Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 03.06.1975, Az.: VI ZR 192/73
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Juli 1973 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen den Drittbeklagten richtet.
Im übrigen wird dieses Urteil auf die Revisionen der Klägerin sowie der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von den bis jetzt entstandenen Kosten des Rechtsstreits - einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens - hat die Klägerin 1/3 der Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Drittbeklagten zu tragen. Im übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens dem Berufungsgericht übertragen.
Tatbestand
Am 6. August 1969 waren in einem Betonwerk der Hans S. KG in S. (Kreis B.) zwei Arbeiter damit beschäftigt, die für die Herstellung eines 50 m langen Spannbetonteils erforderlichen 7,5 mm starken Armierungsrundstäbe (Drähte) in die Schalungen einzuspannen. Sie verwendeten dabei eine ihr von der Erstbeklagten gelieferte Spannpresse und die ebenfalls von der Erstbeklagten gelieferten Spannkupplungen. Nachdem bereits ein Stab auf die vorgesehene Spannung gebracht und durch Spannkupplungen befestigt war und die beiden Arbeiter gerade dabei waren, den zweiten Stab einspannen, kam der in einer anderen Halle beschäftigte Arbeiter S. zu innen, um die auch von ihm benötigte Spannpresse abzuholen. Plötzlich zerbarst an einer der Spannkupplungen, die den ersten bereits gespannten Draht hielten, die Spannhülse (Gehäuse), so daß der Draht aus dem Spannbett herausschoß, den Arbeiter S., der schräg seitlich hinter der Presse stand, traf und ihn durchbohrte. Er starb noch am selben Tage.
Die klagende Berufsgenossenschaft hat als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für ihn die Krankenhaus- und Beerdigungskosten getragen. Sie erbringt außerdem Sozialversicherungsleistungen an seine Hinterbliebenen.
Der Zweitbeklagte, Kommanditist der Erstbeklagten, ist verantwortlicher Geschäftsleiter für die Produktion der Werkzeuge für Spannbetonteile bei der Erstbeklagten. Der Drittbeklagte ist bei ihr als Maschinenbauingenieur beschäftigt und für die Bearbeitung, Prüfung und Auslieferung solcher Werkzeuge zuständig.
Die Klägerin hat, gestützt auf § 1542 RVO, von den Beklagten Ersatz der von ihr gezahlten Kosten für Krankenhaus, Überführung der Leiche, Sterbegeld sowie Erstattung der von ihr bis zum 30. Juni 1971 gezahlten Witwen- und Waisenrente verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Erst- und den Zweitbeklagten verurteilt, etwas mehr als die Hälfte des eingeklagten Betrages zu zahlen und auf die im zweiten Rechtszug gegen sämtliche Beklagte erhobene Feststellungsklage festgestellt, daß die Erst- und Zweitbeklagte verpflichtet sind, der Klägerin deren künftige Leistungen an die Hinterbliebenen des Verunglückten insoweit zu ersetzen, als diese die Hälfte des Schadens der Hinterbliebenen nicht übersteigen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge in vollem Umfang weiter. Die Erst- und der Zweitbeklagte begehren mit ihrer Revision weiterhin die Abweisung der Klage in voller Höhe.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, daß die Erstbeklagte die Gehäuse (Spannhülsen) und die Verschlußteile für die Spannkupplungen, die bei der S. KG verwendet wurden, in einem fremden Betriebe hatte herstellen lassen, sie sodann einem anderen Unternehmer zum Härten gab und später in ihren eigenen Werkstätten aus diesen und weiteren Einzelteilen die Spannkupplungen zusammensetzte. Unfallursache war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Riß an der zerborstenen Spannhülse, der entweder auf einem Herstellungsfehler oder auf übergroßer mechanischer Beanspruchung beruhte. Welche dieser beiden möglichen Ursachen gegeben waren, konnte das Berufungsgericht trotz Vernehmung des Sachverständigen der staatlichen Materialprüfungsanstalt S. der in dem gegen den Zweit- und den Drittbeklagten eingeleiteten, zuletzt aber eingestellten Ermittlungsverfahren die geborstene Spannhülse untersucht hatte, nicht klären.