Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 12.10.2012, Az.: V ZR 187/11
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. November 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben worden ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 5. März 2010 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 5. August 1994 kaufte der Kläger von dem im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Dr. A. ein Seegrundstück in Brandenburg, welches u.a. aus den Flurstücken 619 und 620 besteht. Der Klä-1 ger ist seit 1995 als Eigentümer eingetragen. Auf den genannten Flurstücken befinden sich ein Geräteraum sowie die Hälfte eines Bootshauses. Die andere Hälfte des Bootshauses steht auf dem Flurstück 600. Diese Bauwerke wurden von einer Produktionsgenossenschaft der Binnenfischer (PGB) in den 1960er bzw. 1970er Jahren errichtet. Die vormals von der PGB und die übrigen, von der Handelsorganisation Gaststätten (HOG) genutzten Teile der Flurstücke 619 und 620 waren und sind nach dem Vorbringen des Beklagten durch eine Mauer voneinander getrennt.
Der Beklagte nutzte die genannten Baulichkeiten zum Betrieb der 'Fischerei M. ', und zwar ursprünglich aufgrund eines Pachtvertrages mit der Rechtsnachfolgerin der PGB, der D. GmbH & Co. KG. Im Jahr 1999 schloss der Beklagte zwei Verträge:
In einer notariellen Urkunde vom 27. Januar 1999 traf der Beklagte mit der D. GmbH & Co. KG eine 'Vereinbarung zur Übertragung von Gebäudeeigentum'. Darin 'verkauft und überträgt mit dinglicher Wirkung' die KG für 50.000 DM das Gebäudeeigentum an Geräteraum und Bootshaus an den Beklagten. Zugleich erklärte sie die 'Aufhebung und Aufgabe sämtlicher Rechte an allen Baulichkeiten auf dem Grundstück'. Diese Aufgabeerklärung sollte dem Grundbuchamt zusammen mit dem Antrag auf Umschreibung des Flurstücks 600 auf den Beklagten vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang heißt es in der Urkunde, die Anlegung eines Gebäudegrundbuchs werde 'allseits nicht gewünscht'.
Mit notariellem Vertrag vom 29. November 1999 kaufte der Beklagte das Flurstück 600 von der BVVG. In diesem Vertrag erklärte er die Aufgabe des im Eingang des Vertrages genannten Gebäudeeigentums, verbunden mit der An-2 weisung an den Notar, die Aufgabeerklärung erst nach Vollzug der Eigentumsumschreibung am Flurstück 600 bei dem Grundbuchamt einzureichen.
Die Erklärung der Verkäuferin über die Aufgabe des Gebäudeeigentums ist zusammen mit dem Vertrag vom 29. November 1999 bei dem Grundbuchamt eingereicht worden. Nach einer Vermessung stellte sich heraus, dass die von der PGB errichteten Bauwerke ganz bzw. teilweise auf dem Grundstück des Klägers stehen.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten, soweit hier von Interesse, die Herausgabe der jenseits der Trennmauer liegenden Teile der Flurstücke 619 und 620 nebst aufstehenden Gebäuden. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat zudem eine in zweiter Instanz erhobene Widerklage des Beklagten abgewiesen, mit der er die Zustimmung des Klägers zu der Abschreibung der herausverlangten Teile von den Flurstücken 619 und 620 und zu deren Zuschreibung zum Flurstück 600 verlangt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Herausgabeanspruch des Klägers nach § 985 BGB. Dieser sei Eigentümer der Flurstücke 619 und 620. Rechte des Beklagten an den aufstehenden Gebäuden bestünden nicht. Selbständiges Gebäudeeigentum sei nach den Rechtsvorschriften der DDR nicht entstanden 5 und habe ihm daher von der Rechtsnachfolgerin der PGB nicht verschafft werden können.
