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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 20.12.1962, Az.: III ZR 155/61

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Koblenz vom 24. Mai 1961 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die hälftige Erstattung von Leistungen, die sie den Hinterbliebenen des Kaufmanns Günther Br. in Gestalt von Sterbegeld und Renten kraft gesetzlicher Verpflichtung gewährt hat.

Am 12. April 1956 gegen 9.30 Uhr stieß der von Br. gesteuerte Personenkraftwagen (Fiat 1900) auf der Hunsrückhöhenstraße (Bundesstraße ..., im folgenden B.) bei km 76 mit einem von dem amerikanischen Soldaten S. gesteuerten Militär-Lastwagen (Opel 1,5 to) zusammen. Br. und zwei weitere Insassen seines Wagens kamen ums Leben.

Bei km ... gabelt sich die B. in westlicher Richtung. Die nördliche Straße läuft von Osten (Richtung K.) her gesehen geradeaus als B. nach Ber. weiter, die südliche führt mit einer Linksbiegung von etwa 30° als B. weiter in Richtung T.. Die Spitze des Winkels, den die auseinanderlaufenden Straßen bilden, wird durch eine kleine, dreieckige Verkehrsinsel ausgefüllt, deren Spitze nach Osten (Richtung K.) zeigt und den Kilometerstein ... trägt. Ihr folgt westlich eine zweite, größere Verkehrsinsel. Die Durchfahrten zwischen den beiden Inseln und zwischen der größeren Insel und dem westlich anschließenden Waldgelände ermöglichen es, von der B. in die B. zu gelangen und umgekehrt. In Höhe der westlichen Durchfahrt mündet von Norden her eine untergeordnete Seitenstraße in die B. ein.

An der B. stand ungefähr 100 m westlich vor dem Zwischenraum zwischen der größeren Insel und dem Wald und 180 m vor dem Kilometerstein ... ein Dreieckschild "Vorfahrt achten" nach Bild 30 der Anlage zur Straßenverkehrsordnung.

Von dort aus ist die Straße nach Osten auf rd. 400 m einzusehen, es sind also über das östliche Ende der B. hinaus noch rd. 200 m der B. einsehbar.

Br. befand sich auf einer Geschäftsfahrt, S. auf einer Dienstfahrt. Beide kannten die Örtlichkeit. Br. kam auf der B 50 mit etwa 75-80 km/st von Westen her gefahren, gleichzeitig S. mit 65-70 km/st von Osten in der Absicht, auf der B. in Richtung T. weiterzufahren. Br. fuhr in die B. ein, ohne seine Geschwindigkeit zu vermindern. Er überquerte die Fahrbahn des S. und erreichte die für ihn rechte (südliche) Fahrbahn der B.. Da S. aber den LKW plötzlich nach links riß, kam es zu einen frontalen Zusammenstoß auf der südlichen Fahrbahnhälfte.

Das Landesentschädigungsamt hat die Entschädigungsansprüche der Klägerin mit Feststellungsbescheid vom 13. August 1959, zugestellt am folgenden Tage, zurückgewiesen. Mit der am 13. Oktober 1959 bei Gericht eingelaufenen Klage bittet die Klägerin die Beklagte zu verurteilen, 6.124 DM nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Hälfte des den Hinterbliebenen Br. aus dem Unfall entstandenen weiteren Schadens im Rahmen ihrer gesetzlichen Leistungen und unter Berücksichtigung ihres Quotenvorrechts zu ersetzen.

Die Klägerin trägt vor: S. habe den Unfall überwiegend verursacht. Da er von der geradeaus verlaufenden Straße nach links habe abbiegen wollen, hätte er diese Absicht durch Zeichen angeben und den ihm entgegenkommenden Br. vorbeifahren lassen müssen. Durch das Schild 180 m vor der Einmündung sei Br. nicht die Vorfahrt genommen gewesen, da dieses Schild nur Geltung bis zur nächsten Straßeneinmündung habe. S. sei auch zu schnell gefahren und deshalb auf die für ihn linke Fahrbahnhälfte geraten. Zumindest habe er falsch reagiert, indem er den LKW nach links gesteuert habe; denn wenn er auf seiner rechten Fahrbahnhälfte geblieben oder in die B. eingefahren wäre, hätte er den Zusammenstoß vermieden. Da Br. möglicherweise den Unfall durch seine große Geschwindigkeit mitverursacht habe, mache sie zunächst nur die Hälfte ihrer Aufwendungen geltend.

