Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 24.06.1960, Az.: V ZR 64/59
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Februar 1959 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.
Tatbestand
Am ... 1958 verstarb in Berlin der 1893 geborene Kaufmann Wilhelm G. (Erblasser). Seine erste Ehefrau war im April 1945 bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen; aus der Ehe mit ihr stammen zwei Söhne, Hans-Joachim und Günter; Hans-Joachim ist der Vater des Erstbeklagten und der Ehemann der Zweitbeklagten. Von Juni 1945 bis April 1956 befand sich der Erblasser als früherer Wehrwirtschaftsführer in sowjetrussischer und sowjetzonaler Haft. Nach seiner Entlassung heiratete er die 1909 geborene Klägerin, seine frühere Sekretärin, die schon während seiner ersten Ehe in der Familie verkehrt und sich während seiner Haftzeit in zahlreichen Eingaben um seine Entlassung bemüht hatte.
Der Erblasser hat während und nach seiner Haftzeit eine Reihe von eigenhändigen Testamenten errichtet. Sein maßgebendes letztes Testament vom 23. Oktober 1957 bestimmt hinsichtlich der Erbfolge:"... Ich setze ... meine jetzige Ehefrau Johanna als meine Universalerbin ein. Sie hat den vollen Nutznieß aus meinem Hausgrundstück, hat aber die Verpflichtung zu übernehmen, sich bei einer etwaigen Belastung oder Verkauf des Grundstücks mit meinem Sohn Hans-Joachim zu beraten und zu verständigen. Falls sie nach meinem Tode mit einem anderen Manne eheähnliche Gemeinschaft aufnehmen oder sich wieder verheiraten sollte, sonst nach ihrem Tode, fällt mein gesamter Besitz an meinen Sohn Hans-Joachim, im Falle dessen Ablebens an seinen überlebenden Sohn Roland. Sollte dieser nicht mehr am Leben sein, soll die Hälfte der Hinterlassenschaft an die Frau meines Sohnes Hans-Joachim, Caecilie, und die andere Hälfte an die evangelische Landeskirche mit der Auflage fallen, daß diese die ständige Pflege und Erhaltung meiner 4-stelligen Wahlstelle auf dem Luisenfriedhof ... übernimmt ... Diese Verpflichtung hat jeder meiner Erben bzw. Nacherben zu übernehmen.Ich habe meinen Sohn Günter von der Erbschaft ausgeschlossen ..."
Der Sohn Hans-Joachim G. hat die Erbschaft ausgeschlagen und von der Klägerin seinen Pflichtteil verlangt.
Die Parteien streiten darüber, ob auch für diesen Fall der Erstbeklagte als Nacherbe und die Zweitbeklagte zur Hälfte als Ersatznacherbe berufen sind; dies wird von der. Klägerin verneint, von den Beklagten bejaht.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß die Beklagten nicht Nacherben seien, in der Berufungsinstanz außerdem hilfsweise die Erbunwürdigerklärung der Beklagten.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage als unbegründet abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Klaganträge weiter. Die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Das Feststellungsinteresse für den Hauptantrag (§ 256 ZPO) wird vom Berufungsgericht gegenüber beiden Beklagten zutreffend bejaht. Die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.
