Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 21.04.1967, Az.: V ZR 75/64
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. Januar 1964 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1954 verstorbene Rechtsvorgänger (Vater) der Beklagten hat an die Rechtsvorgängerin der Klägerin (IG.-F. AG) durch notariellen Vertrag vom 9. August 1927 den gröÃeren Teil seines Fabrikanwesens in München veräuÃert und ihr u.a. das Recht eingeräumt, das Restgelände (damals 14,2 a) nach dem 1. April 1928 jederzeit in näher bezeichneter Weise für 150.000 GM käuflich zu erwerben. Zugunsten der Käuferin wurde im Grundbuch eine Vormerkung auf Eigentumsübertragung hinsichtlich des Restgeländes eingetragen.
Mit der 1960 erhobenen Klage begehrt die Klägerin hinsichtlich dieses Restgeländes einschlieÃlich einer ihm inzwischen zugeschriebenen weiteren Fläche von 1,2 a (nicht mehr benötigter StraÃengrund, als Grünstreifen bezeichnet) Auflassung und Umschreibungsbewilligung Zug um Zug gegen Zahlung von 150.000 DM oder mehr, sowie 6 Monate nach Urteilsrechtskraft Räumung und Herausgabe, hilfsweise Abschluà eines entsprechenden Kaufvertrags.
Die Beklagten halten jene Vereinbarung wegen Unvollständigkeit für unwirksam, mindestens die Rechtsausübung für verspätet und deshalb sowie wegen der zwischenzeitlichen grundlegenden Veränderungen der Verhältnisse für unzulässig.
Das Landgericht hat die Beklagten zum Abschluà eines Kaufvertrags mit 728.349 DM Kaufpreis verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Abschluà eines Kaufvertrags weiter, und zwar jetzt mit einer Zug um Zug-Zahlung von 346.250 DM, fürsorglich eines Ermessensbetrags; die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Das Oberlandesgericht legt die Vereinbarung als Begründung eines Ankaufsrechts im Weg des Kauf-Vorverträge aus. Es wendet auf dieses Ankaufsrecht die für das Wiederkaufsrecht geltende 30-jährige AusschluÃfrist des § 503 BGB entsprechend an. Deshalb halt es die Ausübung des Wiederkaufsrechts wegen Verspätung für unwirksam und die Klage daher für unbegründet, ohne daà es auf weiteres ankomme.
Dies greift die Revision mit Recht an.
I.Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daà die Einräumung eines sogenannten Ankaufsrechts in verschiedenen Rechtsformen möglich ist, insbesondere durch Verkaufsangebot, durch Kauf-Vorvertrag oder durch (schon jetzt abgeschlossenen) aufschiebend bedingten Kaufvertrag (Senatsurteil vom 28. September 1962, V ZR 8/61, LM BGB § 433 Kro 16). Es entscheidet sich im vorliegenden Fall für die Annahme eines Kauf-Vorvertrags. Diese Auslegung ist rechtlich möglich und daher für das Revisionsgericht bindend; sie wird auch von den Revisionsparteien nicht angegriffen, Legt man sie aber zugrunde, so kann die entsprechende Anwendung des § 503 BGB rechtlich nicht gebilligt werden.
