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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 22.12.1953, Az.: V ZR 175/52

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm in Westf. vom 27. März 1952 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat auf Grund der in den Parallelprozessen erstatteten Gutachten der Sachverständigen Ga. und Wi. festgestellt, daß der Einsturz des Hauses E. durch die unsachgemässe, weil ohne Stützung durchgeführte Ausschachtung auf dem Grundstück der Beklagten verursacht worden sei. Es habe nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit gelegen, daß auch das weiter folgende, dem Kläger gehörende Haus durch den Einsturz des E.schen Hauses in Mitleidenschaft gezogen werde, zumal ältere Häuser häufig untereinander verbunden seien. Die Ausschachtung auf dem Grundstück der Beklagten habe daher die Schäden am Eigentum des Klägers auch im Rechtssinn verursacht.

Das Berufungsgericht hat jedoch gleichwohl eine Verantwortlichkeit der Beklagten für den Schaden des Klägers verneint.

I.Eine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 in Verb. mit § 909 BGB scheide aus. Allerdings sei der § 909 BGB ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB, und nach der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 167, 14 [21]) sei der Kreis der Nachbarschaft soweit zu ziehen, als der Einwirkungskreis der Vertiefungsarbeiten reiche. Aber § 909 BGB habe die weitere Voraussetzung, daß durch die Vertiefungsarbeiten der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliere. Unter "Grundstück" verstehe man einen mit einer bestimmten Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs eingetragenen Teil der Erdoberfläche. Die Häuser O.strasse Nr. ... und Nr. ... seien demnach zwei verschiedene Grundstücke. Nur der Boden des Grundstücks des Kaufmanns E. habe durch die Vertiefung seinen Halt verloren, der Boden des Grundstücks des Klägers sei dagegen unberührt geblieben. Weder könnten die beiden Grundstücke für § 909 BGB als ein Grundstück angesehen werden, noch lasse die Fassung des Gesetzes die Auslegung zu, daß außer dem Boden auch die wesentlichen Bestandteile des Nachbargrundstücks unabhängig von jenen geschützt werden sollten. Andernfalls hätte die Fassung "daß dem Nachbargrundstück - nicht bloss dem Boden des Nachbargrundstücks - die erforderliche Stütze entzogen wird" gewählt werden müssen. In dieser Richtung gäben auch die gesetzgeberischen Vorarbeiten keinen Anhalt.

Die Revision meint, die Auslegung des Berufungsgerichts sei, soweit sie die Anwendbarkeit des § 909 BGB verneine, mit seinem Zweck unvereinbar. Der Einsturz eines unterhöhlten Gebäudes gefährde in bebauten Gegenden sehr häufig weitere Nachbargrundstücke, deren Schutz vom Gesetz mitbezweckt werde. Außerdem sei eben deswegen der Begriff des Grundstücks nicht im grundbuchtechnischen Sinn zu verstehen, sondern den tatsächlichen Verhältnissen in der Natur zu entnehmen.