In sachlicher Hinsicht ist mit dem Landgericht, dem das Berufungsgericht stillschweigend folgt, davon auszugehen, daß eine vom Nacherben ausgeschlagene Erbschaft dem Vorerben verbleibt, soweit der Erblasser nichts anderes bestimmt hat (§ 2142 Abs. 2 BGB). Eine solche andere Bestimmung liegt in der Einsetzung eines Ersatznacherben (§ 2096 BGB). Es kommt deshalb hier darauf an, ob für den eingetretenen Fall der Erbausschlagung des zunächst berufenen Nacherben (Hans-Joachim) die Beklagten als Ersatznacherben berufen sind. Das Berufungsgericht hat die Frage mit dem Landgericht bejaht. Es begründet seine Auffassung einmal mit § 2069 BGB und zum andern mit individueller Auslegung des Testaments. Beide Begründungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
I.Nach § 2069 BGB ist dann, wenn ein vom Erblasser bedachter Abkömmling nach Testamentserrichtung wegfällt, im Zweifel anzunehmen, daß dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten wurden. Daß auch die Einsetzung (hier: des Sohnes Hans-Joachim) als Nacherbe eine Bedenkung im Sinne von § 2069 BGB darstellt, steht außer Frage (KG HRR 1933, 732 mit Nachweisen). Für den Erstbeklagten als Sohn des Erstbedachten trifft auch die weitere Voraussetzung zu, daß er bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle träte (§ 1924 Abs. 3 BGB). Hans-Joachim G. ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht im Sinne von § 2069 BGB weggefallen.
Zwar ist für den Regelfall an der wohl allgemeinen und auch vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung festzuhalten, daß auch die Erbausschlagung einen Wegfall im Sinne von § 2069 BGB bewirkt (RGZ 142, 171, 174; Staudinger/Seybold, BGB 11. Aufl. §§ 2068/70 Rdn. 2; Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 2069 Anm. 1; RGRK 11. Aufl.§ 2069 Anm. 1; Kipp/Coing, Erbrecht 11. Aufl.§ 22 IV); im Regelfall wird es nämlich dem Willen des Erblassers entsprechen, daß nicht infolge der Ausschlagung eines Abkömmlings dessen ganzer Stamm leer ausgeht, sondern die nächsten Abkömmlinge des Stammes an die Stelle des Ausscheidenden treten;§ 2069 BGB hat daher auch für solche Fälle seinen guten Sinn (hinsichtlich der freilich nicht gleichliegenden Frage der Enterbung im Ergebnis ähnlich das Senatsurteil vom 14. Januar 1959 - V ZR 28/58 = MDR 1959, 290). Etwas anderes muß jedoch gelten für den Fall, daß der Ausschlagende den Pflichtteil verlangt, insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, Ausschlagung und Pflichtteilsverlangen zueinander in dem inneren Zusammenhang des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB stehen. In diesem Fall geht nämlich der Stamm des Ausschlagenden schon in dessen Person selbst trotz der Ausschlagung nicht leer aus, sondern erhält aus dem Nachlaß denjenigen Wert, den der Erstberufene von zwei ihm vom Gesetz zur Wahl gestellten Werten (Erbrecht mit Beschränkungen, vgl.§ 2306 Abs. 2 BGB, oder reiner Pflichtteil) ausgewählt hat. Die Ersatzberufung der weiteren Abkömmlinge gemäß § 2069 BGB würde bedeuten, daß dieser Stamm in zweierlei Weise erbrechtlich zum Zug käme: dem Erstbedachten stünde der Pflichtteil und außerdem seinen Abkömmlingen das vom Erblasser zunächst ihm zugedachte Erbe zu. Eine derartige Doppelberücksichtigung eines und desselben Kindesstammes steht in ausgeprägtem Widerspruch zu dem, was ein Erblasser in aller Regel gewollt hat oder bei Erwägung einer solchen Möglichkeit gewollt hätte. Das gilt nicht nur bei Bedenkung mehrerer Kinderstämme, wo eine solche Doppelberücksichtigung zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Stammes des