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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 03.02.1976, Az.: VI ZR 23/72

Tenor

Der Rechtsstreit ist, soweit er in die Revision gelangt ist, in der Hauptsache erledigt.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten auch insoweit zur Last, als Über sie noch nicht entschieden ist.

Tatbestand

Der Arzt Dr. med. Branimir J. (im folgenden: Kläger) hat die Beklagte u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er war Vorsitzender einer Exil-Kroatenvereinigung. Er stammte aus Kroatien, besaß aber (nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen) die deutsche Staatsangehörigkeit. In Berlin war er als Arzt tätig.

Die Beklagte, ein Unternehmen des Zeitungshandels, importiert und exportiert Zeitschriften. Sie ist das größte Unternehmen ihrer Art in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Jahresumsatz von etwa 29 Millionen DM (1970). Eine der von ihr in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins eingeführte Zeitschrift ist die illustrierte jugoslawische Wochenzeitschrift "Vjesnik u srijedu" (VUS), die in Zagreb erscheint. Im April 1970 wurden etwa 20.000 Exemplare eingeführt. Käufer dieser Zeitschrift waren und sind vor allem jugoslawische Gastarbeiter.

Der Kläger fühlte sich durch Äußerungen in einem Fortsetzungsbericht der VUS in den Nummern 935 (vom 1. April 1970) und 936 (vom 8. April 1970) in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Dieser Artikel befaßt sich mit der politischen Vergangenheit des Klägers. U.a. hieß es, der Kläger beschäftige sich mit Terror, Schiebungen, Fälschungen und Betrügereien, er sei Geldfälscher und Organisator von Attentaten, Sabotageaktionen und Mord, er begehe Abtreibungen und Unterschlagungen.

Mit der Klage hat der Kläger die Beklagte u.a. auf Unterlassung des Vertriebs der Zeitschrift VUS in Anspruch genommen, sofern in ihr näher bezeichnete Tatsachenbehauptungen über ihn wörtlich oder sinngemäß enthalten seien.

Die Beklagte hat die Behauptungen des Klägers, die beanstandeten Behauptungen seien unwahr, nicht in Zweifel gezogen, hat aber ihre Verantwortlichkeit in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Exemplare der VUS in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, die wörtlich oder sinngemäß über ihn im Urteil im einzelnen angeführte Tatsachenbehauptungen enthalten.

Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der Kläger ist im Sommer 1972 nach Revisionseinlegung verstorben. Sein Bruder und alleiniger Erbe hat den Rechtsstreit aufgenommen. Er hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Die Beklagte widerspricht der Erledigung mit der Begründung, auch der jetzt in die Revision gelangte Teil der Klage sei von Anfang an unbegründet gewesen, und bittet um Abweisung auch dieses Teiles der Klage.

Entscheidungsgründe

Bis zur Erledigung war die Klage, soweit sie in die Revision gediehen ist, nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts begründet. Die Hauptsache hat sich daher durch den Tod des Klägers während des Revisionsverfahrens erledigt.

A.1.Der Kläger hat den Rechtsstreit, soweit er in die Revision gediehen ist, für erledigt erklärt. Der Umstand, der hier nach Einlegung der Revision eingetreten ist, nämlich der Tod des Klägers, kommt als ein die Hauptsache erledigendes Ereignis in Betracht. Jedenfals ist die Wiederholungsgefahr entfallen. Das hat der Kläger selbst geltend gemacht und dem hat die Beklagte ausdrücklich zugestimmt (vgl. Stein/Jonas/Pohle ZPO 19. Aufl., § 91 a I 4 S. 702).

2.Die Beklagte hat der Erklärung, die Hauptsache habe sich erledigt, widersprochen mit der Begründung, die Klage sei von Anfang an unbegründet gewesen. Damit liegt eine sog. einseitige und nicht eine übereinstimmende Erledigungserklärung vor, die den Senat zur Prüfung zwingt, ob die Klage insoweit von Anfang an unbegründet war.

