Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 21.05.2010, Az.: V ZR 10/10
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Zivilkammer, vom 14. Dezember 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage in N. (B. ); Beklagte ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Die Wohnung der Kläger war vermietet. Ende März 2006 zeigte sich ein Wasserschaden an der Decke im Wohnzimmer. Eine erste Reparatur an einem Regenrohr brachte keinen Erfolg. Die Eigentümerversammlung beschloss Anfang Mai 2006 die Instandsetzung unter Einschaltung eines Architekten und der Beauftragung von Fachunternehmen. Trotz mehrerer Reparaturversuche kam es von Juni bis August 2006 zu weiteren Wassereinbrüchen, bis man einen Konstruktionsfehler an dem Tür-Fenster-Element in der über der Wohnung der Kläger liegenden Wohnung als Ursache des Mangels erkannte und diesen Fehler durch Austausch des Bauelements behob.
Die Kläger verlangen von der Beklagten Ersatz für Mietminderungen und Ausfälle durch den Auszug der Mieterin und Ersatz der Kosten der Instandsetzung in Höhe von insgesamt 4.317,30 € zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten von 359,50 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger diese Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch, weil die Wasserschäden auf einen Konstruktionsmangel am Gemeinschaftseigentum zurückgingen, an dem die Beklagte und ihre Organe kein Verschulden getroffen habe. Die Eigentümerversammlung habe nach dem ersten Wassereinbruch auch umgehend reagiert und die Mängelbeseitigung beschlossen.
Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB komme - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht in Betracht. Die Vorschrift sei unmittelbar nicht einschlägig, weil sie eine von einem anderen Grundstück ausgehende Störung voraussetze. Sie sei auch nicht analog anwendbar, da die Interessenlage innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft sich von derjenigen zwischen Grundstücksnachbarn unterscheide.
Grundstückseigentümer bestimmten selbstständig, wie sie ihre Grundstücke nutzten, ohne dass der Nachbar darauf Einfluss habe. Unter Wohnungseigentümern sei dies in Bezug auf die vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen anders, weil jeder Wohnungseigentümer über seinen Miteigentumsanteil Einfluss auf dessen Nutzung und damit auch auf die Störungsquelle habe. Wohnungseigentümer seien damit in Bezug auf die von dem gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen weniger schutzwürdig als Grundstückseigentümer gegenüber den von einem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen.
Es fehle auch an einer Regelungslücke im Wohnungseigentumsgesetz, das in § 14 Nr. 4 Halbs. 2 einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch kenne. Diese Norm zeige, dass sich der Gesetzgeber der Problematik solcher Beeinträchtigungen bewusst gewesen sei, er aber nur für bestimmte Fälle eine verschuldens unabhängige Haftung angeordnet habe. Wäre eine der Regelung des § 906 Abs. 2 BGB entsprechende Ersatzpflicht gewollt gewesen, hätte man § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG weiter fassen können. Die analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führte überdies dazu, dass § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG neben dem allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch überflüssig würde, was aber nicht als vom Gesetz gewollt angenommen werden könne.
Abgesehen davon sei der beklagte Verband für einen solchen Anspruch nicht passivlegitimiert.
II.
Die Revision der Kläger ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 286 BGB wegen einer Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) wendet.
1. Die Revision ist nämlich nur hinsichtlich der Entscheidung über den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zugelassen worden, was sich zwar nicht aus dem Tenor, aber aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt (vgl. dazu: BGHZ 153, 358, 360; 155, 392, 394; Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 84/04, AuR 2005, 410; Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
Eine solche Beschränkung der Zulassung liegt - wenn sie in dem Berufungsurteil nicht ausdrücklich (im Tenor) ausgesprochen worden ist - dann vor, wenn die Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, nur für einen selbständigen Teil des selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist (BGHZ 153, 358, 362; 155, 392, 398). Die in dem Berufungsurteil für die Zulassung der Revision benannten Rechtsfragen, ob eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht kommt und gegen wen ein solcher Anspruch gegebenenfalls zu richten wäre, beziehen sich allein auf den verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch.
2. a) Eine solche Begrenzung des in der Rechtsmittelinstanz anfallenden Streitstoffs ist allerdings nur dann zulässig, wenn es um einen tatsächlich und rechtlich abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs geht, der Gegenstand eines Teil- oder Grundurteils sein kann oder auf den der Rechtsmittelkläger selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte (BGHZ 161, 15, 18; Senat, Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
b) Das ist hier jedoch der Fall, weil der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht der Wohnungseigentümer zu ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs 5 WEG) und der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterschiedliche Streitgegenstände darstellende, prozessual zwei selbständige Ansprüche sind.
Der Senat hat das für die Ansprüche aus dem Deliktsrecht nach §§ 823 ff. BGB und den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgesprochen (BGHZ 111, 158, 166; 120, 239, 249). Diese Ansprüche verfolgen zwar dasselbe Ziel und werden meistens im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) geltend gemacht (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374), über sie kann aber jeweils durch Teilurteil entschieden werden (Senat, BGHZ 111, 158, 166) und das Rechtsmittel auf einen der beiden Ansprüche beschränkt werden (Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030).