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte für die tödlichen Verletzungen des bei der Klägerin versicherten Arbeiters gemäß § 823 Abs. 1 BGB, die Erstbeklagte auch gemäß § 328 BGB, unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Verletzten bzw. seines Arbeitgebers, einzustehen haben.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist in beiden möglichen Fällen der Unfallverursachung der Riß und damit der Unfall durch Pflichtverletzungen der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten verursacht. Die Erstbeklagte habe nämlich möglicherweise ein lebensgefährlich fehlerhaftes Gerät geliefert, den ihr in diesem Fall obliegenden Beweis mangelnden Verschuldens jedoch nicht geführt. Ihre Schadensersatzpflicht sei aber auch dann begründet, wenn die Spannhülse wegen zu starker mechanischer Beanspruchung geborsten sei, da sie unstreitig die Hans S. KG nicht über die ohne Gefahr mögliche Benutzungsdauer sowie über Art und Ausmaß der erforderlichen Prüfung auf Risse belehrt habe. Sie sei nämlich verpflichtet gewesen, ihre Abnehmer darauf hinzuweisen, daß die Spannkupplungen bei längerem Gebrauch durch ihre mechanische Beanspruchung zu Bruch gehen können und deshalb nach einer bestimmten Gebrauchszeit auf Risse geprüft werden müßten.
Der Zweitbeklagte sei als verantwortlicher Geschäftsleiter für die Produktion der Werkzeuge für Spannbetonteile verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, daß niemand durch infolge von Produktionsfehlern gefährliche Werkzeuge gefährdet werde, und darauf hinzuwirken, daß die Erstbeklagte durch Belehrung der Kunden unvermeidliche Gefahren vermindere. Er sei deshalb in dergleichen Weise wie die Erstbeklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
Der Drittbeklagte könne jedoch angesichts der lediglich alternativen Möglichkeit beider Schadensursachen nicht verurteilt werden, da er nur für die Herstellung, nicht aber für den Vertrieb oder die Belehrung der für den Vertrieb Verantwortlichen zuständig gewesen sei.
Das Mitverschulden des Getöteten bzw. seiner Arbeitgeberin und seines Vorarbeiters findet das Berufungsgericht darin, daß er sich durch sein Herumstehen im Gefahrenbereich fahrlässig oder infolge fahrlässig unterbliebener Belehrung einer Gefahr ausgesetzt habe, die erheblich vermindert worden wäre, wenn er sich dem Gerät nur kurz zur Abholung der Spannpresse genähert hätte. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob den Getöteten allein ein Mitverschulden trifft oder gleichzeitig bzw. ausschließlich seine Arbeitgeberin oder deren Vorarbeiter. Nach seiner Meinung wirken sich alle etwa bestehenden Möglichkeiten für die Ansprüche der Klägerin in gleicher Weise aus.
I.Diese Ausführungen halten nur insoweit der rechtlichen Nachprüfung stand, als sie die Abweisung der gegen den Drittbeklagten gerichteten Klage betreffen.
Auch die Revision der Klägerin bezweifelt nicht, daß dieser Beklagte nur haftbar sein werde, wenn der Nachweis erbracht war, daß die geborstene Hülse schon bei ihrer Auslieferung jenen Riß gehabt hat. Zu Unrecht meint indes die Revision, die Feststellung des Berufungsgerichts, es seien zwei Unfallursachen möglich, beruhe auf einer Verletzung des Prozeßrechts (§ 286 ZPO). Aus den Urteilsgründen wird hinreichend deutlich, daß das Berufungsgericht zu einer eindeutigen Feststellung Deshalb nicht in der Lage war, weil der von ihm vernommene Sachverständige die alternative Möglichkeit beider Ursachen offen lassen mußte. Der Umstand, daß einige ebenfalls von der Erstbeklagten gefertigte, aber noch unbenutzte Kupplungshülsen vom Typ K 24 Risse aufwiesen, die von der Wärmebehandlung herrühren, mußte das Berufungsgericht nicht veranlassen, entgegen der Stellungnahme des Sachverständigen eine eindeutige Ursachenfeststellung zu treffen, zumal nach dem Gutachten bei den beiden Kupplungstypen der Werkstoff verschieden war, sich dadurch eine andere Wärmebehandlung ergab und die Risse eine andere Erscheinungsform zeigten.