Die Beklagte hat gebeten, die Klage abzuweisen und vorgetragen: Der Unfall sei allein darauf zurückzuführen, daß Br. ohne das Vorfahrtsrecht für die B. zu beachten, mit zu hoher Geschwindigkeit kurz vor S. in die B 327 eingefahren sei. Br. habe aus der Kenntnis der Örtlichkeit heraus gewußt, daß dem Verkehr auf der B. die Vorfahrt zustand. Selbst wenn B. falsch gehandelt habe, so sei die Fehlreaktion durch Br. verschuldet, weil er nur 1 Sekunde vor S. dessen Fahrbahn gekreuzt habe. Unter diesen Umständen könne S. ein etwaiges falsches Handeln nicht als Verschulden angerechnet werden. S. habe auch kein Richtungszeichen zu geben brauchen, da er nicht von der B. habe abweichen wollen. Der Unfall sei für S. ein unabwendbares Ereignis gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.1.)Schadensersatzansprüche, die den Hinterbliebenen Br. aus dessen Unfall zustehen, sind nach § 1542 RVO auf die Klägerin übergegangen, soweit diese kraft gesetzlicher Verpflichtung den Hinterbliebenen gleichartige Leistungen zu gewähren hat. Da der Lastkraftwagen auf einer Dienstfahrt von einem Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte gefahren wurde, kann die Klägerin nach Artikel 8 Abs. 4 des Finanzvertrages (FV) Entschädigung nach den Vorschriften des deutschen Rechts verlangen, nach denen sich die Haftung der B. bestimmen würde, wenn ein Fahrer und ein Fahrzeug der Bundeswehr unter sonst gleichen Umständen am Unfall beteiligt wären. Ansprüche aus Dienstpflichtverletzung nach § 839 BGB, Art. 34 GG scheiden aus, weil die Geschädigten durch die Leistungen der Klägerin anderweit Ersatz erlangt und ihnen Amtshaftungsansprüche deshalb nicht zugestanden haben (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Haftung der Beklagten kommt daher nur insoweit in Betracht, als nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes, insbesondere nach dessen §§ 7 und 10 Abs. 2, der Halter des Kraftfahrzeugs ersatzpflichtig ist. Dabei ist zu ihren Gunsten die Ausgleichspflicht zu berücksichtigen, die den verunglückten Fahrer Br. nach §§ 9, 18 Abs. 3, 17 StVG, § 254 BGB trifft (BGH VI ZR 319/52 vom 24. Juni 1953 = LM Nr. 3 zu § 17 StVG; Gelhaar in BAR 1954, 265, 267) und die auch gegenüber den nach § 10 Abs. 2 StVG anspruchsberechtigten Hinterbliebenen wirkt (BGH III ZR 297/51 vom 23. Juni 1552, insoweit in BGHZ 6, 319, 324 [BGH 23.06.1952 - III ZR 297/51] nur teilweise abgedruckt). Hiervon geht das Berufungsgericht zutreffend aus.

Vorauszuschicken ist weiter, daß zur Zeit des Unfalls die Straßenverkehrsordnung in der Fassung vom 24. August 1953 (BGBl. I 1201) galt, da die Fassung vom 29. März 1956 (BGBl. I 271, 327) erst am 1. Mai 1956 in Kraft getreten ist.

