Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 03.05.1968, Az.: V ZR 229/64
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 3. Januar 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Grundstücke W.straße ... und S.straße ... in W. grenzen mit ihren rückwärtigen, jeweils der Straße abgewandten Seiten aneinander. Sie liegen an einem Hang, der sich von der W.straße zur S.straße hinunter erstreckt. Im Grenzbereich der beiden Grundstücke, von denen das untere etwa 7 m tiefer liegt als das obere, befindet sich eine alte, aus Bruchsteinen und Mörtel errichtete Stützmauer. Das untere, mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück S.straße gehört jetzt den Beklagten. Dort stand früher - auf gleichem Niveau wie das Wohnhaus und nahe der rückwärtigen Grundstücksgrenze - noch ein im letzten Krieg stark beschädigtes Hinterhaus, das sich mit seiner Rückwand an die erwähnte Stützmauer anlehnte. Eigentümerin des oberen Grundstücks ist seit 1957 die Klägerin. Von ihrem Rechtsvorgänger war darauf im Jahre ige anstelle des kriegszerstörten ursprünglichen Gebäudes ein neues, größeres Haus errichtet worden, wobei man zugleich das bereits in früherer Zeit einmal aufgefüllte Hofgelände zwischen diesem Haus und der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch eine weitere Erdaufschüttung noch höher gelegt hatte.
Als im Februar 1959 die damaligen Eigentümer des Grundstücks S.straße mit dem Abbruch ihres Hinterhauses begannen, bildeten sich alsbald auf dem Hof der Klägerin etwa 10 cm breite, klaffende Erdrisse; die an die alte Stützmauer angelehnte Rückwand des Hinterhauses bauchte sich nach vorn aus. Das Bauaufsichtsamt machte der Klägerin die Auflage, geeignete Maßnahmen zu treffen, um ihr Hofgelände sowie das Haus W.straße ... gegen ein Abrutschen zu sichern. Sie ließ daraufhin zunächst die alte Stützmauer vom Grundstück der Beklagten aus "zimmermannsmäßig absprießen" d.h. durch dagegen gestemmte Holzbalken absteifen. Nach längerem Schriftwechsel zwischen den Parteien und Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens (93 H 7/59 AG Wiesbaden) errichtete die Klägerin sodann auf ihrem eigenen Grundstück eine neue massive Stützmauer.
Die Kosten für das Absprießen der alten und den Bau der neuen Stützmauer verlangt die Klägerin von den Beklagten ersetzt. Sie behauptet, ihrem Grundstück sei die erforderliche Stütze dadurch entzogen worden, daß die Rechtsvorgänger der Beklagten vor Errichtung des Hinterhauses, um einen ebenen Baugrund zu gewinnen, den Hang abgegraben hätten; die damals an der neugeschaffenen Geländestufe auf dem Grundstück S.straße errichtete alte Bruchsteinmauer sei unzureichend dimensioniert und daher nicht geeignet gewesen, dem Erddruck standzuhalten; der Mangel sei zwar zunächst nicht in Erscheinung getreten, weil das Hinterhaus mit seinen Querwänden der Mauer einen weiteren Halt gegeben habe, aber dieser sei dann mit dem Abbruch des Hauses endgültig weggefallen. Die Klägerin hat zuletzt den Antrag gestellt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 88.807,34 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagten haben zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages vorgetragen, die alte Stützmauer stehe nicht auf ihrem eigenen Grundstück, sondern auf dem der Klägerin, so daß diese für den baulichen Zustand und die Unterhaltung der Mauer verantwortlich gewesen sei Außerdem bestreiten sie, daß das Hinterhaus auf dem Grundstück S.straße jemals eine Stützfunktion gehabt habe; zum mindesten hätten die früheren Eigentümer des Grundstücks Weilstraße den Druck auf die Stützmauer dadurch verstärkt, daß sie zweimal das Hofgelände aufgefüllt und anstelle des früheren Gebäudes ein doppelt so großes und schweres Haus errichtet hätten; dieses neue Haus sei zudem nicht ausreichend fundamentiert und der Hof nicht ordnungsgemäß gegen Hegen und Prost abgedichtet worden. Weiter haben die Beklagten geltend gemacht, daß die Klägerin sich bei den Verhandlungen der Parteien verpflichtet habe, die Kosten für die neue Stützmauer selbst zu tragen. Die Klageforderung sei im übrigen vor jährt, ihr stehe der Einwand der Arglist entgegen, und sie werde auch der Höhe nach bestritten.
Das Landgericht hat der Klage in Hohe von 4.195,38 DM - das sind die Kosten der zimmermannsmäßigen Absprießung - stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen, weil die Klägerin vereinbarungsgemäß die Errichtung der neuen Stützmauer selbst bezahlen müsse. Hiergegen ist von der Klägerin Berufung eingelegt worden, der sich die Beklagten angeschlossen haben. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der Anschlußberufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Absprießungskosten bestätigt und den weitergehenden Klageanspruch mit Ausnahme von zwei näher bezeichneten Einzelforderungen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
1.Nach der rechtsirrtumsfreien, auch von der Revision nicht beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts ist zwischen den Parteien eine Vereinbarung darüber, wer von ihnen die durch den gefahrdrohenden Zustand der alten Stützmauer notwendig gewordenen Sicherungs- und Baumaßnahmen zu bezahlen habe, nicht getroffen worden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Kosten, die dadurch entstanden sind, daß die Entwässerung der neuen Stützmauer über das Grundstück der Beklagten vorgenommen wurde; diese Kosten selbst zu tragen, hat sich die Klägerin ausdrücklich bereit erklärt. Hinsichtlich aller übrigen Aufwendungen dagegen ist die Kostentragungspflicht in der Schwebe geblieben, weil sich die Parteien insoweit nicht einig werden konnten; das gilt sowohl von dem Absprießen der alten als auch, entgegen der Annahme des Landgerichts, von der Errichtung der neuen Stützmauer.
Die gesetzliche Grundlage für den Anspruch der Klägerin, die diese Aufwendungen von den Beklagten ersetzt haben möchte, erblickt der Berufungsrichter in den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB). Er ist der Ansicht, die Klägerin habe, indem sie ihr höher gelegenes Grundstück W.straße abstützte und auf diese Weise vor dem Abrutschen bewahrte, eine Aufgabe erfüllt, die in Wahrheit den Beklagten als Eigentümern des Nachbargrundstücks S.straße obgelegen hätte. Denn die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten seinerzeit bei der Bebauung ihres Grundstücks den Hang zu den jetzt im Eigentum der Klägerin stehenden Gelände angeschnitten, weil er ihrem Bauvorhaben hinderlich gewesen sei, und sie hätten somit ihr Grundstück an der gemeinsamen Grenze vertieft. Da mit dem Abgraben des Hanges das angrenzende Gelände die erforderliche Stütze verloren habe, seien die Rechtsvorgänger der Beklagten verpflichtet gewesen, für eine genügende anderweitige Befestigung zu sorgen (§ 909 BGB). Die von ihnen zu diesem Zweck damals errichtete (alte) Stützmauer sei indessen von Anfang an zu schwach gewesen, um dem Erddruck standzuhalten. Das habe sich im Jahre 1959 herausgestellt, als das an die Mauer angelehnte Hinterhaus der Beklagten, dessen Wände praktisch eine zusätzliche Stützfunktion ausgeübt hätten, abgerissen wurde. Wenn nunmehr die Beklagten zur Abwendung des gefährlichen Zustandes nichts unternahmen, so habe die Klägerin, als sie die notwendigen Arbeiten ihrerseits durchführen ließ und auch bezahlte, objektiv und subjektiv ein Geschäft der Beklagten wahrgenommen, für das sie gemäß § 683 BGB Ersatz verlangen könne. Daß sie gleichzeitig auch ihre eigenen Interessen verfolgt habe, schließe einen solchen Anspruch ebensowenig aus wie ein der Geschäftsführung etwa entgegenstehender Wille der Beklagten, weil deren im öffentlichen Interesse liegende Pflicht zur genügenden anderweitigen Befestigung des Bodens ohne das Tätigwerden der Klägerin nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre (§§ 679, 683 Satz 2 BGB).
2.Dieser rechtliche Ausgangspunkt des angefochtener Urteils läßt keinen Gesetzesverstoß erkennen. Nicht zu beanstanden ist insbesondere die Meinung, daß die Beklagten unter den vom Berufungsgericht als erwiesen angesehenen tatsächlichen Umständen für einen gefahrdrohenden Zustand ihres Grundstücks auch dann die Verantwortung trugen, wenn sie ihn nicht durch eigenes Handeln herbeigeführt hatten. Eine das Nachbargrundstück der erforderlichen Stütze beraubende Bodenvertiefung, wie sie hier in früheren Jahren durch das Abgraben des Hanges an der gemeinsamen Grundstücksgrenze stattgefunden hat, war nach § 909 BGB nur zulässig, wenn zugleich für genügende anderweitige Befestigung gesorgt wurde. Trifft es zu, daß die Stützmauer, welche die Rechtsvorgänger der Beklagten damals errichtet haben - und zwar, wie das Urteil unwidersprochen feststellt, nicht auf dem Nachbargrundstück, sondern noch diesseits der Grenze -, unzulänglich war und ihre Zweckbestimmung, das höher gelegene Gelände drüben vor einem Abrutschen zu bewahren, nicht ordnungsgemäß erfüllte, dann lag eine widerrechtliche Vertiefung des Grundstücks S.straße vor. Sie stellte einen durch den seitherigen Eigentümerwechsel unbeeinflußten Dauerzustand dar, der auch noch zu der Zeit bestand, als das Grundstück in die Hände der Beklagten übergegangen war, und verpflichtete diese in gleicher Weise, wie eine solche Pflicht bereits ihren Rechtsvorgängern abgelegen hatte, gemäß §§ 1004, 909 BGB zur Beseitigung der das Nachbargrundstück beeinträchtigenden Gefahrenlage (RGZ 103, 174; Oberlandesgerichte Zweibrücken, SeuffArch 64 Nr. 32, und Colmar, OLG 18, 129; Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht 4. Aufl. § 20 I 5, S. 365; Staudinger/Seufert, BGB 11. Aufl. § 909 Anm. 31 und 34; BGB RGRK 11. Aufl. § 909 Anm. 3). Mag auch die mangelhafte Beschaffenheit der Stützmauer, solange ihr das nachträglich daran gebaute Hinterhaus einen zusätzlichen Halt verlieh, längere Zeit hindurch verborgen geblieben sein, so wurde sie jedoch im Jahre 1959 mit dem Abreißen dieses Gebäudes offenbar; die Beklagten verstießen nunmehr, wenn sie nichts unternahmen, um das Nachbargrundstück vor den nachteiligen Folgen der Bodenvertiefung abzusichern, gegen ihre gesetzliche Verpflichtung aus § 909 BGB.
Als rechtlich bedenkenfrei erweisen sich ferner die Urteilsausführungen über die Anwendbarkeit der §§ 677 ff BGB sowie darüber, daß die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede gegenüber den Zahlungsanspruch der Klägerin nicht durchgreift (vgl. Erdsiek/Mühl bei Soergel/Siebert, BGB 9, Aufl. § 683 Anm. 10).
3.Hiergegen erhebt auch die Revision keine grundsätzlichen Bedenken, aber sie wirft dem Berufungsrichter vor, zu Unrecht die tatsächlichen Voraussetzungen des § 909 BGB für gegeben erachtet zu haben. Nach ihrer Ansicht fiele die seinerzeit vorgenommene Bodenvertiefung (Abgraben des Hanges an der gemeinsamen Grenze) nur dann unter diese Gesetzesvorschrift, wenn die damaligen Eigentümer des Grundstücks S.straße (Rechtsvorgänger der Beklagten) damit eine einseitige, eigenmächtige Handlung begangen hätten; habe dagegen zwischen den Nachbarn ein gegenseitiges Einverständnis über den Eingriff bestanden - was sich auch aus schlüssigem Verhalten der Nachbarn ergeben könne -, dann komme § 909 BGB nicht zum Zuge. Unter Verletzung der §§ 139, 286 ZPO sei nicht geprüft worden ob hier ein solches schlüssiges Verhalten vorlag.
Die Rüge ist unbegründet. Inwieweit das Einverständnis des Nachbarn mit einer die Standsicherheit seines Grundstücke beeinträchtigenden Bodenvertiefung den Täter von seiner gesetzlichen Pflicht, für eine genügende anderweitige Befestigung zu sorgen, zu befreien vermag (zumal wenn die Befestigung, wie das angefochtene Urteil hier angenommen hat, zugleich im öffentlichen Interesse liegt) und ob der Sonderrechtsnachfolger des Nachbarn das Einverständnis seines Rechtsvorgängers auch ohne Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit gegen sich gelten lassen müßte (vgl. dazu Staudinger/Seufert a.a.O. § 909 Anm. 41; Meisner/Stern/Hodes a.a.O. S. 367 Fußn. 35), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn irgendwelche Tatumstände, aus denen man hätte schließen können, daß der frühere Eigentümer des Grundstücks Weilstraße mit dem Abgraben des Hanges unterhalb der gemeinsamen Grenze und mit der Absicherung der neugeschaffenen Geländestufe durch eine unzulängliche Stützmauer einverstanden gewesen wäre, sind in den Vorinstanzen nicht vorgetragen worden.
Wenn die Beklagten nunmehr auf die angeblich lange Zeitdauer, innerhalb deren niemand etwas gegen die Beschaffenheit der Mauer eingewandt habe, abstellen möchten und dazu im einzelnen behaupten, diese sei - ebenso wie das Vorderhaus auf dem Grundstück der Beklagten - bereits im Jahre 1863 errichtet worden und der ebene Platz zwischen ihr und dem Vorderhaus habe mehrere Jahrzehnte als Zimmerplatz gedient, bis dann etwa 1892 das Hinterhaus gebaut worden sei, so handelt es sieh um neues tatsächliches Vorbringen, mit dem sie im jetzigen Verfahrensstande nicht mehr gehört werden können (§ 561 Abs. 1 ZPO). Der Revision, die diesen Sachvortrag mittels einer Hugo aus § 139 ZPO nachträglich in den Prozeß einzuführen versucht, kann nicht zugegeben werden, daß das Berufungsgericht verpflichtet - gewesen wäre, die Parteien über die rechtliche Bedeutung sowohl des Entstehungszeitpunkts als auch der Dauer der streitigen Grenzgestaltung aufzuklären. Der eingeklagte Zahlungsanspruch wurde von Anfang an (vgl. Z. 3 der Klageschrift) auf § 909 BGB gestützt. Hierzu haben die Beklagten in beiden Vorinstanzen eingehend und unter den verschiedensten Gesichtspunkten Stellung genommen. Wenn sie dabei die Möglichkeit, daß die Grundstücksnachbarn sich im Zeitpunkt der Bodenvertiefung ausdrücklich oder stillschweigend über die Art der Geländeabsicherung geeinigt hätten, unerörtert gelassen haben, bestand für das Gericht keine Veranlassung, von sich aus darauf hinzuweisen und die Parteien zu einer Ergänzung ihre Sachvortrages aufzufordern.
Damit erledigen sich zugleich sämtliche Folgerungen, welche die Revision aus der von ihr behaupteten vertraglichen Vereinbarung von 1863, die nahezu hundert Jahre lang eingehalten worden sei, zu ziehen versucht. Im übrigen könnte, selbst wenn eine derartige Vereinbarung damals oder zu irgendeiner anderen Zeit zustandegekommen sein sollte, ihr Inhalt nach der ganzen Sachlage nur dahin gegangen sein, daß der Eigentümer des Grundstücke Stiftstraße die Gefahr, die von ihm durch das Abgraben des Hanges für das obere Grundstück W.straße heraufbeschworen worden war, durch eine ordnungsmäßige, die Bodenfestigkeit weiterhin gewährleistende Abstützung einwandfrei zu bannen habe. Gerade diesen Anforderungen entsprach indessen die aus Bruchsteinen und Mörtel errichtete alte Stützmauer keineswegs. Sie war, wie das angefochtene Urteil an Hand des Beweisergebnisses feststellt, von vornherein nicht ausreichend dimensioniert und zu schwach, um dem Erddruck standzuhalten. Soweit die Revision dies in Abrede stellt und die alarmierenden Erscheinungen vom Februar 1959 (Erdrisse im Hof des Grundstücks W.straße, Ausbauchung der an die Mauer angelehnten Rückwand des Hinterhauses) auf den Druck des vom Rechtsvorgänger der Klägerin errichteten neuen Gebäudes sowie auf die Auffüllung des Hofgeländes zurückzuführen sucht, setzt sie sich mit der tatrichterlichen Feststellung, wonach ein solcher Ursachenzusammenhang nicht, besteht, in Widerspruch und überschreitet damit ihre verfahrensrechtlichen Grenzen (§ 561 Abs. 2 ZPO). Wiederum neu und deshalb für den gegenwärtigen Rechtszug unbeachtlich (Abs. 1 a.a.O.) ist ihre weitere Behauptung, bei dem Anschneiden des Hanges seien Erde und Gestein nicht nur im Bereich des Grundstücks S.straße, sondern - über die Grenze hinausgehend - auch in dem des oberen Grundstücks W.straße weggenommen worden und dies könne unmöglich ohne Zustimmung des damaligen Nachbarn geschehen sein; daß letzterer die Mauer als Widerlager seiner Hofanschüttung und damit für seine eigenen Zwecke genutzt habe, ist in den Tatsacheninstanzen weder vorgetragen noch festgestellt worden.
Bei ihrem Einwand, heute lasse sich nicht mehr ermitteln, wer die alte Stützmauer gebaut habe - der Unterlieger, der Oberlieger oder beide gemeinschaftlich - und die gesamte Grenzgestaltung müsse als Ergebnis eines gegenseitigen Interessenausgleichs und Übereinkommens der beiden Grundeigentümer angesehen werden. übersieht die Revision die positive Feststellung im angefochtenen Urteil (S. 10), daß die Mauer von den Rechtsvorgängern der Beklagten errichtet worden ist, und zwar ausschließlich auf ihrem eigenen Grundstück. Ob die Abstützkraft sich in der Zeitspanne zwischen Mauererichtung und 1959 verschlechtert habe, brauchte der Berufungsrichter nicht zu prüfen, da nach seiner Beweiswürdigung die Mauer schon von Anfang an zu schwach war. Bei dieser Sachlage spielt der Umstand, daß die mangelnde Abstützkraft den Eigentümern der beiden Grundstücke lange Zeit hindurch verborgen geblieben sein mag, keine Rolle. Das gleiche gilt von der Behauptung der Revision, die Stützmauer habe, bevor das Hinterhaus an sie angebaut worden sei, völlig frei gestanden; außerdem kann dieses neue tatsächliche Vorbringen gemäß § 561 Abs. 1 ZPO im gegenwärtigen Rechtszug nicht verwertet werden.
Fehlt es mithin an dem Nachweis des von der Revision behaupteten vertraglichen Einverständnisses, das nahezu hundert Jahre bestanden haben soll, so geht auch ihr Einwand, daß die Klägerin mit der Geltendmachung derartig lange zurückliegender und von ihren Rechtsvorgängern gebilligter Fehler arglistig handele (§ 242 BGB), ins Leere.
4.Die Revision meint, auch unabhängig von einem Vertrag der früheren Grundstücksnachbarn über die Geländegestaltung sei das Klagebegehren unbegründet, weil die Beklagten wegen Herstellung einer Abstützungsverstärkung, die erst durch neue bauliche Maßnahmen der Klägerin selbst notwendig geworden sei, nicht in Anspruch genommen werden könnten; wenn die Klägerin auf dem Grundstück W.straße, das früher nur mit einem zweistöckigen Haus bebaut gewesen sei, ein schweres fünfstöckiges Gebäude errichtet und den Hof dahinter weiter aufgefüllt habe, so habe sie damit eine zusätzliche Beanspruchung der Stützmauer herbeigeführt und es sei nunmehr ausschließlich ihre Sache gewesen, die Abstützung zu verstärken.
Das ist indessen nicht stichhaltig. Ganz abgesehen davon, daß nicht die Klägerin, sondern bereits ihr Rechtsvorgänger den Hausbau und die Hofauffüllung vorgenommen hat, findet auch der Vorwurf, erst durch diese Maßnahmen sei eine Gefahr für das Nachbargrundstück entstanden, in den tatrichterlichen Feststellungen keine Grundlage. Das angefochtene Urteil hat geprüft, ob die Klägerin ihr Grundstück in einem Umfang nutze, der über das übliche Maß hinausgehe, da nur eine unvorhergesehene und außergewöhnliche Nutzung des durch vorausgegangene Bodenvertiefung in Mitleidenschaft gezogenen Nachbargeländes nicht durch § 909 BGB geschützt werde, und es hat eine solche übermäßige Inanspruchnahme des Grundstücks Weilstraße verneint: Sie liege weder in dem Wiederaufbau eines größeren Hauses als bisher noch in der Aufschüttung des Hofes; dem Boden sei im vorliegenden Fall nicht mehr zugemutet worden, als er (gemeint ist: bei Vorhandensein einer ordnungsmäßigen anderweitigen Befestigung) hätte tragen können; der Bau des größeren Hauses habe auch zu keiner Erhöhung des seitlichen Geländedruckes geführt; die (neue) Stützmauer sei nicht erforderlich, um das Haus der Klägerin standsicher zu machen, sondern nur um das Abrutschen des Bodens und eine damit verbundene Gefährdung des Hauses zu verhindern; die Bodenaufschüttung sei lediglich zu dem Zweck geschehen, den Hof tauglicher zu machen, und auch dies stelle keine außergewöhnliche Nutzung dar.
Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsverstoß erkennen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß von einer genügenden anderweitigen Befestigung im Sinne des § 909 BGB nur dann die Rede sein kann, wenn die getroffenen Schutzvorkehrungen ausreichen, um den Zusammenhang des Nachbarbodens sowohl mit den im Zeitpunkt der Grundstücksvertiefung darauf stehenden als auch mit etwa zukünftig dort zu erstellenden Anlagen zu gewährleisten. Die Befestigung muß also so geartet sein, daß der Boden des Nachbargrundstücks auch eine Belastung mit solchen weiteren Anlagen verträgt, mit deren Errichtung nach den gesamten Umständen, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, vernünftigerweise zu rechnen ist; handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um ein Baugrundstück, dann ist zugleich die Möglichkeit einer künftigen Bebauung, die über den bisherigen Umfang hinausgeht, in Rechnung zu stellen. Allerdings darf in der Errichtung des neuen Bauwerks keine ganz ungewöhnliche, den Rahmen bestimmungsmäßiger Inanspruchnahme offensichtlich überschreitende Ausnützung des Grund und Bodens liegen (Meisner/Stern/Hodes a.a.O. § 20 I 4, S. 364 f; Staudinger/Seufert a.a.O. § 909 Anm. 24 und 25). Ein derartiger Ausnahmefall ist aber hier angesichts dessen, was das Oberlandesgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, nicht gegeben.
Die Revisionsangriffe laufen auf den Verfahrensrechtlich unzulässigen Versuch hinaus, den Sachverhalt anders zu würdigen als der Tatrichter, wobei die Beklagten auch in diesem Zusammenhang mit neuen tatsächlichen Behauptungen hervortreten, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung in den Vorinstanzen gewesen sind. Zu Unrecht vermißt die Revision eine Aufklärung, ob die alte Mauer imstande gewesen sei, die Beanspruchung aufzunehmen, mit der man bei ihrer Erstellung habe rechnen müssen; denn diese Frage hat der Berufungsrichter unter Bezugnahme auf die im Ergebnis übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Schwarz, Bartels und Schiebeler unzweideutig verneint. Nicht anders verhält es sich mit der Behauptung der Beklagten, daß sich durch die Baumaßnahmen vom Jahre 19 die Belastung des Erdreichs hinter der Hauer grundlegend verändert habe. Bei ihrem Hinweis auf das Gutachten Bartels wonach die Hofaufschüttung den aktiven Erddruck und das Kippmoment - letzteres sogar auf mehr als das Doppelte - erhöht habe, übersieht die Revision, daß der Sachverständig seine Untersuchung auch darauf erstreckt hat, wie es mit der Standsicherheit der Mauer ohne die Aufschüttung bestellt gewesen wäre, und daß er "in beiden Fällen" eine zusätzliche Absteifung für unerlässlich erachtet hat (vorletzter Absatz des Gutachtens); lediglich der Umfang der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen wäre nach seiner Ansicht ohne die Hofaufschüttung geringer gewesen; aber die etwaigen Mehrkosten müssen, da von Anfang an für keine "genügende anderweitige Befestigung gesorgt" war, gemäß § 909 BGB von den Beklagten getragen werden (vgl. Meisner/Stern/Hodes a.a.O. S. 366 bei Fußn. 32). Soweit die Revision aus der Zeichnung zum Gutachten Schwarz herzuleiten versucht, daß die Bodenverhältnisse an der gemeinsamen Grenze erst durch die Last des fünfstöckigen Hauses und vor allem durch die neue Aufschüttung gestört worden seien, während das Gelände sich vorher in völliger Ruhe befunden habe, wendet sie sich ohne Erfolg gegen das rechtsirrtumsfreie und daher für die Revisionsinstanz bindende Ergebnis der tatrichterlichen Beweiswürdigung.
Da nicht festgestellt ist, die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten bereits im vorigen Jahrhundert den Hang abgegraben und die alte Stützmauer errichtet (vgl. oben Nr. 3), fehlt es an jeder tatsächlichen Grundlage für die Rüge der Revision, im Jahre 1863 habe entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts der Gedanke, daß nahezu hundert Jahre später in einem bürgerlichen Wohnviertel der Stadt W. ein fünfstöckiges Wohnhaus mit einer Erdaufschüttung von 1,60 m gebaut werden könnte, "jenseits aller Vorstellungsmöglichkeiten" gelegen. Die Erhöhung eines Grundstücks fällt auch nicht unter § 909 BGB; daß sie das "Gegenstück" des in dieser Vorschrift geregelten Tatbestandes bilde und deshalb denjenigen, der sein Grundstück erhöht, zu Schutzvorkehrungen sowie dazu verpflichte, die Erhöhung bis zum Normalniveau zu befestigen, kann der Revision in dieser allgemeinen Form nicht zugegeben werden (zur Erhöhung der Erdoberfläche vgl. Meisner/Stern/Hodes a.a.O. § 20 V); Voraussetzung einer solchen Pflicht, die sich allenfalls aus den §§ 906, 907 oder 908 BGH ergeben könnte, wäre vielmehr die Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf das Nachbargrundstück, die aber hier nach den getroffenen Feststellungen nicht besteht.
5.Daß die Bodenvertiefung und der Bau der alten Stützmauer, wie die Revision behauptet, zu einer Zeit stattgefunden hätten, als das Bürgerliche Gesetzbuch noch gar nicht in Kraft war, ist vom angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden. Aus dem Zusammenhang seiner Darlegungen ergibt sich im Gegenteil, daß das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, dies sei erst später geschehen und damals habe der § 909 BGB schon gegolten. Infolgedessen erübrigen sich Erörterungen darüber, ob eine Grenzgestaltung, wie sie hier vorlag, nicht auch den vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches geltenden Vorschriften zuwiderlief.
Was die Revision zur Frage des Verschuldens vorträgt, liegt neben der Bache, da das Berufungsgericht die Zahlungspflicht der Beklagten nicht aus den Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff BGB) hergeleitet hat; Anspruchsgrundlage sind vielmehr die §§ 683, 679 in Verbindung mit §§ 909, 1004 BGB; diese aber setzen kein Verschulden voraus. Damit erübrigt sich zugleich ein Eingehen auf die weiteren Rügen, mit denen geltend gemacht wird, die Schadensberechnung der Klägerin sei ihrer ganzen Anlage nach verfehlt, das Klagebegehren widerspreche Treu und Glauben, die Klägerin müsse sich das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger entgegenhalten lassen und der geforderte Betrag stehe im krassen Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks der Beklagten.
6.Das angefochtene Urteil weist auch keinen sonstigen von Amts wegen zu beachtenden Fehler zum Nachteil der Beklagten auf. Daher muß die Revision mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO als unbegründet zurückgewiesen werden.