Dem in der Berufungsbegründung der Klägerin gestellten Antrag, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die Entstehung solcher Risse bei der Härtung typisch ist, brauchte das Berufungsgericht nach der Anhörung des Sachverständigen nicht mehr zu entsprechen. Die Revision legt auch nicht dar, daß ein anderer Sachverständiger über bessere Erkenntnismittel verfügt hätte.
II.Im übrigen muß das Berufungsurteil jedoch aufgehoben werden.
1.Mit Recht rügt die Revision der Klägerin, die im Berufungsurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen trügen nicht die Annahme des Berufungsgerichts, daß den Getöteten oder seine Arbeitgeberin bzw. seinen Vorarbeiter ein Mitverschulden an dem Unfall trifft.
a)Es fehlen bereits nähere Feststellungen zum Standort des Verletzten und der beiden mit dem Spannvorgang befaßten Arbeiter. Dem Berufungsurteil läßt sich nur entnehmen, daß sich der Getötete im Unfallzeitpunkt "schräg seitlich hinter der Kupplung, aber vor dem Schutzschild" (BU S. 21) befunden haben soll. Das Berufungsgericht erwähnt dann lediglich noch (BU S. 20), aus den vom Klägervertreter übergebenen Lichtbildern und der von ihm in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des Unfalles gefertigten Skizze ergebe sich "ganz eindeutig", daß "dieses Herumstehen im Gefahrenbereich des Geräts leichtsinnig war". Bie Skizze kann der Beurteilung durch den Senat jedoch schon deshalb nicht zugrundegelegt werden, weil sie sich nicht mehr bei den Akten befindet und auf Antrage des Senats vom Berufungsgericht nicht mehr beschafft werden konnte.
b)Im übrigen räumt das Berufungsgericht selbst ein, daß die Bedienungsanleitung für den Spannvorgang nicht vorschreibt, daß jeder daran beteiligte Arbeiter hinter einem Schutzschild stehen muß. Ist das aber der Fall, dann ist es ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht verständlich, weshalb es "leichtsinnig" war, daß der Getötete neben den Arbeitern stand, die nach erfolgter Spannung des einen Drahtes begannen, den zweiten Draht zu spannen. Jedenfalls ist es für das Revisionsgericht ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht nachprüfbar, daß sich der Standort des Verletzten im "Schußbereich der Spanndrähte" befunden haben soll, in dem sich nach der Bedienungsanweisung niemand aufhalten dürfe, nicht aber der Standplatz der anderen Arbeiter, obschon doch dieser durch den herausschießenden und vom Schutzschild zurückprallenden Draht ebenso gefährlich sein mußte.
Bei der gegebenen Sachlage hätte das Berufungsgericht auch nicht ohne eingehende und nachprüfbare Begründung den Beweisantrag der Klägerin unberücksichtigt lassen dürfen, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß der herausschnellende Draht um 2 m nach der Seite abgelenkt wurde, mit einer so starken Ablenkung aber nicht gerechnet zu werden brauchte.
2.Aber auch die Verurteilung der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten hält den Angriffen ihrer Revision nicht stand.
a)Die Haftung sowohl der Erstbeklagten wie auch der Zweitbeklagten kann sich zwar unter dem Gesichtspunkt der Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben.