2.)Das Berufungsgericht führt weiter aus: Es könne dahinstehen, ob der Unfall für S. ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Auch wenn eine Haftung nach § 7 StVG gegeben sei, entfalle im Hinblick auf die nach §§ 18 Abs. 3, 17 StVG gegebene Ausgleichspflicht Br. jeder Anspruch gegen die Beklagte. Br. habe sich grob verkehrswidrig verhalten, indem er mit einer Geschwindigkeit von 75-80 km/st an die vorfahrtsberechtigte B. herangefahren sei. Auch ohne negatives Vorfahrtszeichen auf der B 50 wäre er gegenüber dem aus Richtung T., d.h. für ihn von rechts kommenden Verkehr wartepflichtig gewesen. Nach § 9 Abs. 2 StVO habe er eine mäßige Geschwindigkeit einhalten müssen, und zwar schon bei der Annäherung an die Einmündung. Das sei um so mehr erforderlich gewesen, als auf der B. zulässigerweise Geschwindigkeiten von 100 und mehr Kilometern gefahren würden. Br. habe weiter das Vorfahrtsrecht des S. verletzt. Durch das Schild "Vorfahrt achten" 180 m vor der Einmündung in die B. sei Br. die Vorfahrt genommen gewesen. Wenn möglicherweise bei einem Ortsunkundigen Zweifel hätten auftreten können, ob das Schild bis zur Einmündung der B. Geltung haben solle, so seien solche Zweifel bei Br. ausgeschieden, weil er die Örtlichkeit genau gekannt und daher gewußt habe, daß der B. gegenüber dem Verkehr auf der B. die Vorfahrt genommen werden sollte. Er habe daher gewußt, daß er gegenüber dem herannahenden S., den er auf 400 m gesehen habe, wartepflichtig sei. Daran ändere sich nichts dadurch, daß die B. geradeaus verlaufe, während die B. in einer Linkskrümmung weiterführe; sie bilde für jedermann erkennbar unbeschadet dieser Krümmung einen einheitlich fortlaufenden Straßenzug, so daß S. für Br. erkennbar nicht nach links in eine "andere" Straße eingebogen, sondern auf derselben Straße geblieben sei. Br. sei deshalb auch kein "Geradeausbleibender" im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 3 StVO gewesen, so daß er S. nicht als wartepflichtig habe ansehen können.

Wenn der Zusammenstoß auch erst erfolgt sei, als Br. schon auf der B. seine rechte Fahrbahnhälfte erreicht gehabt habe, so beruhe er doch auf der Verletzung der Vorfahrt durch Br.. Dieser hätte nur dann in die B. einfahren dürfen, wenn er vor S. einen so großen Vorsprung gehabt hätte, daß er mit Sicherheit die Kreuzung beenden konnto, ohne S. zu stören. Davon habe Br. aber nicht ausgehen können, zwei Sekunden vor dem Zusammenstoß sei er 43 m, S. 38 m von der Unfallstelle entfernt gewesen, in der nächsten Sekunde, als Br. die Fahrbahn S. gekreuzt habe, seien die beiden Fahrzeuge nur noch etwa 40 m auseinander gewesen. Wenn es auch Br. gelungen sei, um eine Sekunde vor S. über dessen Fahrbahnhälfte zu kommen, habe er doch damit rechnen müssen, durch sein Verhalten S. in seiner Fahrweise zu beeinträchtigen. Er habe schuldhaft das diesem nach § 13 StVO zustehende Vorfahrtsrecht verletzt, S. habe sich dagegen bis kurz vor dem Zusammenstoß verkehrsgerecht verhalten. Zur Einhaltung der äußersten rechten Straßenseite sei er nicht verpflichtet gewesen, da die Straße von Gegenverkehr frei gewesen und die Linkskurve übersichtlich sei. Auch die von S. eingehaltene Geschwindigkeit von 65-70 km/st sei nicht zu beanstanden. S. sei nicht durch seine Geschwindigkeit auf die linke Fahrbahnhälfte geraten, sondern bewußt dorthin gefahren, um Br. auszuweichen. Ein Richtungsänderungszeichen zu geben und Br. vorbeizulassen, sei er nicht verpflichtet gewesen.