Dem Berufungsgericht ist jedoch beizustimmen. Allerdings regelt § 909 BGB keinen grundbuchrechtlichen Vorgang, aber die Vorschrift betrifft, wie ihr Standort zeigt, den Inhalt des Eigentums und regelt die Rechte der Eigentümer von Grundstücken untereinander. Für die Anwendung der Vorschrift muss daher, soweit Ansprüche eines Grundeigentümers aus ihr hergeleitet werden, an dessen Eigentum und damit an das durch das Grundbuchrecht abgegrenzte Grundstückseigentum angeknüpft werden, obgleich das Gesetz eine Begriffsbestimmung für den Ausdruck Grundstück nicht gibt. Auch im Sinn des täglichen Sprachgebrauchs wären im übrigen die beiden gesonderte Bauten tragenden Grundstücke Nr. ... und Nr. ... nicht als ein Grundstück zu bezeichnen. Da die Festigkeit des Bodens des - nach der Vorstellung des Gesetzes in fremdem Eigentum stehenden - Nachbargrundstücks geschützt werden soll, kann nicht angenommen werden, daß § 909 BGB die Bestandteile weiterer Grundstücke schützen sollte, wenn deren Boden nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Es ist zwar richtig, dass von diesem Standpunkt aus § 909 BGB anwendbar wäre, wenn die Grundstücke Haus Nr. ... und ... derselben Person gehörten und der Eigentümer sie als ein Grundstück hätte eintragen lassen, und dass diese verschiedenartige Behandlung je nach den Eigentumsverhältnissen befremdlich erscheint. Andererseits stände aber auch dem Kläger unzweifelhaft aus § 909 BGB kein Anspruch zu, wenn zwar durch Vertiefung auf dem Grundstück Nr. ... (E.) sein Haus in Mitleidenschaft gezogen würde, der Boden des klägerischen Grundstückes dabei aber unverändert bliebe. Hier würde es erst recht wenig einleuchten, wenn dem Kläger zwar gegen den unmittelbaren Nachbarn bei einer schadenstiftenden Bodenvertiefung kein Anspruch aus § 909 BGB zustehen sollte, wohl aber gegen einen entfernteren Nachbarn, wenn dieser sein Grundstück mit Wirkung gegen das Gebäude des Klägers vertiefen würde. § 909 BGB kann daher auch nicht wegen der nicht selten vorkommenden baulichen Verbindung nebeneinander stehender Häuser als Schutzgesetz für den Eigentümer eines entfernteren Grundstücks, dessen Boden unangetastet bleibt, angesehen werden, noch weniger selbstverständlich kann es als Schutzgesetz zugunsten des Mieters oder sonstiger lediglich auf dem Grundstück wohnender Personen gelten, wenn dem Grundeigentümer selbst bei Schaden kein Anspruch aus § 909 BGB zustände.

II.Das Berufungsgericht verneint auch, daß der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf § 367 Nr. 14 und Nr. 15 StGB i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB mit Erfolg stützen könne. Denn die Verantwortung für die Ausschachtungsarbeiten habe dem Architekten G. obgelegen. Dieser habe bei seiner Vernehmung in 2 O 55/48 selbst erklärt, daß ihm Entwurf und Bauleitung übertragen gewesen sei und daß sein Honorar sich nach der Bausumme berechnet habe, die den Preis der Ausschachtungsarbeiten mit umfasst habe. Darauf, ob die Abbrucharbeiten von Unternehmungen durchgeführt worden seien (F. und H.), die möglicherweise nicht die erforderlichen behördlichen Konzessionen hatten und nur nicht fachkundige Arbeiter verwendet hätten, komme es nicht an, da die Beschädigungen des Hauses des Klägers nicht im Zuge der Abbruch-, sondern der Ausschachtungsarbeiten eingetreten seien, die zum Aufgabengebiet des Architekten G. gehört hätten. Ihm könne nicht entgangen sein, daß Arbeiter auf der Baustelle arbeiteten. Er sei laufend über den Fortgang der Arbeiten unterrichtet gewesen, vor allem als sie in das kritische Stadium der Ausschachtung gekommen seien; er sei auch mehrfach auf der Baustelle gewesen. Seine Aussage, er sei über den Abschluss der Abbrucharbeiten und den Beginn der Ausschachtungsarbeiten nicht in Kenntnis gesetzt worden, sei erwiesenermassen unrichtig.