aa)Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend die Erstbeklagte als "Hersteller" der Spannkupplung angesehen, der für einen etwaigen Fabrikationsfehler zu haften hat. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die Gehäuse der von ihr hergestellten Spannkupplungen weder in ihrem Betrieb angefertigt noch gehärtet worden sind. Denn auch einem Unternehmer, der für die von ihm hergestellten Geräte vorgefertigte Einbauteile verwendet, obliegen Sorgfaltspflichten eines Herstellers (Senatsurteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 130/59 = VersR 1960, 855, 856; vgl. auchSenatsurteil vom 17. Oktober 1967 - VI ZR 70/66 - Schubstrebe = LM BGB § 831 [Fc] Nr. 10 = VersR 1967, 1199, 1201) und Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware, (S. 46, 78 f). In der Rechtsprechung ist lediglich anerkannt, daß ein Unternehmer nicht in allen Fällen die von seinem Zulieferer bezogenen Einzelteile selbst auf ihre Ordnungsmäßigkeit hin überprüfen und die Untersuchungen wiederholen oder wiederholen lassen muß, die von dem Zulieferer mit seinen besonderen fachlichen Betriebserfahrungen und Einrichtungen vorgenommen worden sein mußten (Senatsurteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 130/59 = a.a.O.).
Auf diese Ausnahme kann sich die Erstbeklagte aber schon deshalb nicht berufen, weil sie nach den getroffenen Feststellungen nicht gebrauchsfertige Spannhülsen von einem anderen Unternehmer bezogen hat, sondern diese nach ihren eigenen Konstruktionszeichnungen und genauen Fertigungsanweisungen in getrennten Arbeitsgängen in einem Werk in rohem Zustand herstellen (drehen) und dann im eigenen Namen in einem anderen Betrieb härten ließ. Hinzukommt, daß die Erstbeklagte in ihren Prospekten die Spannkupplungen als eigene Produkte angeboten hat.
bb)Der Zweitbeklagte soll keineswegs, wie die Revision das Berufungsurteil versteht, "gemäß § 30 BGB für ein etwaiges Verschulden der KG" entreten, und zwar schon deshalb nicht, weil sich aus § 30 BGB allenfalls die Haftung der KG für ein etwaiges Verschulden des Zweitbeklagten ergeben könnte. Ihm wird auch nicht gemäß § 831 BGB ein pflichtwidriges Verhalten eines dritten Arbeitnehmers zugerechnet. Das Berufungsgericht lastet ihm vielmehr als dem verantwortlichen Geschäftsleiter für die Produktion der Werkzeuge für Spannbetonteile - wie sich aus dem Urteilszusammenhang ergibt - ein eigenes Verschulden sowohl bei der Herstellung der Spannkupplungen als auch bei der Belehrung der Kunden an. Dies ist nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen rechtsfehlerfrei.
b)Käme nur die Haftung wegen eines Fabrikationsfehlers in Betracht, so wäre die Verurteilung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.
aa)Die Erstbeklagte hätte bei einer solchen Gestaltung schon deshalb für den entstandenen Schaden einzutreten" weil sie nicht den Beweis dafür führen konnte, daß sie bzw. ihren Komplementär kein Verschulden an dem Fehler der Spannkupplung trifft. Der erkennende Senat hat in BGHZ 51, 91, 104 ff [BGH 26.11.1968 - VI ZR 212/66] das Beweisrecht für Produzentenhaftpflichtfälle dahingehend fortgebildet, daß eine echte Beweislastumkehr gegenüber einem in Anspruch genommenen Hersteller bezüglich seines Verschuldens und desjenigen seiner verfassungsmäßigen Vertreter bzw. des rechtswidrigen Handelns seines Verrichtungsgehilfen eintritt, wenn der Geschädigte nachgewiesen hat, daß sein Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit ausgelöst worden ist (vgl. auchSenatsurteil vom 19. Juni 1973 - VI ZR 178/71 = LM BGB § 831 [Fb] Nr. 3 = VersR 1973, 862). Diesen Beweis hätte die Klägerin geführt, wenn das Berufungsgericht sich davon hätte überzeugen können, daß der Riß an der Spannhülse schon bei ihrer Herstellung entstanden war. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob nur ein einzelnes Produktionsstück als ferhlerhaft erkannt wurde. Der Hersteller muß, wenn er sich, um seiner Haftung zu entgehen, darauf beruft, seinerseits beweisen, daß es sich bei dem schadhaften Produkt um einen trotz bester Kontrollen immer wieder einmal vorkommenden "Ausreißer" handelt (BGHZ 51, 91, 105) [BGH 26.11.1968 - VI ZR 212/66].
