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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 20.11.1987, Az.: V ZR 171/86

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus einer zwischen den Parteien errichteten notariellen Kaufurkunde vom 16. Juli 1985 und verlangen deren Herausgabe.

In der Vorbemerkung und in § 1 der genannten Urkunde ist ausgeführt, daß Frau R. B. auf einem bestimmt bezeichneten Grundbesitz einen Campingplatz betreibe, zu dem unter anderem zwei mit Ferienhäusern bebaute und in einer Vertragsanlage mit A und B bezeichnete Flächen gehörten. Sie habe an den Beklagten einen ideellen Miteigentumsanteil an diesem Grundbesitz verkauft und zusammen mit nicht näher genannten Beteiligten neben einer im Grundbuch abgesicherten Benutzungsregelung nach § 1010 BGB auch eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung der Miteigentümer untereinander getroffen. In § 1 Nr. 4 der genannten Urkunde stimmten die Kläger allen in der Vereinbarung nach § 1010 BGB (Anlage 2 der notariellen Urkunde vom 23. Juni 1983 nebst Änderung vom 9. März 1984) abgegebenen Erklärungen zu und wiederholten die in dieser Vereinbarung Frau B. erteilten Vollmacht. Den Gesellschaftsvertrag vom 23. Juni 1983 sowie dessen Änderung in der Urkunde vom 9. März 1984 bezeichneten die Parteien als Bestandteil ihres Vertrages, wobei die Kläger alle bisherigen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung als für sie rechtsverbindlich übernahmen.

Nach § 2 der Urkunde verkaufte der Beklagte den Klägern zu gleichen Teilen "den ihm gehörenden 1/131 Anteil" an dem bezeichneten Grundbesitz mit Gebäuden, sonstigen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör sowie das Recht, unter Ausschluß der übrigen Miteigentümer den im Lageplan mit Nr. A bezeichneten Standplatz für das aufstehende Ferienhaus zu nutzen, und den zum Miteigentumsanteil gehörenden Gesellschaftsanteil. In § 2 Nr. 2 heißt es, "dem Käufer" sei bekannt, daß das Ferienhaus selbst durch ein festes Fundament und durch das Leitungssystem fest mit dem Grund und Boden verbunden sei, so daß das Eigentum an dem Haus nicht auf ihn übertragen werden könne, sondern lediglich das uneingeschränkte Nutzungsrecht am Haus.

Wegen der Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 58.000,00 DM und einer Abfindung in Höhe von 2.000,00 DM für den vom Beklagten gezahlten Anteil an einer Umlage unterwarfen sich die Kläger dem Beklagten gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde. Die Parteien einigten sich darüber, daß das Eigentum an dem verkauften Grundbesitz auf die Kläger übergeht, und zwar im angegebenen Beteiligungsverhältnis. Eine vom Beklagten bewilligte Auflassungsvormerkung wurde am 26. Juli 1985 in das Grundbuch eingetragen, eine Eigentumsumschreibung ist dagegen noch nicht erfolgt.

Am 27. August 1985 unterzeichneten die Parteien eine maschinenschriftliche Vereinbarung folgenden Wortlauts:"Betr.: Kaufvertrag vom 16.07.1985 ...Wir erklären hiermit den o.g. Vertrag als ungültig. Die Eheleute B. treten hiermit von dem Kaufvertrag zurück! Begründung: Wegen nicht überschreibbares Kaufeigentum im Rechtlichen Sinne."

Den daruntergesetzten handschriftlichen Vermerk:"Herr Klaus L. war auch der Ansicht das Ferienhaus gekauft zu haben, und nicht nur als Nutzung."

unterschrieben die Parteien ebenfalls. Der Urkundstext war vor der Unterschriftsleistung vorgelesen worden. Als sich die Parteien am 28. August 1985 beim Notar trafen, weigerte sich der Beklagte, an einer Beurkundung des Aufhebungsvertrages mitzuwirken.

Die Kläger haben behauptet, beide Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, daß der notarielle Vertrag den Verkauf und die Übereignung des Ferienhauses zum Gegenstand habe. Sie hätten bei der Verlesung des Vertrages angenommen, "im Juristendeutsch" komme zum Ausdruck, was zwischen ihnen und dem Beklagten vereinbart worden sei, nämlich der Verkauf des Hauses mit Grundstück. Als ihnen am 27. August 1985 daran Zweifel gekommen und sie vom Notar entsprechend aufgeklärt worden seien, habe der Beklagte auf Vorhalt zunächst darauf bestanden, daß er Eigentümer gewesen sei und das Haus auch wie versprochen und gewollt den Klägern verkauft habe. Erst nach dem Studium des Vertrages habe er sich davon überzeugen lassen, daß auch er irrtümlich von seinem Eigentum an dem Haus und einem Verkauf des Hauses ausgegangen sei, und sei deshalb sofort bereit gewesen, den beiderseitigen Irrtum durch eine Vertragsaufhebung zu korrigieren.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin vom 20. November 1987 nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

Gegen den im Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertretenen Revisionsbeklagten ist auf die zulässige Revision der Kläger sachlich zu entscheiden, und zwar auf Antrag durch Versäumnisurteil (BGHZ 37, 79, 81 ff).