Dem Beklagten stehe auch kein Recht zum Besitz nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB zu, da er nicht Nutzer im Sinne von § 9 SachenRBerG sei. Der Gebäudekaufvertrag lasse sich nicht in eine Vereinbarung über die Abtretung der Ansprüche des Nutzers nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz umdeuten. Dem stehe die Erklärung der Verkäuferin über die Aufgabe ihres Eigentums am Gebäude entgegen. Die Verkäuferin habe auch keinen Anspruch auf sachenrechtliche Bereinigung gehabt. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Sachen-RBerG erwähne nämlich nur die Genossenschaften mit gewerblichem oder handwerklichem Geschäftsgegenstand, zu denen Unternehmen der Fischereiwirtschaft nicht gehörten.
Die Widerklage sei unbegründet, da der Kläger und nicht der Beklagte Eigentümer der streitigen Teilfläche sei.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
A. Zur Klage:
Der Kläger kann von dem Beklagten nicht nach § 985 BGB die Herausgabe der streitgegenständlichen Teilflächen verlangen. 8 1. Allerdings bejaht das Berufungsgericht auf der Grundlage des festgestellten Vorbringens der Parteien das Eigentum des Klägers an den beiden Flurstücken 619 und 620 ohne Rechtsfehler.
a) Danach hat der Kläger das Eigentum von dem als Eigentümer eingetragenen Dr. A. jedenfalls nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB gutgläubig erworben. Nach dieser Vorschrift gilt der Inhalt des Grundbuchs zugunsten des Erwerbers als richtig. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs erstreckt sich auch auf die Eintragungen im Bestandsverzeichnis, aus denen sich in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen Katasterkarte ersehen lässt, auf welchen Teil der Erdoberfläche sich das Eigentum bezieht (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662, 663 Rn. 8 mwN). Danach hat der Kläger die streitigen Teilflächen selbst dann von Dr. A. erworben, wenn sie diesem nicht gehört hätten; denn die Flurstücke 619 und 620 waren im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs des veräußerten Grundstücks gebucht und damit als diesem zugehörig nachgewiesen.
Für einen Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB ist eine Kenntnis des Erwerbers vom Grundbuchstand ebenso wenig erforderlich wie eine Kausalität zwischen diesem und dem Erwerb (Senat, Urteil vom 16. Mai 1980 - V ZR 27/79, NJW 1980, 2413, 2414). Ausgeschlossen ist ein gutgläubiger Erwerb nur, wenn ein Widerspruch im Grundbuch eingetragen oder dem Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt ist. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen; die Revision zeigt auch keinen Vortrag des für die Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit des Grundbuchs darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 16. Mai 1980 - V ZR 27/79, aaO) auf.
b) Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass schon der Veräußerer Dr. A. das Eigentum erworben habe, kommt es danach nicht an; die darauf bezogenen Angriffe der Revision gehen ins Leere. Liegen - wie hier - die in § 892 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen vor, kann dahinstehen, ob das Grundbuch vor dem Erwerb unrichtig war. Da nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Erwerbers eines Grundstücks der Inhalt des Grundbuchs als richtig gilt, ist der gegenüber der Vermutung nach § 891 Abs. 1 BGB zulässige Beweis des Gegenteils zuungunsten des Erwerbers ausgeschlossen (vgl. RGZ 86, 353, 356; 116, 177, 181; 123, 19, 21; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 892 Rn. 47; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl., § 892 Rn. 1; Staudinger/ Gursky, BGB, [2012], § 892 Rn. 10).
c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht möglich gewesen sei, weil der Kläger und Dr. A. sich in Wirklichkeit nur über den Erwerb von Teilflächen der beiden Flurstücke (bis zur Mauer) geeinigt und den Vertragsgegenstand in der notariellen Urkunde falsch bezeichnet hätten.