Dem Zeugen Fr. gegenüber, der Bedenken geäussert habe, ob bei den Arbeiten am Grundstück keine Gefahr bestehe, daß von der Strasse her das Erdreich wegrutsche, habe G. erklärt, solche Gefahr bestehe nicht, da man das Mauerwerk Meter für Meter wegnehme und so gleich wieder aufbaue. Ausserdem habe G. bei einer Unterredung mit dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Zeugen K. kurz vor dem 29.2.1948 sogar auf der Baustelle sich für die Vertiefung der Kellersohle unter das noch stehende Fundament (des Hauses der Beklagten) ausgesprochen und dabei auf die Frage des Geschäftsführers der Beklagten, ob eine solche Vertiefung mit Rücksicht auf die Nachbarn überhaupt durchführbar sei, erwidert: "Das lassen sie man meine Sorge sein". Demgemäss habe der Bauleiter des Architekten G., der Zeuge Be., dem Vorarbeiter He. auf der Baustelle erklärt, man müsse 60 cm unter die Kellersohle gehen, beim Aufbau des Hauses sollten dann die Grundmauern Meter für Meter unterfangen werden. Diese Äußerungen habe He. mit Recht als eine Arbeitsanweisung für die Ausschachtung angesehen. G. und Be. hätten beide gewusst, daß die Beklagte mit Arbeitern, die sie sich von dritter Seite beschafft hatte, die von G. geforderte Vertiefung herstelle.

Die Beklagte sei weder Bauherr noch Bauleiter gewesen, vielmehr habe die Verantwortung für die baupolizeilichen Schutzmassnahmen allein G. getroffen, auf den sich die Beklagte mangels eigener Fachkenntnisse habe verlassen müssen, insbesondere, wenn er ihre Bedenken als unbegründet bezeichnet habe. Sogar die Fachleute G. und Be. hätten, davon sei das Berufungsgericht überzeugt, bis zu dem Augenblick, wo man mit der Beseitigung der Grundmauern begonnen haben würde, keine Sicherungsmassnahmen für nötig gehalten. Ihre Notwendigkeit habe umsoweniger die Beklagte voraussehen können.

1.Die Revision glaubt, die Schadensersatzansprüche auch auf andere gesetzliche Vorschriften als auf § 367 Nr. 14 und 15 StGB und § 823 Abs. 2 BGB stützen zu können.

a)Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte habe im Verhältnis zu den von ihr beschäftigten Arbeitern, die die Ausschachtungsarbeiten vorgenommen hätten, die Stellung eines Geschäftsherrn nach § 831 BGB gehabt. Die Revision verweist auf die Ausführungen des Berufungsurteils, daß der Geschäftsführer M. nach dem oben erwähnten Gespräch mit G. und K. wegen Überlassung von Arbeitern für die Tieferlegung mit der Firma F. in Verbindung getreten sei (Berufungsurteil S 25 unten) und daß die Beklagte mit diesen Leuten die von G. geforderte Vertiefung habe vornehmen lassen (Berufungsurt S 28). Da der Firmeninhaber F. die Mitarbeit abgelehnt habe, sei das Erfordernis leitender Weisungen des Geschäftsführers M. und die Verpflichtung der Arbeiter zu deren Befolgung ohne weiteres gegeben gewesen.