a)Dem Tatrichter ist zwar zu folgen in der Ausgangserwägung, daà das im Gesetz nicht geregelte Ankaufsrecht mit den im Gesetz geregelten Rechtsgebilden des Wiederkaufsrechts und des Vorkaufsrechts wirtschaftlich verwandt und deshalb eine entsprechende Anwendung geeigneter, für diese Rechte gegebener Vorschriften nicht ausgeschlossen ist (RGZ 154, 355, 359). Unrichtig ist jedoch die unmittelbar hierauf folgende Bemerkung: welche der für beide Rechtsgebilde gegebenen Vorschriften im Einzelfall entsprechend angewendet werden könnten, hänge davon ab, ob das Ankaufsrecht gröÃere Ãhnlichkeit mit dem Wiederkaufsrecht oder mit dem Vorkaufsrecht ausweise. Hier setzt der Tatrichter bereits die analoge Anwendung von Vorschriften entweder des einen oder des anderen Rechtsgebildes als bejaht voraus und erwägt nur noch, welche der beiden Alternativen zutrifft. (In gleicher Richtung liegt die spätere Erwägung des Berufungsgerichts: es sei kein Grund ersichtlich, warum für ein Ankaufsrecht, das gröÃere Ãhnlichkeit mit einem Wiederkaufsrecht aufweise, bei grundsätzlicher Zulässigkeit von Analogie gerade § 503 BGB ausgeschlossen sein solle.) Richtigerweise ist aber zunächst zu fragen, ob überhaupt ein Anlaà für irgendeine analoge Anwendung von für andere Rechtsgebilde gegebenen Vorschriften - hier: hinsichtlich der Rechtsbefristung - vorliegt. Diese Frage kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht einheitlich für alle Rechtsformen des Ankaufsrechts beantwortet werden.
b)Die Veränderung der Rechtslage durch Zeitablauf (Verjährung im weiteren Sinne) ist im geltenden Recht nicht allgemein geregelt. Hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung kennt das Gesetz Verjährungsfristen, deren Ablauf das Recht zwar bestehen läÃt, aber dem Gegner ein Leistungsverweigerungsrecht gibt (Verjährung im engeren Sinne, §§ 194 ff, 222 BGB), und AusschluÃfristen, deren Ablauf einen Wegfall des Rechts selbst bewirkt (Motive zum BGB I 292). Der Verjährung im genannten engeren Sinne unterliegen allgemein Ansprüche, d.h. das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB); die Frist ist bei den einzelnen Ansprüchen verschieden und beträgt in der Regel 30 Jahre (§§ 195 ff). Für Rechte, die nicht unter den Anspruchsbegriff fallen, kommen AusschluÃfristen in Betracht; diese sind jedoch nicht allgemein, sondern für einzelne Rechte besonders festgelegt.
Für das Wiederkaufsrecht, dessen gesetzliche Befristung das Berufungsgericht entsprechend für das Ankaufsrecht heranzieht, war bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegen der bis dahin in manchen Ländern geltenden Regelung eine besondere Befristung zunächst nicht vorgesehen (Motive a.a.O. II 341/42). Das lag nicht nur daran, daà man eine Präklusivfrist als willkürlich und für Notverkäufe mit Rückkaufsrecht nicht angemessen ansah (Motive a.a.O.), sondern auch an der damals für die Anspruchsverjährung vorgesehenen Regelung, wonach der Lauf der Verjährungsfrist bei bedingten Ansprüchen zwar in der Regel erst mit dem Eintritt der Bedingung beginnen sollte, jedoch dann, wenn die Anspruchsentstehung von dem bloÃen Wollen des Berechtigten abhing, schon mit demjenigen Zeitpunkt, in welchem der Anspruch zur Entstehung gebracht werden konnte (§ 158 Abs. 2 und 3 des Entwurfs I, Motive a.a.O. und Band II 309/310). Diese Vorverlegung des Verjährungsbeginns für potestativ bedingte Ansprüche wurde jedoch dann auf bestimmte, das Wiederkaufsrecht nicht einschlieÃende Einzelfälle beschränkt, die etwa den heutigen §§ 199, 200 BGB entsprechen, und als allgemeine Regel verworfen, weil diese zu weit gehe und nicht selten zu unbilligen Ergebnissen für den Berechtigten führen könne, wobei man als Beispielsfall gerade das Wiederkaufsrecht hervorhob (Protokolle I 210/11). Infolgedessen blieb es auch für Potestativbedingungen bei der für Bedingungen allgemein geltenden Regel, daà der Beginn der Verjährung bis zum Eintritt der Bedingung aufgeschoben ist; zwar wurde die dahingehende ausdrückliche Bestimmung des Entwurfs gleichzeitig gestrichen, aber nur, weil sie selbstverständlich und deshalb entbehrlich sei (Protokolle a.a.O.); die Geltung der genannten Regel ist auch heute anerkannt. Dies bedeutet für das Wiederkaufsrecht, daà die Käuferansprüche des Wiederkaufberechtigten nach dem ursprünglichen Entwurf bereits mit der Begründung des Wiederkaufvorbehalts (ursprünglicher Kaufvertrag) zu verjähren beginnen sollten, aber nach der zum Gesetz gewordenen Regelung erst mit der Ausübung des Wiederkaufsrechts zu verjähren beginnen.