Eine Erledigung des Rechtsstreits ist auch im Revisionsrechtszug zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie aufgrund einer einseitigen Erklärung des Klägers eingeführt wird (BGH Urt. v. 25. November 1964 - V ZR 187/62 = LM ZPO § 91 a Nr. 21 = NJW 1965, 537/1018 m. abl. Anm. Putzo; vgl. auchUrt. v. 8. Februar 1968 - VII ZR 113/65 = LM ZPO § 91 a Nr. 26). Das gilt jedenfalls dann, wenn wie hier das erledigende Ereignis unter den Parteien außer Streit ist (vgl. Stein/Jonas/Pohle a.a.O. § 91 a III 1 zu FN 62 a).

Ebenso entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag aufrecht erhalten darf mit der Begründung, die Klage sei von Anfang an unzulässig oder unbegründet gewesen (BGH Urt. v. 7. November 1968 - VII ZR 72/66. LM ZPO § 91 a Nr. 29 = NJW 1969, 237/796). Ob der beklagten Partei ein derartiges verfahrensrechtliches Verhalten ohne weitere Voraussetzung zuzubilligen ist oder nur dann, wenn ihr hierfür ein (besonderes) rechtliches Interesse zur Seite steht, kann in diesem Rechtsstreit im einzelnen dahinstehen (ohne solches Erfordernis: BGHZ 37, 137, 142 [BGH 16.05.1962 - IV ZR 215/61]; BGH Urt.v.8. Februar 1968 - VII ZR 113/65 - a.a.O.;v. 4. März 1968 - II ZR 41/66 - WM 1968, 697, 699;v. 7. November 1968 - VII ZR 72/66 = a.a.O.; andererseits BVerwGE 20, 146 und BVerwG NJW 1969, 1789 für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, ebenso BAG 11, 251, 257 und BAG AP ZPO § 91 a Nr. 11 m.abl. Anm. Schumann, während SAGE 19, 342, 345, 347 - SAE 1968, 56, 57 m.Anm. Lieb = AP ZPO § 91 a Nr. 13 obiter dictum davon absehen möchte). Abgesehen davon, daß die Entscheidungen jedenfalls des Bundesverwaltungsgerichts zu § 161 Abs. 2 VerwGO ergangen sind, es hier dagegen um die Frage im zivilprozessualen Bereich geht (vgl. dazu auch BVerwG NJW 1969, 1789), ist im Streitfall ein rechtliches Interesse der Beklagten zu bejahen. Hierzu reicht aus, daß nach zwar umstrittener, in der Rechtsprechung aber teilweise vertretener Auffassung, Straffestsetzungen vorgenommen werden können, sofern zwischenzeitlich der Verurteilte gegen das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot zuwidergehandelt hatte (vgl. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1967, 186, 187; OLG Hamburg AfP - Übersicht - 1972, 174; OLG Karlsruhe MDR 1972, 699 [OLG Karlsruhe 20.04.1972 - 6 W 7/71]).

Auf dieser Grundlage ist der Senat gehalten, darüber zu befinden, ob die Klage schon vor dem möglicherweise erledigenden Ereignis unzulässig oder unbegründet war (vgl. BGH Urt. v. 25. November 1964 - V ZR 187/62 - a.a.O.; Urt.v.7. November 1968 - VII ZR 72/66 - a.a.O.).

B.Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, solche Exemplare der Wochenzeitschrift "VUS" in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, welche die im Urteilstenor im einzelnen aufgeführten unwahren Behauptungen über den Kläger enthalten. Hierbei legt das Berufungsgericht zugrunde, die Beklagte habe diese Behauptungen in den erwähnten Nummern "verbreitet" und es bestehe die Gefahr, daß sie sie auch in Zukunft wieder verbreiten werde.