Geschäftsherr ist derjenige, von dessen Willen die Bestellten bei der Ausführung der Verrichtung derart abhängig sind, daß sie seinen Weisungen zu folgen haben. Insbesondere die Wendung des Berufungsurteils, die Beklagte habe die geforderte Vertiefung vornehmen lassen, könnte den Anschein erwecken, als habe das Berufungsgericht jene Abhängigkeit damit feststellen woller. Damit wäre jedoch übersehen, daß nach seiner Feststellung (Berufungsurt S 27 oben Bl 120 GA) die Ausschachtungsarbeiten erst begonnen haben, nachdem der örtliche Vertreter des Architekten G., der Zeuge Be., dem für die Ausschachtungsarbeiten vorgesehenen Vorarbeiter He. gegenüber erklärt hatte, man müsse tiefer gehen, nämlich um 60 cm, während dagegen der Geschäftsführer der Beklagten erklärt hatte, wie die technische Ausführung gemacht werde, sei ihm gleichgültig, er wolle aber auf keinen Fall Treppen zum Ladenlokal haben. Damit war in Übereinstimmung mit dem zwischen der Beklagten und G. bestehenden Vertrag, der die Leitung der Ausschachtungsarbeiten als zur örtlichen Bauleitung gehörig G. übertrug, die technische Anordnung hinsichtlich der Ausschachtungsarbeiten dem Zeugen Be. für G. überlassen, wie das Berufungsgericht entsprechend der Auffassung des Zeugen He. feststellt. Die Beklagte hat somit die Arbeiter der technischen Anweisung des Architekten unterstellt und ist weder dadurch Geschäftsherrin geworden, daß sie diese Arbeiter beschafft hat (RGZ 170, 1 [8]), noch dadurch, daß sie sie bezahlt und hierzu mit dem Vorarbeiter He. abgerechnat hat, ebersowenig aber dadurch, daß der Geschäftsführer der Beklagten, der wegen der drohenden Währungsreform auf raschen Fortschritt der Arbeiten bedacht war, die Arbeiter angespornt hat. Der Kläger kann daher nichts für seine Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte aus der Tatsache ableiten, daß die Beklagte keine Bauarbeiter beschafft hat und daß sie selbst technische Anweisungen, insbesondere die zur Verhütung des Einsturzes notwendigen für die Ausschachtung nicht erteilt hat. Ist nach alledem § 831 BGB zu Lasten der Beklagten nicht anwendbar, so bedarf es keiner Untersuchung nach der Richtung, ob die die Vertiefung Ausführenden sich einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht haben.

b)In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist, wie die Revision an sich zutreffend hervorhebt, der Grundsatz anerkannt, der Eigentümer einer Sache habe dafür zu sorgen, daß bei billiger Rücksichtnahme auf die Belange anderer nach Massgabe der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt seine Sache nicht durch ihre Beschaffenheit dritte Personen in Gefahr bringe (RG JW 1933, 2763; BGB RGRK 10. Aufl. § 823 Anm. 6 f und die dort aufgeführten Entscheidungen). Es mag auch kein Anlass bestehen, diesen Grundsatz nur für die Verletzung von Personen, nicht aber auch für die Beschädigung von Sachen gelten zu lassen. Die Rechtsprechung leitet hieraus eine Haftung gemäss § 823 Abs. 1 BGB ab. Es kann auch unterstellt werden, daß die Beklagte, wenn auch nicht nach § 909 BGB, so doch aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht an sich gehalten war, die dann doch eingetretenen Schäden für das Eigentum des Klägers abzuwenden.

Handelt es sich in solchen Fällen der Verkehrssicherungspflicht um Arbeiten, insbesondere Bauarbeiten, die durch einen Unternehmer auszuführen oder zu beaufsichtigen sind, so ist mit der Übertragung der Arbeiten an einen als tüchtig bekannten Fachmann, als welcher der Architekt G. nach der Feststellung des Berufungsgerichts bis zu dem Einsturz galt, der Eigentümer seiner Pflichten, wie der Revision zuzugeben ist, nicht unter allen Umständen ledig geworden. Auch in diesem Fall besteht noch eine Aufsichtspflicht des Eigentümers im Rahmen des ihm als Nichtfachmann Zumutbaren (Palandt BGB 10. Aufl. § 823 Anm. 14 a; Erman BGB § 823 Anm. 19 ff S 1071). Dabei hängt das Mass der von dem Eigentümer zu fordernden Sorgfalt von den Umständen des Einzelfalles ab (RGZ 132, 51 [58] - zu § 909 BGB), wobei aber der ganz besonders strenge Maßstab, den das Reichsgericht für die Pflichten des Eigentümers aus § 909 BGB entwickelt hat (siehe die oben angeführte Entscheidung), nicht gilt. Das Berufungsgericht führt in dieser Hinsicht aus, es sei für einen Laien auf dem Gebiet des Bauwesens schwierig, einen angesehenen Architekten zu überwachen. Hinsichtlich der zu ergreifenden Massnahmen, der statischen Berechnungen und der Art der Umsetzung der Bauabsichten in die Wirklichkeit müsse sich der Laie auf den Fachmann verlassen, im übrigen habe die Beklagte jedoch durch ihren Angestellten Dr. Fr. wie auch durch den Geschäftsführer M. den Architekten G. auf die Gefahr hingewiesen, die sich aus der Vertiefung des Grundstücks möglicherweise für die Nachbarn ergäben, G. habe ihre Bedenken alle zerstreut.