Im Hinblick darauf hielt man es entgegen der ursprünglichen Planung nunmehr für angebracht, die Ausübung des Wiederkaufsrechts selbst durch eine AusschluÃfrist zeitlich zu begrenzen, und zwar mit dem schlieÃlich Gesetz gewordenen Inhalt (§ 503 BGB): die Frist beträgt bei Grundstücke 30 Jahre von der Vereinbarung des Wiederkaufsvorbehalts an, sie gilt jedoch nur subsidiär, nämlich vorbehaltlich einer anderweitigen Fristbestimmung durch die Kaufpartner, welche sie nicht nur abkürzen, sondern - anders als eine Verjährung frist (§ 225 BGB) - auch verlängern können.
c)Diese Entstehungsgeschichte des vom Berufungsgericht analog angewandten § 503 BGB ergibt, daà die AusschluÃfrist schon beim Wiederkaufsrecht keineswegs als ihm wesenseigen angesehen, sondern nur deshalb eingeführt wurde, um eine Lücke auszufüllen, die durch den Wegfall eines bereits mit der Vereinbarung des Wiederkaufsvorbehalts beginnenden Verjährungslaufs entstanden war. Deshalb ist bei der Erwägung, ob § 503 BGB auf ein Ankaufsrecht entsprechend angewendet werden soll, zunächst zu fragen, ob auch bei ihm eine solche Lücke besteht, indem eine zeitliche Beschränkung fehlt.
Diese Frage kann nicht allgemein für jede Art von Ankaufsrecht, sondern nur gesondert für jede der drei genannten Arten beantwortet werden.
Ihre Bejahung liegt allerdings dann nahe, wenn das Ankaufsrecht in der Rechtsform eines (sofort abgeschlossenen) bedingten Kaufvertrags begründet wird. In diesem Fall läÃt die Einräumung des Ankaufsrechts nur einen bedingten Anspruch entstehen, nämlich einen Anspruch auf die Verkäuferleistungen (Ãbertragung von Eigentum und Besitz an der Kaufsache, § 433 BGB), bedingt durch eine (spätere) Erklärung des Käufers (zulässige Potestativbedingung, vgl. Plenarbeschluà RGZ 72, 385 sowie das genannte Senatsurteil vom 28. September 1962), daà er die Rechte aus dem Vertrag geltend mache (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1960, V ZR 187/58 und Urteil vom 21. Januar 1965, II ZR 32/62, WM 1965, 356). Die Verjährung eines bedingten Anspruchs beginnt aber nicht schon mit seiner Einräumung, sondern erst mit dem Eintritt der Bedingung, also der Ausübung des Ankaufsrechts, zu laufen; daà es sich um eine nur vom Wollen des Berechtigten abhängige Bedingung handelt, ändert daran nach geltendem Recht nichts (oben b). Infolgedessen fehlt es bei einem in der Form des bedingten Kaufvertrags eingeräumten Ankaufsrecht allerdings an einer vom Gesetz unmittelbar bestimmten Frist, die bereits vom Zeitpunkt der Ankaufsrechtseinräumung an laufen würde. Andererseits ist ein Bedürfnis nach irgendeiner, wenn auch nur subsidiären Befristung für das Ankaufsrecht zu bejahen; insoweit tritt der Senat dem Berufungsgericht bei. Dies mag die Anlehnung an eine für einen ähnlichen Fall gegebene gesetzliche AusschluÃfrist rechtfertigen, als welche die des § 503 BGB in Betracht kommt.