aa) Für die Anwendung der Vorschrift des § 892 Abs. 1 BGB ist allerdings kein Raum, wenn der Veräußerer und der Erwerber als Gegenstand der Auflassung nicht das gesamte im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs ausgewiesene Grundstück, sondern nur einen bestimmten Teil des Grundstücks angesehen haben und dem Erwerber somit hinsichtlich des von der Auflassung nicht betroffenen Teils des Grundstücks der Erwerbswille gefehlt hat (Senat, Urteil vom 8. Juni 1965 - V ZR 197/62, DNotZ 1966, 172, 173). Das Eigentum an dem Grundstück wird dann - auch wenn die Umschreibung im Grundbuch erfolgt - mangels wirksamer Auflassung (§§ 873, 925 BGB) nicht erworben (vgl. 16 Senatsurteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 mwN).
bb) Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, das einen von den beurkundeten Erklärungen abweichenden Vertragswillen nicht festgestellt hat, halten den Angriffen der Revision stand.
(1) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kaufvertragsparteien, wenn sie das Grundstück nach dem Grundbuch bezeichnen, dieses mit dem sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang übereignen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Anders ist es, wenn die Vertragsparteien das Grundstück so veräußern wollen, wie es sich ihnen nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1040 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10). Die Bezugnahme in dem Vertrag auf die Eintragungen im Grundbuch stellt sich dann als eine versehentliche Falschbezeichnung dar, mit der Folge, dass nach § 133 BGB auch bei einem formbedürftigen Vertrag das wirklich Gewollte gilt (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 und vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1659 Rn. 12 f.). Die Partei die sich auf einen solchen, von dem Urkundstext abweichenden Vertragswillen beruft, hat die dafür sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165). Ein diese Haupttatsache betreffendes Beweisangebot des Beklagten zeigt die Revision jedoch nicht auf.
(2) Von einer versehentlichen Falschbezeichnung ist allerdings in der Regel auszugehen, wenn ein Grundstück auf Grund einer Besichtigung des 19 Objekts veräußert wird, bei der dem Erwerbsinteressenten auf Grund der tatsächlichen Situation (hier durch die Abtrennung einer größeren zusammenhängenden Fläche mit einer Mauer) klar vor Augen tritt, welche Flächen Teil des Nachbargrundstücks sind (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1040; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 152, 153). Dass der Kläger das Grundstück im Jahr 1994 auf Grund einer Besichtigung erworben hat, ist indessen ebenfalls weder festgestellt noch von dem Beklagten vorgetragen und unter Beweis gestellt worden.
(3) Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht hätte im Hinblick auf die Bezeichnung der Gebäude im notariellen Kaufvertrag und auf Grund des nachvertraglichen Verhaltens des Klägers von einem auf den tatsächlichen Grenzverlauf bezogenen Auflassungswillen ausgehen müssen, betriff dies die Würdigung von Indiztatsachen. Insoweit ist der Tatrichter jedoch grundsätzlich frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung nur darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/70, NJW 1991, 1894, 1895).
Gemessen daran ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Ob - wie die Revision vorbringt - das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten zu den in dem Kaufvertrag beschriebenen Gebäuden auf dem verkauften Grundstück missverstanden hat, kann dahinstehen. Auch die darauf bezogene Verfahrensrüge des Beklagten betrifft keine entscheidungserhebliche Indiztatsache, weil nach Ansicht des Berufungsgerichts die Bezeichnung der Gebäude auf dem Grundstück, die als dessen wesentliche Bestandteile mit veräußert wurden, den Kaufgegenstand nur beschreiben, jedoch nicht bestimmen sollte. Diese Würdi-22 gung verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Dem Indiz kommt danach keine erhebliche Beweiskraft für die Behauptung des Beklagten zu, die Vertragsparteien hätten das Grundstück nicht mit dem in der Kaufvertragsurkunde wiedergegebenen Grundbuchstand übereignen wollen. Auf den Umstand, dass die Streitigkeiten erst nach dem Aufdecken des tatsächlichen Grenzverlaufs nach einer Neuvermessung entstanden sind, musste das Berufungsgericht wegen der Ambivalenz der Indiztatsache nicht eingehen. Dieser Umstand lässt sich nämlich auch mit dem Vorbringen des Klägers vereinbaren, das Grundstück mit den sich aus dem Grundbuch ergebenden Flächen erworben zu haben; denn auch bei dieser Konstellation treten Streitigkeiten oft erst auf, nachdem die lange Zeit unbemerkt gebliebene Grenzüberschreitung bei einer Neuvermessung festgestellt wird (vgl. das Senatsurteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2005, 662, 664 Rn. 15).