bb)Der Zweitbeklagte hatte - wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausführt - als verantwortlicher Geschäftsleiter für die Produktion der Werkzeuge für Spannbetonteile dafür Sorge zu tragen, daß niemand durch mit Fehlern behaftete Werkzeuge gefährdet werde. Die bezüglich des Herstellers eines gefährlichen Produkts entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr müssen auch zu seinen Lasten Anwendung finden. Er hatte eine herausgehobene und verantwortliche Stellung im Produktionsbereich der Erstbeklagten inne. Auch er überblickte die von ihm geleitete Produktionssphäre, er bestimmte und organisierte den Herstellungsprozeß der Spannkupplungen und deren Kontrolle bei ihrer Auslieferung; daher ist auch er "näher daran", den Sachverhalt aufzuklären, als der Geschädigte (vgl. BGHZ 51, 99, 105) [BGH 26.11.1968 - VI ZR 212/66]. Die schutzbedürftigen Interessen des Geschädigten gebieten es daher auch bei ihm, daß er sich nicht bereits dadurch entlasten kann, indem er Möglichkeiten aufzeigt, nach denen der Fehler des Produkts ohne ein in seinem Organisationsgebiet liegendes Verschulden entstanden sein kann, während es andererseits seine schutzwürdigen Interessen erlauben, in gleicher Weise wie vom Unternehmer selbst den Nachweis der Schuldlosigkeit zu verlangen. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß er nur Kommandititst der Erstbeklagten war. Aufgrund seiner Stellung im Betrieb kann und muß ihm zugemutet werden, das Risiko zu übernehmen, seine Schudlosigkeit nicht beweisen zu können.
Eine solche Verteilung der Beweislast bewirkt bei den im zu entscheidenden Fall gegebenen Verhältnissen entgegen der Meinung der Revision nicht die "Gefahr einer uferlosen Haftung nachgeordneter Mitarbeiter", da es sich hier um einen solchen nicht gehandelt hat.
c)Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß bezüglich der alternativ neben einem Fabrikationsfehler als Schadensursache in Betracht kommenden mangelnden Belehrung (Instruktion) über die Gebrauchsfähigkeit und Überprüfung der Spannkupplungen die bisher getroffenen Feststellungen die Verurteilung der beiden Beklagten nicht tragen.
aa)Das Berufungsgericht überspannt für diese Fallgestaltung bereits die Anforderungen an eine Hinweispflicht der Beklagten. Denn grundsätzlich muß sich der, der eine Maschine, ein Werkzeug oder ein sonstiges Gerät anschafft, selbst darum kümmern, wie er damit umzugehen hat; es ist seine Sache, sich darüber zu unterrichten, wie es in der rechten Weise einzusetzen und zu handhaben ist (Senatsurteil vom 14. April 1959 - VI ZR 94/58 = LM BGB § 823 [Db] Nr. 8 = VersR 1959, 523, 524 [Fensterkran]). Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht sind Hersteller und seine Repräsentanten nur dann genötigt, für die Belehrung der Abnehmer zu sorgen, wenn und soweit sie aufgrund der Besonderheiten des Geräts sowie der bei den durchschnittlichen Benutzern vorauszusetzenden Kenntnisse damit rechnen müssen, daß bestimmte konkrete Gefahren entstehen können (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 97; vgl. auch Lorenz AcP 170, 367, 389). Was auf dem