Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 27.04.1971, Az.: VI ZR 167/69
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Mai 1969 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Kläger zur Last.
Tatbestand
Der Kläger errichtete im Jahre 1960 in G.-G. ein Wohn- und Geschäftshaus. Dazu wurden "iso-span-Steine" verwendet, die der Kläger von der in F. ansässigen Beklagten bezog. Es handelt sich um Hohlblöcke aus iso-span, einer Masse aus Holzspänen und Zement. Ihre AuÃenwände sind mit Stegen verbunden. Die Steine werden trocken verlegt und alsdann ihre Hohlräume mit Beton verfüllt. Die Steine, die die Beklagte dem Kläger lieferte, unterschieden sich von denjenigen, die sie bisher hergestellt hatte und die durch Zulassungsbescheid des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Mai 1958 allgemein baurechtlich zugelassen worden waren (vgl. § 13 BayBauO 1901), dadurch, daà die - ebenfalls aus iso-span gefertigten - Stege nicht mit den Schalen in einem Stück gepreÃt, sondern nachträglich eingeklebt waren. Eine allgemeine baurechtliche Zulassung hatte die Beklagte für diese Fertigungsart nicht erwirkt. Bei der Lieferung erklärte sie dem Kläger, daà die Steine mit geklebten Stegen den in einem Stück gefertigten nicht nachstünden.
Beim Verfüllen der Steine mit Beton durch das vom Kläger beauftragte. Bauunternehmen lösten sich mehrfach die äuÃeren Frontplatten. Nach Ausbesserung durch die Beklagte und Anbringung eines Edelputzes traten jedoch an der Aussenfront des Gebäudes keine Schäden mehr auf. Dagegen zeigten sich am Innenputz weithin Risse und Sprünge, die dem Fugenbild des Mauerwerkverbandes folgten.
Der Kläger führt diese Schäden auf die Beschaffenheit der gelieferten Steine zurück. Durch sie seien, wie er meint, am Gebäude nicht mehr behebbare Schäden entstanden, über deren Höhe das Gericht entscheiden möge. Er ist der Auffassung, daà die Klägerin mit der Lieferung dieser nicht allgemein zugelassenen Bauelemente ein ihn schützendes Gesetz verletzt, und ihn überdies durch Verschweigen der Beschaffenheit der Hohlsteine betrogen, also auch § 263 StGB als Schutzgesetz verletzt habe.
Der Kläger hat mit der zu dem für seinen Wohnsitz zuständigen Landgericht München II erhobenen Klage beantragt, für Recht zu erkennen:
Die Beklagte ist schuldig, ihm, dem Kläger, denjenigen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, daà die Beklagte die beim Um- und Ausbau des klägerischen Anwesens in G., S. StraÃe verwendeten iso-span-Steine geliefert hat. Die Höhe dieses Schadens möge das Gericht gemäà § 287 ZPO bestimmen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
A.Der Kläger hat seine Ansprüche erst im zweiten Rechtszug auch auf den Kaufvertrag über die Bausteine gestützt. Hierauf ist das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich eingegangen. Es war indessen aus Verfahrensgründen auch nicht in der Lage, sich mit vertraglichen Anspruchsgrundlagen zu befassen. Das Gericht des ersten Rechtszugs war nur für Ansprüche aus unerlaubter Handlung örtlich zuständig und hatte demgemäà mit Zwischenurteil vom 6. Juli 1966 seine Zuständigkeit zutreffend nur insoweit bejaht (§ 32 ZPO). Daà das sodann mit dem Rechtsstreit befaÃte Berufungsgericht auch für den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zuständig gewesen wäre, ändert daran nichts (Senatsurteil vom 8. Dezember 1970 - VI ZR 178/68 - NJW 1971, 564).
Die Revision hat daher insoweit auch nichts erinnert. Es gilt jedoch klarzustellen, daà die Klage, soweit sie sich auf vertragliche Ansprüche stützt, nicht aus Gründen des sachlichen Rechts, sondern aus Verfahrensgründen abgewiesen ist.
B.I.Das Berufungsgericht erachtet die auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung gestützte Klage für unbegründet, weil es aufgrund sachverständiger Beratung nicht festzustellen vermag, daà die Schäden am Innenputz auf die Beschaffenheit der von der Beklagten gelieferten Steine zurückzuführen sind. Dabei geht es zugunsten des Klägers davon aus, daà für dessen Darstellung der Grundsatz des ersten Anscheins spreche, hält aber den Anscheins beweis für entkräftet, da der Sachverständige die am Innenputz aufgetretenen Schäden nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Beschaffenheit der Hohlsteine zurückführen könne. Das Berufungsgericht führt im einzelnen aus, daà und warum der Sachverständige eine unsachgemäÃe Aufbringung des Putzes sowie einen unsachgemäÃen Satz der Steine als hinreichende Ursache für die aufgetretenen Putzschäden bezeichnet habe.