Wohl hätte S. den Unfall vermeiden können, wenn er auf seiner Fahrbahn geblieben oder geradeaus in die B. eingefahren wäre. Ob ihm seine Fehlreaktion als Verschulden anzurechnen sei, müsse aber aus der konkreten Sachlage im Augenblick dieser Reaktion beurteilt werden. Die Verkehrslage vor dem Zusammenstoß sei indes für S. eindeutig gewesen. Er habe eine vom Verkehr freie und übersichtliche Straße vor sich und die Vorfahrt vor allen einmündenden Straßen gehabt. Er habe auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts durch aus den Nebenstraßen, auch aus der B., kommende Fahrzeuge rechnen dürfen und dem Verkehr auf den Nebenstraßen nicht einmal besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Erst dann hätte er sich auf eine verkehrswidrige Lage einstellen müssen, wenn die Möglichkeit der Verletzung seines Vorfahrtsrechts durch die Umstände ersichtlich nahegelegt worden wäre. Das wäre für ihn dann ersichtlich gewesen, als Br. mit unverminderter Geschwindigkeit an die Einmündung der B. heranfuhr. S. habe im Ermittlungsverfahren ausgesagt, er habe Br. erst auf 40-50 m vor dem Zusammenstoß vor sich gesehen. Das sei eine Sekunde vor dem Zusammenstoß gewesen. Aber auch wenn S. Br. schon drei Sekunden vor dem Zusammenstoß gesehen hätte, wäre die Verkehrslage für ihn nicht anders gewesen. Denn in diesem Augenblick sei Br. noch 21,5 m vor dem Kilometerstein ... und beide Fahrzeuge 121 m auseinander gewesen. Wenn man S. zumuten müßte, in diesem Augenblick schon zu erkennen, daß sein Vorfahrtsrecht nicht beachtet werde, dann wären ihm nach Abzug einer Reaktionszeit von 0,6 Sekunden nur 2,4 Sekunden verblieben, um der Gefahr des Zusammenstoßes richtig zu begegnen. Wenn er in dieser kurzen Zeit geglaubt hättes Br. das Vorbeifahren dadurch zu ermöglichen, daß er ihm, der nur geradeaus zu fahren gebraucht habe, die linke Fahrbahn überließ, so wäre das von seiner Sicht aus entschuldbar gewesen. Auch in diesem Falle hätte sich der Unfall in gleicher Weise zugetragen. Hätte S. Br. aber bereits 4 Sekunden vorher gesehen, dann hätte er eine Verletzung seiner Vorfahrt überhaupt nicht anzunehmen brauchen, sondern vertrauen dürfen, daß Br. seine Geschwindigkeit noch rechtzeitig herabsetzen werde. Der Umstand, daß S. Br. erst auf 40 m wahrgenommen habe, sei deshalb für die Verursachung des Unfalls nicht von wesentlicher Bedeutung gewesen.

Da die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung der von den Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr begegnen wollten, erhöhe derjenige, der diese Bestimmungen verletzen die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr gegenüber der des sich verkehrsgerecht Verhaltenden. Die Verkehrsgefahr eines Personenkraftwagens, der mit hoher Geschwindigkeit verkehrswidrig die Vorfahrt eines Lastkraftwagens verletze, sei weit höher zu bewerten, so daß dadurch schon überwiegend der Schaden von Br. verursacht worden sei. Komme noch hinzu, daß S. höchstens eine Fehlreaktion vorzuwerfen sei, weil er unter Beobachtung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt anders hätte reagieren können, während Br. in grob verkehrswidriger Weise mit zu hoher Geschwindigkeit an die Straße herangefahren sei und diese unter Verletzung des Vorfahrtsrechts gekreuzt habe, so sei durch das Verhalten des Br. der Schaden so überwiegend verursacht, daß es gerechtfertigt sei, die Beklagte von der Schadensersatzpflicht freizustellen. Denn gerade die Tatsache, daß Br. schon mit zu hoher Geschwindigkeit an die B. herangefahren sei, sei die wesentlichste und überwiegende Unfallursache gewesen.

