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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 10.07.1987, Az.: V ZR 284/85

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 11. Juni 1985 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 27. September 1983 (UR-Nr. 290/83 des Notars J. von W.) verkauften der Beklagte und seine Ehefrau ein ihnen je zur ideellen Hälfte gehörendes Grundstück von 541 qm in E. zum sofort fälligen Kaufpreis von 50.000 DM an die Kläger. Die Verkäufer verpflichteten sich, eingetragene Grundpfandrechte in Höhe von insgesamt 167.860,12 DM "sofort auf eigene Kosten zu beseitigen". In zwei weiteren Urkunden desselben Notars vom gleichen Tage erkannten die Kläger an, dem Beklagten 20.000 DM (UR-Nr. 291/83) und 50.000 DM (UR-Nr. 292/83), jeweils nebst 5 % Zinsen seit 1. Januar 1984, zu schulden, und unterwarfen sich wegen dieser Verpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen.

Gegen die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Nr. 292/83 wenden sich die Kläger mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage. Sie haben behauptet: Der Beklagte habe ihnen zugesagt, dafür zu sorgen, daß sie zur Finanzierung des Kaufpreises für ein Gaststättengrundstück in E.-K. ein Bankdarlehen von 70.000 DM erhielten. Der Kaufvertrag vom 27. September 1983 sei nur abgeschlossen worden, um die Gewährung dieses Darlehens zu erreichen; das Grundstück habe nämlich der kreditgewährenden Bank als Beleihungsobjekt zur Verfügung gestellt werden sollen. Nach den Absprachen mit dem Beklagten hätten sie den erhofften Kredit bis zum 1. Januar 1984 an die Bank zurückzahlen und das gekaufte Grundstück dann an den Beklagten zurückübertragen sollen. Nur einen etwaigen Schaden hieraus, nicht den Kaufpreisanspruch, habe das Schuldanerkenntnis über 50.000 DM absichern sollen. Mit dem Scheitern der Bemühungen um die Darlehensgewährung sei das Schuldanerkenntnis gegenstandslos geworden. Die Kläger haben ferner die Auffassung vertreten, der Kaufvertrag vom 27. September 1983 sei wegen Wuchers nichtig, weil der Verkehrswert des Grundstücks nur 8.115 DM betrage.

Der Beklagte hingegen hat behauptet, das Schuldanerkenntnis über 50.000 DM habe der Sicherung des Kaufpreises gedient. Der Kaufvertrag sei nicht nur "pro forma" abgeschlossen worden, er habe nach Vorstellung aller Beteiligten auch tatsächlich durchgeführt werden sollen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre in den Vorinstanzen erfolglos gebliebene Klage weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht hält den Sachvortrag der Kläger über den Rechtsgrund des Schuldanerkenntnises jedenfalls nicht für bewiesen. Das greift die Revision nicht an. Daraus folgt, daß die Kläger wegen des Scheiterns der Darlehensbemühungen dem Schuldanerkenntnis weder eine vertragliche Rückgewährpflicht noch die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 2, § 821 BGB entgegenhalten können.

II.Rechtsfehlerhaft hält das Berufungsgericht jedoch auch auf der Grundlage des Beklagtenvortrags (Schuldanerkenntnis als Absicherung des Kaufpreisanspruchs von 50.000 DM), den das Berufungsgericht als von den Klägern hilfsweise übernommen ansieht, die Klage für unbegründet.

1.Ohne Erfolg bleibt allerdings die (vorsorgliche) Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen wirksamen Rücktritt der Kläger nach § 326 BGB verneint. Es erübrigt sich, darauf einzugehen, ob die Rücktrittsvoraussetzungen vorlagen, denn ein wirksamer Rücktritt liegt schon deshalb nicht vor, weil die entsprechenden Erklärungen im Rechtsstreit - ebenso wie Mahnung und Fristsetzung - nur gegenüber dem Beklagten abgegeben worden sind; sie hätten aber allen Vertragsbeteiligten gegenüber, also auch der Ehefrau des Beklagten, erklärt werden müssen (§§ 327 Satz 1, 356 Satz 1 BGB).

2a)Das Berufungsgericht stellt fest, der Beklagte habe das von den Klägern mit Urkunde Nr. 292/83 erteilte "Versprechen" formlos angenommen, womit ein wirksamer Schuldanerkenntnisvertrag nach § 781 BGB abgeschlossen worden sei (zur Bindung des Revisionsgerichts an diese tatrichterliche Auslegung vgl. BGH Urteile v. 19. September 1963, III ZR 121/62, LM BGB § 781 Nr. 2 undv. 21. Januar 1976, VIII ZR 148/74, WM 1976, 254).

Grundsätzlich kann zwar die Anerkennungserklärung formlos, auch konkludent, angenommen werden (vgl. Staudinger/Marburger, BGB 12. Aufl. § 780 Rdn. 1; Soergel/Häuser, BGB 11. Aufl. §§ 780, 781 Rdn. 8, 9). Auf der Grundlage des Beklagtenvortrags ging es jedoch um die Anerkennung einer Kaufpreisschuld aus einem Grundstückskaufvertrag, mithin bedurfte gemäß § 781 Satz 2 BGB i.V.m. § 313 Satz 1 BGB grundsätzlich der Anerkennungsvertrag der notariellen Beurkundung (vgl. auch BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 780 Rdn. 31; Staudinger/Marburger, BGB a.a.O. Rdn. 11; Soergel/Häuser a.a.O. Rdn. 151; RG LZ 1916, 221 Nr. 5); diese Form aber ist mit der notariellen Beurkundung lediglich der Anerkennungserklärung der Kläger nicht eingehalten.

Im Schrifttum wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, von der Einhaltung der nach § 781 Satz 2 BGB erforderlichen Form könne dann abgesehen werden, wenn die Schuld aus einem vorangegangenen formgerecht abgeschlossenen Grundgeschäft ohne inhaltliche Abänderung anerkannt werde (vgl. Erman/Hense, BGB 7. Aufl. § 780 Rdn. 6 und § 781 Rdn. 13; MünchKomm/Hüffer, BGB 2. Aufl. § 782 Rdn. 5; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 780 Rdn. 31 für das Verhältnis zu § 518 BGB unter Hinweis auf RGZ 71, 289, 291; a.A. Staudinger/Marburger, BGB 12. Aufl. § 780 Rdn. 11; Planck/Landois, BGB 4. Aufl. § 780 Anm. 2 d; Rümelin, Zur Lehre von den Schuldversprechen und Schuldanerkenntnissen des BGB, 1905/06 S. 160 f). Es kann offenbleiben, ob § 781 Satz 2 BGB generell so ausgelegt werden kann oder ob dies jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art möglich ist, wenn nämlich zusätzlich (zu dem notariell beurkundeten Kaufvertrag) die Anerkenntniserklärung der Schuldner notariell beurkundet und nur hinsichtlich der Annahmeerklärung des Gläubigers diese Form nicht eingehalten worden ist. Auch wenn von einer Formunwirksamkeit des Anerkennungsvertrages auszugehen sein sollte, so wären die Kläger doch unter solchen Umständen nach § 242 BGB gehindert, sich hierauf zu berufen. § 781 Satz 2 BGB will verhindern, daß über ein selbständiges Schuldanerkenntnis der Schutzzweck der jeweils strengeren Formvorschriften umgangen wird (vgl. Denkschrift zum Entwurf des BGB S. 93). Das Grundgeschäft selbst ist notariell beurkundet, mithin § 313 BGB nicht unterlaufen. Wenn dann zusätzlich noch die Anerkenntniserklärung der Schuldner notariell beurkundet worden ist, so sind in bezug auf die Schuldner auch insoweit alle Formzwecke des § 313 BGB (vgl. BGHZ 87, 150, 153 f) [BGH 25.03.1983 - V ZR 268/81] erfüllt. Da andererseits der Anerkennungsvertrag i.S. des § 781 BGB nur ein einseitig verpflichtender Vertrag ist, für den Gläubiger also keine Verpflichtungen begründet, würde es bei der gegebenen Sachlage Treu und Glauben zuwiderlaufen, wenn die Kläger unter Berufung auf die allein fehlende Beurkundung der Annahmeerklärung des Beklagten Nichtigkeit des Anerkennungsvertrages geltend machen könnten (vgl. auch BGHZ 85, 245, 251 f) [BGH 05.11.1982 - V ZR 228/80].

b)Indes können diese Überlegungen nur Platz greifen, wenn der Kaufvertrag wirksam beurkundet worden ist. Zu Recht rügt die Revision, daß die Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu nicht rechtsfehlerfrei sind.

Der Beurkundungszwang des § 313 Satz 1 BGB erstreckt sich auf alle Vereinbarungen der Vertragsparteien, aus denen sich das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt, aber auch auf solche Abreden, die mit diesem eine rechtliche Einheit bilden. Eine solche Einheit von an sich selbständigen Vereinbarungen ist dann anzunehmen, wenn sie nach dem Willen der Beteiligten derart voneinander abhängig sind, daß sie nicht für sich alleine gelten, sondern miteinander stehen und fallen sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitlichkeitswillen erkennen läßt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vorliegen.

Die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden begründet zwar die Vermutung, daß die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen. Diese Vermutung kann aber widerlegt sein, wenn ein Verknüpfungswille der Beteiligten feststeht (st. Rechtspr. des BGH, auch zum Vorhergehenden, vgl. etwaUrteile v. 20. Mai 1966, V ZR 214/64, WM 1966, 899, 900;v. 30. April 1976, V ZR 143/74, NJW 1976, 1931, 1932;v. 27. Oktober 1982, V ZR 136/81, NJW 1983, 565;v. 24. November 1983, VII ZR 34/83, NJW 1984, 869, 870; BGHZ 78, 346, 349 f) [BGH 06.11.1980 - VII ZR 12/80].

Der Vortrag des Beklagten, er habe auf einer entsprechenden Absicherung zur Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem notariellen Kaufvertrag bestanden, von dem auch in diesem Zusammenhang auszugehen ist, gab Anlaß zur Prüfung, ob Kaufvertrag und entsprechende Sicherungsabrede mit Schuldanerkenntnis und Vollstreckungsunterwerfung als rechtliche Einheit gewollt waren. Von Bedeutung kann dabei weiter sein, daß Kaufvertrag und Schuldanerkenntnis in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang beurkundet wurden und nicht der Kaufvertrag, sondern erst das Schuldanerkenntnis die sonst bei Grundstückskaufverträgen vielfach übliche Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung enthält. Das Berufungsurteil befaßt sich hiermit nicht. Schon deshalb muß es aufgehoben werden, damit das Berufungsgericht Gelegenheit hat, die Frage der Geschäftseinheit in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen.

3.Das Berufungsurteil ist auch unter einem weiteren Gesichtspunkt aufzuheben.

Das Berufungsgericht verneint für den Kaufvertrag den Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB und führt aus: Es könne offenbleiben, ob zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des Grundstücks ein auffälliges Mißverhältnis bestanden habe. Die Kläger hätten jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, daß der Vertrag unter Ausbeutung ihrer Zwangslage, ihrer Unerfahrenheit, ihres Mangels an Urteilsvermögen oder ihrer erheblichen Willensschwäche zustande gekommen sei.

Ein Rechtsgeschäft, dem die besonderen Merkmale des Wuchertatbestandes fehlen, kann aber gleichwohl nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, falls das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung so kraß ist, daß allein daraus schon auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners und damit auf einen sittenwidrigen Charakter des Geschäfts zu schließen ist (Senatsurteilev. 30. Januar 1981, V ZR 7/80, WM 1981, 404 undv. 18. Januar 1985, V ZR 123/83, WM 1985, 948, 949). Für das Vorliegen eines auffälligen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (und die daran anknüpfende Vermutung verwerflicher Gesinnung) kommt es nur auf die objektiven Werte der Leistungen an (Senatsurteil v. 30. März 1984, V ZR 61/83, WM 1984, 874, 875). Für die Feststellung des inneren Tatbestandes auf seiten des Begünstigten ist die Lebenserfahrung zu berücksichtigen, daß in der Regel außergewöhnlich hohe Gegenleistungen nicht ohne Not (oder aufgrund eines sonstigen den Benachteiligenden hemmenden Umstandes) zugestanden werden (Senatsurt.v. 18. Januar 1985, V ZR 123/83, aaO). Auch wenn die Initiative zum Abschluß des Kaufvertrages von den Klägern ausgegangen sein sollte, nähme das dem Rechtsgeschäft nicht seinen sittenwidrigen Charakter (Senatsurt.v. 24. Mai 1985, V ZR 47/84, NJW 1985, 3006, 3007). Hiermit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Dazu hätte aber angesichts des von den Klägern behaupteten und unter Beweis gestellten Verkehrswerts von nur etwas mehr als 8.000 DM (GA 74, 124) und dem sich daraus ergebenden krassen Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung Anlaß bestanden.

4.Da weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.