2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht jedoch ein Recht zum Besitz des Beklagten nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 EGBGB.
a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass das Recht zum Besitz aus dem sogenannten Moratorium nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB über den 31. Dezember 1994 hinaus nur noch in dem Umfang fortbesteht, wie der Besitzer nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz von dem Eigentümer die Übertragung oder Belastung des Grundstücks verlangen kann (Senat, Urteile vom 4. Juli 1997 - V ZR 54/96, BGHZ 136, 212, 216 und vom 9. Juli 1999 - V ZR 148/98, VIZ 1999, 614). Richtig ist auch, dass die Regelbeispiele in § 5 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG (für Eigenheime) und in § 7 Abs. 2 SachenRBerG (für andere bauliche Nutzungen) den Anwendungsbereich des Gesetzes nicht abschließend bestimmen, sondern bei einer nicht unter eines der Regelbeispie-24 le fallenden baulichen Investition auf fremdem Grund nach dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG bestimmten Nachzeichnungsgrundsatz geprüft werden muss, ob dieser Sachverhalt ebenfalls nach den Regelungen des Gesetzes zu bereinigen ist (vgl. Senat, Urteile vom 16. Oktober 1998 - V ZR 390/97, VIZ 1999, 40, 41 und vom 16. Juli 2004 - V ZR 228/03, VIZ 2004, 499).
b) Rechtsfehlerhaft ist aber der von dem Berufungsgericht aus dem Regelbeispiel in § 7 Abs. 2 Nr. 1 SachenRBerG gezogene Umkehrschluss, dass die Bebauungen volkseigener Grundstücke durch PGBn nicht Gegenstand der Sachenrechtsbereinigung seien, weil in dieser Vorschrift - anders als in § 1 des Gesetzes der DDR über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (vom 14. Dezember 1970 - GBl. I, S. 372 - im Folgenden: Nutzungsrechtsgesetz) - nur die an Genossenschaften mit gewerblichem oder handwerklichem Gegenstand verliehenen Nutzungsrechte genannt werden. Das kollidiert mit dem Nachzeichnungsgrundsatz, da - wie das Berufungsgericht selbst feststellt - nach dem Recht der DDR Nutzungsrechte an volkseigenen Grundstücken allen sozialistischen Genossenschaften verliehen werden konnten (Rhode (Hrsg.), Lehrbuch des Bodenrechts [1976], S. 279), was - wenn dies geschah - gemäß § 4 Abs. 4 des Nutzungsrechtsgesetzes die Entstehung selbständigen Gebäudeeigentums zur Folge hatte. Die Möglichkeit einer Absicherung der baulichen Investition durch ein Nutzungsrecht führt grundsätzlich zur Anwendbarkeit des Sachrechtsbereinigungsgesetzes, da für die Nachzeichnung entscheidend ist, ob eine solche Absicherung im Recht der DDR vorgesehen war (Senat, Urteil vom 16. Juli 2004 - V ZR 228/03, VIZ 2004, 499). Das Berufungsgericht hat zudem die Vorschrift in § 9 Abs. 3 Satz 1 SachenRBerG nicht berücksichtigt, nach der alle in § 46 des LPG-Gesetzes vom 2. Juli 1982 (GBl. I, S. 443) erwähnten Genossenschaften Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGn) im Sinne des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes sind. 26 Bauliche Investitionen der PGBn auf ehemals volkseigenen Grundstücken sind deshalb den in dem Regelbeispiel in § 7 Abs. 2 Nr. 5 SachenRBerG erwähnten Bebauungen durch LPGn gleichzustellen. Dasselbe gilt nach § 9 Abs. 3 Satz 1 SachenRBerG für die durch Umwandlung einer PGB entstandene Verkäuferin.