Gebiet allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreis liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Gebrauchsbelehrung gemacht zu werden (Senatsurteile vom 14. April 1959 - a.a.O. undvom 9. November 1971 - VI ZR 58/70 = LM BGB § 823 [Db] Nr. 16 = VersR 1972, 149, 150 [Förderband]; vgl. auch Senatsurteilevom 5. November 1955 - VI ZR 199/54 = VersR 1956, 765, vom 17. Mai 1957 - VI ZR 120/56 = VersR 1957, 584, 585 [Gelenkwelle], vom 20. Oktober 1959 - VI ZR 152/58 = VersR 1960, 342, 343 [Klebemittel] undvom 8. Februar 1966 - VI ZR 195/64 = VersR 1966, 542, 543 [Kabelmerkringe] sowievom 11. Juli 1972 - VI ZR 194/70 = LM BGB [Eh] Nr. 24 = VersR 1972, 1075 [Estil], insoweit in BGHZ 59, 172 [BGH 11.07.1972 - VI ZR 194/70] nicht abgedruckt). Die Beklagten waren deshalb nicht verpflichtet, wie das Berufungsgericht meint, die S. KG darauf hinzuweisen, daß die Spannkupplungen bei längerem Gebrauch infolge ihrer mechanischen Beanspruchung zu Bruch gehen können. Es liegt auf der Hand, daß es den Betriebsleitern dieses Werks, das in seinen Spannhallen schon mehrere Jahre solche Spannkupplungen benutzte, bekannt war, daß diese nicht unbegrenzt lange verwendet werden konnten, sondern daß es sich um Verschleißteile aus einer Massenproduktion handelte. Dem entspricht es auch, daß in den beigezogenen Ermittlungsakten von einem Zeugen bekundet wurde, in dem Werk seien wöchentlich mehrfach Spannkupplungen ausgerissen oder geplatzt. Die Erstbeklagte hatte überdies in gewisser Weise auf die bei der Spannbetonherstellung entstehenden Gefahren hingewiesen, indem sie in ihren Prospekten bezüglich der Spannkupplungen - im Gegensatz zu den Spannpressen, die sie zum "Dauereinsatz" empfahl - nur angab, diese seien für eine "besonders häufige Verwendung" geeignet; dieser Hinweis setzt die Kenntnis davon, daß die Verwendung der Kupplungen nur begrenzt möglich sei, als selbstverständlich voraus.
Auch zu einer Belehrung über die ohne Gefahr mögliche Benutzungsdauer waren die Beklagten bei dieser Art von Kupplungen grundsätzlich nicht verpflichtet. Ihre Verwendungsfähigkeit hängt nämlich, wie die Erstbeklagte in ihren neueren Prospekten angegeben hat, wesentlich von der Behandlung und der Beanspruchung hinsichtlich Häufigkeit und Stärke ihrer Belastung ab. Dies ist - zumindest für einen Fachmann - ebenso offensichtlich wie die Tatsache der Abnutzung durch längeren Gebrauch. Es ist daher im allgemeinen Sache des Benutzers dieser Geräte, aufgrund seiner eigenen Gebrauchsgewohnheiten selbst festzustellen, wann diese nicht mehr einsatzfähig sind.
Brauchte daher die Beklagte grundsätzlich weder einen besonderen Hinweis auf die Zerbrechlichkeit der Kupplungen nach längerem Gebrauch zu geben noch genau die Verwendungshäufigkeit anzugeben, so erübrigte sich auch die vom Berufungsgericht nur im Hinblick auf die Bruchgefahr durch mechanische Beanspruchung ("deshalb" BU S. 14/15) verlangte Belehrung über die Notwendigkeit einer Überprüfung der Kupplungen nach einer präzis bestimmten Verwendungsdauer. Davon, daß das für einen Spannbetonhersteller selbstverständlich war, durfte sie ausgehen.
