Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 24.11.1978, Az.: V ZB 11/77
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 18. März 1976 aufgehoben.
Das Grundbuchamt Kempten wird angewiesen, von den in seiner Zwischenverfügung vom 13. November 1975 angeführten Bedenken gegen die Eintragung der Zuordnung der zu der Eigentumswohnanlage "Beim F." in K. gehörenden Kfz-Abstellplätze Nr. 5 und 6 zu der Eigentumswohnung F 1/1 (Wohnungsgrundbuch für K. Band ... Blatt ...99) abzusehen.
Der Geschäftswert für die weitere Beschwerde wird auf 3.000 DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.Die Beteiligten zu 1 sind Eigentümer der Wohnungen F 1/5 und F 1/6 der Eigentumswohnanlage "Beim F." in K.; die Beteiligte zu 2, die ursprünglich Grundstückseigentümerin war, ist Eigentümerin der Wohnung F 1/1. Zu der Anlage gehört eine im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Hoffläche, die in Kfz-Abstellplätze unterteilt ist.
Das Wohnungseigentum war durch Teilungserklärung der Beteiligten zu 2 vom 20. Oktober 1972 begründet worden. In § 19 dieser Teilungserklärung wird "der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums an den Kfz-Abstellplätzen im Freien ... gemäß § 15 WEG ... (dahin) geregelt", daß die Grundstückseigentümerin bestimme, "welcher Kfz-Abstellplatz jeweils einem bestimmten Wohnungseigentümer zur dauernden und ausschließlichen Benützung zugeordnet" werde. § 20 der Teilungserklärung enthält die Eintragungsbewilligung. Mit Nachtrag vom 16. Januar 1973 hat die Beteiligte zu 2 u.a. den Abstellplatz Nr. 5 der Wohnung F 1/5 und den Abstellplatz Nr. 6 der Wohnung F 1/6 zugeordnet, und auch insoweit Eintragung bewilligt. Die Einträge in den jeweiligen Wohnungsgrundbüchern nehmen "wegen des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums" ergänzend auf die Eintragungsbewilligung vom 20. Oktober 1972 mit Nachtrag vom 16. Januar 1973 Bezug.
In notariell beurkundetem Vertrag vom 16. September 1975 vereinbarten die Beteiligten die Übertragung der Benutzungsrechte an den Abstellplätzen Nr. 5 und 6 auf die Beteiligte zu 2 und ordneten diese Plätze der Eigentumswohnung F 1/1 zu. Gleichzeitig bewilligten und beantragten sie die entsprechende Eintragung in das Grundbuch.
Auf den vom Urkundsnotar gestellten Eintragungsantrag hat der Rechtspfleger mit Zwischenverfügung vom 13. November 1975 den Nachweis der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer verlangt. Die von der Beteiligten zu 2 eingelegte Erinnerung ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat das ihm als Beschwerde vorgelegte Rechtsmittel zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte die weitere Beschwerde zurückweisen, sieht sich aber daran gehindert durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamburg vom 5. Dezember 1975, Rpfleger 1976, 215 und hat sie deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
II.Die Voraussetzungen für die Vorlegung der weiteren Beschwerde an den Bundesgerichtshof nach § 79 Abs. 2 GBO sind gegeben. Nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts kann ein im Wege der Gebrauchsregelung geschaffenes und als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenes Nutzungsrecht an Kfz-Abstellplätzen, die auf gemeinschaftlichem Eigentum angelegt sind, nicht ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer von dem Begünstigten auf einen anderen Wohnungseigentümer übertragen werden. Im Gegensatz hierzu hält das Oberlandesgericht Hamburg in der angeführten Entscheidung eine solche Zustimmung für nicht erforderlich. Damit will das vorlegende Gericht bei Auslegung der das Grundbuchrecht betreffenden (vgl. RGZ 146, 308, 311) Vorschriften der §§ 5, 10 WEG von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg abweichen. Daß es sich im vorliegenden Fall um Abstellplätze handelt, die im Freien angelegt sind, während Gegenstand der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg ein Abstellplatz in einer Tiefgarage war, ist für die Rechtsfrage unerheblich (auch in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg zugrundeliegenden Fall handelt es sich nicht etwa um - auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG begründetes - Sondereigentum an dem Stellplatz).
III.Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.