Ausschlagenden vor den übrigen Stämmen führen würde, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen nur ein einziger Kinderstamm bedacht ist, jedoch bloß als Nacherbe hinter demÜberlebenden Ehegatten als Vorerben (insbesondere bei befreiter Vorerbschaft), wo der Vorerbe über die Absichten des Erblassers hinaus benachteiligt würde. Darüber, daß die Ersatzberufung der weiteren Abkömmlinge in aller Regel dem (wirklichen oder hypothetischen) Willen des Erblassers nicht entspricht, herrscht entgegen früheren Entscheidungen (RG Warn. 1913 Nr. 241; KG OLG 24, 77) in der neueren Rechtsprechung und Lehre Übereinstimmung (KG DNotZ 1941, 424; 1942, 147; OLG Dresden, SeuffArch 62, 27; OLG Celle, NdsRPfl. 1953, 69; OLG Düsseldorf, NJW 1956, 1880; Kipp/Coing § 50 II 2; Braga, AcP 153, 144, 147/54; RGRK § 2069 Anm. 1); nur wird zum Teil an der Anwendbarkeit des § 2069 BGB auch hier festgehalten und bloß die Notwendigkeit betont, das Vorliegen eines abweichenden Erblasserwillens besonders sorgfältig zu prüfen. Es erscheint jedoch im Interesse der Klarheit und der Rechtssicherheit richtiger, für die Fälle, daß der Ausschlagende den Pflichtteil verlangt, einen Wegfall des Bedachten und damit die Anwendbarkeit von § 2069 BGBÜberhaupt zu verneinen (so Braga a.a.O., Kipp/Coing a.a.O.). Die dogmatische Frage, ob das Pflichtteilsrecht dem Erbenrecht rechtlich gleich oder doch ähnlich ist (so Braga a.a.O.: "ein Stück subjektiven Erbrechts"), ist hierbei nicht ausschlaggebend und kann deshalb dahingestellt bleiben; jedenfalls ist in diesem Punkt eine einschränkende Auslegung des§ 2069 BGB geboten.
II.Das Berufungsurteil gründet seine Bejahung der Ersatzberufung allerdings nicht nur auf die gesetzliche Bestimmung des § 2069 BGB, sondern daneben auf die individuelle Auslegung des Testaments. Richtigerweise hat diese letztere Auslegung den Vorrang, da§ 2069 BGB nur dann eingreift, wenn ein tatsächlicher oder hypothetischer Wille des Erblassers im Einzelfall nicht feststellbar ist. Aber abgesehen von der naheliegenden Möglichkeit, daß auch diese Auslegung des Testaments von jener rechtsirrig weiten Anwendung des § 2069 BGB (oben I) innerlich beeinflußt ist, rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht bei der Testamentsauslegung nicht alle Umstände im rechtlich gebotenen Umfang berücksichtigt hat (§ 286 ZPO).
Der Wortlaut der Testamentsurkunde von 1957 sieht nur eine Ersatzberufung für den Fall des vorzeitigenTodes des Sohnes Hans-Joachim vor; die Annahme, die Ersatzberufung gelte auch für den Fall, daß der Sohn die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt, ist durch den Testamentswortlaut nicht gedeckt. Nun kommt es zwar maßgebend nicht auf den Wortlaut, sondern auf den wirklichen Willen des Erblassers bei der Testamentserrichtung an (§§ 133, 2084 BGB); eine über den Wortlaut hinausgehende Testamentsauslegung ist jedoch nur möglich, wenn ein solcher weiterer Wille des Erblassers entweder in der Testamentsurkunde irgend einen, wenn auch noch so unvollkommenen Niederschlag gefunden hat (unmittelbare Auslegung) oder wenn der Erblasser die zu beurteilende Sachlage nicht bedacht hat, aber sie in einem bestimmten Sinn geregelt hätte, wenn er an sie gedacht hätte (ergänzende Auslegung). Das Berufungsgericht läßt offen, ob es eine unmittelbare oder eine ergänzende Auslegung vornimmt (vgl. BU S. 8 Mitte und S. 10 Mitte). Die Erwägungen, mit denen es zur Bejahung eines mindestens hypothetischen Erblasserwillens zur Ersatzberufung auch für den eingetretenen Fall des Pflichtteilsverlangens des Sohnes kommt, sind nicht rechtsirrtumsfrei.
1.Schon wortlautmäßig hat der Erblasser im genannten Testament bei Regelung der Voraussetzungen der Nacherbfolge die verschiedenen Möglichkeiten der Entwicklung nach seinem Tode in besonders umsichtiger Weise berücksichtigt (Tod, Wiederheirat, eheähnliche Verbindung der Vorerbin). Das legte die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht angestellte Erwägung nahe, ob bei Regelung derErsatzerbfolge deren wortlautmäßiger Beschränkung auf einen einzigen von mehreren möglichen Fällen eines Ausscheidens des Primär-Nacherben (Tod) nicht ein ebenso wohlüberlegter Wille des Erblassers zugrunde liegt, für andere Ausscheidensfälle (insbesondere den der Erbausschlagung mit Pflichtteilsverlangen) eine Ersatzberufung nicht vorzunehmen.
2.Das Berufungsgericht stellt an den Anfang die Würdigung des früheren Testaments vom Juli 1954. Damals hatte der Erblasser in einem aus der Haft an die Klägerin geschriebenen, insoweit ausdrücklich als testamentarische Verfügung bezeichneten Brief geschrieben:"Sollten Hansi oder Günter (die beiden Sohne des Erblassers) nach meinem Ableben von Dir (Klägerin) einen Pflichtteil verlangen, verlieren sie und ihre Kinder das ihnen zugebilligte Nacherbrecht."
Das Berufungsgericht hält diese Bestimmung deshalb fürüberholt, weil sie sich eindeutig nur auf das vorangegangene Testament vom 18. Mai 1954 beziehe und dieses eine wesentlich andere Gestaltung der Erbfolge enthalte als das jetzt maßgebende Testament von 1957. Die beiden letzteren Erwägungen treffen allerdings zu: 1954 hatte der Erblasser zwar wie 1957 die Klägerin als Vorerbin eingesetzt, als Nacherben jedoch abweichend von 1957 seine beiden Söhne zu je 2/5 und deren eheliche Nachkommen zusammen zum restlichen Fünftel (übrigens nur unter der Voraussetzung, daß sie der Klägerin, seiner damaligen Verlobten,über seinen Tod hinaus jederzeit hilfsbereit und ritterlich zur Seite stunden). Aber die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, jene Erstreckung der Enterbung auf die Abkömmlinge der den Pflichtteil verlangenden Söhne im Nachtragstestament von 1954 sei durch das Testament von 1957 überholt, entspringt einer bloß äußerlichen Betrachtung der zeitlichen Aufeinanderfolge. Übersehen ist dabei einmal, daß diese Erstreckungsanordnung von 1954 eine besonders weitgehende Bedeutung hat, indem sie nicht nur eine sonst (zwar unwahrscheinliche, oben I, aber) nicht ausgeschlossene Berufung der Enkel als Ersatznacherben ausschließt, sondern sogar ihre damals ausdrücklich verfügte Berufung als Primär-Nacherben zu 1/5; im Jahre 1957, wo der Sohn Hans-Joachim allein als Primär-Nacherbe und sein Abkömmling nur als Ersatznacherbe bestimmt war, bestand für den Erblasser (zumal im. Hinblick auf die Unanwendbarkeit des § 2069 BGB für diesen Fall, oben I) weit geringerer Anlaß, einen von ihm gewollten Wegfall des Enkels als Ersatznacherben für den Fall des Pflichtteilsverlangens des Sohnesausdrücklich, anzuordnen. Das Berufungsgericht berücksichtigt des weiteren in diesem Zusammenhang nicht, daß der eindeutige Wortlaut des Testaments von 1957 eine ausdrückliche Ersatzerbeinsetzung des Enkels (und der Schwiegertochter) nur für den Fall vorzeitigen Todes des Sohnes vorsieht (oben vor 1); aus dem Umstand aber, daß der Erblasser das nur für einen anderen Fall (Tod) angeordnete Ersatzerbrecht für den Fall des Pflichtteilsverlangens des Sohnes nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, kann kein Anzeichen dafür entnommen werden, daß der Erblasser für diesen Fall die Ersatznacherbeinsetzung gewollt hätte.
3.Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung vom Willen des Erblassers u.a. darauf, daß dieser die Rechte der Klägerin ausdrücklich auf die Dauer ihrer Treue zum Erblasser über den Tod hinaus, spätestens auf ihre Lebenszeit beschränkt hat, daß sie in jedem Fall nur Vorerbin sein sollte (BU S. 7). Daraus kann indessen höchstens geschlossen werden, daß auch beim Pflichtteilsverlangen des Sohnes irgend jemand anders Nacherbe sein soll (§ 2142 Abs. 2 BGB), aber noch nicht, wer. Die Bestimmung des § 2069 BGB, die das Berufungsgericht gerade in diesem Zusammenhang heranzieht, scheidet wegen der Besonderheit des Falles des Pflichtteilsverlangens aus (oben I). Aus dem gleichen Grund gibt aber auch der Umstand, daß der Enkel (und ersatzweise die Schwiegertochter) für den Fall vorzeitigen Todes des Sohnes im Testament ausdrücklich zum Ersatzerben berufen ist, für sich allein noch keinen Anhaltspunkt dafür, daß dieselbe Ersatzberufung auch für den Fall des Pflichtteilsverlangens gewollt wäre. Dies um so weniger, als das Testament unter den ersatzweise zu Nacherben Berufenen, wenn auch erst an letzter Stelle, auch eine Person aufführt, für welche die Bedenken gegen eine Ersatzberufung der Sohnesangehörigen nicht zutreffen, nämlich die evangelische Landeskirche. Das Berufungsgericht hat die naheliegende Frage nicht erörtert, ob der (wirkliche oder hypothetische) Wille des Erblassers für den Fall des Pflichtteilsverlangens des Sohnes, wenn nicht auf Wegfall einer Nacherbeinsetzung überhaupt, dann auf eine Berufung der Kirche zum Nacherben hinsichtlich des ganzen Nachlasses ging (und zwar zur einen Hälfte im Wege des Aufrückens als Ersatzerbe hinter Sohn und Enkel und zur anderen Hälfte entsprechend § 2089 BGB).
4.Das Berufungsgericht hält die Belastung der Klägerin mit dem vom Sohn Hans-Joachim geltend gemachten Pflichtteilsanspruch nicht für ausreichend zur Annahme, der Erblasser habe für diesen Fall den (ganzen oder teilweisen) Nichteintritt der Nacherbschaft seiner Angehörigen und damit die "Bestrafung" seines Enkelkindes und den Abfluß des Familienerbes in die Familie der Klägerin gewollt. Es räumt selbst ein, der Erblasser sei unverkennbar bestrebt gewesen, die Klägerin auf Lebenszeit sicherzustellen, und das Pflichtteilsverlangen des Sohnes Hans-Joachim bedeute für sie eine nicht unerhebliche Belastung. Wenn es dem die Erwägung gegenüberstellt, der Erblasser habe die Klägerin bewußt dem Pflichtteilsverlangen des (völlig enterbten) Sohnes Günter ausgesetzt, so gestattet das nach der Lebenserfahrung nicht den vom Berufungsgericht daraus gezogenen Schluß, der Erblasser habe oder hätte auch ein Pflichtteilsverlangen des anderen Sohnes (Hans-Joachim) ohne nachteilige erbrechtliche Folgen für dessen Angehörige in Kauf nehmen wollen. Daß der mit dem Testament von 1954 verfolgte Zweck, die Klägerin in den Genuß von Pensionsansprüchen zu setzen, inzwischen erreicht worden sein mochte, mochte den 1954 für den Fall des Pflichtteilsverlangens vorgesehenen Wegfall der Nacherbenrechte allerdings nicht mehr so wichtig in dem Sinne, daß er für die Klägerin eine Existenzfrage gewesen wäre - insoweit ist dem Berufungsgericht beizutreten -; das besagt aber allein noch nichts Entscheidendes für einen Willen des Erblassers im Jahre 1957 zur Geltung der Ersatzberufung auch für diesen Fall.