Diese Ausführungen zeigen, daß sich das Berufungsgericht der Möglichkeit bewußt gewesen ist, es könne neben G. auch noch die Beklagte haften. Einen Rechtsirrtum lassen sie nicht erkennen. Von der Beklagten war nicht zu verlangen, daß sie etwa die Richtigkeit der fachmännischen Ansicht des G. und seines Bauführers, des gleichfalls sachverständigen Be., Sicherungsmassnahmen durch Unterfangen seien erst mit dem Beginn der Beseitigung der Grundmauern erforderlich, durch einen andern Fachmann nachprüfen ließ, insbesondere, wenn, wie das Berufungsgericht feststellt, G. laufend über den Fortgang der Arbeiten unterrichtet gewesen ist und Be. häufig auf der Baustelle anwesend war.

Die Revision hält ein Verschulden des Geschäftsführers der Beklagten unter folgenden Gesichtspunkten für gegeben: G. und Be. hätten der Beklagten eine Wegnahme der alten Kellermauer Meter für Meter mit sofortigem Unterfangen freigelegter Teile durch neues Mauerwerk als erforderlich bezeichnet. Der Geschäftsführer M. habe die Unterhöhlung und Wegnahme der Kellerwand gesehen, trotzdem aber nichts unternommen, um die Mauerarbeiten, deren gleichzeitige Vornahme die Architekten für geboten gehalten hätten, herbeizuführen. Diese Rüge steht mit der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts und dem Akteninhalt in Widerspruch.

Das Berufungsgericht hat, wie bereits erwähnt, festgestellt, daß die Architekten das Unterfangen gerade erst für nötig hielten, wem man an die Beseitigung der Grundmauern ginge, zu der es aber wegen des Einsturzes gar nicht mehr kam. In diesem Sinn hat sich auch M. bei seiner Vernehmung geäussert.

2.a)Wer für die Vorschrift des § 367 Nr. 14 StGB als Täter in Betracht kommt, nur der Bauleiter oder auch der Bauherr, ist streitig (s. Schönke StGB, 5. Aufl. § 367 XIV Anm. 3; Schwarz StGB 4. Aufl. § 367 Anm. 14). Vom Standpunkt der Auffassung aus, die Vorschrift betreffe nur den Bauleiter, scheidet die Beklagte, genauer gesagt M., der als ihr mit dem Bau befasster gesetzlicher Vertreter ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen hatte (KG DJZ 1908, 142), ohne weiteres aus. Aber auch die weitere Auslegung, die den Bauherrn einschliesst (RGZ 6, 260), führt nicht zur Haftbarkeit der Beklagten gemäss § 367 Nr. 14 StGB i.V.m. § § 31, 823 BGB; denn die Zuwiderhandlung erfordert Verschulden (s. auch § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB), das hinsichtlich des Geschäftsführers der Beklagten verneint werden muss, weil von der Polizei angeordnete Sicherungsmassnahmen nicht ersichtlich sind und er hinsichtlich der Frage, ob solche erforderlich seien, als Laie in Bausachen, wie dargelegt, sich auf den Architekten G. als Fachmann verlassen musste, wobei er die Gefahr ebensowenig erkennen konnte wie die auf dem Grundstück der Beklagten arbeitenden Bauarbeiter, die ja ständig auf der Baustelle waren und durch ihre eigene Tätigkeit in erster Linie bedroht wurden.

