Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 12.12.1969, Az.: V ZR 1/69
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. Oktober 1968 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlunng und Entscheidung, auch über die Konten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom ... 1961 hoben die Klägerin und ihr 1964 verstorbener Ehemann die bestehende Gütergemeinschaft auf und vereinbarten Gütertrennung. Die Klägerin übernahm den bisher gemeinschaftlichen Grundbesitz und übertrug ihn mit einem weiteren notariellen Vertrag vom selben Tag an die beklagten Eheleute, die auch im Grundbuch eingetragen wurden, nachdem zunächst die Klägerin als Eigentümerin eingetragen worden war.
Mit der Behauptung, ihr Ehemann sei im Jahre 1961 geschäftsunfähig und die Übertragung des Eigentums auf die Beklagten unwirksam gewesen, hat die Klägerin die Berichtigung des Grundbuchs dahin begehrt, daß sie als Eigentümerin eingetragen werde. Sie hat ferner den Abschluß einer aus Gründen der Kostenersparnis nur mündlichen Zusatzvereinbarung der Parteien zum Übergabevertrag behauptet, nach welcher ihr die Beklagten die Zahlung weiterer 3.000 DM als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke versprochen hätten. Wegen des Sachverhalts im einzelnen wird auf das Erkenntnis des Senats vom 24. Februar 1967 - V ZR 75/65 - (BGHZ 47, 266) Bezug genommen, durch welches die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden ist. Das Berufungsgericht hatte das dem Berichtigungsbegehren der Klägerin stattgebende Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
In der neuen Berufungsverhandlung hat die Klägerin noch vorgetragen, die Beklagten seien sich der Geschäftsunfähigkeit ihres - der Klägerin - Ehemannes bewußt gewesen. Sie hat ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung aufrechterhalten.
Die Beklagten haben weiterhin die Geschäftsunfähigkeit des Ehemannes der Klägerin bei Vertragsschluß bestritten und in Abrede gestellt, von einer etwaigen Geschäftsunfähigkeit im maßgebenden Zeitpunkt Kenntnis gehabt zu haben.
Das Oberlandesgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Revision, mit der sie ihren bisherigen Klagabweisungsantrag weiter verfolgen. Die Klägerin bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.Das Oberlandesgericht ist nach Würdigung der Sachverständigengutachten und der Zeugenaussagen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Ehemann der Klägerin beim Abschluß des Vertrages vom ... 1961 geschäftsunfähig gewesen und daß den Beklagten dies im maßgebenden Zeitpunkt - Eingang des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt am 10. August 1961 - bekannt gewesen ist. Hieraus schließt das Berufungsgericht auf die Bösgläubigkeit der Beklagten im Sinne des § 892 BGB. Die Beklagten seien sonach nicht Eigentümer der ihnen von der Klägerin übertragenen Grundstücke geworden; ihre Berufung gegen das der Klage stattgebende landgerichtliche Urteil könne deshalb keinen Erfolg haben.
II.1.Die Revision rügt zunächst Verkennung des Begriffes der Bösgläubigkeit im Sinne des § 892 BGB. Bösgläubigkeit nehme das Oberlandesgericht bei den Beklagten schon deshalb an, weil es glaube feststellen zu können, daß diesen in der maßgebenden Zeit die Geschäftsunfähigkeit des Michael H. bekannt gewesen sei. Dies genüge nicht. Dazu hätte das Berufungsgericht vielmehr noch die Feststellung treffen müssen, daß sich die Beklagten nicht nur über diese Geschäftsunfähigkeit, sondern auch über deren rechtliche Auswirkung im klaren gewesen seien. Der Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuches stehe nicht gleich die Kenntnis der Umstände und Tatsachen, welche die Unrichtigkeit bewirken. Eine solche Feststellung sei angesichts der Lebenserfahrung auch nicht gut möglich, denn für die Beklagten sei entscheidend und damit die Sache auch rechtlich in Ordnung gewesen, daß aufgrund einer notariellen Urkunde ein Eintrag ins Grundbuch erfolgt sei.
Die Rüge ist nicht begründet.
Zwar stellt § 892 BGB nicht auf die Unkenntnis der die Unrichtigkeit des Grundbuches bedingenden Tatsachen ab; erforderlich ist vielmehr die positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuches Dabei hängt es von den Umständen des einzelnen Falles ab, inwieweit die Kenntnis von Tatsachen, die die Unrichtigkeit bewirken, der Kenntnis des Rechtsmangels gleichzusetzen ist (BGHZ 26, 256, 258) [BGH 22.01.1958 - V ZR 27/57].