II.1.)Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Br. sei wartepflichtig gewesen, wendet sich die Revision ohne Erfolg. Durch das Dreieckschild "Vorfahrt beachten" war den Benützern der B. die Vorfahrt gegenüber denen der B O genommen. Er ist zwar richtig, daß ein derartiges Schild sich grundsätzlich nur auf die nächste Straßeneinmündung bezieht. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt aber nicht vor. Das Berufungsgericht hat, wie schon das Landgericht, die Gabelung der Bundesstraßen B. und B. samt den Einmündungen der Nebenstraßen als einheitliche Anlage angesehen. Gegen diese Wertung, die im wesentlichen dem der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogenen Gebiet der tatsächlichen Beurteilung angehört, ergeben sich keine rechtlichen Bedenken. Es besteht - und bestand zur Zeit des Unfalls - keine gesetzliche Bestimmung, die eine andere Beurteilung gebietet. Nach der Anlage zur Straßenverkehrsordnung A III Abs. 5 (BGBl. 1953 I 1201, 1217) ist das Dreieckschild "Vorfahrt achten" außerhalb geschlossener Ortschaften nur aufzustellen, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit nötig ist. Für die Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche Kreuzung oder Einmündung vorliegt, für die ein Zeichen zur Regelung der Vorfahrt genügt, ist deshalb darauf abzustellen, wie sich die Anlage für den Verkehrsteilnehmer darstellt, wie dieser den Geltungsbereich eines Zeichens beurteilen muß. Hier ergab sich der Geltungsbereich des Dreieckschildes zweifelsfrei aus der Örtlichkeit. Der wesentlichste Teil der Anlage ist, jedenfalls für den auf der B. herankommenden Verkehrsteilnehmer, die Einmündung dieser Straße in die B.. Die von Norden einmündende Nebenstraße und die beiden Durchfahrten zwischen den Bundesstraßen liegen dieser Einmündung räumlich sehr nahe und sind verkehrsmäßig offensichtlich von untergeordneter Bedeutung. Hieraus muß der Verkehrsteilnehmer den Eindruck gewinnen, daß die Einmündung der B. in die B. den wesentlichsten Teil einer zusammenhängenden einheitlichen Anlage darstellt; er mußte hieraus schließen, daß sich das Dreieckschild, wie es zur Zeit des Unfalls angebracht war, wenn nicht ausschließlich, so wenigstens auch auf die Einmündung der B. in die B. bezog.

Eine Regelung, die dem Benutzer der Bundesstraße ... die Vorfahrt gegenüber dem aus einer Seitenstraße und den Durchfahrten zur B. kommenden, schwächeren Verkehr genommen, es aber gegenüber dem weitaus stärkeren und schnellen Verkehr auf der B. bei der Regel "Rechts vor links" gelassen hätte (§ 13 Abs. 1 StVO), wäre so offensichtlich in sich widerspruchsvoll, unzweckmäßig, ja gefährlich gewesen, daß jeder Verkehrsteilnehmer auch bei Anwendung geringer Sorgfalt erkennen mußte, daß das Zeichen die Einmündung der B. in die B. im ganzen betraf. Insbesondere mußte sich das jemand sagen, der die Örtlichkeit und die Stärke und Schnelligkeit des Verkehrs auf der B. kannte, wie dies bei Br. nach den Feststellungen des Berufungsurteils der Fall war. Br. war deshalb, wenn er nicht eine genügende Zeit vor S. an die Einmündung herankam, wartepflichtig und mußte dies erkennen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß ein negatives Vorfahrtszeichen sich auf die nächste Straßeneinmündung beziehe und die B. erst die vierte Einmündung nach dem Zeichen darstelle, geht ins Leere, weil das Berufungsgericht, wie ausgeführt, die Gabelung der Bundesstraßen als einheitliche Kreuzung gewertet hat und werten konnte.

