Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 21.11.2013, Az.: V ZB 109/13
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der betreibenden Gläubigerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 21. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 92.032,54 € für die anwaltliche Vertretung der betreibenden Gläubigerin und 139.000 € für die anwaltliche Vertretung der Schuldner.
Entscheidungsgründe
I.
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes der Schuldner aus der im Grundbuch in Abteilung III Nr. 1 eingetragenen Grundschuld. Sie ist durch Verschmelzung zweier Genossenschaftsbanken entstanden. Die Vollstreckungsklausel zu der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde wurde auf sie umgeschrieben und den Schuldnern zugestellt. Die Zustellung eines beglaubigten Auszugs aus dem Genossenschaftsregister erfolgte zunächst nicht.
In dem Versteigerungstermin am 29. Juni 2012 blieb der Beteiligte zu 3 Meistbietender mit einem Bargebot von 154.500 €. Den Zuschlag auf dieses 1 Gebot hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7. September 2012 erteilt. Dagegen haben die Schuldner Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin den Schuldnern den Vollstreckungstitel zusammen mit einem beglaubigten Auszug aus dem Genossenschaftsregister, der die Rechtsnachfolge ausweist, zustellen lassen. Das Landgericht hat den Zuschlagsbeschluss aufgehoben und den Zuschlag versagt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die betreibende Gläubigerin die Wiederherstellung der Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts erreichen will. Die Schuldner beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lag wegen der zunächst unterbliebenen Zustellung eines Auszugs aus dem Genossenschaftsregister im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts ein Vollstreckungsmangel vor, welcher durch die im Laufe des Beschwerdeverfahrens nachgeholte Zustellung nicht geheilt worden ist.
III.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der Zuschlag auf das im Versteigerungstermin am 29. Juni 2012 abgegebene Meistgebot war nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, weil es während des gesamten amtsgerichtlichen Verfahrens an einer Vollstreckungsgrundlage fehlte.
1. Nach § 750 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 ZPO) nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfindet, in der Urkunde oder in der ihr beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Daran fehlt es in dem - hier 3 gegebenen - Fall der Rechtsnachfolge. Der Rechtsnachfolger des in der Urkunde genannten Gläubigers benötigt deshalb eine vollstreckbare Ausfertigung, deren Vollstreckungsklausel ihn als neuen Gläubiger ausweist. Erteilt werden darf diese Ausfertigung von dem Notar nur, wenn die Rechtsnachfolge bei ihm offenkundig (§ 291 ZPO) ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird (§ 727 Abs. 1 ZPO). Die Offenkundigkeit ist in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen (§ 727 Abs. 2 ZPO). Diese Klausel und - bei fehlender Offenkundigkeit - die ihrer Erteilung zugrunde liegenden Urkunden müssen dem Schuldner zusammen mit der notariellen Urkunde zugestellt werden (§ 750 Abs. 2 ZPO). Zu den zuzustellenden Urkunden gehört im Fall der durch Verschmelzung zweier Genossenschaften entstandenen Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite auch ein Auszug aus dem Genossenschaftsregister, welcher den aktuellen Registerinhalt im Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckungsklausel für den Rechtsnachfolger wiedergibt (Senat, Beschluss vom 8. November 2012 - V ZB 124/12, BGHZ 195, 292, 295 f. Rn. 9).