Die Urteilsausführungen ergeben indessen nicht, daß das Berufungsgericht dies verkannt hat. Zwar spricht es mehrfach nur von der Kenntnis der Geschäftsunfähigkeit des Ehemannes der Klägerin. Wenn es diese Kenntnis ohne weiteres der Bösgläubigkeit im Sinne des § 892 BGB, also der Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs gleichstellt, so geht es ersichtlich von der Lebenserfahrung aus, wonach dem Bürger bekannt ist, daß Rechtsgeschäfte eines Geschäftsunfähigen unwirksam sind. Das ist mit Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bedenken könnten allenfalls bestehen, wenn es sich um eine nicht ohne weiteres zu entscheidende Rechtsfrage handeln würde (vgl. Urteil des Senats vom 25. Oktober 1961, V ZR 174/59, LM BGB § 892 Nr. 5). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Ihren etwa vorhandenen Rechtsirrtum, daß durch einen Eintrag im Grundbuch das Fehlen der Geschäftsfähigkeit geheilt werde, hätten die Beklagten in den Tatsacheninstanzen wenigstens vortragen müssen (Staudinger/Seufert, BGB 11. Aufl. § 892 Anm. 40 a). Sie haben das nicht getan. Ihr dahin gehender Vortrag in der Revisionsbegründung kann als neues Vorbringen nicht verwertet werden. Aus diesem Grunde kann der Revision auch nicht zugegeben werden, daß der Berufungsrichter gehalten gewesen sei, von sich aus nach einem solchen Rechtsirrtum zu forschen. Eine Verletzung des § 139 ZPO liegt nicht vor.
Die Revision wirft schließlich dem Berufungsgericht zu Unrecht vor, es habe prozeßordnungswidrig die beantragte Vernehmung der Beklagten über ihre Vorstellungen von der durch den Grundbucheintrag geschaffenen Rechtslage unterlassen. Im Schriftsatz vom 30. September 1968 haben die Beklagten gebeten, "als Partei durch den Senat angehört zu werden". Dieses Ansuchen bezog sich nach dem Zusammenhang der Schriftsatzausführungen aber auf die Kenntnis der Beklagten von den einzelnen Ausfallserscheinungen im leben des H.; es ist kein Anhalt dafür gegeben, daß damit der besagte Rechtsirrtum angesprochen werden sollte.
2.Fehl geht auch die weitere Revisionsrüge, die Ausführungen des Berufungsgerichts ließen nicht erkennen, daß es sich der weitgehenden Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 104 BGB bewußt gewesen sei. Das Oberlandesgericht hat sich auch nicht, wie die Revision meint, nur den Sachverständigengutachten, wenn auch unter Verwertung der Aussagen einiger Zeugen, angeschlossen.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung die Sachverständigengutachten, wie seine Ausführungen auf Seite 8 des Urteils deutlich machen, keineswegs nur übernommen. Es hat allerdings das Gutachten von Dr. St. von der Universitätsnervenklinik Erlangen, den Bericht der Nervenklinik B., denen jeweils stationäre neurologisch-psychiatrische Untersuchungen vorausgegangen waren, und schließlich ein Gutachten des Direktors der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in M. für die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit H. verwertet. Es hat aber in diesen Gutachten nur einen Grund für seine Entscheidung erblickt und erst nach eingehender Würdigung der Zeugenaussagen und der einschlägigen Literatur die Überzeugung gewonnen, daß im Zustand und Verhalten des H. sichere Symptome für eine fortgeschrittene und in diesem Stadium die Geschäftsfähigkeit ausschließende Demenz zu erblicken sind (S. 10 BU). Dabei hat das Berufungsgericht sowohl den abnormen Zustand als auch die abnormen Verhaltensweisen H., in denen es die entscheidenden Merkmale der Geschäftsunfähigkeit sah, im einzelnen aufgeführt. Entgegen der Meinung der Revision lassen diese Ausführungen keinen Rechtsirrtum erkennen (vgl. die Senatsurteile vom 6. November 1968, V ZR 65/65 und vom 14. Juli 1953, V ZR 97/52, NJW 1953, 1342).
3.Der Senat hat die gegen die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit des Ehemanns der Klägerin sowie der Kenntnis der Beklagten hiervon und von der Unrichtigkeit des Grundbuchs gerichteten Verfahrensrügen geprüft; sie greifen nicht durch (§ 4 der, Entlastungsgesetzes vom 15. August 1969).
