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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 21.02.1992, Az.: V ZR 253/90

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines notariellen Kaufvertrages über den Erwerb von Wohnungseigentum. Sie beziffert ihren Schaden auf 214.237,04 DM. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem Kaufpreis (147.500 DM), Einbaukosten (36.945,04 DM), Zinsaufwendungen für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1983 (23.142 DM), Maklerprovision (3.000 DM), Umzugskosten (3.500 DM) sowie Katastergebühren (150 DM). Darüber hinaus macht sie ein Disagio von 11.730 DM und einen Zinsschaden von 500 DM monatlich für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 31. Oktober 1985 geltend. Von dem Gesamtschaden verlangt sie im Wege der Teilklage einen Betrag von 200.000 DM nebst 12,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (20. Juli 1984) Zug um Zug gegen Übergabe der Wohnung.

Die Beklagte ihrerseits verrechnet mit der Klageforderung eine Nutzungsentschädigung von monatlich 500 DM für die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 28. Februar 1989, d.h. insgesamt einen Betrag von 49.500 DM. Sie vertritt außerdem die Auffassung, daß der Klägerin in Höhe des finanzierten Kaufpreisteils von 126.280 DM ein Schaden nicht entstanden sei, weil der den Kaufvertrag beurkundende Notar diesen Betrag zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem gegen ihn ergangenen Urteil an die finanzierende L.bank gezahlt habe.

Das Landgericht hat durch rechtskräftiges Urteil vom 7. November 1985 der Klage dem Grunde nach stattgegeben.

In dem Betragsverfahren hat das Landgericht die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, an die Klägerin 147.500 DM Zug um Zug gegen Übergabe der Wohnung zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht meint, das Teilurteil sei zulässig und der Sache nach zu Recht ergangen. Die Klägerin könne von der Beklagten den Kaufpreis in Höhe von 147.500 DM als Mindestschaden ersetzt verlangen. Der Anspruch der Beklagten auf Nutzungsentschädigung sei für den Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1983 durch eine von der Klägerin vorprozessual erklärte Aufrechnung mit der Forderung auf Ersatz von Zinsaufwendungen für Fremdkapital in Höhe von monatlich 375 DM erloschen. Dem restlichen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 38.250 DM stehe die Zinsforderung der Klägerin gegenüber, die sich jedenfalls auf 43.410 DM belaufe, so daß die Forderung der Beklagten nicht zum Erlöschen des Anspruchs auf Erstattung des Kaufpreises als Mindestschaden geführt habe.

Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.

II.Das Teilurteil ist unzulässig, wie die Revision zutreffend rügt.

1. Der Entscheidung mangelt es allerdings nicht schon an der fehlenden Bestimmtheit des mit der Teilklage verfolgten Klageanspruchs. Denn die Klägerin hat klargestellt, daß sich die Teilforderung aus den einzelnen Schadenspositionen in der Reihenfolge ihrer Benennung zusammensetzt und die die Klagesumme übersteigenden Positionen jeweils hilfsweise geltend gemacht werden. Dies genügt dem Erfordernis der Bestimmtheit.

2. Das Teilurteil ist auch nicht deswegen aufzuheben, weil es unter Verstoß gegen § 308 ZPO das Zurückbehaltungsrecht auf die Zahlung des Kaufpreises als Mindestschaden beschränkt. Denn hierdurch ist die Beklagte nicht beschwert.

3. Das Teilurteil ist schließlich nicht deswegen unzulässig, weil es sich bei dem Schadensersatzanspruch um einen einheitlichen Anspruch handelt, innerhalb dessen es nur unselbständige Rechnungsposten gibt (BGHZ 87, 156, 159). Die Einheitlichkeit des Anspruchs bedeutet noch nicht seine Unteilbarkeit, auf die es für die Zulässigkeit des Teilurteils nach § 301 Abs. 1 ZPO allein ankommt (BGH, Urt. v. 5. April 1990, III ZR 213/88, BGHR ZPO § 301 Abs. 1 - enteignungsgleicher Eingriff 1). Ob ein einheitlicher Anspruch teilbar ist, hängt vielmehr davon ab, in welchem Umfang über ihn Streit besteht. Ist der Anspruch schon dem Grunde nach streitig, kann ein ziffernmäßig oder sonstwie bestimmter und individualisierter Teil durch Teilurteil nur dann zugesprochen werden, wenn zugleich ein Grundurteil über die restlichen Anspruchsteile ergeht (BGHZ 107, 236, 242; Senatsurt. v. 22. März 1991, V ZR 16/90, NJW 1991, 2082, 2083; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991, III ZR 93/90, NJW 1992, 511). Denn über den Grund des Anspruchs kann nur einheitlich entschieden werden. Er ist nicht teilbar im Sinne des § 301 Abs. 1 ZPO (BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991, aaO.).

4. Ist dagegen - wie hier - nur (noch) die Höhe des Anspruchs im Streit, können auch unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs Gegenstand eines Teilurteils sein, wenn sie ziffernmäßig oder sonstwie bestimmt und individualisiert sind (vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1989, VI ZR 43/88, BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Verdienstausfall 1) und die Entscheidung über diesen Teil unabhängig vom Ausgang des Streits über den Rest ist, also die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH, Urt. v. 5. April 1990, III ZR 213/88, aaO.; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 213/89, WM 1991, 1530 [BGH 26.04.1991 - V ZR 213/89]). Diese Voraussetzungen sind für den Kaufpreis (147.500 DM), die Nutzungsentschädigung (49.500 DM) und die geltend gemachte Nebenforderung erfüllt. Darüber könnte daher durch Teilurteil abschließend befunden werden. Dies hat das Landgericht jedoch nicht getan. Die Entscheidung läßt nicht erkennen, ob und in welchem Umfang über die Nutzungsentschädigung und in welcher Höhe über die Zinsforderung entschieden wurde. Dies macht das Teilurteil unzulässig.

5. Das Landgericht geht von einer Aufrechnung der sich gegenüberstehenden Forderungen aus und verneint ein Erlöschen des Anspruchs auf Ersatz des Kaufpreises von 147.500 DM als Mindestschaden mit der Begründung, die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen von 12,5 % ab Rechtshängigkeit erreichten jedenfalls die Höhe der verlangten, wenn auch bestrittenen, Nutzungsentschädigung, und zwar auch dann, wenn man die für die Zeit vor Rechtshängigkeit zu leistende Nutzungsentschädigung berücksichtige. Die sich hieraus für die Entscheidung ergebenden rechtlichen Folgerungen bleiben jedoch offen. Unklar ist vor allem, ob das Landgericht meint, es brauche im Rahmen der Teilentscheidung über den Mindestschaden von 147.500 DM nur zu prüfen, ob die aufgerechnete Gegenforderung auch günstigstenfalls nicht die zugesprochene Teilhauptforderung berühre, und es könne die notwendigen Feststellungen zum bestrittenen Anspruch auf Nutzungsentschädigung und zu der Zinsforderung dem weiteren Verfahren überlassen. Sollte das Urteil in diesem Sinne zu verstehen sein, wäre die zugesprochene Mindestschadensforderung nicht entscheidungsreif. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Position Nutzungsentschädigung und die Zinsnebenforderung im weiteren Verfahren abweichend beurteilt werden und sich dies auch auf den zugesprochenen Mindestschaden auswirkt. Ist aber dieser Teil nicht entscheidungsreif, darf auch kein Teilurteil ergehen.

Wollte das Landgericht dagegen, trotz Fehlens eines entsprechenden klageabweisenden Ausspruchs im Tenor, sowohl über die Nutzungsentschädigung als auch über die Zinsnebenforderung rechtskraftfähig entscheiden, fehlt es hierfür an den erforderlichen Feststellungen zum Umfang der gegenseitig verrechneten Positionen. In diesem Fall ist das Teilurteil mangels Bestimmtheit seines rechtskraftfähigen Inhalts ebenfalls unzulässig.

6. Dieser Fehler des Teilurteils ist in der Berufungsinstanz nicht behoben worden. Das Berufungsurteil enthält ebenfalls nur eine Schlüssigkeitsprüfung des Abrechnungsverhältnisses und keine das unzulässige Teilurteil ersetzende Entscheidung über die bestrittene Nutzungsentschädigung und die erhobene Zinsforderung gemäß § 540 ZP0. Es ist im übrigen auch insoweit fehlerhaft, als das Berufungsgericht den Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung - anders als das Landgericht - infolge einer vorprozessualen Aufrechnung der Klägerin mit einem anderen Ersatzanspruch, nämlich dem auf Erstattung von aufgewendeten Kapitalzinsen vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1983, teilweise als erloschen ansieht, ohne zu beachten, daß dieser Ersatzanspruch noch beim Landgericht anhängig ist und von diesem als nicht entscheidungsreif angesehen wurde. Das Berufungsgericht hätte daher insoweit gar nicht entscheiden dürfen, ohne die Sache an sich zu ziehen und die Klage in diesem Punkt abzuweisen.

III.1. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil die Klage im Gegensatz zu der von der Revision vertretenen Ansicht nicht abweisungsreif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Unbegründet sind vor allem die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes den Kaufpreis erstattet verlangen. Der der Klägerin zustehende Ersatzanspruch ist zwar, da der Schaden in Höhe von 126.270 DM in der Begründung einer Verbindlichkeit gegenüber der L.bank besteht, nach § 249 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht auf Zahlung, sondern auf Befreiung von der Schuld gerichtet (BGHZ 57, 78, 81). Der Freistellungsanspruch geht jedoch nach § 250 Satz 2 BGB auch ohne erfolglose Fristsetzung und Ablehnungsandrohung in einen Geldanspruch über, wenn der Schuldner die Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernstlich und endgültig verweigert (BGHZ 40, 345, 352; BGH, Urt. v. 11. Juni 1986, VIII ZR 153/85, WM 1986, 1115, 1117; Senatsurt. v. 23. März 1990, V ZR 16/89, WM 1990, 1210, 1212). Diese Voraussetzung ist spätestens durch das Verhalten der Beklagten im Rechtsstreit erfüllt.

2. Ohne Bedeutung ist ferner, daß der Notar zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem gegen ihn ergangenen Urteil 126.280 DM an die L.bank gezahlt hat. Diese Zahlung stellt keine endgültige Erfüllung im Sinne des § 362 BGB dar, sondern nur die vorläufige Regelung des Streitverhältnisses zugunsten des Gläubigers unter Wahrung aller Rechte des Notars als Schuldner (BGHZ 86, 267, 269). Sollte das Urteil endgültig vollstreckt werden, so ginge dies aufgrund der Zug-um-Zug-Verurteilung nur gegen Abtretung des Rückzahlungsanspruchs der Bank gegen die Klägerin. Eine Bereicherung träte damit nicht ein.

3. Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, daß die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistete Zahlung des Notars den Verzug der Klägerin beendet habe. Diese Wirkung der Zahlung tritt nur für den Schuldner ein. Das ist hier der Notar, nicht die Klägerin.

Da der Erlaß des Teilurteils einen wesentlichen Mangel des landgerichtlichen Verfahrens darstellt, hätte das Berufungsgericht die Sache nach § 539 ZPO unter Aufhebung des Teilurteils zurückverweisen können. Dazu ist auch das Revisionsgericht befugt (BGH, Urt. v. 29. Oktober 1986, IVb ZR 88/85, NJW 1987, 441, 442). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil der Sachverhalt weiter aufzuklären ist und eine Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht sachdienlich wäre.