c) Das der Verkäuferin zustehende Recht zum Besitz gegenüber dem Kläger als Grundstückseigentümer ist mit dem Gebäudekaufvertrag vom 27. Januar 1999 auf den Beklagten übergegangen.
aa) Seit dem Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes geht das Recht zum Besitz nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB i.V.m. §§ 3, 4, 9 SachenRBerG mit dem Übergang der Rechtsstellung des Nutzers aus diesem Gesetz auf den Rechtsnachfolger über, ohne dass es einer besonderen Abrede zum Besitzübergang oder dessen Anzeige an den Grundstückseigentümer nach Art. 233 § 2a Abs. 2 Satz 2 EGBGB bedarf (Senatsurteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 89/08, NJW-RR 2009, 663, 665 Rn. 27).
bb) Die Rechte des Nutzers aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz werden nach § 14 Abs. 2 SachenRBerG durch Abtretung der Ansprüche übertragen, wobei zu unterscheiden ist, ob Gebäudeeigentum besteht oder nicht. Ist der Nutzer Gebäudeeigentümer (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG), kann er die Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nur zusammen mit dem Eigentum an dem Gebäude übertragen. Die Rechtsnachfolge tritt erst ein, wenn die Übertragung des Eigentums wirksam geworden ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2007 - V ZR 42/07, ZOV 2008, 27, 28 und Beschluss vom 15. März 2012 - V ZR 164/11, ZOV 2012, 131). In den in § 9 Abs. 1 Nr. 5 SachenRBerG bezeichneten Fällen der mit Billigung staatlicher Stellen erfolgten, jedoch nicht durch ein Nutzungsrecht und selbständiges Gebäudeeigentum 27 abgesicherten Bebauungen (sog. hängende Fälle) gehen die Nutzerrechte dagegen schon mit der Abtretung der Bereinigungsansprüche auf den Zessionar über (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZR 164/11, ZOV 2012, 131).
cc) So ist es hier, da selbständiges Gebäudeeigentum der Verkäuferin nicht entstanden war. Das Berufungsgericht führt rechtsfehlerfrei aus, dass an den in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts errichteten Bauwerken kein selbständiges Gebäudeeigentum der PGB entstehen konnte, weil die Vorschriften des LPG-Gesetzes vom 3. Juni 1959 (GBl. I. S. 577) auf die PGBn nicht anzuwenden waren, der Rechtsvorgängerin der Verkäuferin auch kein Nutzungsrecht an dem damals volkseigenen Grundstück verliehen worden war und die Vorschriften des LPG-Gesetzes von 1982 im Zeitpunkt der Bebauung noch nicht galten.
dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Gebäudekaufvertrag vom 27. Januar 1999 deswegen aber nicht jede Bedeutung abgesprochen werden. Zwar ist die Auslegung der individualvertraglichen Abreden in dem Gebäudekaufvertrag durch das Berufungsgericht von dem Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat (std. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2011 - V ZR 236/10, NJW-RR 2012, 218, 219 Rn. 5 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsgerichts ist aber auch in diesem Rahmen zu beanstanden, weil sie gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstößt.