Dasselbe gilt für das Verhältnis des Schadensersatzanspruchs wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 5 WEG) zu dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Auch dies sind zwei selbständige, auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhende Ansprüche. Grundlage eines Schadensersatzanspruchs ist stets eine schuldhafte Pflichtverletzung, entweder der Wohnungseigentümer selbst (vgl. dazu KG ZMR 2001, 657, 658) oder eines ihnen oder dem Verband nach § 31 BGB oder § 278 BGB zurechenbaren Verschuldens Dritter bei der Umsetzung eines Beschlusses (vgl. dazu Senat, BGHZ 141, 224, 228). Rechtsgrund des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dagegen eine Kompensation für einen normalerweise gegebenen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Senat BGHZ 111, 158, 167), wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten (Senat, BGHZ 142, 66, 67; 157, 188, 189). Auch die Rechtsfolgen der Ansprüche sind verschieden. Bei einer Verpflichtung zum Schadensersatz bestimmt sich die Ersatzpflicht nach den §§ 249 ff. BGB, während § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Ausgleich in Geld in Anlehnung an die Grundsätze der Enteignungsentschädigung gewährt (Senat, BGHZ 111, 158, 167).
III.
Soweit die Revision sich gegen die Abweisung des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wendet, ist sie unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit zutreffender Begründung eine analoge Anwendung der Norm wegen einer auf einem Mangel im Gemeinschaftseigentum beruhenden Beeinträchtigung des Sondereigentums eines Wohnungseigentümers verneint.
1. Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Beeinträchtigungen durch sogenannte Grobimmissionen (hier durch das Eintreten von Wasser in die Wohnung der Kläger) sind in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Abwehr einer solchen Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB, der aus besonderen (meist tatsächlichen) Gründen nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht werden kann, um die Beeinträchtigungen zu unterbinden (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68; 155, 99, 103; 160, 232, 236; Urt. v. 27. Januar 2006, V ZR 26/05, NJW 2006, 992), zwar eine notwendige, aber nicht die allein hinreichende Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Analogiefähig ist das Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen Ausgleichs nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit (Senat, BGHZ 157, 188, 195).
2. Letzteres hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.
a) Es fehlt bereits an der strukturellen Übereinstimmung des in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalts mit dem hier zu entscheidenden.
aa) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist Teil des für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlichen Interessenausgleichs (Senat, BGHZ 38, 61, 63; 157, 188, 193). Grundlage des Anspruchs ist ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (Hagen, Festschrift für Hermann Lange, S. 483 ff., 501). Daran fehlt es im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, wenn es um die Vorteile und die Risiken des gemeinschaftlichen Eigentums geht. Die ordnungsgemäße Nutzung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums liegt nämlich im Interesse aller Miteigentümer, die sich insoweit nicht mit widerstreitenden Interessen bei der Nutzung ihres Eigentums gegenüberstehen. Die Regelung eines Ausgleichs zwischen Miteigentümern bei Baumängeln und -schäden an der gemeinschaftlichen Sache ist nicht Gegenstand des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
An der strukturellen Verschiedenheit des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und dem hier geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich des Schadens eines Miteigentümers ändert sich auch dann nichts, wenn der Mangel im Gemeinschaftseigentum nicht alle Miteigentümer gleich betrifft, sondern nur zu einem Schaden an einer Sondereigentumseinheit (hier der Kläger) führt. Die Beeinträchtigung des Sondereigentums beruht auch dann nicht auf der Nutzung benachbarter Eigentumsrechte an Grundstücken, sondern auf dem Mangel an einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Bestandteil desselben Gebäudes, zu dessen Erhaltung und Instandsetzung alle Miteigentümer verpflichtet sind.
bb) Eine entsprechende Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht - unabhängig davon - zum Schutz des Sondereigentums wegen der von Mängeln im Gemeinschaftseigentum ausgehenden Einwirkungen geboten.
Eine im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließende Lücke zum Schutz gegenüber solchen Einwirkungen liegt nicht vor. Das Wohnungseigentumsgesetz schützt das Sondereigentum bei erlaubter Inanspruchnahme durch einen dem § 904 Satz 2 BGB nachgebildeten Aufopferungsanspruch (BGHZ 153, 182, 187; BayObLGZ 1987, 50, 52; 1994, 140, 146) und im Übrigen durch das unter den Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis (vgl. Senat, BGHZ 141, 224, 228), das jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gibt, zu der insbesondere die Instandhaltung und die Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und der Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG) gehören. Unter Berücksichtigung des unter den Wohnungseigentümern - im Unterschied zu Grundstücksnachbarn - bestehenden Gemeinschaftsverhältnisses mit speziellen Schutz- und Treuepflichten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist für eine entsprechende Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB danach kein Raum, wenn die Nutzung des Sondereigentums durch Mängel im gemeinschaftlichen Eigentum beeinträchtigt wird (vgl. auch J.H. Schmidt, ZMR 2005, 669, 677).
cc) Auf die von dem Berufungsgericht weiter erörterte Frage, ob ein solcher Ausgleichsanspruch bei den von einem anderen Sondereigentum ausgehenden Beeinträchtigungen zu bejahen ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 2006, 1744; LG Bochum VersR 2004, 1454), bei der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Verhältnis der Wohnungseigentümer also nach der Quelle der Störung (gemeinschaftliches Eigentum oder - anderes Sondereigentum) unterschieden werden muss, kommt es hier nicht an. Jedenfalls für die auf einem Mangel des Gemeinschaftseigentums beruhenden Beeinträchtigungen der Nutzung seines Sondereigentums steht dem Wohnungseigentümer ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus den vorstehenden Gründen nicht zu.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Stresemann Czub Roth Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 23.04.2009 - 31 C 5746/08 -
LG München I, Entscheidung vom 14.12.2009 - 1 S 9716/09 -