1.Ohne Rechtsirrtum geht das vorlegende Gericht davon aus, daß eine im Rahmen der Vorratsteilung nach § 8 WEG vom Eigentümer des Gesamtgrundstücks getroffene Regelung über die Benutzung von Kfz-Abstellplätzen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer über den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 15 Abs. 1 WEG gleichzusetzen ist (BGHZ 37, 203; BayObLGZ 1974, 217 = Rpfleger 1974, 314; Weitnauer, Rpfleger 1976, 341).
2.Die Frage der Übertragung eines durch Gebrauchsregelung im Sinn des § 15 WEG für einen Wohnungseigentümer geschaffenen Nutzungsrechts - nach verbreiteter und auch im folgenden verwendeter Terminologie als Sondernutzungsrecht bezeichnet -, das im Grundbuch eingetragen ist, ist bisher hauptsächlich im Hinblick auf den auch hier vorliegenden Fall der Übertragung eines solchen Nutzungsrechts an einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Kfz-Abstellplatz erörtert worden. Sie wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.
Zwar besteht Übereinstimmung dahin, daß ein solches Sondernutzungsrecht - ohne das Sondereigentum, dem es zugeordnet ist - nur auf ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht etwa auch auf einen außenstehenden Dritten übertragen werden kann. Im übrigen aber halten, jedenfalls für die "dingliche", d.h. die im Grundbuch zu vermerkende, Übertragung außer dem vorlegenden Gericht auch das Landgericht Hamburg (Rpfleger 1975, 366) sowie Noack (Rpfleger 1976, 193, 196 f) die Zustimmung sämtlicher zu der Gemeinschaft gehörender Wohnungseigentümer für erforderlich; für entbehrlich erachten dagegen eine solche Zustimmung - teilweise unter starker Betonung praktischer Bedürfnisse - außer, wie bereits erwähnt, dem Oberlandesgericht Hamburg das Landgericht Mannheim (Rpfleger 1976, 316); Weitnauer, Rpfleger 1976, 341, 342; Röll, MittBayNot 1977, 224; Merle, Rpfleger 1978, 86.
3.Nach Auffassung des erkennenden Senats kann ein einem bestimmten Wohnungseigentum zugeordnetes, im Grundbuch vermerktes Sondernutzungsrecht an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums - hier also an einem Kfz-Abstellplatz - durch Vereinbarung der unmittelbar Beteiligten dem Recht eines anderen Wohnungseigentümers derselben Gemeinschaft zugeordnet werden, ohne daß es dazu nach dem Gesetz der Zustimmung der übrigen zu der Gemeinschaft gehörenden Wohnungseigentümer bedürfte.
Dies läßt sich allerdings - entgegen LG Mannheim a.a.O. und Weitnauer a.a.O. - nicht damit begründen, daß durch die Gebrauchsregelung nur ein schuldrechtlicher Anspruch des begünstigten Wohnungseigentümers gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Überlassung des ausschließlichen Gebrauchs an dem Abstellplatz begründet werde, für dessen Übertragung daher schuldrechtliche Grundsätze maßgebend seien mit der Folge, daß der Anspruch nach § 398 BGB abtretbar sei (wobei lediglich die aus § 399 BGB hergeleitete Einschränkung gemacht wird, daß der Abtretungsempfänger auch Mitglied der Eigentümergemeinschaft sein müsse). Denn jedenfalls mit der Eintragung des Sondernutzungsrechts ins Grundbuch handelt es sich nicht mehr um einen lediglich schuldrechtlichen Anspruch. Der Inhalt der Gebrauchsregelung - hier also Anspruch des begünstigten Wohnungseigentümers auf Überlassung des Abstellplatzes zum alleinigen Gebrauch und Ausschluß der übrigen Wohnungseigentümer von der Nutzung dieser Grundstücksfläche - ist nach §§ 15 Abs. 1, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG durch die Eintragung im Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums geworden und hat damit - ohne ein selbständiges dingliches Recht zu sein - dingliche Wirkung erlangt (BGHZ 37, 203, 206; BayObLGZ 1974, 217; auch OLG Hamburg a.a.O.).
Daß das Sondernutzungsrecht Inhalt des Sondereigentums ist, spricht, von der Rechtsstellung des bisher begünstigten Wohnungseigentümers sowie des Erwerbers her gesehen, jedoch auch nicht gegen einen Übergang des Nutzungsrechts auf Grund Vereinbarung lediglich zwischen diesen beiden Beteiligten. Ein solcher Übergang ist als eine Inhaltsänderung des Sondereigentums und damit des Wohnungseigentums der beiden Beteiligten anzusehen; § 877 BGB setzt aber die grundsätzliche Zulässigkeit der Änderung des Inhalts eines Rechts an einem Grundstück voraus. Daß für das Wohnungseigentum etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich (ebenso Merle a.a.O.). Lediglich der Übertragung des Sondernutzungsrechts auf einen außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Dritten stünde der in § 6 WEG niedergelegte Grundsatz der zwingenden Verbindung des Sondereigentums mit einem Miteigentumsanteil entgegen.