1.Die Revision rügt zunächst, der Ausspruch des angefochtenen Urteils sei nicht genügend bestimmt (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Danach soll die Beklagte das Vertreiben der Exemplare der "VUS" in der Bundesrepublik Deutschland unterlassen, die wörtlich "oder sinngemäß" die näher gekennzeichneten Behauptungen enthalten. Die Rüge greift nicht durch.

Allerdings muß sich das Verbot künftiger Verhaltensweisen möglichst genau an die konkrete Verletzungsform anpassen und deren Inhalt und die Umstände, unter denen sie untersagt werden, so deutlich umschreiben, daß sie in ihrer konkreten Gestaltung zweifelsfrei erkennbar sind. Nur dann wird der Prozeßstoff ausreichend begrenzt und hat das Urteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt (vgl. Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Privatrecht 2. Aufl., S. 41 ff). Andererseits ist das Urteil so zu fassen, daß es den Kern der verletzenden Äußerung trifft, um zu verhindern, daß sie in anderer Form erneut aufgestellt oder verbreitet wird, ohne die Vollstreckungswirkung des Unterlassungsurteils auszulösen (Helle a.a.O. S. 43). Diesem Gesichtspunkt wollte das Berufungsgericht ersichtlich entsprechend einer weit verbreiteten Übung mit seiner Fassung des Urteilsausspruchs Rechnung tragen (vgl. dazu auch Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung 1967 S. 235). Es hat die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen des von ihm angeführten Inhalts verboten; gleichzeitig wollte es klarstellen, daß es auf die wörtliche Wiederholung dieser Tatsachenbehauptungen nicht ankommt. Dem beanstandeten Zusatz "oder sinngemäß" kommt, versteht man ihn richtig in diesem Sinne, daher keine über die gebotene Auslegung reichende unzulässige Bedeutung zu.

2.In erster Linie macht die Revision gegenüber dem Berufungsurteil geltend, die Beklagte sei nicht "Störer", zumindest sei ihr die vom Berufungsgericht geforderte zukünftige Überprüfung der "VUS" nicht zuzumuten. Hierin kann ihr nicht gefolgt werden.

a)Die Beklagte ist als Alleinimporteur an der Einführung und dem Vertrieb der fraglichen Zeitschrift Jedenfalls mitbeteiligt. Damit hat sie jedenfalls im Rechtssinne die in ihr enthaltenen Tatsachenbehauptungen objektiv auch verbreitet und ist an der drohenden Verbreitung in Zukunft beteiligt (§§ 823 Abs. 1, 1004 BOB; vgl. Wenzel NJW 1973, 603, 604). Daher kann nicht von vornherein die Störereigenschaft verneint werden.

Auszugehen ist davon, daß als Störer jeder anzusehen ist - ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft -, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten läßt (BGH Urt.v.15. Januar 1957 - I ZR 56/55 - LM WZG § 24 Nr. 22 = GRUR 1957, 352, besonders zu IV). Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrages oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrages als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (BGH Urt. v. 15.1.1957 - I ZR 56/55 = a.a.O. m.w.Nachw.). Dabei kann im Streitfall als unerheblich dahinstehen, ob nicht bestimmte Beteiligte im Hinblick auf das Fehlen eines eigenen Verantwortungsbereichs auszunehmen sind. Denn zu ihnen zählt die Beklagte nicht. Eine andere Frage ist es, daß sich der Inhalt des gegen ihn gerichteten negatorischen Anspruchs nach seinem konkreten Tatbeitrag zu richten hat (Erman/Hefermehl BGB 6. Aufl. § 1004, 15). Das ist aber in dem gegen die Beklagte ausgesprochenen Unterlassungsgebot berücksichtigt.

Eine Inanspruchnahme der Beklagten scheidet auch nicht im Hinblick auf ein für erforderlich gehaltenes Rechtsschutzinteresse unter dem Gesichtspunkt aus, ihr Tatbeitrag sei "untergeordnet". Ein solcher Blickwinkel wird erörtert, wenn bei der Beteiligung mehrerer an einer Beeinträchtigung, wie sie hier vorliegt, ein Beteiligter in Anspruch genommen wird, dessen Tatbeitrag "untergeordnet" ist (BGH Urt.v.15.1.1957 - I ZR 56/55 = a.a.O.). Auf eine solche untergeordnete Stellung beruft sich die Beklagte. Als Voraussetzung für die Verneinung des Rechtsschutzinteresses wird aber allenfalls erwogen, daß der oder die Hauptverantwortlichen bereits in Anspruch genommen worden sind oder ohne Schwierigkeit in Anspruch genommen werden können und wenn ein solches Vorgehen ohne weiteres ausreichen würde, Beeinträchtigungen seitens der "untergeordneten Beteiligten" wirksam zu verhindern (BGH a.a.O.). Abgesehen von allem anderen fehlt es hier schon daran. Eine Inanspruchnahme des Verlegers vor den Gerichten in Jugoslawien ist nach Lage der Sache mit Aussicht auf Erfolg nicht möglich und daher nicht zumutbar. Ein etwa im Inland erstrittenes Unterlassungsurteil (§ 32 ZPO) begegnete für die Vollstreckung in Jugoslawien denselben Schwierigkeiten. Vollstreckungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, die in einem gewissen Umfang möglich sind - so in etwaige Geldforderungen des Verlegers gegen die Beklagte -, reichen nicht aus, um die Inanspruchnahme der Beklagten wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses auszuschließen.

Ebensowenig steht schon die im Strafrecht mitunter erörterte Auffassung, auf die sich die Revision zu stützen sucht, entgegen, derjenige, der eine allgemein erhältliche Druckschrift lediglich weitergebe, "verbreite" nicht unbedingt deren Inhalt, weil die Druckschrift bereits durch ihre Ausgabe an den Händler oder die Abonnenten verbreitet sei (KG in JW 1930, 1239 m.kritischer Anm. Radbruch; s.a. BayObLG JW 1930, 2147 m.Anm. Häntzschel, vgl. ferner Wenzel NJW 1973, 603, 604). Es handelt sich hierbei um die Weiterführung des Gedankens, daß derjenige, der eine tatsächliche ehrenrührige Behauptung an jemand weitergibt, der sie bereits kennt, nicht - oder zumindest nicht ohne weiteres - den Tatbestand des § 186 StGB erfüllt (vgl. Schönke/Schröder StGB 17. Aufl. § 186 StGB Nr. 7; LK-StGB 9. Aufl. § 186 StGB Nr. 10). Ähnliche Erwägungen werden für das Zivilrecht erörtert (Helle a.a.O. S. 187, 188). Sie treffen jedoch jedenfalls bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht zu. Erst durch das Verhalten der Beklagten wurden die beanstandeten Tatsachenbehauptungen zu einem größeren Personenkreis bekannt. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß im Inland die Verbreitung der Beeinträchtigenden Behauptungen maßgeblich durch die Beklagte als Alleinimporteur von jeweils etwa 20.000 Exemplaren gefördert worden ist. Bei einer solchen Fallgestaltung kann nicht auf die in KG JW 1930, 1239 angeführten Gesichtspunkte zugunsten der Beklagten zurückgegriffen werden (s. schon Radbruch a.a.O.; vgl. OLG Bamberg BayJMBl 1953, 87 - Lesezirkel/Zeitschriftenvermieter; vgl. auch BGH Urt. v. 8.3.1966 - VI ZR 176/64 = LM BGB § 847 Nr. 31; vgl. Wenzel NJW 1973, 603 m.w.N.).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Beklagte durch den Import und den Vertrieb der fraglichen Druckschriften den Störungszustand mit herbeigeführt hat und in Zukunft an der Herbeiführung mitwirken wird (vgl. BGH Urt. v. 15.1.1957 - I ZR 56/55 - a.a.O.).

b)Besondere presserechtliche Gesichtspunkte finden sich nicht, die hier ausnahmsweise eine Störereigenschaft verneinen lassen. Im presserechtlichen Bereich ist allgemein anerkannt, daß der Uhterlassungsanspruch nicht nur gegen Autor und Verleger gerichtet werden kann, sondern ebenso gegen alle sonstigen Personen, die bei der Herstellung und Verbreitung des Publikationsmittels mitgewirkt haben oder in Zukunft mitwirken werden. In Betracht kommen hiernach insbesondere der Herausgeber, der Schriftleiter, der verantwortliche Redakteur und sonstige Verlagsmitarbeiter, ferner grundsätzlich alle diejenigen, die in den Vertrieb eingeschaltet sind, wie etwa Grossisten, Inhaber von Vertriebsstellen, Buchhandlungen usw. (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung S. 233; ähnlich Löffler, Presserecht I 2. Aufl., Kap. 14 Nr. 99; von Gamm, Persönlichkeits- und Ehrverletzungen durch Massenmedien Nr. 61). Daß besonders den zuletzt genannten Personen häufig die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt, steht zwar einem Schadensersatzanspruch, nicht aber schon dem negatorischen Unterlassungsbegehren entgegen. In letzter Zeit wird der hiermit zusammenhängende Fragenkreis auch im Hinblick auf die Haftung des Bibliothekars als Verbreiter erörtert. Auch hier wird die Auffassung vertreten, deren Richtigkeit ausdrücklich dahinstehen mag, in der Weitergabe eines Buches oder eines sonstigen Druckwerkes, in dem unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten sind, liege grundsätzlich ein die Störereigenschaft begründendes Verbreiten in dem hier in Betracht kommenden Sinne (Wenzel NJW 1974, 603, 604 [BGH 25.09.1973 - VI ZR 97/71]; vgl. auch Schwinge Festschrift für Reinhardt 1972, 475).

c)Diese Auffassung ist berechtigt. Daß sich der Unterlassungsanspruch nicht nur gegen Verfasser und Verleger als die in erster Linie Beteiligten richtet, hat auch erhebliche praktische Bedeutung. So muß für den Betroffenen die Möglichkeit bestehen, auch bereits im Vertrieb befindliche Schriften "anzuhalten", bei denen sich Autor und Verleger darauf berufen könnten, sie seien nunmehr ihrer Einflußnahme entzogen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung S. 233; vgl. auch BGH Urt. v. 15. Januar 1957 - I ZR 56/55 - a.a.O. für Warenzeichenverletzung durch den Spediteur).

Die von der Revision angeführten Gesichtspunkte für eine Begrenzung des Störerkreises, die sie aus der strafrechtlich und spezifisch presserechtlichen Verantwortlichkeit herleitet, führen zu keinem anderen Ergebnis. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit richtet sich nach selbständigen Regeln (Löffler a.a.O. I Kap. 14 Nr. 70). Zwar läßt sich aus den Vorschriften der Pressegesetze mitunter ein Anhaltspunkt dafür gewinnen, wer der rechte Beklagte für einen negatorischen Anspruch ist (vgl. BGHZ 14, 163, 175) [BGH 06.07.1954 - I ZR 38/53]. Jedoch ist keineswegs der Schluß gerechtfertigt, das Fehlen presserechtlicher Verantwortlichkeit lege es nahe, auch die zivilrechtliche Störereigenschaft zu verneinen.

d)Auch die Bejahung der Wiederholungsgefahr durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden. Dagegen erhebt auch die Revision keine Bedenken. Die Wiederholungsgefahr ist auch nach Auffassung des jetzigen Klägers, dem sich die Beklagte angeschlossen hat, erst durch den Tod des Klägers entfallen.

e)Bei dieser Sachlage ist die zukünftige Verbreitung der in Frage stehenden unwahren Tatsachenbehauptungen durch den Vertrieb seitens der Beklagten - vorbehaltlich der Erwägungen zu f) - rechtswidrig. So kann sie sich in Zukunft grundsätzlich auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn sie sich an der Verbreitung der bestimmt bezeichneten unwahren Tatsachenbehauptungen Über den Kläger beteiligt.

f)Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß sich bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden die Frage nach der Zumutbarkeit der begehrten Unterlassung stellt. Dieser Gesichtspunkt kann bei Unterlassungsbegehren unter verschiedenen Aspekten Bedeutung gewinnen (vgl. BGHZ 42, 118 [BGH 24.04.1964 - Ib ZR 4/63]; BGH Urt. v. 21.12.1973 - V ZR 107/72 = WM 1974, 572, 573;vom 21. Juni 1974 - V ZR 164/72 = NJW 1974, 1552, 1553; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung S. 238, 239 hinsichtlich des Verlegers - Aufbrauchfrist).

Um dem Unterlassungsgebot nachkommen zu können, muß die Beklagte von den von ihr eingeführten 20.000 Exemplaren der VUS jeweils ein Stück daraufhin durchsehen oder durchsehen lassen, ob es solche Behauptungen über den Kläger enthält, wie sie im Ausspruch des Berufungsurteils bezeichnet sind. Das ist technisch möglich - sei es, daß sich die Beklagte jeweils ein Stück jeder Nummer unmittelbar zusenden läßt, sei es, daß sie sich von einem ihrer Kunden an ihrem Sitz ein Stück geben läßt. Daher stellt sich die Frage dahin, ob ihr, obgleich sie im oben dargelegten Sinne Störer ist, ein solches Verhalten ausnahmsweise nicht zuzumuten ist. Das Berufungsgericht hat das verneint. Dem ist im Ergebnis zu folgen.

aa)Allerdings ist die mit dem Vertrieb der VUS befaßte Beklagte nicht ohne weiteres gehalten, diese Zeitschrift - ebenso wie andere von ihr vertriebene Druckschriften - auf ihre inhaltliche Zulässigkeit unter rechtlichen Gesichtspunkten laufend zu überprüfen. Zu einer derartigen allgemeinen Kontrolle ist ein Zeitschriftenimporteur - ebenso wie jeder andere an dem Vertrieb Beteiligte - praktisch nicht in der Lage. Ein solches Verhalten mutet das Berufungsgericht der Beklagten aber auch nicht zu. Die Beklagte ist vielmehr, worauf das Berufungsgericht zutreffend abstellt, nur gehalten, in Zukunft jeweils ein Exemplar der VUS zu überprüfen. Zudem beschränkt sich auch diese Kontrolle darauf, ob sich Behauptungen über den früheren Kläger finden, und zwar - in weiterer Einschränkung - solchen Inhalts, wie sie im genauen Ausspruch des Berufungsurteils bezeichnet sind.

Damit wird die Beklagte durch die grundsätzlich bejahte Möglichkeit einer gerichtlichen Inanspruchnahme auf Unterlassung nicht in unbilliger oder unzumutbarer Weise behindert. Denn sie unterliegt keiner allgemeinen Prüfungspflicht dahingehend, ob in der VUS und den sonstigen von ihr betriebenen periodischen Druckschriften Äußerungen enthalten sind, die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Eine Pflicht zur Prüfung entsteht erst dann, wenn sie in Anspruch genommen wird.

bb)Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob das auch dann Geltung beanspruchen kann, wenn unter den Parteien streitig ist, ob die zu unterlassende Tatsachenbehauptungen wahr oder unwahr sind, was dasUrteil vom 15. Januar 1957 (I ZR 56/55 - a.a.O. zu IV 2) bejaht. Denn im Streitfall ist unter den Parteien unstreitig, daß die bereits aufgestellten und weiter zu befürchtenden Tatsachenbehauptungen unwahr sind.

cc)Dem Hinweis der Revision, die Möglichkeit einer beachtlichen Häufung solcher Inanspruchnahmen zeige die Unzumutbarkeit besonders ("Vervielfältigungseffekt"), brauchte schon deshalb nicht nachgegangen zu werden, weil hier nur ein solcher Fall vorliegt.

Auch die Erwägung, daß die Beklagte in Zukunft auf unabsehbare Zeit, auch wenn in der Wochenzeitschrift eine beachtliche Zeitlang keine der beanstandeten Behauptungen wiederholt worden sind, zur Kontrolle - wenn auch in dem oben gekennzeichneten begrenzten Umfang - gehalten wäre, greift nicht durch. Einmal können derartige Umstände, sollte der Kläger bei einer solchen Entwicklung den Uhterlassungstitel durchzusetzen suchen, im Rahmen der Vollstreckung (vgl. § 890 ZPO) berücksichtigt werden. Zudem stehen ihm wie jedem Unterlassungsschuldner, sollte die Wiederholungsgefahr entfallen sein, entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, wenn der Kläger nicht freiwillig auf den Titel verzichtet.

dd)Dieses Ergebnis stimmt weithin mit einer Auffassung übervin, die über die - nach Ansicht des erkennenden Senats entfernter liegende - Haftung des Bibliothekars vertreten wird. Dort ist das Bestreben um eine Zurückdrängung einer solchen Haftung zu erkennen (vgl. Wenzel NJW 1973, 603). Aber auch diese Erwägungen lassen im Ausgangspunkt keinen Zweifel daran, daß bei unzulässigem Buchinhalt gegen ein Verhalten des Bibliothekars vorgegangen werden kann "wie gegen die Weitergabe durch den Groß- und Einzelhandel" (S. 604, 3; s.a. Löffler a.a.O. I S. 492 Nr. 99). Ersichtlich bestehen - verständlicherweise - aber Bedenken, daß der Bibliothekar zur "selbständigen" Prüfung des Bestandes der ihm anvertrauten Bibliothek und der Neuzugänge auf etwaigen unzulässigen Inhalt gehalten sein soll ("unzumutbar"). Daher wird ihm eine als Leistungsverweigerungsrecht bezeichnete Berechtigung gewährt gegenüber der "Durchsetzung" des Unterlassungsgebots. Dieses soll davon abhängen, daß er "abgemahnt" und ihm die Unzulässigkeit des Buchinhalts nachgewiesen wird. Der erkennende Senat hat über einen solchen Sachverhalt nicht zu befinden. Immerhin liegen diese Voraussetzungen hier sogar vor. Die Beklagte ist auf Unterlassung in Anspruch genommen (Abmahnung) und die Unwahrheit der vorangegangenen und der drohenden Äußerungen sind unstreitig.

g)Bei dieser Sachlage bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das vom Berufungsgericht ausgesprochene Uhterlassungsgebot.

Allerdings umfaßt das Grundrecht der Pressefreiheit auch die Vertriebsfreiheit (BVerfGE 10, 118, 121 [BVerfG 06.10.1959 - 1 BvL 118/53]; 12, 205, 260; 20, 162, 176; Löffler a.a.O. I Kap. 5 Nr. 43; Rehbinder Presserecht Nr. 12). Ebenso wie das Recht der freien Meinungsäußerung gewährt es aber nicht die Befugnis, unwahre Tatsachenbehauptungen (aufzustellen oder) zu verbreiten (vgl. BGH Urt. v. 30.5.1974 - VI ZR 174/72 = LM BGB § 824 Nr. 18 - einleitend unter III). Auch der Gesichtspunkt der Pressefreiheit stellt ein Vertriebunternehmen insoweit grundsätzlich nicht anders als den Urheber einer die Ehre eines anderen beeinträchtigenden Tatsachenbehauptung. Das gilt auch fUr das Recht der Informationsfreiheit (BVerfGE 27, 71 [BVerfG 03.10.1969 - 1 BvR 46/65]; 27, 104 [BVerfG 14.10.1969 - 1 BvR 30/66]; 30, 336, 354). Diese Gesichtspunkte reichen nicht, um gegen das zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen zu bejahende Verbot, unwahre Tatsachenbehauptungen zu verbreiten, zu stehen.