2.S. war vorfahrtsberechtigt, wenn nicht Br. so rechtzeitig an die Einmündung herankam, daß er ohne S. zu gefährden oder zu stören, dessen Fahrbahn kreuzen konnte. Das Berufungsgericht hat zwar keine näheren Feststellungen darüber getroffen, welche Verkehrszeichen an der B., insbesondere vor der Einmündung der B., in Fahrtrichtung S. gesehen, angebracht waren. Es geht aber offensichtlich davon aus, daß die B. außerhalb der geschlossenen Ortschaften mindestens hin und wieder an Kreuzungen, Einmündungen oder in ihrem Verlauf als Vorfahrtsstraße durch Bundesstraßennummernschilder gekennzeichnet ist. Das entspricht der gesetzlichen Regelung - Anlage zur StVO A III Abs. 5 - (und ist für die B 327 in der mit Urteil des Bundesgerichtshofs VI ZR 125/59 vom 28. Juni 1960, insoweit in LM Nr. 18 zu § 13 StVG gekürzt wiedergegeben, entschiedenen Sache ausdrücklich festgestellt). Es kann daher unbedenklich davon ausgegangen werden, daß die B. in der angegebenen Weise als Vorfahrtsstraße gekennzeichnet war. Diese Kennzeichnung war auch für Kreuzungen und Straßeneinmündungen außerhalb geschlossener Ortschaften wirksam, an denen ein die Vorfahrt gewährendes Zeichen nicht angebracht war (BGH a.a.O.). Das gilt zwar, wie in der genannten Entscheidung ebenfalls ausgeführt ist, nicht für die Einmündung einer anderen Bundesstraße, wenn dieser nicht die Vorfahrt genommen ist; das aber war hier der Fall, wie bereits dargelegt ist. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der ein sogenanntes "vereinsamtes Dreieckschild" (VI ZR 193/57 vom 30. September 1958 = LM Nr. 15 zu § 13 StVO mit Nachweisen), d.h. ein negatives Vorfahrtszeichen nach Bild 30 dem auf der kreuzenden, nicht als bevorrechtigt gekennzeichneten Straße von links Kommenden die Vorfahrt nicht gibt, ist nichts Gegenteiliges herzuleiten, weil die B. als Vorfahrtsstraße bezeichnet ist. Die Ansicht des Berufungsgerichts, durch die Bezeichnung der B. als Vorfahrtsstraße und das Zeichen nach Bild 30 auf der B. sei den Benutzern der B. die Vorfahrt eingeräumt, läßt somit einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

3.Für S. bestand daher nicht, wie die Revision meint, eine rechtlich unübersichtliche Verkehrs Situation, die ihn zu erhöhter Vorsicht veranlassen mußte. Er war nicht, wie er es im Falle des vereinsamten Dreieckschilds hätte tun müssen, verpflichtet, sich so zu verhalten, als sei Br. vorfahrtsberechtigt. Er war vielmehr berechtigt, die Vorfahrt für sich in Anspruch zu nehmen, wenn nicht besondere Gründe, insbesondere ein Vorsprung oder eine auffällige Fahrweise des Br., ein anderes Verhalten erforderten. Im übrigen hätte er, wie in der angegebenen Entscheidung vom 28. Juni 1960 - insoweit in LM nicht abgedruckt - weiter ausgeführt ist, auch angesichts der Einmündung einer anderen Bundesstraße an seinem Vorfahrtsrecht nicht zu zweifeln brauchen, sondern da er sich auf einer ordnungsgemäß bezeichneten Vorfahrtsstraße befand, darauf vertrauen dürfen, daß dem Benutzer einer einmündenden gleichberechtigten Straße das Vorfahrtsrecht genommen sei (so auch Müller, Straßenverkehrsrecht 21. Aufl. § 13 StVO Anm. 22).

4.Ohne Grund meint die Revision, S. habe die Vorfahrt deshalb nicht mehr zugestanden, weil Br. das Kreuzungsfeld zwischen der B. und der B., das bei der Kreuzung We.-Ber.-T., d.h. westlich der größeren Verkehrsinsel beginne, bereits befahren und sich schon auf der ihm zukommenden rechten Fahrbahn der B. befunden habe, während S. erst in die Kreuzung eingefahren sei. Es kam nicht darauf an, wann Br. die westliche Verkehrsinsel erreicht hatte; zu warten hatte er vor der Überquerung der Fahrbahn der B., also etwa in Höhe der östlichen kleineren Verkehrsinsel, wenn er nicht beim Erreichen dieses Punktes einen ausreichenden Vorsprung vor S. hatte. Das war, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nicht der Fall. Die Wartepflicht besteht nur dann nicht, wenn der Fahrer, den sie treffen würde, auf Grund sorgfältiger Prüfung mit Gewißheit annehmen darf, daß er die Kreuzung überquert haben werde, bevor der Vorfahrtberechtigte den Schnittpunkt der beiderseitigen Fahrbahn erreicht, und jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausgeschlossen erscheint; dazu gehört auch, daß er so fährt, daß der Vorfahrtberechtigte nicht in seiner Fahrweise gestört und zu raschen und möglicherweise - wie im vorliegenden Falle - gefahrbringenden Reaktionen veranlaßt wird. Die Wartepflicht besteht insbesondere auch dann, wenn ein Fahrer so knapp vor einem Vorfahrtsberechtigten dessen Fahrbahn überqueren müßte, daß dieser sich gefährdet sehen könnte (BGH 4 StR 124/50 vom 12. April 1951 = LM Nr. 2 zu § 13 StVO). Das Berufungsgericht stellt mit eingehender Begründung fest, Br. habe unter den gegebenen Umständen nicht damit rechnen können, die Fahrbahn S. zu überqueren, ohne diesen zu beeinträchtigen. Es hat dabei entgegen dem Vortrag der Revision den Umstand gewürdigt, daß Br. vor S. die für ihn rechte Fahrbahn der B. erreichte. Seine Feststellung beruht daher nicht auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO; sie ist für das Revisionsgericht bindend. Es ist deshalb davon auszugehen, daß Br. wartepflichtig war.

