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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 28.09.2007, Az.: V ZR 139/06

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Juni 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Treuhandanstalt war Bergwerkseigentümerin eines Hartsteinvorkommens. Mit Notarvertrag vom 12. März 1996 verkaufte die Klägerin als Namensnachfolgerin der Treuhandanstalt das Bergwerkseigentum für 38.500.000 DM an die Beklagte zu 1, eine Tochtergesellschaft der D. A. GmbH.

Im Kaufvertrag verpflichtete sich die Beklagte zu 1, 'innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der vollen Förderung' 30.000.000 DM zum Abbau des Vorkommens zu investieren und 115 Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Abbau zu schaffen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Verpflichtungen sollte die Beklagte zu 1 eine Vertragsstrafe von 20 % der nicht getätigten Investitionen und 30.000 DM für jeden nicht geschaffenen Arbeitsplatz schulden. § 9 Abs. 1 des Kaufvertrags berechtigte die Käuferin zum Rücktritt vom Vertrag, sofern 'die bestandskräftige Zulassung des Hauptbetriebsplanes ... aus Gründen, die die Käuferin nicht zu vertreten' hat, bis zum 31. Dezember 2000 nicht erfolgt sein würde. Das Rücktrittsrecht wurde bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 befristet. Gemäß § 10 des Vertrages trat die D. A. GmbH neben der Beklagten zu 1 in alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag ein.

Die Beklagte zu 1 leitete in der Folgezeit das für den Abbau nach dem Bundesberggesetz notwendige Zulassungsverfahren ein. Die Zulassung erfolgte nicht bis zum 31. Dezember 2000. Mit Schreiben vom 18. Juni 2001 erklärte die Beklagte zu 1 deshalb den Rücktritt vom Vertrag. Die Klägerin stellte die Wirksamkeit des Rücktritts in Abrede. Daraufhin nahm die Beklagte zu 1 die Klägerin vor dem Landgericht Berlin auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch (Vorprozess). Die Klage blieb ohne Erfolg. 2002 wurde die D. A. GmbH auf die Beklagte zu 2 verschmolzen.

Die Zulassung des Hauptbetriebsplans steht weiterhin aus. Die Förderung ist bisher nicht aufgenommen worden. Investitionen in den Abbau des Vorkommens sind unterblieben; Arbeitsplätze sind nicht geschaffen.

Mit der Klage verlangt die Klägerin einen Teilbetrag von 750.000 € der für die Nichterfüllung der Investitionsverpflichtung vereinbarten Vertragsstrafe zuzüglich Zinsen und einen solchen von 450.000 € zuzüglich Zinsen wegen des Unterbleibens der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Das Landgericht hat die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht sieht die vereinbarten Vertragsstrafen als verwirkt an. Es meint, die Rücktrittserklärung der Beklagten zu 1 vom 18. Juni 2001 habe mangels einer entsprechenden Erklärung der D. A. GmbH die Erfüllungspflichten aus dem Kaufvertrag unberührt gelassen, wie zur Begründung des im Vorprozess ergangenen Urteils ausgeführt sei. Die Notwendigkeit einer Rücktrittserklärung auch der D. A. GmbH habe die Beklagte zu 1 bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt erkennen können. Die unwirksame Erklärung habe dazu geführt, dass die Beklagte zu 1 mit der Erfüllung der vereinbarten Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag in Verzug geraten sei. Damit seien die vereinbarten Vertragsstrafen ausgelöst worden. Für diese hafte die Beklagte zu 2 als Gesamtrechtsnachfolgerin der D. A. GmbH neben der Beklagten zu 1.

II.

Die Revision ist begründet.

1. Verspricht der Schuldner dem Gläubiger eine Vertragsstrafe für den Fall, dass er eine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, ist die Strafe verwirkt, wenn der Schuldner in Verzug kommt, § 339 Satz 1 BGB. Dass es sich so verhält, ist nicht festgestellt. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts sind nicht geeignet, die fehlenden Feststellungen zu ersetzen.

a) Auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten findet gemäß Art. 229 § 5 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung. Hiernach gerät der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet, § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Ist für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, kommt der Schuldner mit Ablauf der bestimmten Zeit in Verzug, ohne dass es einer Mahnung bedarf, § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Darüber hinaus bedarf es nach ständiger Rechtsprechung für den Eintritt des Verzugs keiner Mahnung, wenn der Schuldner die Erfüllung grundlos endgültig verweigert (BGHZ 65, 372, 377; BGH, Urt. v. 10. April 1991, VIII ZR 131/90, NJW 1991, 1882, 1883; v. 9. Juli 1992, XII ZR 268/90, NJW-RR 1992, 1226, 1227; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl., § 284 Rdn. 11; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 284 Rdn. 35, s. nunmehr § 286 Abs. 2 Ziff. 3 BGB).

