Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 09.12.1958, Az.: VI ZR 199/57
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 21. Juni 1957 aufgehoben und das Grundurteil der Zivilkammer 7 a des Landgerichts in Bielefeld vom 23. Januar 1957 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt in B. eine Zahnräder- und Maschinenfabrik. Im September 1955 hatte ein Baggerführer des Beklagten, der als Tiefbauunternehmer tätig ist, auf dem Grundstück der Firma J. u. C. M., Graphische Betriebe in B, ein unterirdisch verlegtes, dem Elektrizitätswerk M.-R. in H. gehörendes Starkstromkabel, das von dort zum Werk der Klägerin führt, beschädigt. Am 18. Juni 1956 ließ der Beklagte auf dem gleichen Grundstück der Graphischen Betriebe M. durch einen anderen Arbeiter mit einem Bagger eine Grube für einen Öltank ausgraben. Gegen 9.40 Uhr wurde von dem Bagger das Starkstromkabel erneut und zwar etwa 60 m hinter der alten Bruchstelle zerrissen; infolge der Stromunterbrechung lag der Betrieb der Klägerin - etwa einen Tag lang - bis zum 19. Juni 1956 6.30 Uhr still.
Die Klägerin macht den Beklagten für den ihr durch die erneute erzwungene Betriebsruhe entstandenen Schaden verantwortlich; dieser Schaden bestehe in einem Betrage von 1.660,90 DM für Löhne und Gehälter, die sie an ihre Arbeiter und Angestellten ungeachtet des Betriebsstillstands habe zahlen müssen, und im entgangenen Gewinn in Höhe von 868 DM (= 10 % vom Umsatz). Die Klägerin ist der Ansicht, daß das Starkstromkabel, durch das von der Schadensstelle ab ausser den Graphischen Betrieben nur noch sie mit Strom beliefert werde, wirtschaftlich einen Teil ihres Betriebes darstelle. Der Beklagte habe durch die Kabelunterbrechung widerrechtlich und schuldhaft in ihren Gewerbebetrieb eingegriffen; er habe es auch pflichtwidrig unterlassen, sich hinreichend über den Kabelverlauf zu unterrichten, diesen äusserlich kenntlich zu machen, den für eine derartige Erdarbeit erforderlichen zweiten Arbeiter zur Beobachtung abzustellen und den Baggerführer hinreichend zu unterrichten und zu überwachen. Ihr Anspruch, so meint die Klägerin, sei ferner nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation gerechtfertigt. Das Elektrizitätswerk, das zeitweilig seiner Verpflichtung zur Stromlieferung nicht nachgekommen sei, habe sich in seinen Geschäftsbedingungen von jeglicher Schadensersatzpflicht wegen Nichtlieferung freigezeichnet. Dadurch sei der an sich dem Elektrizitätswerk entstandene Schaden auf sie, die Klägerin, verlagert; das berechtige das Elektrizitätswerk, auch den Schaden der Klägerin geltend zu machen. Das Elektrizitätswerk habe seine Ansprüche aus der Beschädigung des Kabels, soweit sie den der Klägerin entstandenen Schaden betreffen, an sie abgetreten. Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von 2.528,90 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1. Juli 1956 in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat den Anspruch nach Grund und Höhe bestritten. Er vertritt die Auffassung, durch den Kabelbruch sei der Gewerbebetrieb der Klägerin nur mittelbar betroffen worden; jedoch verpflichte nur ein unmittelbarer Eingriff in einen Gewerbebetrieb zum Schadensersatz. Die Voraussetzungen für eine Liquidation des Drittinteresses lägen nicht vor. Bei der Vorbereitung der Arbeit habe er ebenso wie bei der Auswahl des Baggerführers und bei dessen Einweisung die erforderliche Sorgfalt beobachtet; eine persönliche Überwachung der Baggerarbeiten sei ihm bei der Größe seines Geschäfts nicht zuzumuten gewesen.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.Landgericht und Oberlandesgericht haben übereinstimmend die Schadensersatzpflicht des Beklagten bejaht und angenommen, daß der Beklagte durch die Beschädigung des zum Werk der Klägerin führenden Starkstromkabels und die dadurch herbeigeführte Unterbrechung der Stromzufuhr in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen habe. Das Oberlandesgericht hat die Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 831 BGB, wobei es den Entlastungsbeweis als nicht hinreichend erboten angesehen hat, sowie aus § 823 Abs. 1 BGB allein wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hergeleitet.
