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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 15.07.2011, Az.: V ZR 171/10

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 23. November 2007 erwarben die Kläger von dem Beklagten eine Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Die Wohnung befindet sich in einem ehemaligen Brennereigebäude, das zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde und noch unrenoviert ist. Eine durch den Beklagten selbst übernommene Baulast sichert öffentlichrechtliche Veränderungsbeschränkungen hinsichtlich des Gestaltwerts des Gebäudes, dem eine das Bild der Kulturlandschaft prägende Bedeutung zukommt (§ 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB). Auch der Vertreter des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen, ein Immobilienkaufmann, hatte hiervon Kenntnis. Im Gegensatz zu vier anderen Baulasten wird diese Baulast in dem Kaufvertrag nicht erwähnt. 1 Die Kläger sehen sich arglistig getäuscht und verlangen Rückabwicklung des Vertrags. Ihre auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung der Eigentumswohnung, Erstattung von Nebenkosten und vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht unterstellt, dass die Kläger über die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung nicht aufgeklärt worden sind. Dennoch verneint es eine Haftung des Beklagten, weil der vereinbarte Haftungsausschluss eingreife. Weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht liege ein arglistiges Verhalten vor. Es fehle an einer Aufklärungspflicht, weil der Mangel für den Kaufentschluss der Kläger nicht wesentlich gewesen sei. Aufgrund der persönlichen Anhörung der Kläger stehe fest, dass diese den Vertrag auch dann geschlossen hätten, wenn sie von der Baulast gewusst hätten. Sie hätten nämlich keine baulichen Veränderungen in Erwägung gezogen, die durch die Baulast eingeschränkt würden, und wollten sich aus anderen Gründen von dem Vertrag lossagen. Selbst wenn eine bestimmte aufgrund der Baulast ausgeschlossene Fassadengestaltung bei Vertragsschluss in Rede gestanden haben sollte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese maßgeblich für den Kaufentschluss gewesen sei. Erst recht fehle es dann in subjektiver Hinsicht an der Arglist, weil weder der Beklagte noch sein Vertreter gewusst haben könn-2 ten, dass die Kläger ihren Kaufentschluss von einer bestimmten Fassadengestaltung hätten abhängig machen wollen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Verneinung des geltend gemachten Rückabwicklungsanspruchs (§ 437 Nr. 2 i.V.m. §§ 323, 346 BGB) und des Schadensersatzanspruchs (§ 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Beklagte die Kläger über die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung nicht aufgeklärt hat und diese nicht als Beschaffenheit der Eigentumswohnung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart worden ist. Inhalt der Baulast ist die Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers, das Gebäude entsprechend dem gestellten Bauantrag umzubauen, künftig seinen Gestaltwert in der dann bestehenden Form zu unterhalten und alle weiteren Baumaßnahmen in Abstimmung mit der Baubehörde so zu planen, dass der Gestaltwert für die Kulturlandschaft nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Baubeschränkung stellt - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend annimmt - einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB dar (vgl. Senat, Urteil vom 10. März 1978 - V ZR 69/76, ZMR 1978, 307; Masloh, NJW 1995, 1993, 1996 mwN).

2. Infolgedessen hat der Beklagte seine Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Entscheidend ist, ob ihm die Berufung auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss gemäß § 444 BGB verwehrt ist, weil er bzw. sein Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) den Mangel arglistig verschwiegen hat. 4 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für den Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung sind, sofern eine Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann. Für den Kauf eines Hausgrundstücks hat der Senat eine Pflicht zur Offenbarung verborgener wesentlicher Mängel angenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330; Urteil vom 23. März 1990 - V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847, 848 jeweils mwN).

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein solcher wesentlicher Mangel auch dann vor, wenn der Käufer - wie hier - den Vertrag in Kenntnis des Mangels ebenfalls geschlossen hätte und dieser damit nicht ursächlich für seinen Kaufentschluss geworden ist. Ob ein Mangel so wesentlich ist, dass er ungefragt offenbart werden muss, kann, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht aus der Sicht des jeweiligen Käufers bestimmt werden. Klärt der Verkäufer über einen objektiv wesentlichen Sachmangel nicht auf, kann er nämlich nicht wissen, ob dieser für die Kaufentscheidung seines Vertragspartners bedeutsam ist oder nicht. Maßgeblich ist allein, ob ein verständiger Verkäufer damit rechnen muss, dass der verschwiegene Mangel Einfluss auf die Entscheidung des Käufers hat. Dann ist der Mangel unabhängig von seinem tatsächlichen Einfluss auf den Kaufentschluss wesentlich und der Verkäufer zur Offenbarung verpflichtet. So liegt es hier. Nach der Verkehrsanschauung kann kein Zweifel daran bestehen, dass die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung angesichts des unrenovierten, nach Nutzungsänderung noch umzubauenden und zudem in Wohnungseigentum aufgeteilten Haus einen wesentlichen Mangel darstellt. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Kläger 7

- wie sie erst in zweiter Instanz vorgetragen haben - im Laufe der Vertragsverhandlungen konkret eine durch die Baulast ausgeschlossene Außengestaltung des Gebäudes thematisiert haben. Dann hätte erst recht eine Aufklärung erfolgen müssen, weil Fragen unabhängig von der Erheblichkeit des Mangels stets vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten sind (vgl. nur Senat, Urteil vom 27. März 2009 - V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 Rn. 25 mwN). Ebenso rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, wegen der dem Beklagten unbekannten fehlenden Kausalität fehle es an den subjektiven Voraussetzungen der Arglist.

3. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Die seitens des Berufungsgerichts festgestellte fehlende Ursächlichkeit des Mangels für den Kaufentschluss schließt die geltend gemachten Ansprüche nicht aus. Ob sich ein Verkäufer auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, wenn ein arglistig verschwiegener Mangel ohne Einfluss auf den Willensentschluss seines Vertragspartners war, ist für § 444 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung höchstrichterlich allerdings noch nicht entschieden worden.

aa) Während das Reichsgericht Kausalitätsfragen im Gewährleistungsrecht allgemein für unerheblich hielt (RG WarnR 1933 Nr. 193; zu § 477 BGB aF RGZ 55, 210, 215 f.; zu § 463 BGB aF RGZ 102, 394, 395; ebenso Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Aufl., S. 436; Planck/Knoke, BGB, 4. Aufl., § 463 Anm. 2 a.E.), hat der Senat für § 463 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung angenommen, dass die von dem Verkäufer zu beweisende fehlende Kausalität den Anspruch ausschließt. So differenziert das Urteil des Senats vom 30. April 2003, auf das sich das Berufungs-9 gericht gestützt hat, zwischen der arglistigen Täuschung, für die es die Beweislast bei dem Käufer sieht, und der von dem Verkäufer zu beweisenden fehlenden Ursächlichkeit der Täuschung für den Willensentschluss (V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2381; ebenso Senat, Urteil vom 7. Juli 1989 - V ZR 21/88, NJW 1990, 42, 43; Urteil vom 19. September 1980 - V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46; BGH, Urteil vom 29. Juni 1977 - VIII ZR 43/76, NJW 1977, 1914, 1915; KG, NJW-RR 1989, 972, 973). In der Literatur war die Frage umstritten. Teils wurde vertreten, dass die fehlende Kausalität einen Schadensersatzanspruch gemäß § 463 S. 2 BGB a.F. ausschließe (Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., § 463 Rn. 6; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 463 Rn. 29), teils wurde sie für irrelevant gehalten (Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 463 Rn. 25; § 476 Rn. 9 f.; Staudinger/Honsell, BGB [1995] § 476 Rn. 24).

bb) Für § 444 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung wird - soweit zu dieser Frage überhaupt Stellung bezogen wird - überwiegend angenommen, dass die Arglist nicht ursächlich für den Vertragsschluss gewesen sein muss (Krüger in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rn. 748; allgemein zum Recht der Sachmängelhaftung Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 438 Rn. 37; widersprüchlich Staudinger/Matuschke-Beckmann, BGB [2004], § 444 Rn. 42 einerseits, § 438 Rn. 95 andererseits; aA Münch-Komm-BGB/Westermann, 5. Aufl, § 438 Rn. 35).

cc) Richtigerweise ist die Ursächlichkeit der Arglist für den Kaufentschluss unerheblich. Anders als in § 123 Abs. 1 BGB ('zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung ... bestimmt') findet die Kausalität in dem Wortlaut des § 444 BGB keine Erwähnung ('kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen ... hat'). Ein Kausalitätserfordernis wäre im Recht der Sachmängelhaftung systemwidrig. Während die Anfechtbarkeit im Falle einer arglistigen Täuschung die rechtsgeschäftliche 12 Entschließungsfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66, BGHZ 51, 141, 147), sind Ansprüche aus Sachmängelhaftung an eine Verletzung der in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB normierten Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache geknüpft. Sie setzen grundsätzlich nicht voraus, dass der Mangel die Kaufentscheidung beeinflusst hat. Während das arglistige Verhalten des Verkäufers nach § 463 Satz 2 BGB a.F. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch war, ist die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache seit der Reform des Schuldrechts Teil des Erfüllungsanspruchs, § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Schadensersatzanspruch ist gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 Satz 2, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bei einer fahrlässig verschuldeten mangelhaften Lieferung gegeben. Das arglistige Verhalten des Verkäufers ist in diesem Zusammenhang nur noch im Rahmen von § 444 BGB von Bedeutung. Diese Vorschrift soll den Käufer allein vor einer unredlichen Freizeichnung des Verkäufers von der Sachmängelhaftung schützen. Eine solche unredliche Freizeichnung ist gegeben, wenn der Verkäufer arglistig handelt. Weitere Voraussetzungen enthält § 444 BGB nicht.

b) Der Vorrang der Nacherfüllung, der sich für den Rücktritt aus § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB und für den Schadens- bzw. Aufwendungsersatz aus § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 284 BGB ergibt, steht den von den Klägern geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen. Ohnehin ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die Baulast beseitigen könnte. Jedenfalls aber wäre bei einer arglistigen Täuschung die Nacherfüllung unzumutbar (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19 f.).

4. Damit ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn das Berufungsgericht hat - von seinem 14 Standpunkt aus folgerichtig - offen gelassen, ob die Aufklärung erfolgt ist. Auch fehlen Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen der Arglist.

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung tragen im Grundsatz die Kläger. Dabei begründet die im Gegensatz zu den weiteren Baulasten fehlende Erwähnung der Baulast in dem Vertrag zwar keine negative Vermutung, weil es sich nicht um eine Vereinbarung, sondern um eine Information handelt. Sie kann aber indizielle Bedeutung für die Beweisführung haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 1986 - V ZR 158/85, juris Rn. 11 f.).

b) Zunächst trifft jedoch den Beklagten als Verkäufer hinsichtlich der behaupteten Aufklärung durch seinen Vertreter eine sekundäre Darlegungslast, weil es sich um eine negative Tatsache handelt. Der Käufer kann sich in dieser Fallkonstellation darauf beschränken, zunächst die fehlende Offenbarung zu behaupten. Er muss lediglich die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizierende Aufklärung ausräumen. Kommt der Verkäufer der sekundären Darlegungslast nicht nach, ist sein Vorbringen nicht erheblich (näher Senat, Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, NJW 2011, 1280 Rn. 12 mwN, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob der bisherige Vortrag des Beklagten zu der behaupteten mündlichen Aufklärung diesen Anforderungen entspricht. Dabei dürfte sich die Aufklärung nicht in allgemein gehaltenen Aussagen erschöpft haben, sondern müsste Art, Inhalt und Tragweite der baurechtlichen Beschränkung in wesentlichen Zügen umfasst haben. Nicht ausreichend wäre wegen der Wirkung der Baulast in die Zukunft die bloße Vorstellung der bislang genehmigten Planung. 16 c) In subjektiver Hinsicht setzt die Arglist neben der Kenntnis des Mangels voraus, dass der Verkäufer bzw. sein Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) weiß oder für möglich hält, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und er bei Offenbarung den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Sollte der Beklagte aber in objektiver Hinsicht keine ausreichende Aufklärung darlegen, träfe ihn auch in subjektiver Hinsicht die sekundäre Darlegungslast für diejenigen Umstände, aufgrund derer er bzw. sein Vertreter trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, die Kläger hätten Kenntnis von dem Mangel gehabt (vgl. zum Ganzen Senat aaO. Rn. 14 f.).

Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland Vorinstanzen:

LG Bielefeld, Entscheidung vom 19.01.2010 - 8 O 342/09 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 08.07.2010 - I-22 U 40/10 - 19