4.Die Revision muß aber aus einem anderen Grunde Erfolg haben.
Die Geschäftsunfähigkeit des Ehemanns der Klägerin bewirkte die Nichtigkeit des Gütertrennung- und Auseinandersetzungsvertrages zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann vom ... 1961 und die Nichtigkeit der am selben Tage erklärten Auflassung. Die Klägerin ist deshalb nicht Alleineigentümerin der Grundstücke geworden; diese gehörten vielmehr weiterhin zum Gesamtgut der bis zum Tode Michael Heilands fortbestehenden Gütergemeinschaft. Durch ihre am 14. März 1961 erfolgte Eintragung als Eigentümerin ist das Grundbuch sonach unrichtig geworden. Mangels guten Glaubens haben die Beklagten kein Eigentum an den ihnen von der Klägerin als einer (damals) Nichtberechtigten übergebenen Grundstücken erlangt (§ 892 BGB). Diese gehören jetzt vielmehr der Klägerin, nachdem ihr Ehemann verstorben und von ihr allein beerbt worden ist.
Gleichwohl durfte das Berufungsgericht dem Grundbuchberichtigungsanspruch der Klägerin nicht schon stattgeben.
Der erkennende Senat hat im Revisionsurteil vom 24. Februar 1967 die Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt, daß die Nichtigkeit des Gütertrennungs- und Auseinandersetzungsvertrages nicht nach § 139 BGB auch die Nichtigkeit des am selben Tag zwischen den Parteien geschlossenen Übergabevertrages zur Folge hat. Hiervon abzugehen besteht für den Senat kein Anlaß. Er hat weiterhin ausgeführt, daß die Gültigkeit dieses Vertrages weder an güterrechtlichen Vorschriften noch an § 306 BGB scheitere. Er hat dann fortgefahren:"Wäre aber die Klägerin durch den Abschluß des Übergabevertrages zur Übereignung des Grundbesitzes an die Beklagten verpflichtet, so müßte sie, nachdem sie durch den Tod ihres Ehemanns Alleineigentümerin des Grundbesitzes geworden ist und damit zur Übereignung jetzt in der Lage wäre, das durch ihre Klage Erlangte alsbald wieder den Beklagten zurückgewähren. Damit würde ihren Klagebegehren der Einwand der Arglist im Sinne des § 242 BGB entgegenstehen (Urteil des Senats vom 24. Oktober 1962, V ZR 1/61, BGHZ 38, 122, 126)."
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt sonach von der Gültigkeit des Übergabevertrages vom ... 1961, Nr. .../61, ab. Es kommt also - worauf die Revision mit Recht abhebt - noch darauf an, ob die Behauptung der Klägerin, die sie bereits in der Klageschrift aufgestellt und in der Berufungserwiderung vom 8. Februar 1965 (Bl, 158 GA) wiederholt und unter Beweis gestellt hat, zutrifft, es sei zusätzlich, aber nur mündlich, eine weitere Leistung der Übernehmer in Höhe von 3.000 DM vereinbart worden. Bei Vorliegen einer solchen Zusatzvereinbarung wäre der Übergabevertrag wegen Verstoßes gegen das Formerfordernis des § 313 BGB nichtig, denn bei Grundstücksverträgen sind sämtliche Abreden, die von den Beteiligten als wesentlich angesehen werden, in die Vertragsurkunde aufzunehmen (Senatsurteile vom 13. November 1953, V ZR 173/52, LM BGB § 313 Nr. 32 vom 2. November 1966, V ZR 108/649 WM 1966, 1304, 1306 und vom 28. Februar 1968, V ZR 206/64, LM BGB § 313 Nr. 33). Eine Heilung dieses Formmangels nach § 313 Satz 2 BGB ist nicht erfolgt, da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagten bösgläubig waren, der Formmangel daher nicht durch den guten Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs geheilt werden konnte.
Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen hinsichtlich dieser bestrittenen Zusatsvereinbarung getroffen. Es muß in der Revisionsinstanz von der Gültigkeit des Übergabevertrages vom ... 1961 ausgegangen werden. Dann aber kann das Berufungsurteil nicht aufrechterhalten werden.
Es bedarf weiterer Aufklärung durch das Berufungsgericht über die zwischen den Parteien umstrittene Zusatzvereinbarung. Daß angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.