Die Revision wendet sich - abgesehen von einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge, daß das Berufungsgericht dem angebotenen Entlastungsbeweis hätte nachgehen müssen - vor allem dagegen, daß die Kabelunterbrechung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gewertet worden ist.
Die Revision mußte im Ergebnis Erfolg haben.
a)Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung das Recht an einem bestehenden Gewerbebetrieb als ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.
Bereits in RGZ 58, 24, 29 ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als ein subjektives Recht angesehen worden, das unmittelbar verletzt werden könne; Störungen und Beeinträchtigungen, welche sich unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb richteten, stellten danach eine unter § 823 Abs. 1 BGB fallende Rechtsverletzung dar. In der Folgezeit hat das Reichsgericht dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB zunächst nur dann gewährt, wenn ein Eingriff in den Bestand des Gewerbebetriebes vorlag, also wenn der Betrieb tatsächlich behindert, seine Unzulässigkeit behauptet oder seine Einschränkung oder Einstellung verlangt wurde; gelegentlich hat es auch so formuliert, daß die Grundlagen des Gewerbebetriebes unmittelbar angetastet sein müßten (RGZ 64, 52, 55 und 64, 155, 156; 76, 35, 46; 95, 339, 340; 102, 223, 225; 109, 272, 276; 119, 435, 438; 126, 93, 96; 135, 242, 247). Nach dieser an Fragen des Wettbewerbs und Boykotts entwickelten Rechtsprechung wurden Handlungen, die den Gewerbebetrieb nur mittelbar schädigten, nicht als Rechtsverletzungen im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB erachtet, so wenn dem Gewerbetreibenden nur ein wirtschaftlicher Gewinn entzogen wurde (RGZ 126, 93, 96), ferner bei schädigenden Einwirkungen auf Lieferanten (RGZ 56, 271, 275), bei Beschränkung des Kundenkreises (RGZ 79, 224, 226), schließlich, wenn nur die Aussicht auf Erwerb beeinträchtigt oder gestört wurde (RGZ 102, 223, 225; 119, 435, 438; 135, 242, 247). Gewährt wurde der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB vor allem in solchen Fällen, in denen die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit eines anderen mit der Behauptung verlangt wurde, die Tätigkeit verstosse gegen ein dem Untersagenden zustehendes gewerbliches Schutzrecht (Gebrauchsmuster, Patent) und sich dann herausstellte, daß ein solches Schutzrecht nicht bestand und die dahingehende Behauptung mindestens fahrlässig falsch war (RGZ 58, 24; 94, 248; 141, 336); ferner z.B. bei einem Boykott, bei dem durch Postenstehen vor der Tür und durch tätliche Einwirkung Besucher von dem Betreten einer Gastwirtschaft abgehalten worden waren (RGZ 76, 35, 46).
Eine Lockerung der strengen Erfordernisse für den Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde in der späteren Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vollzogen. Ein Ansatz zeigte sich bereits in dem Urteil vom 7. Juni 1929 (MuW 1929, 378), durch welches die Bestimmung einer Ortskrankenkasse, daß für gewisse wortgeschützte Arzneikörper keine Zahlung geleistet würde, als bewußte Gefährdung des auf Herstellung der wortgeschützten Arzneimittel gerichteten Gewerbebetriebes angesehen wurde, da die Bestimmung der Ortskrankenkasse bei voller Auswirkung den Hersteller zu Betriebseinschränkungen zwänge. In dem Urteil vom 9. Oktober 1934 (MuW 1935, 26, 30) ist der II. Zivilsenat eindeutig vom bloßen Bestandsschutz abgerückt und hat ausgesprochen, daß für die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB auf dem Gebiete des Warenzeichen- und Wettbewerbsrechts eine schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines anderen zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs ausreiche, ohne daß auch ein "unmittelbar gegen den Bestand des Geschäftsbetriebs