zurück zur Übersicht

Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 13.11.2009, Az.: V ZR 10/09

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Eigentümerin einer Wohnung, in der sie zusammen mit ihren Familienangehörigen wohnt. Das gemeinschaftliche Gebäude hat auf einer Seite in jedem Stockwerk jeweils ein bodentiefes Fenster. An dem Geländer vor diesem Fenster ihrer Wohnung brachte die Beklagte, eine deutsche Staatsangehörige polnischer Herkunft, Anfang 2007 eine Parabolantenne an. Die Antenne ermöglicht den Empfang einer Vielzahl polnischsprachiger Fernsehprogramme.

Die Klägerin, die Eigentümergemeinschaft, forderte die Beklagte in der Folgezeit vergeblich auf, die Antenne zu entfernen. Am 18. Juni 2007 beschlossen die Wohnungseigentümer daher:

'Die Verwaltung wird ermächtigt im Auftrag und zu Lasten der Eigentümer einen Anwalt ihrer Wahl hinzuziehen und ggf. auf Entfernung zu klagen, sofern die SAT-Antenne nicht bis 15.07.07 entfernt ist.'

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Entfernung der Antenne. Die Beklagte wendet ein, über die Breitbandkabelanlage des Hauses könne sie zwar zwei polnischsprachige Sender, jedoch keine Regionalprogramme aus Oberschlesien empfangen, wo sie aufgewachsen sei.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, durch den Beschluss vom 18. Juni 2007 habe die Beklagte nicht zur Entfernung der Antenne verpflichtet werden können. Der Beschluss habe die Klägerin jedoch ermächtigt, die Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Entfernung der Antenne gerichtlich geltend zu machen.

Der Anspruch sei auch begründet, weil die Antenne den gepflegten Eindruck des Gebäudes störe, die Beklagte und ihre Angehörigen auf ihre polnische Staatsangehörigkeit verzichtet hätten und damit auf die Möglichkeit des Empfangs der beiden polnischsprachigen Sender verwiesen werden könnten, die über das Breitbandkabel zu empfangen seien.

II.

Das hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Klägerin kann von der Beklagten die Entfernung der Antenne verlangen.

1. Auch wenn der Bestand des Gebäudes durch die Anbringung der Antenne nicht berührt wird, bedeutet das Handeln der Beklagten einen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum, den die Wohnungseigentümer ohne ihre Zustimmung nicht hinzunehmen brauchen (Senat, BGHZ 157, 322, 326). Nach § 1004 Abs. 1 BGB, §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG können die übrigen Miteigentümer die Beseitigung der Parabolantenne verlangen. Zur Geltendmachung ihres Anspruchs haben sie die Klägerin durch den Beschluss vom 18. Juni 2007 wirksam ermächtigt (vgl. Senat, BGHZ 116, 332, 335; Beschl. v. 30. März 2006, V ZB 17/06, NJW 2006, 2187 Rdn. 12).

2. Die Voraussetzungen des Anspruchs sind auch im Übrigen gegeben.

a) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts braucht die Beklagte sich zwar nicht auf den Empfang der beiden in das Breitbandkabel eingespeisten Sender verweisen zu lassen. Dass sie und ihre Familienangehörigen ihre polnische Staatsangehörigkeit aufgegeben und die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, schränkt den Schutz des Informationsinteresses der Beklagten durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht ein (VerfGH Berlin GE 2007, 1178). Das gilt auch für die Wirkungen der Grundrechte im Privatrecht. Das Interesse der Beklagten, von polnischen Fernsehsendern über die Ereignisse aus dem näheren Bereich ihres früheren Heimatlands unterrichtet zu werden, ist offensichtlich (vgl. BGH, Urt. v. 16. November 2005, VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062, Rdn. 1, 25 ff.).

b) Dieses Interesse führt dazu, dass die übrigen Wohnungseigentümer der Beklagten den Empfang der per Satellit ausgestrahlten polnischen Programme ermöglichen müssen.

aa) Der Anspruch der Beklagten hierauf geht jedoch weder dahin, dass die Beklagte hierzu eine Antenne an das Geländer vor dem Fenster ihrer Wohnung anbringen kann, noch dahin, dass ihr hierzu kein weiterer Aufwand zugemutet werden dürfte (BVerfG NZM 2005, 252; OLG Frankfurt NZM 2005, 427, 428).

Das ästhetische Interesse der übrigen Miteigentümer und das Informationsinteresse der Beklagten sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. Die Klägerin verweist hierzu auf die Möglichkeit, die Antenne im Dachbereich des Gebäudes anzubringen. Dadurch werde der ästhetische Eindruck des Gebäudes weniger beeinträchtigt. Diese Möglichkeit wird von dem unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen, der Empfang der per Satellit ausgestrahlten Programme sei nur mit einer Antenne möglich, die vor dem Fenster ihrer Wohnung angebracht sei.

Das ist offensichtlich unzutreffend. Die Beklagte hat vorgetragen, zum Empfang der über einen Satelliten ausgestrahlten Fernsehprogramme dürfe zwischen dem Satelliten und der Antenne kein Hindernis bestehen. Aus welchem Grund diese Voraussetzung entfallen könnte, wenn die Antenne im Bereich des Dachgeschosses angebracht wird, ist nicht erkennbar.

bb) Die Abwägung führt dazu, dass die Beklagte verlangen kann, dass die übrigen Wohnungseigentümer der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des Hauses oder in dessen Dachbereich zustimmen. Diese Feststellung kann der Senat treffen. Von den Parteien sind Fotografien des Gebäudes vorgelegt worden. Weiterer Vortrag hierzu kommt nicht in Betracht. Die ästhetische Beeinträchtigung des Gebäudes ist bei einer Anbringung der Antenne im Dachbereich oder auf dem Dach nachhaltig geringer als durch die von der Beklagten vorgenommene Anbringung der Antenne vor einem Fenster ihrer Wohnung.

Die Duldungspflicht der Miteigentümer führt jedoch nicht dazu, dass die Beklagte ohne deren Zustimmung berechtigt wäre, die zur Anbringung der Antenne notwendigen Arbeiten am Dach des Hauses vornehmen zu lassen. Den Miteigentümern ist es vielmehr vorbehalten, den konkreten Ort im Dachbereich des Gebäudes zu bestimmen, an dem die Antenne angebracht werden darf (Senat, BGHZ 157, 322, 328).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger Klein Stresemann Czub Roth Vorinstanzen:

AG Wiesbaden, Entscheidung vom 11.03.2008 - 91 C 369/08-78 -

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 12.11.2008 - 2/13 S 19/08 -