Dennoch könnte im Streitfall ausnahmsweise eine Haftung der Beklagten wegen mangelhafter Belehrung ihrer Abnehmer bestanden haben. Das Berufungsgericht meint, das, was es zur Hinweispflicht ausführe, gelte umso mehr, "als das Vorhandensein zahlreicher Schlackenzeilen im Automatenstahl die Rißbildung begünstigt hat". Auch die Materialprüfungsanstalt weise darauf hin, daß das verwendete Material eine regelmäßige Überprüfung bei wiederholtem Gebrauch erforderlich mache. Daraus kann folgen, daß diese Kupplungen wegen der Art des bei ihrer Herstellung verwendeten Stahls doch nicht in jedem Fall zu "besonders häufiger Verwendung" geeignet waren, sondern ohne besondere Überprüfung nur wenige Male risikolos benutzt werden konnten. Es kann deshalb nach dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden, daß die S. KG aufgrund der Werbeangaben der Erstbeklagten darauf vertraute und vertrauen durfte, die Spannkupplungen seien, wie zu erwarten, so stabil, daß sie ohne besondere Prüfung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch häufig, jedenfalls mehr als 5-30 mal (was für andere Kupplungen im neuen Prospekt der Erstbeklagten als Verwendungshäufigkeit genannt ist) verwendet werden konnten, während in Wirklichkeit schon bei wiederholtem (vielleicht schon 5-10 fachen) Gebrauch eine akute Gefahr bestand. Gelingt es der Klägerin, solches (berechtigtes) Vertrauen der S. KG zu beweisen, dann kann der Tatrichter rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangen, daß diese auf das mit dem Ankauf der Kupplungen eingegangene und für sie nicht erkennbare Risiko hätte hingewiesen werden müssen, weil sie nur so zu der gebotenen Sorgfalt veranlaßt worden wäre, bereits nach mehrfachem Gebrauch die Spannkupplungen zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen.
bb)Das Berufungsgericht hat ferner bezüglich der alternativ neben einem Fabrikationsfehler als Schadensursache in Betracht kommenden mangelnden Belehrung über die Gebrauchsfähigkeit und Überprüfung der Spannkupplungen nicht festgestellt, daß durch eine solche Warnung der Unfall vermieden worden wäre. Die Verletzung der Hinweispflicht ist für den eingetretenen Schaden nämlich nur dann ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden mit Sicherheit verhindert hätte; eine bloße Möglichkeit, auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, genügen nicht (BGHZ 34, 206, 215 [BGH 30.01.1961 - III ZR 225/59]; 61, 118, 120 [BGH 05.07.1973 - VII ZR 12/73]; BGH Urt.v.19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73 = zur Veröffentlichung in BGHZ 64, 46 vorgesehen; vgl. auch BGH, Urt.v.29. November 1973 - III ZR 211/71 = VersR 1974, 342, 344 a.E. = NJW 1974 453, 455 und Larenz, NJW 1953, 686).
Unaufgeklärt ist im Streitfall, ob eine etwa aufgrund der erforderlichen Belehrung erfolgte Überprüfung der Spannkupplungen den Unfall vermieden hätte. Wie die Revision zutreffend ausführt, wäre nach Lage der Sache nur eine Sichtkontrolle in Betracht gekommen. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, daß der an der Spannhülse vorhandene Riß anläßlich einer solchen Überprüfung feststellbar war. Zweifel ergeben sich insoweit schon deswegen, weil sich der alte Anriß an der gebrochenen Spannhülse am inneren Rand der Bruchfläche im Bereich des Konus befunden hat. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, daß bei einer Sichtkontrolle ein solcher Riß im Inneren der Spannhülse zu erkennen war, zumal dieser Riß nach den weiteren Feststellungen der Materialprüfungsanstalt keine sichtbare Verformung ausgelöst hat.
IV.Bei dieser Sachlage mußte das Berufungsurteil, soweit es nicht die Klageabweisung gegen den Drittbeklagten betrifft, aufgehoben werden.
1.Da noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
2.Soweit dem Drittbeklagten durch seine Einbeziehung in den Rechtsstreit Kosten entstanden sind, hat der Senat bereits eine abschließende Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des § 92 ZPO getroffen. Im übrigen war die Entscheidung über die Kosten, auch über diejenigen des Revisionsverfahrens, dem Berufungsgericht zu übertragen.
3.In der neuen Verhandlung haben die Beklagten, falls es darauf ankommt, auch Gelegenheit, ihre Rechtsauffassung zur Berechnung ihres Haftungsanteils vorzutragen, wenn ein "gestörter Innenausgleich" bei gleichzeitigem Mitverschulden des Verletzten in Betracht kommt.