gerichteter Eingriff" erforderlich sei. Diese Auffassung hat der gleiche Senat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1938 (JW 1938, 484 = RGZ 158, 377 [in den für die vorliegende Rechtsfrage maßgeblichen Teilen jedoch in der Amtlichen Sammlung nicht abgedruckt]) bestätigt; es werde damit dem Gedanken Rechnung getragen, daß jeder Unternehmer beanspruchen könne, vor widerrechtlichen Störungen bewahrt zu bleiben, die sein Unternehmen nicht zur vollen, in der Gesamtheit seiner Bestandteile und Betriebsmittel begründeten Entfaltung kommen ließen, auch wenn dadurch der Bestand des Unternehmens selbst nicht in Frage gestellt sein möge (vgl. RGZ 132, 311, 316; RG GRUR 1940, 375, 378; 1942, 364). Der II. Zivilsenat hat in RGZ 163, 21, 32 weiter erwogen, ob das Gleiche nicht auch ausserhalb des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts zu gelten habe. In seinem Urteil vom 3. Oktober 1941 (GRUR 1942, 54 = DR 1942, 175 [auszugsweise]) hat sich der I. Zivilsenat des Reichsgerichts der Ansicht des II. Zivilsenats, daß ein unmittelbar gegen den Bestand des Betriebes gerichteter Angriff für eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB bei schuldhafter Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines anderen nicht erforderlich sei, ausdrücklich angeschlossen (anders noch der V. Zivilsenat des Reichsgerichts in DR 1940, 723).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, gewährt, und zwar auch ausserhalb des Gebietes des Wettbewerbs und der gewerblichen Schutzrechte (BGHZ 3, 270; 8, 142; 8, 387; 24, 200; vgl. auch BGHZ 23, 157). In der vorgenannten Entscheidung BGHZ 3, 270, 279 ist ausgeführt, daß das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb - ebenso wie das Eigentum - durch § 823 Abs. 1 BGB nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen sei, vor unmittelbaren Störungen bewahrt bleiben müsse. Hieran ist festzuhalten.
b)Durch die von der Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb in den Kreis der "sonstigen Rechte" des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich aufgeführten Rechtsgütern und Rechten Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Deshalb ist auch bei einer Verletzung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb zu prüfen, ob die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen (Urteil des erkennenden Senats = BGHZ 27, 137). Allerdings kann, soweit der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in Frage steht, nicht wie im vorgenannten grundlegenden Urteil des Senats zum Problem der Haftungsbegrenzung gefragt werden, ob der geltendgemachte Schaden aus der Verletzung eines Rechtsgutes entstanden ist, zu dessen Schutz das Gesetz erlassen worden ist. Denn der Gesetzgeber hatte bei der Fassung des § 823 Abs. 1 BGB den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes noch nicht ins Auge gefaßt. Die Frage der Haftungsbegrenzung ist deshalb vorliegend in der Richtung aufzuwerfen und zu entscheiden, was eigentlich der Gegenstand des dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Rechtsprechung zuerkannten Rechtsschutzes ist.
Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Aussenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Wenn auch in BGHZ 23, 157, 163 selbst die jeweilige Situation, in der ein Gewerbe betrieben wird, als für den Umfang des gewerblichen Tätigkeitskreises bestimmend angesehen worden ist, so handelt es sich in allen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bejaht hat, um den Schutz solcher Erscheinungsformen des Gewerbebetriebes, die ihm spezifisch und als solchem eigen sind. Geschützt werden soll der Gewerbebetrieb in seinem Bestände und in seinen Ausstrahlungen, soweit es sich um gerade dem Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungsformen und Beziehungen handelt.
c)Nach wie vor aber ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ein unmittelbarer Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes als Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB zu fordern (RGZ 163, 21, 32; BGHZ 8, 387, 394; 15, 338, 349; 23, 157; BGH LM BGB § 823 (D a) Nr. 4). Zu Unrecht beruft sich demgegenüber die Klägerin auf die Entscheidungen des Reichsgerichts in RGZ 132, 311, 316 und DR 1942, 175; in diesen ist lediglich der bloße Bestandsschutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als zu eng und jede schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines anderen für die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB als ausreichend erachtet worden; das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aber wurde nicht angetastet. Es ist freilich richtig, daß, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Begriff des "unmittelbaren Eingriffs" in der Rechtsprechung nicht definiert worden ist. Baumbach/Hefermehl (Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 7. Aufl. 1955, Allg. Ziff. 53 [S. 33]) weisen zutreffend darauf hin, daß die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen bei dem komplexen Rechtsbegriff des Unternehmens besonders groß sind. Aus der rein sprachlichen Unterscheidung zwischen "unmittelbar" und "mittelbar" können entgegen der Ansicht der Revision die Merkmale für die erforderliche Begriffsabgrenzung nicht gewonnen werden. Die Frage der Unmittelbarkeit eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann auch nicht nur aus der Kausalitätslehre beantwortet werden, und es kommt auch auf das Fehlen sogenannter Zwischenursachen nicht entscheidend an, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat (BGHZ 3, 270; 8, 142; 23, 157; abw. RGZ 163, 21, 32, wo auf die Unmittelbarkeit des Kausalzusammenhangs abgestellt worden ist, desgl. OLG München vom 21. März 1956 NJW 1956, 1719). Auch der Vorschlag von Larenz (NJW 1956, 1719) in seiner Anmerkung zum vorgenannten Urteil des Oberlandesgerichts München - auf das sich beide Parteien für ihren Rechtsstandpunkt berufen -, die Unmittelbarkeit des Eingriffs teleologisch, also im Sinne einer Zweckbezogenheit der Eingriffshandlung auf eine Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit aufzufassen, so daß sich die Richtung auf eine Schädigung des Gewerbebetriebes aus ihrer Zweckbestimmung ergäbe, vermag zu einer hinreichend bestimmten Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen nicht zu führen. Wenn Larenz als "unmittelbar" jeden Eingriff in den Gewerbebetrieb ansehen will, der dessen Einschränkung oder Beeinträchtigung entweder zum Zwecke hatte oder mindestens, unter den gegebenen Umständen, zum Zwecke haben konnte, so werden sogleich die Schwierigkeiten im Falle fahrlässigen Handelns des Eingreifenden offenbar. Dennoch kann Baumbach/Hefermehl (a.a.O.) nicht darin beigepflichtet werden, daß wegen der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aufgegeben werden und statt dessen die Wirkung des Eingriffs auf den Tätigkeitsbereich entscheiden sollte (für die Beibehaltung des Unmittelbarkeitserfordernisses: Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1958, § 234 I 1 b [S. 940]; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Bd. 2. Aufl. 1957, § 66 I d [S. 339]; Kleine JZ 1952, 229).
Das Berufungsgericht meint unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 14. April 1954 (LM BGB § 823 [D a] Nr. 4), der Begriff der Unmittelbarkeit sei zielbezogen aufzufassen. Daraus ergebe sich für vorsätzliche Handlungen eine brauchbare Abgrenzung; bei fahrlässig begangenen Eingriffen in den Gewerbebetrieb sei es ausreichend, wenn die Handlung die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes unter den gegebenen Umständen zum Ziel gehabt haben könne und der Handelnde diese Richtung seines Tuns in seine Vorstellung aufgenommen, aber darauf vertraut habe, daß der Erfolg nicht eintrete. Diese Voraussetzungen eines fahrlässigen, zum Schadensersatz verpflichtenden Eingriffs hält das Berufungsgericht im vorliegenden Falle für gegeben. Der erkennende Senat hat in der genannten Entscheidung ausgesprochen, daß ein Angriff, der eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetriebe darstelle, irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet sein müsse. Deshalb hat der Senat allein darin, daß ein unbegründeter Rückerstattungsantrag auf Rückgabe eines mit einem Gewerbebetrieb verbundenen Grundstücks die treuhänderische Verwaltung des Grundstücks gemäß MilRegG 52 zur Folge hatte, noch keinen widerrechtlichen Eingriff des Rückerstattungsklägers in den Gewerbebetrieb erblickt; denn der Angriff richtete sich gegen die Person des Inhabers, nicht aber gegen den Gewerbebetrieb selbst, mögen auch dadurch mittelbar Schäden in dem Gewerbebetrieb hervorgerufen worden sein. Ebensowenig liegt ein unmittelbarer Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis vor, wenn einem Betriebe durch Verletzung von Personen das zu seiner Fortführung unentbehrliche Personal entzogen wird (BGHZ 7, 30, 36). Diese Entscheidungen, nach denen zu fordern ist, daß ein unter § 823 Abs. 1 BGB fallender Angriff gegen den Gewerbebetrieb selbst gerichtet sein muß, zeigen die Grundhaltung der herrschenden Rechtsprechung auf, eine übermäßige Ausweitung des Schutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vermeiden, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen würde. So fehlt es denn auch nicht an Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur, die zu der älteren Auffassung des Reichsgerichts zurückkehren möchten, wonach nur diejenige Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebes, die dessen Bestand berührt, als Angriff auf ein absolutes Recht gelten soll (OLG Freiburg, JZ 1952, 231; erwägend OLG Köln MDR 1953, 617; Gramm in Palandt, 17. Aufl. 1958, § 823 BGB Anm. 6 g, der ausführt, es würden sonst dem § 823 BGB Aufgaben zugewiesen, für die er nicht geschaffen sei). Diese Stellungnahmen werden ersichtlich von der Sorge getragen, daß, wie Lehmann (MDR 1952, 297) meint, die Anerkennung eines zu weit gehenden generellen Schutzes des Gewerbebetriebes leicht zu einer Normenerschleichung führen könne.