Die Revision hat Erfolg. Den Klägern kann eine erhebliche Einwendung gegen die in der Urkunde vom 16. Juli 1985 titulierten Zahlungsansprüche zustehen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 797 Abs. 4, § 767 ZPO).

1.Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß der notarielle Vertrag vom 16. Juli 1985, falls er mit dem beurkundeten Inhalt zustande gekommen ist, durch die privatschriftliche Vereinbarung vom 27. August 1985 nicht wirksam aufgehoben wurde, weil diese wegen der bereits eingetragenen Auflassungsvormerkung der notariellen Beurkundung bedurfte (BGHZ 83, 395, 399). Anhaltspunkte dafür, daß hier die Berufung des Beklagten auf den Formmangel treuwidrig ist, sind weder festgestellt noch vorgetragen.

2.Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien dem Vertragswortlaut und jeder anderweitigen Interpretation vorgeht (BGHZ 71, 75, 77 und BGH Urteile v. 26. Oktober 1983, IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721 [BGH 26.10.1983 - IVa ZR 80/82] und v. 15. Februar 1985, V ZR 131/83, WM 1985, 876, 878 als Beispiele st. Rspr.). Es erkennt im Ansatzpunkt auch zutreffend, daß der notarielle Vertrag vom 16. Juli 1985 nicht wirksam wäre, wenn die Parteien übereinstimmend anstatt des im § 2 Nr. 1 der Urkunde bezeichneten Kaufgegenständes (Miteigentumsanteil) etwas anderes, nämlich den Verkauf einer Teilfläche mit Ferienhaus zu Alleineigentum gewollt hätten. Es würde dann an der für eine wirksame Beurkundung erforderlichen hinreichenden Bestimmung der verkauften Teilfläche im Vertrag mangeln (BGHZ 74, 116, 121). An diesem Grundsatz hat auch die Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung der sog. "falsa demonstratio" nichts geändert (BGHZ 87, 150, 153) [BGH 25.03.1983 - V ZR 268/81].

Rechtsfehlerhaft vermißt das Berufungsgericht jedoch die schlüssige Darlegung eines konkreten abweichenden Willens der Vertragsparteien. Es behandelt den Vortrag der Kläger hierzu zu Unrecht als widersprüchlich, weil sie einerseits behauptet haben, beide Seiten hätten den "Kauf des Hauses mit Grundstück" gewollt, andererseits aber auch vorgetragen haben, die Vertragsparteien hätten den "Kauf und die Übereignung des Ferienhauses" beabsichtigt. Die Revision hat recht, daß darin mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der jeweiligen Schriftsätze kein Widerspruch zu sehen ist. Schon in der Klageschrift haben die Kläger vorgetragen, der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien sei auf den "Kauf des Grundstücks mit aufstehendem Haus und Übertragung zu alleinigem Eigentum" gerichtet gewesen, und dies mit anderen Wendungen später wiederholt. Soweit sie ausgeführt haben, es sei beiden Parteien um den "Verkauf und Übereignung des Ferienhauses" gegangen, ist dies ersichtlich nur eine verkürzte Form der Behauptung, Vertragsgegenstand sei nach dem Willen der Parteien das Grundstück mit aufstehendem Haus zu Alleineigentum gewesen. Keine der Parteien hatte nämlich geltend gemacht, das Haus als solches sei eine bewegliche und vom Grundstückseigentum getrennte Sache (vgl. auch § 2 Nr. 2 des Vertrages).

Das Berufungsgericht ist deshalb rechtsfehlerhaft den Beweisangeboten der Kläger, beim Notartermin habe der Beklagte nur von "Kauf bzw. Verkauf des Hausgrundstücks" gesprochen, sowie zu den behaupteten Äußerungen des Beklagten anläßlich der Vereinbarung vom 27. August 1985 nicht nachgegangen und hat sich auch nicht mit dem handschriftlichen Zusatz auf der Vereinbarung vom 27. August 1985 befaßt. Jedenfalls aus dem Vortrag der Kläger insgesamt ist deren schlüssige Behauptung zu entnehmen, beide Parteien hätten übereinstimmend den Willen zum Verkauf einer Grundstücksteilfläche mit Ferienhaus zum Alleineigentum gehabt. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß - wie es im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Irrtumsanfechtung ausführt - der klare Wortlaut des Vertrages dem eindeutig widerspricht. Dieser ist jedoch bei einem anders lautenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien nicht maßgeblich.

Da mithin weitere tatrichterliche Feststellungen notwendig sind, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.