(1) Richtig ist allerdings, dass die vertraglichen Vereinbarungen zur Aufgabe und zur Übertragung des Eigentums insoweit perplex sind, als ein Verkäufer das von ihm aufgegebene Gebäudeeigentum dem Käufer nicht nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB verschaffen kann. Gerade bei einer solchen Sachlage bedarf es jedoch einer Auslegung, mit der vom Wortlaut ausgehend der Sinngehalt der vertraglichen Regelungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ermittelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 110/06, NJW-RR 2007, 1470, 1471). Dabei ist im Zweifel anzunehmen, dass die Vertragsparteien das Vernünftige gewollt haben, und der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einer sachgerechten, mit Inhalt und Zweck des Gesetzes zu vereinbarenden Regelung führt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 69/96, BGHZ 134, 325, 329). Gegen diesen Auslegungsgrundsatz hat das Berufungsgericht verstoßen.
(2) Mit dem Kaufvertrag über die Gebäude wollten die Vertragsparteien einen Leistungsaustausch gemäß § 433 BGB herbeiführen, bei dem der Beklagte für den von ihm entrichteten Kaufpreis von 50.000 DM die Bauwerke der Verkäuferin erwerben sollte. Die Abrede, dass das Eigentum an den Gebäuden von der Verkäuferin mit dinglicher Wirkung übertragen und von dem Käufer erworben wird, bringt den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass der Beklagte in die Rechtsstellung der Verkäuferin einrücken sollte. Die in dem Kaufvertrag erklärte Aufgabeerklärung der Verkäuferin diente dagegen einem vereinfachten Vollzug; der Beklagte sollte kraft Gesetzes nach Art. 233 § 2b Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 3 EGBGB das Eigentum dadurch erwerben, dass mit Einreichung der Aufgabeerklärung der Verkäuferin bei dem Grundbuchamt die Bauwerke wesentliche Bestandteile seines Grundstücks wurden (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 80; Senatsurteil vom 12. Januar 2007 - V ZR 268/05, WM 2007, 517, 519).
(3) Vor diesem Hintergrund sind die Vereinbarungen, nach denen das Gebäudeeigentum mit dinglicher Wirkung auf den Beklagten übergehen sollte, dahin umzudeuten (§ 140 BGB), dass die Verkäuferin die ihr aus der Bebauung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehenden Ansprüche an den Beklagten abgetreten hat.
(a) Die Umdeutung kann der Senat - entgegen den von dem Kläger in der Revisionsverhandlung erhobenen Einwendungen - selbst vornehmen, da es dafür einer Geltendmachung seitens der Parteien nicht bedarf, sondern der Richter die Voraussetzungen der Vorschrift über die Umdeutung von Amts wegen zu beachten hat (vgl. Senat, Urteil vom 28. November 1962 - V ZR 127/61, NJW 1963, 339, 340) und für eine solche Umdeutung keine weiteren Feststellungen erforderlich sind. Das stellt keine nach § 139 Abs. 2 ZPO unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil die Möglichkeit einer Umdeutung der Vorschrift im Hinblick auf ein von dem Beklagten eingewandtes Recht zum Besitz in beiden Tatsacheninstanzen erörtert worden ist.
(b) Die Umdeutung eines mangels Bestehens von Gebäudeeigentum nach § 306 BGB aF unwirksamen notariellen Kaufvertrags über ein Gebäude, der alle wesentlichen Merkmale für eine Abtretung der Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz enthält, ist vorzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien eine solche Abtretung gewollt hätten, wenn sie erkannt hätten, dass die Verkäuferin zwar nicht Gebäudeeigentümerin, aber zur Teilnahme an der Sachenrechtsbereinigung berechtigte Nutzerin war (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 2004 - V ZR 224/03, VIZ 2004, 326, 327). So ist es hier, da durch die Abtretung annähernd derselbe wirtschaftliche Erfolg hätte erreicht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39, 47 Rn. 27), während der Beklagte andernfalls 50.000 DM ge-34 zahlt hätte, ohne eine Gegenleistung der Verkäuferin zu erhalten. Bei einer Abtretung der Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz hätte der Beklagte zudem das bebaute Grundstück zu den gleichen Konditionen erwerben können wie bei einer Übertragung von Gebäudeeigentum.