Sicherlich ist dadurch, daß nach der späteren Auffassung des Reichsgerichts und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jeder widerrechtliche unmittelbare Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, mag sich der Angriff auch nicht gegen den Bestand desselben, sondern gegen eine seiner Erscheinungsformen richten, der Rechtsschutz gegenüber dem zunächst nur gewährten Bestandsschutz des Gewerbebetriebes erweitert worden. Damit ist aber nicht etwa auf dem Umwege über den Schutz des Gewerbebetriebes ein Schutz von Forderungsrechten eingeführt worden, die im Gegensatz zu den absoluten Rechten nur bestimmte Personen binden und deshalb nicht unter den Begriff der "sonstigen Rechte" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB fallen (RGZ 82, 189; 95, 283; 111, 298, 302), oder ein Schutz des Vermögens, das als solches nur unter besonderen Voraussetzungen Deliktsschutz genießt (z.B. über § 826 BGB); beides wäre unserem geltenden Rechtssystem fremd. Auch die bei der Frage der Widerrechtlichkeit erforderliche sorgfältige Untersuchung, ob unter Anwendung des Prinzips der Güter- und Pflichtenabwägung dem Eingreifenden etwa ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite steht (BGHZ 3, 270; 8, 142; 24, 200), wirkt sich einschränkend aus. Im übrigen sind der Umfang und die Grenzen, innerhalb derer das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu schützen ist, gerade durch eine sachgemäße Ausfüllung des Begriffs der "Unmittelbarkeit" des Eingriffs zu ermitteln.
Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Alle Fälle, in denen höchstrichterlich eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bejaht worden ist, hatten auch solche betriebsbezogene Eingriffe zum Gegenstand. Ebensowenig wie etwa die Verletzung eines Angestellten oder die Beschädigung oder Zerstörung eines Betriebskraftwagens steht aber die Unterbrechung des zum Unternehmen der Klägerin führenden Stromkabels durch den Beklagten bzw. seinen Baggerführer in Beziehung gerade zum Gewerbebetrieb der Klägerin; denn der Baggerführer des Beklagten hat ein Stromkabel beschädigt, das zwar ausser den Graphischen Betrieben I. u. C. M. gleichsam zufälligerweise nur noch den Betrieb der Klägerin mit Strom versorgte, genau so gut aber für die Stromlieferung an andere Abnehmer hätte bestimmt sein können. Die Lieferung elektrischen Stroms über ein Kabel und der Anspruch darauf ist zudem keine dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wesenseigentümliche Eigenheit, sondern eine auf der Energielieferungspflicht der Versorgungsunternehmen beruhende Beziehung, die derjenigen gleichartig ist, die auch die anderen Stromabnehmer, wie z.B. die Haushaltungen und die Angehörigen freier Berufe mit dem Elektrizitätswerk verbindet. Die Beschädigung eines Kabels mit der Folge der Unterbrechung der Stromzufuhr auf einem nicht zum betroffenen Unternehmen gehörenden Grundstück kann ohne besondere, hier nicht in Betracht kommende Umstände sonach nicht als betriebsbezogener Eingriff in den Tätigkeitskreis dieses Gewerbebetriebes angesehen werden. Wenn durch den Bagger des Beklagten das zum Werk der Klägerin führende Starkstromkabel zerrissen wurde, brachte dies zwar eine Beeinträchtigung der sachlich-technischen Grundlagen mit sich, vermittels welcher der Klägerin durch das Elektrizitätswerk elektrische Energie entsprechend dem zwischen ihnen bestehenden schuldrechtlichen Vertrag zugeführt werden konnte und zugeführt wurde. Aber darin ist kein Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu finden, weil dies über den dem Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung zuerkannten Schutzbereich hinausginge; vielmehr handelt es sich um eine Verletzung des Eigentums des Elektrizitätswerks am Kabel sowie des durch dessen Geschäftsbedingungen eingeschränkten Stromlieferungsanspruchs der Klägerin gegen das Elektrizitätswerk.