Die gegen diese Begründung gerichteten Angriffe der Revision können keinen Erfolg haben. Es kann schon zweifelhaft sein, ob überhaupt die Grundlagen für einen Anscheinbeweis gegeben sind; jedenfalls sind die Feststellungen des Berufungsgerichts selbst dann rechtlich möglich, wenn in der Tat von einem zu Gunsten des Klägers streitenden Beweis des ersten Anscheins ausgegangen werden müÃte.
Von einem Eingehen auf die übrigen im Zusammenhang mit dieser tatrichterlichen Feststellung erhobenen Verfahrensrügen im einzelnen sieht der Senat ab (Entlastungsgesetz vom 15. August 1969 Art. 1 Nr. 4), da er sie nicht für durchgreifend erachtet.
II.Die Revision rügt ferner, daà das Berufungsgericht auf die Behauptung des Klägers nicht eingeht, die mangelhafte Beschaffenheit der Hohlsteine habe auch die statische Qualität des Mauerwerks beeinträchtigt, weil es nicht zu der notwendigen Haftung zwischen dem Füllbeton und den ihn ummantelnden Steinen gekommen sei.
Diese Rüge ist an sich begründet. Sie führt jedoch nicht zum Erfolg der Revision, weil der vom Berufungsgericht nicht ausdrücklich beschiedene Vortrag die Klage nicht stützen kann. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.
1.Einen Anspruch aus unerlaubter Handlung hat der Kläger teils nicht schlüssig dargetan, teils nicht unter Beweis gestellt.
a)Die Lieferung nicht allgemein zugelassener Baustoffe war im fraglichen Zeitpunkt in Bayern nicht etwa gesetzlich verboten (vgl. hierzu im einzelnen die Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 9. November 1964, die eine zutreffende Darstellung der Rechtslage enthält). Schon deshalb vermag der Kläger seinen Anspruch zunächst insoweit nicht auf die Verletzung eines ihn schützenden Gesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) zu stützen, so daà es auf die Frage, ob und inwieweit Bestimmungen der Bauordnungen Schutzgesetze sind, nicht ankommt.
b)Auf eine Verletzung seines Eigentums an dem neuerstellten Gebäude (§ 823 Abs. 1 BGB) kann der Kläger seinen Anspruch deshalb nicht stützen, weil die (angeblich) anfänglich mangelhafte Errichtung eines Gebäudes keine Eigentumsbeschädigung darstellt (vgl. BGHZ 39, 366 [BGH 30.05.1963 - VII ZR 236/61]).
c)Der Kläger will schlieÃlich von der Beklagten getäuscht und betrogen worden sein (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB). Auch damit kann er keinen Erfolg haben.
Daà die tatsächlich gelieferten Steine nicht den von der Beklagten früher hergestellten (mit aus einem Stück mit den Schalen gepreÃten Stegen) entsprachen, war dem Kläger bzw. seinem für ihn handelnden Architekten bekannt, denn die Beklagte hat nach Feststellung des Berufungsgerichts versichert, daà die gelieferten Steine den früher hergestellten gleichwertig seien.
Die obige Versicherung würde sich nur dann als Betrug darstellen, wenn sie wissentlich unwahr gewesen wäre. Dafür hat der Kläger keinen Beweis angetreten.
Daà die Beklagte die allgemeine Zulassung auch für die tatsächlich gelieferten Steine behauptet hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor. Er legt aber auch keine Umstände dar, unter denen sich das bloÃe Schweigen zu diesem Punkt als Betrug darstellen könnte.
2.Ob sich aus dem Gesichtspunkt des Vertrags weitergehende, auch fahrlässig verletzbare Offenbarungspflichten ergeben konnten, ist nicht zu prüfen, da sich aus der Verletzung solcher Offenbarungspflichten Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht herleiten lassen. Es kann auch offenbleiben, ob die vom Kläger selbst nur in sehr unbestimmter Weise behaupteten statischen Mängel überhaupt vorliegen.
Damit erweist sich der Anspruch aus unerlaubter Handlang insgesamt als unbegründet, ohne daà es darauf ankäme, ob das Gebäude wirklich standfest ist und ob dies auf den Steinen der Beklagten oder deren unsachgemäÃer Verarbeitung durch die Baufirma beruhen würde.