5.Das Berufungsgericht stellt mehrfach auf die Person des Enkelkindes ab: die natürlichen Bindungen zwischen dem Großvater und ihm, für welche der religiöse Erblasser durchaus empfänglich gewesen sei, hätten sich durch das persönliche Kennenlernen nach der Haftentlassung verstärkt (BU S. 9), der Enkel solle nicht für das Verhalten des Sohnes "bestraft" werden (BU S. 3 unten), für eine Auswirkung der Zerwürfnisse zwischen Vater und Sohn auf den Enkel bestehe kein Anhaltspunkt (BU S. 9/10). Dabei ist jedoch die naheliegende Möglichkeit nicht berücksichtigt, daß die Nichtberufung des Enkels (und der Schwiegertochter) für den Fall des Pflichtteilsverlangens des Sohnes nicht zum Zweck der Benachteiligung des Enkels erfolgte, sondern zur Minderung des Anreizes für den Sohn, den Pflichtteil geltend zu machen und dadurch den auf möglichst ungeschmälerte Nutznießung des Nachlasses durch die Vorerbin gerichteten Willen des Erblassers zu durchkreuzen (vgl. KG JFG 20, 17 = DR 1939, 1085).
6.Das Berufungsgericht mißt der inneren Bindung des Erblassers an die Klägerin und der Dankbarkeit, die er ihr gegenüber wegen ihrer Bemühungen um seine Freilassung empfunden habe, keine ausschlaggebende Bedeutung bei, indem es auf sein Alter (über 60 Jahre) und die kurze Ehedauer abhebt (BU S. 9). Aber diese beiden Umstände hingen mit der über 11jährigen Dauer seiner Haft zusammen, über seine Eindrücke während dieser Haftzeit, die nach der Lebenserfahrung den Testierwillen des Erblassers auch für die spätere Zeit maßgebend geprägt haben können, gibt der Erblasser im Testament von 1957 einleitend (Bl. 1 und 2) eine ausführliche Schilderung; er rühmt die unausgesetzten und schließlich erfolgreichen Bemühungen der Klägerin um seine vorzeitige Entlassung und beklagt sich, seine Söhne hätten sich während seiner Haftzeit sehr wenig um ihn gekümmert, sondern nach anfänglichen Unterstützungen 1950/51 dies ausschließlich der damals um ihre eigene Existenz ringenden Klägerin überlassen; dem Sohn Hans-Joachim insbesondere wirft er vor, er habe Mobiliar des Vaters, darunter einen Bechstein-Flügel, während der Haftzeit eigenmächtig veräußert und entfernt und damit, ebenso wie der Sohn Günter, die Interessen des Vaters nicht so gewahrt, wie dieser es bei der den Söhnen gewährten Erziehung und Fürsorge erwartet habe. Diese Ausführungen des Erblassers sind vom Berufungsgericht nicht gewürdigt, obwohl sie den Schluß nahe legen, daß dem Erblasser die Sorge um die Erhaltung der Klägerin in möglichst ungeschmälertem Genuß seines gesamten Nachlasses (während der Lauer der Vorerbschaft) an erster Stelle stand und demgegenüber der Wunsch späterer Vererbung in die Familie des einen Sohnes zurücktrat.
7.Nach allem ist nicht ersichtlich, worin das Berufungsgericht die entscheidenden "Besonderheiten des vorliegenden Falles" sieht (BU S. 10), die es rechtfertigen sollen, von der Beurteilung der Auswirkung des Pflichtteilsverlangens auf die Ersatzberufung der Angehörigen im Regelfall (oben I) abzuweichen.
III.Hiernach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu erneuter tatrichterlicher Würdigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.