2.Auch unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht zu rechtfertigen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin an dem auf dem Grundstück der Graphischen Betriebe I. u. C. M. unterirdisch verlegten Kabel Besitz oder auch nur Mitbesitz gehabt hätte.
Kann demnach ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht aus Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder des Besitzes hergeleitet werden, so kommt ein solcher - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht wegen Verletzung einer dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Denn die schuldhafte Unterlassung der Verkehrssicherung löst nur dann einen Schadensersatzanspruch aus, wenn ein anderer dadurch in seinen nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern oder Rechten beeinträchtigt wird. Die Klägerin hat aber, selbst wenn der Beklagte die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte, was dahingestellt bleiben kann, einen Schaden nicht an den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern und absoluten Rechten, sondern an ihrem Vermögen erlitten.
3.Das angefochtene Urteil kann auch nicht etwa im Ergebnis aus den Grundsätzen über die Liquidation des Drittschadens, worauf das Berufungsgericht auch nicht eingegangen ist, aufrecht erhalten bleiben. Es mag dahinstehen, ob auch im Bereich des Rechts der unerlaubten Handlungen ein Ersatzanspruch mit Verletzung fremden Interesses begründet werden kann (bejahend RG HRR 1927, 345; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1958, § 17 I [S. 84]; zweifelnd RG HRR 1934, 1277). Denn das Rechtsinstitut der Drittschadensliquidation kommt nur dann zum Zuge, wenn jemand einen Schaden erlitten hat, einem anderen aber, der nicht selbst geschädigt ist, jedoch mit dem Verletzten durch rechtliche Interessenverknüpfung verbunden ist, ein Ersatzanspruch zusteht. Im vorliegenden Falle gründet sich aber der dem Elektrizitätswerk gegen den Beklagten zustehende Ersatzanspruch aus der Beschädigung des Kabels auf einen eigenen Schaden - Reparaturkosten des Kabels und damit verbundene Nebenarbeiten, Ausfall von Strombezugsentgelten -, nicht aber auf einen von der Klägerin erlittenen Schaden. Eine Liquidation des Drittinteresses könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn nach den Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Elektrizitätswerk der ersteren nicht jeweils der tatsächliche Stromverbrauch in Rechnung gestellt, sondern der Strombezug durch eine Pauschale abgegolten würde. Bei einer solchen Sachlage hätte nämlich den Schaden bei einer Stromunterbrechung infolge der Freizeichnungsklausel des Elektrizitätswerks die Klägerin, da sie die Pauschale ohnehin zu zahlen verpflichtet wäre; der Ersatzanspruch aber stünde dem Elektrizitätswerk zu, das diesen an die Klägerin abtreten könnte. Derartige Umstände sind jedoch nicht dargetan.
Demnach kann nur noch die etwaige Abtretung von Ansprüchen des Elektrizitätswerks wegen eigenen Schadens in Frage stehen. Eine solche wird aber von der Klägerin nicht einmal behauptet. Vielmehr hat die Klägerin lediglich vorgetragen, das Elektrizitätswerk habe seine Ansprüche aus der Unterbrechung des Kabels, soweit sie den der Klägerin entstandenen Schaden betreffen, an sie abgetreten. Durch eine solche Abtretung aber konnten der Klägerin keine Ansprüche gegen den Beklagten übertragen werden, weil dem Elektrizitätswerk selbst wegen des von der Klägerin erlittenen Schadens ein Ersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zustand.
4.Da der Klageanspruch ersichtlich auch aus anderweitigen Rechtsgrundlagen nicht zu rechtfertigen ist, kann das Berufungsurteil aus sachlichen Gründen keinen Bestand haben. Es bedarf daher keines Eingehens auf die von der Revision unter Hinweis auf § 286 ZPO erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe zu Unrecht den angebotenen Entlastungsbeweis nach § 831 BGB unbeachtet gelassen.
Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.