b)Für den Fall eines Baues ohne baupolizeiliche Genehmigung nach § 367 Nr. 15 StGB sind Bauherr und Baumeister nebeneinander verantwortlich. Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Beklagte und ihr Geschäftsführer schieden auch als Bauherr aus, weil sie die Verantwortung auf G. als leitenden Architekten übertragen hätten. Aber hierin kann dem Berufungsgericht nicht beigestimmt werden. Bauherr ist, wer auf seine Rechnung und Verantwortung bauliche Massnahmen veranlasse, dergestalt, daß sein Wille den Bau beherrscht und, abgesehen von der technischen Seite, für die Ausführung derart massgebend ist, daß der Bauausführende seinen Anordnungen nachzukommen hat (Dalcke Strafrecht und Strafverfahren 15. Aufl. § 367 Nr. 15 StGB Anm. 45; KG DJZ 1908, 141). Die Aushebung der Baugrube unterhalb der Kellersohle, die ein Teil des Gesamtbauvorhabens war, geschah auf Rechnung der Beklagten. Lediglich die technische Ausgestaltung des Baues unterstand der Leitung des Architekten, während für die Errichtung des Baues als solchen letzten Endes der Wille der Beklagten massgebend war. Trotz dieses Rechtsirrtums hat das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 367 Nr. 15 StGB mit Recht abgelehnt. In welchem Umfange § 367 Nr. 15 StGB ein Schutzgesetz zu Gunsten der durch den beabsichtigten Bau möglicherweise gefährdeten Grundstückseigentümer ist, braucht nicht erörtert zu werden. Die Haftung der Beklagten würde die Feststellung voraussetzen, dass durch die Einholung der Baugenehmigung der Einsturz vermieden worden wäre, etwa, dass die Baupolizeibehörde hinsichtlich der Ausschachtung Sicherheitsauflagen gemacht hätte. Gerade wenn sie für einen Baufachmann ohnedies geboten waren, verstand sich ihre besondere Auferlegung nicht von selbst. Hier fehlt es schon an den entsprechenden Behauptungen der Klagepartei, insoweit übereinstimmend mit dem Standpunkt des Klägers E. in seinem Rechtsstreit gegen die Beklagte und G. 2 O 127/48, vgl. Schriftsatz vom Februar 1949 Seite 24/25, wo ausgeführt worden war, die Kausalität zwischen der Verletzung des § 367 Nr. 15 StGB und dem eingetretenen Schaden könne nicht bewiesen werden. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang allerdings die Verletzung des § 139 ZPO. Aber der Kläger war es selbst, der in seiner Berufungsbeantwortung vom 8.12.1951 (Bl 51 GA) die vom Oberlandesgericht im Rechtsstreit E. gegen M. aufgeworfenen Fragen mitgeteilt hat, die auch den Punkt der baupolizeilichen Genehmigung umfassten. Von Seiten der Sachverständigen Ga. und Wi., auf die das erkennende Gericht sich gestützt hat, war andererseits das Fehlen baupolizeilicher Genehmigung nicht erörtert worden. Vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus, daß die Beklagte und ihr Geschäftsführer nicht Bauherren seien, war die etwa versäumte Einholung der baupolizeilichen Genehmigung ohne Bedeutung. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, daß das Berufungsgericht die ihm durch § 139 ZPO auferlegte Fragepflicht verletzt hätte.

Ist somit die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB nicht festzustellen, so erledigt sich damit der weitere Revisionsangriff, das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt, wenn es von dem Kläger für das Verschulden der Beklagten Beweis fordere, obwohl dieses Verschulden bei objektiv widerrechtlicher Verletzung fremden Eigentums zu vermuten sei (RGZ 145, 107 [116]). Ein derartiger Satz ist von der Rechtsprechung nicht für jede unerlaubte Handlung ganz allgemein aufgestellt worden, sondern nur für die Verletzung von Schutzgesetzen (Erman BGB § 823 Anm. 12 e/ee). Im übrigen hält das Berufungsgericht trotz seiner Ausdrucksweise, der Kläger hat gegen die Beklagte den Schuldbeweis nicht erbracht, wie seine Ausführungen zeigen, sie in Wahrheit für entlastet.