Anders ist die Rechtslage jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in Fällen wie dem hier gegebenen, wo das Ankaufsrecht in der Form des Kauf-Vorvertrags vereinbart ist. Hier ist das dem Ankaufsberechtigten zustehende Recht ein unbedingter, sofort fälliger Anspruch auf Abschluà eines Kaufvertrags. Er unterliegt der 30-jährigen Verjährung, und die Verjährungsfrist beginnt bereits mit dem Abschluà des Vorvertrags zu laufen. Hier ist ein Bedürfnis nach einer AusschluÃfrist für die Rechtsausübung und damit die entsprechende Anwendung des § 503 BGB zu verneinen: Die Länge der Frist (30 Jahre) brächte bei Grundstücken gegenüber der Verjährungsfrist im Regelfall keine Ãnderung. Allerdings unterliegt eine Verjährungsfrist der Hemmung und Unterbrechung (§§ 202 ff, 208 ff BGB), eine AusschluÃfrist mangels eines bei § 503 BGB fehlenden ausdrücklichen Gesetzesbefehls dagegen nicht (vgl. BGB RGRK 11. Aufl. § 503 Anm. 4); dieser Unterschied kann zwar im Einzelfall zu einem anderen Ergebnis führen, ist jedoch allgemein gesehen nicht so wesentlich, daà er ein Bedürfnis begründen würde, beim Ankaufsrecht der genannten Art zusätzlich zur 30-jährigen Verjährungsfrist noch eine 30-jährige AusschluÃfrist zu setzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daà die AusschluÃfrist des § 503 BGB nicht zwingend, sondern nur aubsidiär vorgeschrieben ist, die Parteien also anders als bei der Verjährung auch eine längere Frist vereinbaren können (§ 503 Satz 2 gegenüber § 222 BGB); auch dies spricht maÃgebend gegen ein Bedürfnis, die bereits vom Gesetz unmittelbar gewährte Verjährungsfrist durch jene AusschluÃfrist zu ergänzen.
Bei einem Ankaufsrecht in der Form des Kaufvertragsangebots liegt die Frage nach einer AusschluÃfrist entsprechend § 503 BGB wiederum anders, da das Gesetz selbst eine Regelung über die Bindungsdauer getroffen, diese jedoch nicht mathematisch errechenbar bestimmt, sondern durch Verweisung auf denjenigen Zeitpunkt als Endtermin, in welchem der Antragende (Verkäufer) den Eingang der Antwort (Annahmeerklärung des Käufers) unter regelmäÃigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Diese Frage kann hier offen bleiben, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt.
II.Hiernach reicht die vom Oberlandesgericht gegebene Begründung zur Klagabweisung nicht aus. Da die Urkunde von 1927 im Sinne eines Kaufvorvertrags ausgelegt ist, findet eine entsprechende Anwendung des § 503 BGB nicht statt; es gilt nicht eine 30-jährige AusschluÃfrist, die zwar subsidiär ist, aber weder Hemmung noch Unterbrechung kennt, sondern die Verjährungsfrist des § 195 BGB, die zwar ebenfalls 30 Jahre vom Vertragsschluà an beträgt und zwingend vorgeschrieben ist, aber der Hemmung und Unterbrechung unterliegt. Infolgedessen kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichte darauf an, ob die Frist durch den Schriftwechsel von 1954, über den das Berufungsgericht keine Feststellung getroffen hat, unterbrochen worden ist. Wird dies bejaht, so kommt in Frage, ob die Geschäftsgrundlage des Vorvertrags durch erhebliche zwischenzeitliche Veränderungen der Verhältnisse weggefallen ist (§ 242 BGB) und ob dies die KaufabschluÃpflicht der Beklagten beseitigt oder ihr einen anderen Inhalt, insbesondere hinsichtlich der Gegenleistung (Kaufpreishöhe) gegeben hat, sowie ob sonstige Gründe vorliegen, die die Rechtsausübung der Klägerin unzulässig machen; hierüber haben die Beklagten Tatsachenbehauptungen aufgestellt, das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen.
Da das Berufungsurteil auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden kann (§ 563 ZPO), war es aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision.