Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 07.02.1984, Az.: VI ZR 174/82
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1982 aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Beklagten zu 1) und 2) erkannt hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin der verlangte Schadensersatz gegen die Erstbeklagte nach §§ 823, 831 BGB und gegen den Zweitbeklagten nach §§ 823, 847 BGB dem Grunde nach zu.
Dazu erwägt das Berufungsgericht: Ein Behandlungsfehler könne nicht festgestellt werden. Die Bestrahlungstherapie sei in dem Krankheitsstadium der Klägerin die damals allein erfolgversprechende Methode gewesen; eine Chemotherapie habe zu dieser Zeit keinesfalls als gleichwertige Alternative vorgeschlagen werden können. Für die Anwendung einer überhöhten Strahlendosis lägen keine Anhaltspunkte vor. Eine Strahlenbelastung des Rückenmarks sei nicht zu vermeiden gewesen. Das Auftreten einer Arachnitis spinalis (Rückenmarksreizung) habe nicht zur Absetzung der Bestrahlung zwingen müssen; diese Symptome bildeten sich in der Regel zurück.
Dagegen sei den Beklagten vorzuwerfen, die Klägerin nicht über das Risiko einer Querschnittslähmung als mögliche Folge der Strahlenbehandlung aufgeklärt zu haben. Dieses Risiko verwirkliche sich bei einer Bestrahlungsdosis unterhalb der anerkannten Toleranzgrenze, wie hier, zwar sehr selten, sei aber typisch für diese Therapie; es sei schon im Zeitpunkt der Behandlung der medizinischen Wissenschaft bekannt gewesen. Hierauf habe die Klägerin vor der Behandlung von dem Zweitbeklagten hingewiesen werden müssen. Daà sie ohne eine Behandlung der Lymphogranulomatose nur eine mittlere Lebenserwartung von etwa 3,2 Jahren gehabt hätte und in diesem Fall ebenfalls der Gefahr einer Querschnittslähmung ausgesetzt gewesen wäre, stehe der Aufklärungsbedürftigkeit ebensowenig entgegen wie die Seltenheit des Behandlungsrisikos. Insoweit sei der Zweitbeklagte seiner Aufklärungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen. In dem der Klägerin übergebenen Merkblatt für Bestrahlungspatienten seien die Risiken einer Strahlenbehandlung verkleinernd dargestellt worden. Ein Hinweis auf das Risiko einer Rückenmarksschädigung sei unstreitig nicht erfolgt. Auch die Erstbeklagte habe für dieses Versäumnis nach § 831 BGB einzustehen; einen Entlastungsbeweis habe sie weder geführt noch angeboten.
Von der Ursächlichkeit des Aufklärungsversäumnisses für die Gesundheitsbeschädigung der Klägerin sei auszugehen. Die Querschnittslähmung sei auf die Bestrahlung der Klägerin zurückzuführen. Zwar sei der Zusammenhang zwischen der Bestrahlung des Rückenmarks und solcher Schädigung auch heute noch nicht bis ins letzte geklärt. Andere Ursachenfaktoren als die Cobaltbestrahlung seien aber hier auszuschlieÃen. Den ihnen obliegenden Nachweis, daà die Klägerin auch bei ordnungsmäÃiger Aufklärung in die Behandlung eingewilligt haben würde, hätten die Beklagten nicht erbracht. Ebensowenig hätten sie nachgewiesen, daà sich eine derartige Gefahr auch bei Nichtbehandlung der Klägerin verwirklicht haben würde.