Die Annahme des Berufungsgerichts, Br. sei nach § 9 Abs. 2 StVO verpflichtet gewesen, bei der Annäherung an die B. eine mäßige Geschwindigkeit einzuhalten, entspricht demnach der Rechtslage. Zutreffend erblickt deshalb das Berufungsgericht darin, daß Br. die Einmündung mit 75-80 km/h durchfuhr, ein grob verkehrswidriges Verhalten.

5.Der Vorfahrtsberechtigte kann im allgemeinen darauf vertrauen, daß sein Vorfahrtrecht von dem Wartepflichtigen beachtet werde. Er muß von der Inanspruchnahme der Vorfahrt aber dann absehen, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit in einem Zeitpunkt, in dem er einen Unfall noch verhindern kann, erkennen muß, daß der Wartepflichtige das Vorfahrtsrecht verletzen werde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vorfahrtberechtigte die Gefahr eines Zusammenstoßes rechtzeitig, d.h. solange sie vermeidbar ist, tatsächlich erkennt, sondern ob er sie bei Anwendung der von ihn als Kraftfahrer im Verkehr zu fordernden Sorgfalt erkennen muß. Er darf trotz seinem Vorfahrtrecht nicht unbekümmert darauf losfahren. Vielmehr muß er, soweit es ihm bei der pflichtgemäßen Beobachtung seiner Fahrbahn möglich ist, sein Augenmerk auch auf den aus der untergeordneten Straße herannahenden Verkehr richten, nicht um abzuwarten, ob die von dort kommenden Verkehrsteilnehmer ihrer Verkehrspflicht auch genügen werden, sondern um zu vermeiden, daß ihm Umstände entgehen, die eine Mißachtung seines Vorfahrtsrechts durch einen herannahenden Fahrer erkennen lassen (BGH VI ZR - 265/53 vom 2. Juni 1954 = LM Nr. 11 zu § 13 StVO mit weiteren Nachweisen).

Der Revision ist einzuräumen, daß S. bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den ihm in der Geraden entgegenkommenden Personenkraftwagen früher hätte sehen müssen als in dem von ihm angegebenen Zeitpunkt, nämlich als er sich noch 40-50 m vor der Einmündung der B. befand. Er hätte auch, wie das Berufungsgericht feststellt, den Unfall vermeiden können, wenn er auf seiner Fahrbahn geblieben oder in die B. eingefahren wäre.

Bei der Beurteilung der Frage, ob S. ein Verschulden trifft, geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß in der Regel einem Kraftfahrzeugführer kein Vorwurf daraus zu machen ist, wenn er bei einer ohne sein Verschulden plötzlich auftauchenden erheblichen Gefahr eine Abwehrmaßnahme ergreift, die sich aus nachträglicher Sicht als unrichtig erweist, im Augenblick der Gefahr dem zu schnellem Handeln Veranlaßten aber als möglicher Ausweg aus der gefährlichen Lage erscheinen konnte (BGH 4 StR 410/55 vom 17. November 1955 = VRS 10, 213, 214;4 StR 142/62 vom 22. Juni 1962; Müller a.a.O. StVG § 7 Abs. 2 Anm. A II b 3; Floegel-Hartung a.a.O. § 1 StVO Anm. 4 a - Note 17 -). Daß S. sich durch die Fahrweise Br. gefährdet sehen konnte, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, wie bereits dargelegt ist.