d) Die gegenüber dem Besitzrecht des Beklagten von dem Kläger erhobenen Einwendungen sind unbegründet.
aa) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte bei dem Abschluss des Gebäudekaufvertrags mit einer von ihm manipulierten Lageskizze gearbeitet hat und ob die D. GmbH & Co KG sowie die BVVG nicht mit dem Beklagten, sondern mit dem Kläger kontrahiert hätten, wenn sie bemerkt hätten, dass die ehemaligen PGB-Bauwerke sich ganz oder überwiegend auf dem Grundstück des Klägers befinden. Aus einer von dem Kläger behaupteten Täuschung über die Lage der Bauwerke könnte sich für die Verkäuferin zwar ein Recht zur Anfechtung des Vertrags nach § 123 Abs. 1 BGB ergeben. Wenn dieses nicht ausgeübt wird, ist der Vertrag jedoch wirksam und damit geeignete Grundlage für den Erwerb der Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz durch den Beklagten.
bb) Diese Ansprüche sind nicht dadurch erloschen, dass der Beklagte nach dem Erwerb des Flurstücks 600 die Erklärung über die Aufgabe des Gebäudeeigentums bei dem Grundbuchamt eingereicht hat. Die von einem Nutzer in der irrigen Annahme des Bestehens von Gebäudeeigentum bei dem Grundbuchamt eingereichte Aufgabeerklärung nach § 875 BGB kann zwar als ein Verzicht auf die Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu verstehen sein, weil darin der Wille des Nutzers zum Ausdruck kommt, dass das Eigentum am Gebäude und das Eigentum am Grundstück nicht länger ausei-37 nanderfallen sollen. Ein dahingehender Wille lässt sich aber nur dann annehmen, wenn der Eigentümer des Grundstücks mit demjenigen identisch ist, zu dessen Gunsten der Nutzer auf das Gebäudeeigentum verzichten will. Daran fehlte es hier, weil Begünstigter der Aufgabeerklärung der Beklagte als Eigentümer des Flurstücks 600 und nicht der Kläger als Eigentümer der Flurstücke 619 und 620 sein sollte.
B. Zur Widerklage:
Die Widerklage ist zu Recht abgewiesen worden.
1. Der Beklagte könnte selbst dann von dem Kläger nicht die Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB hinsichtlich der streitigen Teilflächen verlangen, wenn dieser zu Unrecht als deren Eigentümer eingetragen wäre. Dieser Anspruch steht nämlich nur dem wirklichen Rechtsinhaber zu (BGH, Urteil vom 14. März 2000 - IX ZR 14/99, NJW 2000, 2021). Der Beklagte ist jedoch nicht Eigentümer der streitigen Teilflächen.
Dies gilt auch in Ansehung der Möglichkeit, dass nach dem zwischen der BVVG und dem Beklagten geschlossenen Vertrag abweichend von der Beschreibung des Kaufgegenstands und der darauf bezogenen Auflassung nicht nur das Flurstück 600, sondern die gesamte, ehemals von der Fischereigenossenschaft genutzte Fläche veräußert werden sollte, insoweit also eine Falschbezeichnung vorgelegen hat (vgl. dazu oben II.1.c). Dessen Folge wäre nämlich nur ein vertraglicher Anspruch des Beklagten gegen die BVVG auf Verschaffung des Eigentums auch an dieser Fläche (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juni 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1659 Rn. 10).
2. Der Beklagte kann die Zustimmung zur Umschreibung der Teilflächen auch nicht deshalb verlangen, weil ihm die Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehen. Ein Anspruch auf Übereignung der Teilflächen nach § 64 Abs. 1 SachenRBerG setzt einen zwischen dem Nutzer und dem Grundstückseigentümer nach §§ 61 ff. SachenRBerG abgeschlossenen Kaufvertrag voraus.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 05.03.2010 - 10 O 89/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 10.11.2010 - 4 U 65/10 - 44