II.Mit diesen Ausführungen hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Ohne Rechtsfehler stellt allerdings das sachverständig beratene Berufungsgericht fest, daà die Querschnittslähmung der Klägerin durch die Strahlentherapie des Zweitbeklagten ausgelöst worden ist. Die von der Revision hiergegen erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Zu Recht ist das Berufungsgericht dem Vorbringen der Beklagten nicht nachgegangen, in ihrem Hause sei während der 18 Jahre, in denen die Therapie angewendet worden sei, kein einziger Fall einer strahlungsbedingten Rückenmarksschädigung aufgetreten. Die Sachverständigen Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. K. haben bestätigt, daà derartige Schädigungen durch eine Bestrahlung des Rückenmarks, auch bei der angewendeten Technik, schon im Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin in der medizinischen Wissenschaft bekannt gewesen sind. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Sch. ist zwar im internationalen Schrifttum kein vergleichbarer Fall geschildert. Das bezieht sich aber ersichtlich nur auf den konkreten Krankheitsverlauf (Ãbergang einer Rückenmarksreizung in eine chronische Rückenmarkserkrankung), den der Sachverständige hier zugrunde gelegt hat. Auch er hat aber nicht bezweifelt, daà die Querschnittslähmung der Klägerin als Strahlenschädigung bei weitem das Wahrscheinlichste ist, zumal die obere Schädigungsgrenze im bestrahlten Bereich liegt. Ebenso hat der Sachverständige Prof. Dr. K. diesen Zusammenhang angenommen, wie das früher schon die Neurologen bei den Untersuchungen der Klägerin im Jahre 1975 getan haben. Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsgericht seine Feststellung zuverlässig treffen. Der Umstand allein, daà der medizinischen Wissenschaft die genaue Verlaufskette zwischen Bestrahlung und Querschnittsyndrom unbekannt ist, muÃte es hieran nicht hindern; daà solcher Zusammenhang besteht, ist nach den Ausführungen der Gutachter in der Medizin anerkannt. Soweit die Revision die Richtigkeit dieser Ausführungen bezweifelt, begibt sie sich auf das ihr verschlossene Gebiet der Beweiswürdigung.
2.Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin zu folgen, daà der Zweitbeklagte die Klägerin über solche Folgen seiner Therapie nicht im unklaren lassen durfte.
a)Der Zweitbeklagte durfte die Strahlentherapie nicht ohne Einwilligung der Klägerin in die Behandlung anwenden, auch wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diese Methode damals die allein erfolgversprechende gewesen ist und die Klägerin ohne eine Behandlung nur noch eine verhältnismäÃig kurze Lebenserwartung (nach dem Berufungsgericht: mittlere Lebenserwartung von etwa 3,2 Jahren; nach dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch.: von 33 Monaten) hatte. Auch bei vitaler Indikation eines Eingriffs verlangt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, daà sein Arzt ihm die Möglichkeit läÃt, über den Eingriff selbst zu entscheiden und ihn gegebenenfalls abzulehnen, auch wenn solcher Entschluà medizinisch unvernünftig ist. Das stellt auch die Revision im Grundsatz nicht infrage.
Für ihre EntschlieÃung muÃte die Klägerin - wenn auch nur im groÃen und ganzen (ständige Rechtsprechung; vgl. Senatsurteile vom 2. November 1976 - VI ZR 134/75 = NJW 1977, 337 [BGH 02.11.1976 - VI ZR 134/75] - VersR 1977, 255, 256 und vom 23. Oktober 1979 - VI ZR 197/78 - NJW 1980, 633 - VersR 1980, 68, 69) - wissen, worin sie einwilligte. Dazu war sie nicht nur über die Art des Eingriffs, sondern auch über seine nicht ganz auÃer Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken ins Bild zu setzen, soweit diese sich für sie als medizinischem Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergaben und für ihre EntschlieÃung von Bedeutung sein konnten. Zwar muÃten ihr nicht die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden; aber ihr muÃte eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, insbesondere soweit diese, wenn sie sich verwirklichten, ihre Lebensführung schwer belasten muÃten und sie mit ihnen nach der Natur des Eingriffs nicht rechnen konnte (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1979 - a.a.O. und vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - NJW 1980, 1905, 1907 - VersR 1981, 456, 457 m.w.N.).
b)Aufklärungsbedürftig war auch das Bestrahlungsrisiko, das sich hier bei der Klägerin verwirklicht hat.
Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. Sch. solche schweren Komplikationen bei Bestrahlungsdosen unterhalb der anerkannten Toleranzgrenzen, von denen hier zugunsten der Beklagten auszugehen ist, als sehr selten bezeichnet. Für im allgemeinen wesentlich höhere Strahlenbelastungen des Rückenmarks hat er die damals in der medizinischen Literatur genannte Quote dieser Rückenmarksschädigungen durch Cobalt-Bestrahlungen mit maximal 0,15 % angegeben. Ob in dieser Prozentzahl auch Fälle berücksichtigt sind, in denen die Schädigung sich nicht - wie hier - bis zu einer inkompletten Querschnittslähmung gerade dieses Schweregrades entwickelt hat, die aber gleichwohl wegen ihrer erheblichen Auswirkungen auf Befindlichkeit und Lebensführung des Patienten in die Aufklärung einzubeziehen sind, ist aus den Gutachten nicht klar zu beantworten, kann aber dahinstehen. Die Sachverständigen haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, daà bleibende Schädigungen des Rückenmarks - unbeschadet ihrer Seltenheit - als spezifische Folgen solcher Bestrahlung seit langem in der medizinischen Wissenschaft bekannt sind und als solche auch für eine niedrigere Bestrahlungsdosis, wie sie hier zugrunde zu legen ist, von dem Zweitbeklagten nicht auszuschlieÃen waren. Dann aber durfte er dieses Risiko bei der Aufklärung der Klägerin nicht ganz vernachlässigen. Nicht die Komplikationsdichte eines trotz seiner Seltenheit spezifisch mit der Therapie verbundenen Risikos entscheidet über die Aufklärungsbedürftigkeit, sondern seine Bedeutung, die es für die EntschlieÃung des Patienten haben kann (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1979 und vom 22. April 1980 = aaO).
Wegen der besonders schweren Belastung der Lebensführung durch eine Querschnittslähmung kann der Stellenwert dieses Risikos für die Einwilligung des Patienten in die Behandlung nicht verneint werden, auch wenn es sich sehr selten verwirklicht. Auch dann muà er selbst, nicht sein Arzt, darüber entscheiden, ob er sich diesem Risiko aussetzen will (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1975 - VI ZR 122/73 = NJW 1976, 365 - VersR 1976, 369, 370). Das gilt im Prinzip selbst dann, wenn - wovon hier mit dem Berufungsgericht zugunsten der Beklagten auszugehen ist - eine andere erfolgversprechende Behandlungsmethode nicht in Betracht kommt und der Patient ohne die Behandlung nur noch eine verhältnismäÃig kurze Lebenserwartung hat; dies auch dann, wenn eine unbehandelte Lymphogranulomatose mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad als die Therapie zu einer Querschnittslähmung führen kann. Auch ein verständiger Patient kann gleichwohl beachtenswerte persönliche Gründe haben, auf die Behandlung wegen der mit ihr möglicherweise verbundenen schwerwiegenden Folgen zu verzichten und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Das kann jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn - wie hier - auch bei der vom Sachverständigen Prof. Dr. Sch. angenommenen Wahrscheinlichkeitsquote einer erkrankungsbedingten Querschnittslähmung von 2 bis 5% für die Klägerin eine erhebliche Chance blieb, von solchen Folgen verschont zu bleiben. Dem Gesichtspunkt, daà sich bei Ablehnung der Behandlung das gleiche Risiko verwirklichen kann wie das Behandlungsrisiko, kommt zwar für Ersatzansprüche aus Aufklärungsversäumnissen Bedeutung zu, wie später ausgeführt werden wird. Er entbindet aber den Arzt von seiner Aufklärungspflicht im Grundsatz nicht.