Voraussetzung des Verzugs ist jedoch auch in diesem Falle, dass die Leistung des Schuldners fällig ist (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 323 Rdn. 96; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rdn. 97). Eine grundlose endgültige Weigerung des Schuldners, eine noch nicht fällige Verpflichtung aus einem Vertragsverhältnis zu erfüllen, ist zwar eine Vertragsverletzung, die in einem gegenseitigen Vertragsverhältnis den Gläubiger berechtigen kann, schon vor Fälligkeit der Leistung des Schuldners vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (BGHZ 2, 310, 312; 65, 372, 377; 90, 302, 308; RGZ 57, 105, 113 f; MünchKomm-BGB/Ernst, aaO, § 323 Rdn. 96; Soergel/Gsell, aaO, § 323 Rdn. 97). Die Weigerung führt jedoch nicht dazu, dass die Leistung des Schuldners unabhängig von der hierfür vereinbarten Zeit oder unabhängig von den hierfür vereinbarten Umständen fällig wird (BGH, Urt. v. 18. Dezember 1963, VIII ZR 100/63, MDR 1964, 319; RG WarnRspr. 1919 Nr. 87; Huber, Leistungsstörungen, Bd. II, S. 577 f.) und der Gläubiger von dem Schuldner neben der Leistung den Ersatz eines Verzugsschadens oder eine für den Fall des Verzugs vereinbarte Vertragsstrafe verlangen könnte.

b) Daran scheitern die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Der Beklagten zu 1 stand nach dem Vertrag vom 12. März 1996 für die vereinbarten Investitionen und die Schaffung der versprochenen Arbeitsplätze eine Frist von fünf Jahren 'nach Beginn der vollen Förderung' zu. Die damit vorausgesetzte Verpflichtung, die volle Förderung aufzunehmen, besteht indessen nicht, soweit die Förderung nicht ohne die Zulassung des Hauptbetriebsplans aufgenommen werden kann.

2. Dies ist gemäß § 162 Abs. 1 BGB nur dann ohne Bedeutung, wenn die Beklagte zu 1 verpflichtet war, das Zulassungsverfahren mit dem Ziel zu betreiben, die Zulassung baldmöglichst zu erreichen, und die Zulassung bei geschuldeter Anstrengung der Beklagten zu 1 vor mehr als fünf Jahren erfolgt wäre. Dies behauptet die Klägerin. Feststellungen hierzu sind - aus der Sicht des Berufungsgerichts folgerichtig - bisher nicht getroffen. Sie sind nachzuholen. Dass die Beklagte nicht behauptet, die Förderung in nächster Zeit aufnehmen zu können, ändert hieran nichts. Es obliegt der Klägerin, darzulegen, dass die für die Investition in die Förderung und die Schaffung von Arbeitsplätzen vereinbarte Frist verstrichen ist, obwohl die Zulassung des Hauptbetriebsplans aussteht, und nicht der Beklagten, die Möglichkeit einer Aufnahme der Förderung in nächster Zeit aufzuzeigen.

III.

Für das weitere Verfahren besteht Anlass zu dem Hinweis, dass der Beklagten zu 1 vermeidbare Verzögerungen des Zulassungsverfahrens nicht im Sinne von § 162 Abs. 1 BGB vorgehalten werden können, zu denen es gekommen ist, solange sie davon ausgehen durfte, aufgrund ihrer Erklärung vom 18. Juni 2001 nicht mehr dazu verpflichtet zu sein, das Zulassungsverfahren zu betreiben. Die aus formellen Gründen unwirksame Ausübung eines Rücktrittsrechts bedeutet nicht ohne weiteres eine Verletzung der Pflichten der Beklagten zu 1 aus dem Kaufvertrag und steht einer grundlosen Erfüllungsverweigerung daher nicht notwendig gleich (vgl. Huber, aaO, S. 570). Darüber hinaus begegnen der Auslegung des Kaufvertrags dahin, dass das für 'die Käuferin' vereinbarte Rücktrittsrecht nur von der Beklagten zu 1 und der D. A. GmbH gemeinsam habe ausgeübt werden können, erhebliche Bedenken. Ein Irrtum hierüber kann der Beklagten zu 1 nicht ohne nähere Feststellungen vorgeworfen werden.

Krüger Klein Lemke Stresemann Roth Vorinstanzen:

LG Magdeburg, Entscheidung vom 07.06.2005 - 6 O 2286/04 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 06.06.2006 - 3 U 51/05 -