Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 11.10.1991, Az.: V ZR 341/89
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag verkaufte die in den Vorinstanzen mit verklagte M. G. (im folgenden: Verkäuferin) ein Wohn- und Geschäftshaus an eine aus dem Kläger und dem Kaufmann B. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die entsprechenden Verhandlungen hatte auf seiten der Verkäuferin der Beklagte geführt. In dem Vertrag heiÃt es:
"... Die Kostenmiete einschlieÃlich aller Betriebskostenvorauszahlungen beträgt bei Vertragsabschluà pro qm Wohnfläche DM 7,48, für die Gewerbefläche DM 18,66. Die Wohnfläche beträgt 680,72 qm, die Gewerbefläche 144,77 qm. Die Wohn- und Gewerbeflächen wurden ermittelt nach RohbaumaÃen. Der Verkäufer hat kein Aufmaà vorgenommen, es sind folglich Abweichungen bis zu 7 % nach oben oder unten möglich, in diesem Rahmen übernimmt der Verkäufer keine Garantie für die vorstehenden Angaben."
Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht der Käuferin von der Verkäuferin und dem Beklagten Minderung des Kaufpreises bzw. Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 200.000 DM mit der Begründung, daà die Wohn- und Gewerbeflächen nicht das zugesicherte Maà hätten und sich die Bruttomiete ohne Kosten für Heizung und Wasser nicht auf die zugesicherten Beträge belaufe. Der Verkehrswert habe daher um 379.704,55 DM unter dem Kaufpreis gelegen.
Das Landgericht hat die Verkäuferin und den Beklagten zur Zahlung von 60.987,88 DM nebst Zinsen als Gesamtschuldner verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage gegen den Beklagten durch Teilurteil abgewiesen und die Klage gegen die Verkäuferin nach erneuter Zeugenvernehmung durch inzwischen rechtskräftiges Grundurteil für gerechtfertigt erklärt. Mit seiner gegen das Teilurteil gerichteten Revision verfolgt der Kläger seine Klage gegen den Beklagten weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, daà die Voraussetzungen eines Anspruchs gegen den als Vertreter der Verkäuferin aufgetretenen Beklagten aus Verschulden bei Vertragsabschluà nicht gegeben seien. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung scheide ebenfalls aus. Es sei nicht ersichtlich, daà dem Beklagten die tatsächlich vorhandenen Abweichungen von den zugesicherten FlächenmaÃen bekannt gewesen seien. Auch eine arglistige Täuschung über die Mieteinkünfte lasse sich nicht feststellen. Wenn der Beklagte erklärt habe, von der im Vertragstext erwähnten "Kostenmiete" entfalle nur ein Betrag von 0,48 DM je qm auf umlagefähige Nebenkosten, so sei dies zwar unzutreffend, für den Abschluà des Kaufvertrages aber nicht ursächlich geworden. Der Vertragstext ergebe nämlich eindeutig, daà nicht nur die umlagefähigen Nebenkosten von 0,48 DM je qm, sondern jedenfalls auch Vorauszahlungen auf Heiz- und Wasserkosten in der zugesicherten "Kostenmiete einschl. aller Betriebskostenvorauszahlungen" enthalten seien. Im übrigen sei nicht dargetan, daà der Beklagte überhaupt über die genaue Zusammensetzung der im Vertrag erwähnten Beträge unterrichtet gewesen sei.
Dies hält der Revision nicht stand.
II. Das Berufungsurteil läÃt allerdings insoweit keinen Rechts- oder Verfahrensfehler erkennen, als das Berufungsgericht einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsabschluà verneint.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis grundsätzlich den Vertretenen und nur ausnahmsweise auch den Vertreter. Ein solcher Ausnahmefall ist dann gegeben, wenn der Vertreter in besonderem MaÃe persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Das Vertrauen muà über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist. Eine Eigenhaftung kann z.B. dann begründet sein, wenn der Vertreter mit Hinweis auf seine auÃergewöhnliche Sachkunde oder seine besondere persönliche Zuverlässigkeit dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen des in Aussicht genommenen Geschäfts bietet (vgl. zuletzt etwa BGH, Urt. v. 17. Oktober 1989, XI ZR 173/88, NJW 1990, 506). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Der Hinweis des Beklagten, daà er zusammen mit der Verkäuferin auch für die evangelische Kirche arbeite und noch andere Objekte betreue, ist ebensowenig wie die Erklärung, daà die D.Bank ebenfalls an dem Objekt interessiert sei, geeignet, den Eindruck zu erwecken, daà er eine von ihm persönlich ausgehende Gewähr habe übernehmen wollen. Der Kläger hat insoweit selbst vorgetragen, der Beklagte habe sich damit (nur) als "unerfahrener biederer Handwerker" gerieren wollen.
Eine Eigenhaftung des Vertreters kommt ferner dann in Betracht, wenn er ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Abschluà des Vertrages hat. Diese Voraussetzung liegt ebenfalls nicht vor, wie das Berufungsgericht fehlerfrei ausgeführt hat. Das bloà mittelbare Interesse des Beklagten daran, daà die Verkäuferin ein günstiges Geschäft abschlieÃt, weil er von deren Einnahmen lebt, reicht ebenso wie das Provisionsinteresse eines Handelsvertreters, Prokuristen oder sonstigen Angestellten zur Begründung eines wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht aus (BGH aaO.).
Das Berufungsurteil ist jedoch deswegen aufzuheben, weil die von der Revision erhobene Verfahrensrüge gegen die tatsächlichen Feststellungen insoweit durchgreift, als das Berufungsgericht auch einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB verneint. Die zugrundeliegende Beweiswürdigung ist unvollständig. Sie läÃt nicht erkennen, ob das Berufungsgericht sein Ermessen nach § 398 ZPO auch im vorliegenden ProzeÃrechtsverhältnis und nicht nur in dem Verfahren gegen die Verkäuferin ausgeübt hat.
Hält das Berufungsgericht in einem Rechtsstreit gegen mehrere Beklagte eine Wiederholung der von dem Landgericht durchgeführten Zeugenvernehmung zu einem Beweisthema für erforderlich, das - wie hier - für die Entscheidung gegen alle Beklagte gleichermaÃen von Bedeutung ist, darf es sie nicht auf ein ProzeÃrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden. Ein solches Teilurteil wäre mangels Entscheidungsreife des erhobenen Anspruchs unzulässig. Denn die Beweise sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nur einmal zu erheben und einheitlich frei zu würdigen, so daà unterschiedliche Ergebnisse gegen einzelne Streitgenossen ausgeschlossen sind (Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 61 Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO 16. Aufl. § 61 Rdn. 5; AK-ZPO-Koch § 61 Rdn. 3).
Hält das Berufungsgericht eine Wiederholung der Beweisaufnahme dagegen nicht für erforderlich, sondern den Rechtsstreit gegenüber einem Beklagten für entscheidungsreif, muà das Teilurteil gemäà § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO wenigstens erkennen lassen, daà das Berufungsgericht die Frage, ob die Zeugen erneut zu vernehmen sind, geprüft hat. Ist das aus dem Urteil nicht ersichtlich, ist revisionsrechtlich anzunehmen, daà § 398 ZPO verletzt ist, wenn das Berufungsgericht die Wiederholung der Zeugenvernehmung in dem Verfahren gegen die anderen Beklagten später anordnet.
So liegt es hier.
Das Teilurteil geht aufgrund der landgerichtlichen Zeugenaussagen von einem bestimmten Inhalt der Verkaufsgespräche aus, ohne zur Richtigkeit der Aussagen Stellung zu nehmen und erkennen zu lassen, daà das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Wiederholung der Zeugenvernehmung nach § 398 ZPOüberhaupt geprüft hat. Revisionsgerichtlich ist daher zu unterstellen, daà die Vorschrift verletzt ist.
Auf dieser Verletzung beruht das Urteil auch. Denn das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung zugrunde, daà die zugesicherte Kostenmiete jedenfalls die Vorauszahlungen auf Heiz- und Wasserkosten einschlieÃe, während es in dem Verfahren gegen die Verkäuferin nach einer Wiederholung der Zeugenvernehmung zur Feststellung gelangt ist, daà es sich bei der im Vertrag erwähnten "Kostenmiete einschlieÃlich aller Betriebskostenvorauszahlungen" um eine "falsa demonstratio" für die Bruttomiete ohne Kosten und Vorauszahlungen für Heizung und Wasser handelt.
In dem Grundurteil kommt das Berufungsgericht ferner, wenn auch ohne entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite, zu dem Ergebnis, daà der Kläger über den Mietertrag arglistig getäuscht worden sei. Da der Beklagte die Verhandlungen geführt hat, muà sich dieser Vorwurf auch auf ihn erstrecken. Wenn das Berufungsgericht demgegenüber dazu in der angefochtenen Entscheidung eine Arglist mit der Begründung verneint, es sei nicht dargetan, daà er über die genaue Zusammensetzung der genannten Beträge unterrichtet gewesen sei, steht dies nicht nur im Widerspruch zu dem Grundurteil, sondern läÃt auch nicht erkennen, daà hierbei die zu einer Erklärung "ins Blaue hinein" entwickelten Grundsätze (vgl. BGHZ 63, 386, 388 [BGH 21.01.1975 - VIII ZR 101/73]; Senatsurt. v. 16. März 1977, V ZR 283/75, NJW 1977, 1055 [BGH 16.03.1977 - VIII ZR 283/75]; BGH, Urt. v. 18. März 1981, VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441, 1442; v. 3. Dezember 1986, VIII ZR 345/85, WM 1987, 137, 138) beachtet wurden.
Nach alledem kann das Teilurteil nicht aufrechterhalten bleiben und muà die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung darüber zurückverwiesen werden, ob die Klage nicht jedenfalls wegen arglistiger Täuschung über die erzielten Mieteinkünfte aus unerlaubter Handlung begründet ist. Falls das Berufungsgericht aufgrund des weiteren Verfahrens insoweit eine deliktische Haftung des als Verhandlungsvertreter der Verkäuferin aufgetretenen Beklagten bejahen sollte, kann die - am Vertrag festhaltende - Käuferin den Betrag ersetzt verlangen, um den sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Beklagten über die Mieterträge das Wohn- und Geschäftshaus zu teuer erworben hat (Senatsurt. v. 20. März 1987, V ZR 27/86, NJW 1987, 2511, 2512; BGH, Urt. v. 27. September 1988, XI ZR 4/88, BGHR BGB § 249 - Vertrauensschaden 1). Denn insoweit hat für die Eigenhaftung des Vertreters aus unerlaubter Handlung nichts anderes zu gelten als für die aus derselben arglistigen Täuschung infolge deren Zurechnung für die Verkäuferin sich ergebende vertragliche Gewährleistungshaftung aus § 463 Satz 2 BGB oder für die quasi vertragliche Haftung aus culpa in contrahendo.