c)Freilich bedeutet die prinzipielle Aufklärungsbedürftigkeit des hier infrage stehenden Risikos nicht, daà der Zweitbeklagte der Klägerin die Möglichkeit einer strahlenbedingten Querschnittslähmung im einzelnen schildern muÃte, wovon das Berufungsgericht offenbar ausgeht. Bei der Führung des Aufklärungsgesprächs konnte er durchaus der geringen Wahrscheinlichkeit dieser Folgen Rechnung tragen. Es ist, wie gesagt, nicht Aufgabe der Aufklärung, dem Patienten auch die entferntesten Möglichkeiten eines ungünstigen Behandlungsverlaufs im einzelnen so darzustellen, daà der Patient dem Behandlungsrisiko einen viel höheren Stellenwert beimiÃt, als dem Risiko in Wirklichkeit zukommt. Das würde im Ergebnis dem Patienten ebenfalls ein falsches Bild von der Bedeutung des Eingriffs vermitteln, das zu vermeiden gerade das Anliegen der Patientenaufklärung ist. Zwar darf der Arzt die möglichen Folgen des Eingriffs nicht beschönigen; er muà und darf sie aber nicht schlimmer darstellen, als sie sind. Der Patient soll eine allgemeine Vorstellung von dem Schweregrad des Eingriffs, von den Belastungen erhalten, denen er durch den Eingriff ausgesetzt wird. Das ihm richtig darzustellen, muà der verantwortungsvollen Führung des Aufklärungsgesprächs im Einzelfall überlassen werden. Insoweit können dem Arzt keine rechtlichen Vorschriften gemacht werden, wie er seinem Patienten ein zutreffendes Bild von dem Eingriff vermittelt.
Hier hätte es etwa genügt, wenn der Zweitbeklagte die Klägerin darüber aufgeklärt hätte, daà die Therapie ihr Rückgrat notwendig Strahlenbelastungen aussetzen muÃte, die möglicherweise zu Lähmungserscheinungen führen konnten, welche sich aber in fast allen Fällen zurückbilden würden. Damit hätte die Klägerin eine allgemeine Vorstellung davon bekommen, daà die Bestrahlung in dieser Richtung nicht ganz ungefährlich für sie war. Weitere Einzelheiten über Art und GröÃe des Lähmungsrisikos hätte sie, sofern sie darauf Wert legte, alsdann selbst von dem Zweitbeklagten erfragen können. Solche allgemeine Vorstellung von den möglichen Behandlungsfolgen muÃte aber der Zweitbeklagte der Klägerin geben. Er hatte keinen Grund zu der Annahme, daà sie als medizinischer Laie schon aus dem Umstand, daà das Rückgrat bestrahlt werden muÃte, von sich aus auf Lähmungsfolgen schlieÃen konnte. Insoweit ist der Streitfall nicht mit dem Sachverhalt zu vergleichen, der der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. November 1975 (aaO) zugrunde gelegen hat. In jenem Fall war dem Patienten eröffnet worden, daà er "stündlich mit einer Querschnittslähmung rechnen" müsse, wenn seine Rückgrats-Tbc nicht operiert werde. Dieses Wissen reichte aus, um ihm die Vorstellung zu vermitteln, daà das Querschnittsrisiko, wenn es schon ohne ärztlichen Zugriff auf das Rückgrat bestand, sich auch bei einem operativen Eingriff an der Stelle des so gefährdeten Rückgratdefekts verwirklichen konnte. Hier war indes das Rückgrat der Klägerin nicht durch die Krankheit bereits vorgeschädigt; zudem verbindet der Laie mit einer Bestrahlung gewöhnlich nicht die vergleichbaren Folgen einer Operation.
Entgegen der Auffassung der Revision hätte eine Aufklärung über das Risiko der Bestrahlung mit solchem Inhalt auch nicht die Klägerin einer therapeutisch nicht zu verantwortenden Belastung ausgesetzt. Fälle, in denen aus diesem Grund eine Aufklärung unterbleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1971 - VI ZR 76/70 = NJW 1972, 335 = VersR 1972, 153, 155), müssen die Ausnahme bleiben, damit das durch die Aufklärung zu wahrende Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird. Deshalb sind strenge Anforderungen an die therapeutische Unzumutbarkeit einer Aufklärung zu stellen. Ein allgemeiner Hinweis, sollte er gegeben worden sein, auf die Schwere der Erkrankung, die sich hier zudem noch in einem klinischen Anfangsstadium befunden hat, genügt nicht.