2. Zu Recht hält das Beschwerdegericht die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens erfolgte Zustellung des Registerauszugs für nicht ausreichend.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass im Zwangsversteigerungsverfahren Mängel bei der Titelzustellung wie die unterbliebene Zustellung der Vollmacht für eine Vollstreckungsunterwerfung, die nach § 83 Nr. 6 ZVG zur Versagung des Zuschlags führen, durch Nachholung der ordnungsgemäßen Zustellung im Laufe des Zwangsversteigerungsverfahrens geheilt werden können. Voraussetzung der Heilung ist, dass der Zustellungsmangel Rechte des Schuldners nicht beeinträchtigt (Beschluss vom 10. April 2008 - V ZB 114/07, NJW-RR 2008, 1018, 1019 f. Rn. 12 ff.). Er hat auch entschieden, dass im Zwangsversteigerungsverfahren ein Verstoß gegen ein Verfahrensgebot noch 6 im Beschwerdeverfahren rückwirkend geheilt werden kann mit der Folge, dass ein trotz des Verstoßes erteilter Zuschlag rechtswirksam ist (Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1101 f. Rn. 18, 19 mwN). Voraussetzung für eine solche Heilung ist, dass trotz des an sich gegebenen Zuschlagsversagungsgrundes (§ 83 Nr. 6 ZVG) die Rechte des Schuldners nicht beeinträchtigt werden, so dass sich der Versagungsgrund nicht auswirkt (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366, 1367). Schließlich hat der Senat entschieden, dass aufgrund eines fehlerhaften Titels der Zuschlag nicht erteilt werden darf, wenn der Fehler erst in der Beschwerdeinstanz beseitigt wird (Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1102 Rn. 25 ff.).
b) Danach mag das Nachholen der zunächst unterbliebenen Zustellung eines die Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite ausweisenden Registerauszugs den an sich gegebenen Zuschlagsversagungsgrund (§ 83 Nr. 6 ZVG) entfallen lassen. Möglich ist das jedoch allenfalls dann, wenn der Zustellungsmangel bei der Erteilung des Zuschlags nicht mehr vorliegt und somit die Zuschlagserteilung nicht hindert. Wird jedoch der Mangel - wie hier - erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens beseitigt, scheidet eine rückwirkende Heilung aus. Denn anders als bei einem Verstoß gegen ein Verfahrensgebot, der nicht die Vollstreckungsvoraussetzungen betrifft (dazu Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100), lässt ein Verstoß gegen das Zustellungserfordernis eine der drei Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung, § 750 Abs. 1 ZPO) entfallen. Die Zwangsversteigerung ist unzulässig, der Zuschlag darf nicht erteilt werden (§ 83 Nr. 6 ZVG).
c) Wäre es möglich, den Zustellungsmangel noch im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu heilen, führte das zu einer einseitigen, sachlich nicht 8 gerechtfertigten Schlechterstellung des Schuldners. Er selbst kann die Zuschlagsbeschwerde nach § 100 ZVG, von den Besonderheiten des Schutzes von Leben und Gesundheit abgesehen, nicht auf neue Tatsachen oder Beweise stützen. Dem Gläubiger wäre hingegen die Einführung neuer Tatsachen gestattet. Diese Ungleichbehandlung ist schon an sich nicht zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass ein solches Vorgehen den Zweck der Zustellung zu unterlaufen droht. Die Zustellung des Titels und der dem Rechtsnachfolger erteilten Vollstreckungsklausel nebst dem die Rechtsnachfolge ausweisenden Registerauszug hat den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klarzumachen, dass der nunmehrige Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu warnen, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen. Diese Möglichkeit würde erschwert, wenn der an sich unzulässige Zuschlagsbeschluss infolge nachträglicher Heilung des Zustellungsmangels im Beschwerdeverfahren bestehen bliebe (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1102 Rn. 28).
c) An der in seinem Beschluss vom 8. November 2012 lediglich beiläufig geäußerten Auffassung, dass der Mangel der fehlenden Zustellung eines Registerauszugs bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens geheilt werden könne (V ZB 124/12, BGHZ 195, 292, 297 Rn. 11), hält der Senat nicht fest.
IV.
1. Eine Kostenentscheidung ist in Verfahren über eine Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten hier nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 mwN). 10 2. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich für die anwaltliche Vertretung der betreibenden Gläubigerin gemäß § 26 Nr. 1 RVG nach dem Wert des Rechts, aufgrund dessen die Zwangsversteigerung betrieben wird, und für die anwaltliche Vertretung der Schuldner gemäß § 26 Nr. 2 RVG nach dem Gegenstand der Zwangsversteigerung, hier dem festgesetzten Grundstückswert.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 07.09.2012 - 11 K 9/11 -
LG Kassel, Entscheidung vom 21.06.2013 - 3 T 513/12 - 12