3.Das Berufungsgericht hat, wie schon das Gericht des ersten Rechtszugs in der Sache 2 O 55/48, es dahingestellt gelassen, ob das Zerschlagen der Kellerdecke, das zu den Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der Beklagten gehörte, für den Einsturz (mit) ursächlich gewesen sei. Da die Abbrucharbeiten nicht Sache des Architekten G. waren, sondern von der Firma F. im Auftrag der Beklagten durchgeführt wurden und der Leiter der Firma F. nach der Behauptung des Klägers keine ausreichende Vorbildung für Bauarbeiten gehabt haben soll, vertritt die Revision die Auffassung, das Berufungsgericht hätte über die Ursächlichkeit des Zerschlagens der Kellerdecke für den Hauseinsturz eine Feststellung treffen müssen. Hier hätte sich möglicherweise, meint sie, eine Verantwortung der Beklagten für den Einsturz ergeben. Dieser Angriff geht aber fehl. Daß die zerschlagene Kellerdecke allein den Einsturz nicht verursacht hat, steht fest. Das Haus E. blieb auch dann noch stehen. Bei den Ausschachtungsarbeiten war der Wegfall der Kellerdecke bereits eine gegebene Tatsache, die derjenige zu berücksichtigen hatte, der für die Ausschachtungsarbeiten verantwortlich war. Auf deren - vom Berufungsgerichte bejahte - Ursächlichkeit für den Einsturz und jene Verantwortlichkeit für die Ausschachtungsarbeiten kam es daher allein an.

4.Die Revision vermisst eine sichtbare Zäsur in der Leitung der Bauarbeiten mit dem Beginn der Ausschachtung, weil G. nach Aussage des Vorarbeiters He. im Verfahren 2 O 55/48 auf der Baustelle keine Anweisungen erteilt habe, übrigens auch wegen der Abrechnung der Beklagten mit F. für die Ausschachtungsarbeiten an diesen kein wirtschaftliches Interesse gehabt habe. Wenn aber G. auch für die Ausschachtungsarbeiten die örtliche Bauleitung zu führen sich verpflichtet und hierfür eine höhere Vergütung zu bekommen hatte, wie er selbst dargelegt hat, und als sein Vertreter der auf der Baustelle häufig erscheinende Bauführer Be. mit der dem He. gegenüber abgegebenen Erklärung, er müsse 60 cm tiefer gehen, den Anstoss zu den Ausschachtungsarbeiten gegeben hatte, so war der Zeitpunkt, des Übergangs der Bauleitung auf den Architekten hinreichend klar ausgeschieden. Dabei ist bemerkenswert, daß in der von der Revision angeführten Aussage des He. sich der Satz findet: "Die Vertiefung des Kellers hat Be. auch überwacht".

III.1.Der Kläger hat Beweis dafür angeboten, daß am Abend vor dem Einsturz, als noch bis gegen 21 Uhr die Kolonne He. gearbeitet habe, G. und Be. damals nicht anwesend gewesen seien, weiter dafür, daß die Arbeiten hinter dem Rücken G.s und ohne Beaufsichtigung geschehen seien. Das Berufungsgericht hat unter Unterstellung im übrigen eine Beweiserhebung zu dem letzten Beweisthema für unzulässig erklärt, da es sich hier nur um Schlussfolgerungen handle. Im Gegensatz zur Ansicht der Revision ist das nicht zu beanstanden, weil der Gegensatz zu den konkreten Angaben über die Abwesenheit G.s und Be.s zeigt, daß hier nur die Schlussfolgerung aus den vorher bezeichneten Tatsachen für diesen Abend gezogen werden sollte (s. auch Schriftsatz des Klägers vom 29.1.1952 Seite 1). Überdies hätte angesichts der Feststellung des Berufungsgerichts, daß G. und Be. Schutzmassnahmen erst beim Abtragen der Grundmauern für erforderlich hielten, ihre Anwesenheit an diesem Abend im Geschehensablauf nichts geändert.

2.Die Revision macht noch geltend, die Feststellung des Berufungsgerichts, dass G. die Verantwortung für die Vertiefungsarbeit übernommen habe, beruhe auf unvollständiger Würdigung des Sachverhalts (§ 286 ZPO). Es habe nicht beachtet, dass der Zeuge Fr., dessen Aussage (Bl 83 GA) im gegenwärtigen Rechtsstreit das Berufungsgericht gefolgt sei, hier erst 4 Jahre nach den bekundeten Vorgängen ausgesagt habe, aber schon einmal viel früher im Verfahren 2 O 55/48 am 12.11.1948 bekundet habe, der Gedanke einer Gefährdung des Nachbarhauses sei zu keiner Zeit, insbesondere auch nicht vor dem Entschluss zur Vertiefung aufgetaucht. Ein beachtlicher Widerspruch liegt aber nicht vor, da auch bei der Vernehmung des Zeugen Fr. vor dem jetzt erkennenden Gericht der Zeuge nicht von Befürchtungen hinsichtlich des Hauses E., sondern nur hinsichtlich eines Abrutschens der Strasse bei jenem Gespräch mit G. berichtet hat. Zu einer ausdrücklichen Erörterung in dieser Hinsicht war das Berufungsgericht nach § 286 ZPO nicht verpflichtet.

Wenn die Revision darauf hinweist, daß die Beklagte erst nach dem Tod des G.s die schon oben erwähnte Behauptung aufgestellt habe, daß in einem Gespräch zwischen K., M. und G. dieser auf eine allenfalls dem Nachbar drohende Gefahr aufmerksam gemacht worden sei und darin einen Wechsel der Verteidigung sieht, die früher auf Unkenntnis der Gefahr aufgebaut gewesen sei, so kann auch hier ein Verstoss gegen § 286 ZPO nicht festgestellt werden. Der Kläger hatte in dieser Hinsicht allerdings bereits im Schriftsatz vom 19.3.1952 S 7 f Ausführungen gemacht. Das Berufungsgericht hatte aber nur die leitenden Erwägungen für seine Beweisführung anzugeben und brauchte den Wechsel der Verteidigung nicht zu erwähnen, wenn es ihm keine durchgreifende Bedeutung zumass.

IV.Abzulehnen ist auch die Auffassung der Revision, zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt müsse ein Grundstückseigentümer, der Bauarbeiten einem Unternehmer übertrage, bei dessen Auswahl sich auch vergewissern, daß er gegen etwaige Schadensersatzansprüche von Nachbarn ausreichend haftpflichtversichert sei, die diese wegen Übertragung der Verantwortung auf den Unternehmer gegen den Eigentümer nicht geltend machen könnten. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, die, sei es nach § 831, sei es nach § 823 BGB der Eigentümer aufwenden muss, soll dazu dienen, rechtswidrige schädigende Handlungen des vom Eigentümer Ausgewählten gerade nach Möglichkeit zu verhindern, nicht aber für den Fall entstehenden Schadens dem Verletzten einen zahlungsfähigen Schuldner zu verschaffen. Solchem Interesse dient nur eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, wie sie etwa bei der Kraftfahrzeughalterhaftung besteht. Hat der Eigentümer hinsichtlich der Verhinderung des Schadens das Seinige getan, so darf ihn für einen trotzdem entstandenen Schaden keine Haftung treffen, auch nicht in der Form, daß er durch erhöhte Gebühren für den Sachverständigen Dritten auf seine Kosten Versicherungsschutz verschafft. Darin läge die Auferlegung einer dem Gesetz fremden neuen Kausalhaftung.

Nach alledem war die Revision als unbegründet mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.