3.Den aufgezeigten Anforderungen genügte die von dem Beklagten gegebene Aufklärung nicht. Das kann das Revisionsgericht aufgrund des Sachverhalts selbst feststellen.
a)Das der Klägerin übergebene "Merkblatt für Bestrahlungsschäden" (Bl. 35 GA I) führt als Nebenwirkungen nur "vorübergehende Nebenerscheinungen allgemeiner Art (Mattigkeit, Kopfschmerzen, Appetitmangel, Ãbelkeit usw.), Hautreaktionen (Rötungen, trockene oder feuchte Abschilferung)", die aber von der Telecobaltbestrahlung "nicht oder nur geringfügig" bewirkt würden, schlieÃlich Veränderungen an der Haut, der Harnblase, den Harnleitern, den Nieren, dem Darm und dem Skelett auf, die aber zur Wiedererlangung der Gesundheit ebenso in Kauf genommen werden müÃten, "wie der Hautschnitt einer Operation". Damit erfüllte das Merkblatt die hier zu stellenden Anforderungen an die Aufklärung über vom Rückgrat ausgehende Lähmungsfolgen nicht nur nicht, sondern es muÃte bei der Klägerin die Vorstellung erwecken, daà von der Bestrahlung gerade des Rückgrats keine spezifischen Nebenwirkungen zu erwarten waren.
Die Behauptung, der Zweitbeklagte habe die Klägerin "über die zu erwartenden Nebenwirkungen einer Strahlenbehandlung in einem eingehenden Gespräch vor und während der Bestrahlungsplanung aufgeklärt", ist von den Vorinstanzen zu Recht als zu unsubstantiiert unbeachtet geblieben. Es ist deshalb schon zweifelhaft, ob die Klägerin wenigstens über die allgemeine Gefährlichkeit der Bestrahlungstherapie hinreichend ins Bild gesetzt worden ist und ob nicht schon insoweit von Aufklärungsversäumnissen des Zweitbeklagten auszugehen ist (vgl. Senatsbeschluà vom 21. September 1982 - VI ZR 192/81 = VersR 1982, 1142). Das kann indes dahinstehen. Die Beklagten haben selbst eingeräumt, daà die Klägerin auf das Risiko einer Rückenmarksschädigung nicht hingewiesen worden sei. Auf eine - wenn auch allgemein gehaltene -Aufklärung über dieses Risiko kommt es im Streitfall aber gerade an.
b)Zutreffend hat das Berufungsgericht beide Beklagten für das Aufklärungsversäumnis verantwortlich gemacht. Daà die hier infrage stehenden Nebenwirkungen auch schon 1974 den Beklagten, wenn nicht aus dem Bereich ihres Krankenhauses, so doch aus der Literatur hätten bekannt sein können und müssen, ist oben schon dargelegt worden. Für das Aufklärungsversäumnis hat der Zweitbeklagte als der die Strahlentherapie führende Arzt einzustehen; die Erstbeklagte, deren eigenes Verschulden für das Versäumnis des Zweitbeklagten nach § 831 BGB zu vermuten ist, hat einen Entlastungsbeweis nicht angetreten.
4.Indes kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, daà die Klägerin, wenn sie nach MaÃgabe der vorstehenden Ausführungen aufgeklärt worden wäre, die Strahlenbehandlung abgelehnt haben würde.
Daà der Einwand der Beklagten, die Klägerin würde sich auch bei ordnungsmäÃiger Aufklärung über das Querschnittsrisiko zu dem Eingriff entschlossen haben, grundsätzlich beachtlich ist, hat der erkennende Senat wiederholt gesagt (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 1980 - VI ZR 263/78 = NJW 1980, 1333 = VersR 1980, 428, 429 m.w.N.). Allerdings haben die Beklagten diesen Nachweis zu führen, und es sind an ihn grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, damit auf diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird. Insbesondere reicht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dazu nicht schon die Feststellung aus, ein vernünftiger Patient würde sich von diesem Risiko nicht abschrecken lassen. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das die Aufklärung sichern soll, schützt auch eine EntschlieÃung, die aus medizinischen Gründen unvertretbar erscheint.
