Diensten der Gemeinschuldnerin standen, verlassen hat. Darin könnte die hier zu verlangende objektive Prüfung durch einen branchekundigen Wirtschaftsfachmann nicht erblickt werden. Es wird auch nicht genügen, wenn die Beklagte geglaubt hat, es werde gelingen, die Produktion zu steigern. Wesentlich ist, ob sie ein fachkundiges Urteil über die künftige Entwicklung auf dem Margarinemarkt im allgemeinen gewonnen hat, da das Sanierungsvorhaben nur gelingen konnte, wenn eine anhaltende Umsatzsteigerung erzielt wurde. Ferner wird festzustellen sein, ob die Beklagte auf Grund fachkundiger Prüfung nicht allein zu dem Ergebnis gelangte, der Umsatz könnte nachhaltig gesteigert werden, sondern weiter auch überzeugt sein konnte, dadurch würden die Erträgnisse des Unternehmens sich so steigern, dass es wirklich möglich sei, neben den hohen Zinsbelastungen die Schuldenlast merklich zu tilgen. Dafür könnte es bedeutsam sein, festzustellen, wie sieh die Vermögensverhältnisse des Unternehmens tatsächlich bis zu dem Zeitpunkt des plötzlichen Rückganges der Produktion entwickelt haben. Möglicherweise lässt auch der Umstand, dass zunächst nur ein Kredit von 25.000,- DM tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde, den Schluss zu, die Beklagte sei selbst, wenigstens zunächst, nicht von den Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens überzeugt gewesen.