Wenn allerdings eine Übertragung des Sondernutzungsrechts den Inhalt des Sondereigentums und des Wohnungseigentums auch aller anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ändern würde, wäre nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 877, 873 BGB) auch deren Mitwirkung, zumindest in Form der Zustimmung, erforderlich.
Der erkennende Senat hält jedoch die Betrachtungsweise für gerechtfertigt, daß zum Inhalt des Sondereigentums derjenigen Wohnungseigentümer, denen durch Gebrauchsregelung hinsichtlich eines bestimmten Abstellplatzes das Recht zum Mitgebrauch entzogen wird, nur dieser Ausschluß der eigenen Berechtigung wird, nicht aber auch die Zuordnung des Nutzungsrechts an dem Abstellplatz zu einem bestimmten Wohnungseigentum. (Ob bei der Schaffung der Gebrauchsregelung die Beteiligten eine freie Übertragbarkeit des Benutzungsrechts beabsichtigten, ist dabei nicht erheblich.) Denn in dem Ausschluß der eigenen Berechtigung liegt der das dingliche Recht der Betroffenen berührende Gehalt der Gebrauchsregelung, während die Zuordnung der Nutzungsbefugnis zu einem bestimmten Wohnungseigentum ohne unmittelbare Auswirkung auf die rechtliche Stellung der übrigen Wohnungseigentümer ist.
Vom Boden dieser Rechtsauffassung aus werden durch eine Übertragung des Sondernutzungsrechts von Seiten des begünstigten Wohnungseigentümers auf einen anderen Wohnungseigentümer die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht berührt; gemäß §§ 877, 873 BGB ist deren Beteiligung daher nicht erforderlich.
Ebensowenig ist eine solche Beteiligung (durch Zustimmung oder in sonstiger Form) unter dem Gesichtspunkt des im Wohnungseigentum neben dem gemeinschaftlichen Eigentum und dem Sondereigentum enthaltenen mitgliedschaftsrechtlichen Elements (s. dazu insbesondere Bärmann, a.a.O. Einl. Rdn. 192 ff; vgl. auch Merle a.a.O.) geboten. Mit der durch die Benutzungsregelung bewirkten, ohne Mitwirkung des begünstigten Wohnungseigentümers nicht wieder rückgängig zu machenden Ausschließung aller anderen Wohnungseigentümer von der Benutzung des betreffenden Grundstücksteiles ist diese Nutzungsbefugnis bereits so nachhaltig aus der Gesamtberechtigung (zwar nicht hinsichtlich des nach wie vor bestehenden Miteigentums, aber hinsichtlich des Rechts zum Mitgebrauch) herausgelöst worden, daß es auch unter Berücksichtigung der mitgliedschaftsrechtlichen Bindung nicht maßgebend darauf ankommen kann, welchem Wohnungseigentümer die Nutzungsberechtigung zugeordnet ist (im Ergebnis ebenso Merle a.a.O.). Ein schutzwürdiges Interesse daran, daß nur ein der Person nach bestimmter Wohnungseigentümer die Nutzungsbefugnis innehabe, kann schon deshalb nicht anerkannt werden, weil durch eine Veräußerung des Wohnungseigentums im ganzen ohnehin ein Wechsel in der Person auch des Nutzungsberechtigten eintreten kann, ohne daß die übrigen Wohnungseigentümer dies verhindern könnten.
Etwas anderes würde dann gelten, wenn, wie es für zulässig zu erachten ist (vgl. BGHZ 37, 203; 49, 250), bei Schaffung der Gebrauchsregelung in entsprechender Anwendung des § 12 WEG die Übertragung eines Sondernutzungsrechts von der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder eines Dritten, etwa des Verwalters, abhängig gemacht worden wäre. Dies ist hier nicht geschehen.
IV.Nach alledem war auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 der angefochtene Beschluß des Landgerichts aufzuheben und das Grundbuchamt anzuweisen, von seinen Bedenken gegen die Eintragung der neuen Zuordnung der Abstellplätze Nr. 5 und 6 abzusehen.
Gerichtskosten entstehen nicht (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO).