Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 30.01.1987, Az.: V ZR 32/86
Tatbestand
Der - inzwischen verstorbene - Ehemann der Klägerin verkaufte ein ihm gehörendes Anwesen mit notariellem Vertrag vom 26. Mai 1977 den Eheleuten E. unter anderem gegen eine monatliche Rente, zahlbar an sich und seine Ehefrau. In § 3 dieses Vertrages ist bestimmt:
»Käufer verpflichten sich als Gesamtschuldner, den Grundbesitz auf den Verkäufer und, falls dieser nicht mehr leben sollte, auf die Ehefrau E. B. zurückzuübertragen, wenn Käufer mit drei geschuldeten Rentenleistungen im Verzug sind.
Käufer bewilligen und beantragen zugleich mit ihrer Umschreibung als Eigentümer:
a) (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
b) (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
c) im Range danach eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums zugunsten der Ehefrau E. B. aufschiebend bedingt durch den Tod des Verkäufers Fritz B. einzutragen.«
Die Vormerkung zugunsten der Klägerin wurde am 26. Mai 1977 in das Grundbuch eingetragen, zwei Grundschulden in Höhe von je 25 000 DM zuzüglich 12 % Zinsen zugunsten der Beklagten am 9. März 1978.
Bei einem Brand wurde das Wohngebäude auf dem Grundstück weitgehend zerstört. Die H.-M. Sachversicherungs-AG (im folgenden: Versicherer) zahlte im Jahre 1983 als Feuerversicherer im Hinblick auf die beiden Grundschulden an die Beklagte aus der Versicherungssumme einen Betrag von 38 643,30 DM.
Nach dem Brand kamen die Eheleute E. im Sommer 1983 mit drei Monatsrenten in Rückstand. Die Klägerin erwirkte gegen sie ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Landgerichts Stade vom 31. Oktober 1983 auf Ãbereignung des Grundbesitzes und wurde am 31. Januar 1984 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
Die Klägerin begehrt im Hinblick auf ihre gegenüber den Grundschulden vorrangige Auflassungsvormerkung von der Beklagten Zahlung von 38 643,30 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (Berufungsurteil veröffentlicht WM 1986, 569). Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht begründet den Zahlungsanspruch der Klägerin zwar unzutreffend mit § 816 Abs. 2 BGB; seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO), weil der Klageanspruch nach dem festgestellten Sachverhalt aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB folgt.
1. Die Klägerin war - womit sich das Berufungsgericht nicht befaÃt hat - hinsichtlich des Anspruchs auf die Versicherungssumme nicht Berechtigte im Sinne von § 816 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift behandelt den Eingriff in eine fremde Forderungszuständigkeit. Anspruchsinhaber ist der wahre Gläubiger, dem gegenüber eine an den Nichtberechtigten bewirkte Leistung des Schuldners wirksam ist.
a) Die Klägerin war nicht Versicherungsnehmerin. Eine Abtretung des Versichungsanspruchs an sie hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Kraft Gesetzes trat sie erst mit dem Erwerb des Grundstücks vom Versicherungsnehmer für die Dauer ihres Eigentums in seine Rechte und Pflichten ein (§ 69 Abs. 1 VVG). Zeitpunkt des Vertragsübergangs ist die sachenrechtliche Vollendung des Erwerbs, der bei Grundstücken erst nach Auflassung und Eintragung eintritt (vgl. RGZ 84, 409, 410; 170, 285, 290; BGH Urt. v. 4. März 1955, V ZR 56/54, LM Nr. 1 zu § 281 BGB; Prölss/Martin, VVG 23. Aufl. § 69 Anm. 3 a). Diese Voraussetzung lag im Zeitpunkt der Zahlung nicht vor, weil die Klägerin erst 1984 in das Grundbuch eingetragen wurde.
b) An diesem Ergebnis kann auch die Tatsache nichts ändern, daà der Auflassungsanspruch der Klägerin vorgemerkt war. § 883 Abs. 3 BGB ist hier nicht anwendbar. Der Eigentumserwerb kann in seinen Wirkungen nicht auf die Eintragung der Vormerkung zurückbezogen werden (BGHZ 13, 1, 3 [BGH 03.03.1954 - VI ZR 259/52]; vgl. auch Berger WM 1986, 873f.).
2. Der Klageanspruch ist jedoch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gerechtfertigt. Die Beklagte hat die Versicherungssumme zwar nicht durch eine Leistung der Klägerin erlangt, sie ist jedoch auf »sonstige Weise« auf deren Kosten rechtsgrundlos bereichert. Der im Gesetz nicht näher beschriebene, oft auch als Eingriffskondiktion bezeichnete Anspruch hat die Herausgabe eines Vermögensvorteils zum Ziel, der nach dem maÃgeblichen Zuweisungsgehalt der einschlägigen Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger gebührt (BGB-RGRK/Heimann-Trosien 12. Aufl. § 812 Rdn. 42; MünchKomm/Lieb 2. Aufl. § 812 Rdn. 182; Palandt/Thomas, BGB 46. Aufl. § 812 Anm. 6 B; Soergel/Mühl, BGB 11. Aufl. § 812 Rdn. 169; Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 812 Rdn. 23). Nach den hier maÃgeblichen Bestimmungen gebührt der Klägerin die Versicherungssumme aufgrund des für sie vorgemerkten Anspruchs auf Ãbereignung des Grundstücks.
Die Beklagte hat einen Teil der Feuerversicherungssumme als Grundschuldgläubigerin und Inhaberin eines Pfandrechts an dem Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers eingezogen (§§ 1192 Abs. 1, 1127 Abs. 1, 1128 Abs. 3, 1282 Abs. 1 Satz 1 und 2, 1228 Abs. 2 BGB). Die Grundschuldbestellung war der Klägerin gegenüber jedoch unwirksam (§§ 883 Abs. 1 Satz 2, 883 Abs. 2 BGB), weil sie als nachrangige Verfügung über das Grundstück den vorgemerkten Ãbereignungsanspruch der Klägerin beeinträchtigte. Es ist gerade der Sinn einer Vormerkung künftiger Ansprüche, daà die Schutzwirkung (§ 883 Abs. 2 BGB) mit rückwirkender Kraft ab Eintragung der Vormerkung gilt, allerdings erst mit Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden kann (vgl. Senatsurt. v. 31. Oktober 1980, V ZR 95/79, NJW 1981, 446, 447). Die Klägerin hätte mithin nach Entstehen ihres Auflassungsanspruchs im Sommer 1983 von der Beklagten die Löschung der Grundschulden verlangen können (§ 888 BGB). Rückwirkend wäre somit ihr gegenüber das aus der Grundschuld folgende Pfandrecht an der Versicherungsforderung und damit die Einziehungsbefugnis der Beklagten insoweit entfallen. Gleichzeitig hätte sie gegen die Schuldner des vorgemerkten Anspruchs (Ehepaar E.) einen Anspruch auf Abtretung der Ersatzforderung gegen den Versicherer gehabt (§ 281 Abs. 1 BGB), solange die Beklagte den Klagebetrag nicht eingezogen hatte, weil dem Ehepaar E. die Ãbereignung des Wohngebäudes unmöglich geworden und dadurch in seinem Vermögen die Versicherungsforderung an die Stelle der unmöglich gewordenen Leistung getreten war (vgl. Senatsurt. v. 4. März 1955, V ZR 56/54, LM Nr. 1 zu § 281 BGB).
Entgegen der Auffassung der Revision ist § 281 Abs. 1 BGB auch im vorliegenden Fall anwendbar, obwohl der Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt eintrat, als das Ehepaar E. die Ãbereignung des Grundstücks noch nicht schuldete. § 281 BGB stellt für vertragliche Schuldverhältnisse einen gesetzlich geregelten Fall ergänzender Vertragsauslegung dar (BGHZ 25, 1, 9) [BGH 19.06.1957 - IV ZR 214/56] und beruht auf dem Gedanken, daà sich der Verpflichtungswille des Schuldners zur Herausgabe einer Sache auch auf die Ãbertragung eines infolge des Untergangs der Sache erhaltenen Surrogats bezieht. Für bedingte Verpflichtungen gilt insoweit nichts anderes (vgl. BGB-RGRK/Alff 12. Aufl. § 281 Rdn. 9; Staudinger/Löwisch, BGB 12. Aufl. § 281 Rdn. 12; Planck/Siber, BGB 4. Aufl. § 281 Anm. 3), wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt. Der erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches sah noch vor (E I § 238 Abs. 2), daà der Schuldner das Surrogat auch dann herauszugeben habe, wenn die Leistung vor dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung unmöglich geworden ist (vgl. Motive I S. 47; Mugdan, Materialien Bd. 2 S. 26). Diese Bestimmung wurde aber von der zweiten Kommission als Ausdruck einer »auf sophistischer Verdrehung beruhenden SchluÃfolgerung« gestrichen, weil die Anwendung des Surrogationsprinzips auch auf aufschiebend bedingte Schuldverhältnisse selbstverständlich sei (vgl. Protokolle II S. 634; Mugdan, Materialien Bd. 2 S. 630). Bei einem vorbehaltenen Rücktritt ist § 281 BGB auch dann anwendbar, wenn das Rücktrittsrecht erst nach dem Eintritt der Unmöglichkeit ausgeübt wurde (vgl. Senatsurt. v. 27. Oktober 1982, V ZR 24/82, NJW 1983, 929, 930). Auch für den vorliegenden Sachverhalt gilt die in dem erwähnten Senatsurteil herausgestellte Ãberlegung, daà die Schuldner (hier Ehepaar E.) schon bei der Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Rückübertragungsanspruchs mit dem Entstehen eines solchen Anspruchs rechnen muÃten. Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 12. Januar 1977 (VIII ZR 142/75, LM Nr. 5 zu § 281 BGB) steht dem nicht entgegen. Sie besagt nur, daà vor der Ausübung eines Ankaufsrechts dem Ankaufsberechtigten ein Anspruch auf Herausgabe der Brandversicherungsentschädigung nicht zusteht.
Für den Zuweisungsgehalt der einschlägigen Bestimmungen ist ohne Bedeutung, daà die Beklagte die Forderung auf Zahlung der Brandversicherungssumme nach den insoweit nicht eindeutigen Feststellungen des Berufungsgerichts möglicherweise schon zu einem Zeitpunkt eingezogen hat, in dem das Ehepaar E. noch nicht zur Rückübereignung des Grundstücks verpflichtet war. Wie ausgeführt, entfiel die Einziehungsberechtigung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin mit rückwirkender Kraft (§ 883 Abs. 2 BGB). Andererseits ist der Anspruch auf die Versicherungssumme mit Zahlung erloschen (vgl. Erman/Ronke, BGB 7. Aufl. § 1288 Rdn. 2; Palandt/Bassenge aaO § 1288 Anm. 2 a; MünchKomm/Damrau 2. Aufl. § 1288 Rdn. 4; Staudinger/Riedel/Wiegand, BGB 12. Aufl. § 1288 Rdn. 3), weil die Grundschuld im Verhältnis zwischen dem Versicherer und der Beklagten wirksam war. Die Klägerin hat damit auch keine Möglichkeit mehr, sich von dem Ehepaar E. einen Ersatzanspruch gegen den Versicherer abtreten zu lassen. Daraus folgt, daà die Beklagte nach Eintritt der Vormerkungswirkung mit Entgegennahme der Versicherungssumme »auf Kosten« der Klägerin bereichert ist. Es mangelt auch nicht an der sogenannten Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung (vgl. dazu BGH Urt. v. 31. März 1977, VII ZR 336/75, NJW 1977, 1287). Die unmittelbare Vermögensverschiebung im Rechtssinn vollzieht sich nicht notwendigerweise unter denselben Personen, zwischen denen sich der tatsächliche Ãbergang des Vermögens abspielt (BGH Urt. v. 7. Mai 1962, VII ZR 261/60, WM 1962, 761/763). Die Klägerin hat mit der Zahlung der Versicherungssumme an die Beklagte die Möglichkeit verloren, nach Eintritt der Rückauflassungsvoraussetzungen einen Anspruch nach § 281 BGB gegen das Ehepaar E. durchzusetzen, und dieser Vorgang hat gleichzeitig zu einer Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt. Damit sind die Parteien der Nichtleistungskondiktion festgelegt (vgl. auch BGHZ 94, 160, 165 m. w. Nachw.). Es ist nicht notwendig, daà sich der Verlust der Klägerin dem Gegenstand oder dem Umfang nach mit dem Gewinn der Beklagten deckt.
Dieses Ergebnis ist auch billig. Die Beklagte konnte aus dem Grundbuch die rangbessere Vormerkung der Klägerin ersehen und muÃte damit rechnen, daà bei Eintritt der Bedingung für den vorgemerkten Anspruch ihre Grundschulden gegenüber der Vormerkungsinhaberin rückwirkend unwirksam sein würden. Dürfte die Beklagte die Feuerversicherungssumme behalten, dann hätte sie sich im Ergebnis doch aus dem Eigentum (d. h. dessen Surrogat, der Versicherungsleistung) befriedigt, auf das die Klägerin einen vorgemerkten Anspruch hatte. Von dem rein zufälligen Zahlungszeitpunkt kann es nicht abhängen, ob letztlich die Beklagte oder die Klägerin endgültig die Brandentschädigung erhält.