Dagegen läßt sich - wie die Revision mit Recht geltend macht - nicht zweifelsfrei erkennen, ob seine Annahme, auch bei früherer Beobachtung der Fahrweise Br. hätte S. durch Linkssteuern reagiert, der Unfall hätte sich auch dann in gleicher Weise abgespielt, auf der Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände beruht. Das plötzliche Hinüberwechseln auf die andere, grundsätzlich dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahnseite ist ein besonders gefährliches Verhalten, das nur durch besondere Umstände entschuldigt werden kann. Es war insbesondere zu prüfen, ob S. bei der möglichen und gebotenen rechtzeitigen Beobachtung der Fahrweise Br. damit hätte rechnen können, daß dieser bei seiner sehr erheblichen Geschwindigkeit in der Lage sein werde, seinerseits rechtzeitig nach links auszuweichen und den Lastwagen an dessen rechter Seite zu passieren, ob S. nicht bei genügender Aufmerksamkeit die Gefährlichkeit des plötzlichen Linkssteuerns hätte erkennen müssen und in normaler Weise durch Rechtssteuern reagiert hätte, ob nicht vielmehr das Herumreißen des Wagens nach links als eine Schreckreaktion anzusehen ist, die gerade auf zu später Erkenntnis der Gefahr beruht. Das war um so mehr zu erwägen, weil der Zusammenstoß schon vermieden worden wäre, wenn S. sich auf seiner Fahrbahn rechts gehalten, also weder heftig noch ungewöhnlich reagiert hätte.

Ob das Berufungsgericht diese Erwägungen angestellt hat, läßt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen. Seine Ansicht, S. treffe kein Verschulden, kann daher auf der Nichtberücksichtigung wesentlicher Umstände beruhen (§ 286 ZPO; BGHZ 3, 162; 6, 62) [BGH 30.04.1952 - II ZR 143/51].

III.Die Bemessung der Verantwortlichkeit für den Schaden und dessen Verteilung auf die beteiligten Fahrer und Halter nach § 254 BGB, §§ 17, 18 StVG gehört im wesentlichen dem Gebiet der tatsächlichen Würdigung an und ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob die Möglichkeit besteht, daß der Abwägung rechtsirrtümliche Erwägungen zugrunde liegen und insbesondere nicht alle Unterlagen vollständig und richtig berücksichtigt worden sind (LM Nr. 5 und 6 zu § 13 StVO; BGB-RGRK 11. Aufl. § 254 Anm. 125). Das Berufungsgericht berücksichtigt zwar zutreffend das grobe Verschulden Br., des auch im Rahmen der Abwägung nach §§ 17, 18 StVG zu werten ist (LM Nr. 13 a zu § 17 StVG) und den Umstand, daß die Betriebsgefahr des Personenkraftwagens durch die unvorschriftsmäßige Fahrweise Br. erhöht war (BGHZ 12, 124, 128 [BGH 20.01.1954 - VI ZR 118/52]; LM Nr. 10 zu § 17 StVG). Doch ist, wie die Revision zutreffend hervorhebt, bei der Schadensabwägung auch die Erhöhung der Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die durch eine nur objektiv fehlerhafte Fahrweise herbeigeführt wird (BGH in der bereits zitierten Entscheidung LM Nr. 13 a zu § 17 StVG; Floegel-Hartung a.a.O. § 17 StVG Anm. 5 c). Die Betriebsgefahr des Lastwagens war - und zwar in starkem Maße - dadurch erhöht, daß er infolge einer groben Fehlreaktion S. auf der ihm nicht zukommenden Fahrbahnhälfte ein Hindernis bildete. Das hat das Berufungsgericht, wie der Revision einzuräumen ist, nicht erkennbar berücksichtigt. Hierauf kann das Berufungsurteil beruhen.

IV.Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil daher nicht gehalten werden. Auch mit anderer Begründung ist das nicht möglich. Andererseits ist das Revisionsgericht nicht in der Lage, selbst in der Sache zu entscheiden, wie sich aus dem Ausgeführten ergibt. Das Berufungsurteil muß daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vorzubehalten ist.