Andererseits hat der erkennende Senat schon wiederholt darauf hingewiesen, daà auch den Patienten Substantiierungspflichten treffen können, wenn er Ersatzansprüche aus einem Aufklärungsversäumnis herleiten will (Senatsurteil vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 69/80 = NJW 1982, 697, 698 = VersR 1982, 147; Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 63/81 = NJW 1982, 700 und vom 21. September 1982 = aaO). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gründe für eine Ablehnung der Behandlung angesichts der Schwere der Erkrankung und der angewendeten, als Methode der Wahl anerkannten Therapie mit einer günstigen Erfolgsprognose und im Regelfall verhältnismäÃig geringen Belastungen für den Patienten nicht ohne weiteres zutage liegen. In solchen Fällen ist es geboten, daà der Patient plausibel darlegt, weshalb er bei Kenntnis der aufklärungsbedürftigen Umstände die Behandlung gleichwohl abgelehnt haben würde. Zwar sind seine persönlichen Gründe für eine solche Ablehnung zu respektieren. Insoweit kann an sie kein generalisierender MaÃstab, etwa der eines verständigen Patienten oder gar die Sicht des Arztes, angelegt werden. Aber sie müssen erkennen lassen, daà der Patient bei ordnungsmäÃiger Aufklärung aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus die behauptete Ablehnung der Behandlung im damaligen Zeitpunkt verständlich wird, und er nicht das Aufklärungsversäumnis nachträglich ausschlieÃlich zur Begründung einer Schadensersatzklage benutzt. Nur auf diese Weise kann einem MiÃbrauch des Aufklärungsrechts allein für Haftungszwecke vorgebeugt werden.
Im Streitfall hat die Klägerin ihre Behauptung, sie hätte bei ordnungsmäÃiger Aufklärung ihre Einwilligung in die Behandlung verweigert, nicht näher begründet. Sie hat lediglich vorgebracht, bei richtiger Aufklärung würde sie spätestens in dem Zeitpunkt, zu dem sie während der Bestrahlung elektrisierende, die Wirbelsäule entlanglaufende Schmerzen verspürt habe, in Kenntnis der Gefahren einer Strahlenbelastung des Rückenmarks den Abbruch der Therapie verlangt haben. Das reicht indes nicht aus, um die MaÃgeblichkeit des Aufklärungsversäumnisses für die Weiterbehandlung plausibel zu machen. Denn solche typischen Nebenwirkungen einer strahlenbedingten Rückenmarksreizung (Arachnitis spinalis) bilden sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. durchweg alsbald zurück. Die Gefahr einer chronischen Verfestigung dieser Wirkungen in einem Querschnittsyndrom war damals nach den Ausführungen des Sachverständigen unbekannt. Die Klägerin müÃte näher darlegen, warum sie - entsprechend aufgeklärt - gleichwohl sich zum Abbruch der Behandlung entschieden haben würde.
Diese Substantiierung ist hier umso mehr geboten, als, wie schon dargelegt, der Abbruch der Behandlung nicht nur die mittlere Lebenserwartung der Klägerin erheblich verkürzt, sondern auch die Gefahr einer - erkrankungsbedingten - Querschnittslähmung beschworen hätte, die im Vergleich zu dem Risiko eines strahlenbedingten Querschnittsyndroms, auf das die Klägerin nach ihrem Vorbringen die Ablehnung gestützt haben würde, erheblich, nach den Angaben des Sachverständigen etwa um das Zehnfache, gröÃer gewesen wäre. Das steht zwar, wie dargelegt, nicht von vornherein der Feststellung entgegen, daà die Klägerin eine Behandlung mit diesem Risiko nicht in Kauf genommen hätte. Gerade bei solcher Sachlage bedarf es aber der Angabe von plausiblen Gründen für solchen EntschluÃ, um einer miÃbräuchlichen Berufung auf das Aufklärungsrecht entgegenzuwirken.
5.Da das Berufungsurteil mit anderer rechtlicher Begründung nicht gehalten werden kann, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Parteien Gelegenheit zu geben, ihren Sachvortrag zu diesem Punkt zu vertiefen.
Die Kostenentscheidung war dem Berufungsgericht zu übertragen, da diese vom Ausgang des Rechtsstreits abhängt.