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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 10.06.2008, Az.: VI ZR 248/07

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt nach einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach in vollem Umfang haften, Nutzungsausfallentschädigung wegen der Beschädigung seines Wohnmobils.

Am 20. Oktober 2005 stieß der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 versicherten Fahrzeug gegen das ordnungsgemäß geparkte Wohnmobil, bei dem es sich um eine den Freizeitbedürfnissen des Klägers entsprechende Spezialanfertigung handelt. Zur Beförderung und zum Transport im Alltag benutzt der Kläger seinen Pkw. Für die Zeit der Reparatur des Wohnmobils vom 21. Oktober 2005 bis 24. November 2005 (35 Tage) macht er Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 150 € pro Tag, insgesamt 5.250 € geltend.

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger außerdem Ersatz für andere Schadensposten verlangt hat, hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsersatz abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist insoweit erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Ersatz von Nutzungsausfall weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne für den Nutzungsausfall seines Wohnmobils keine abstrakt berechnete Entschädigung verlangen, denn es handle sich hierbei um einen immateriellen Schaden im Sinne des § 253 Abs. 1 BGB, für den eine gesetzliche Ersatzpflicht nicht bestimmt sei. Das Wohnmobil diene ausschließlich der Freizeitgestaltung. Eine abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung komme nur in Betracht, wenn ein Wohnmobil mangels eines weiteren Fahrzeugs atypisch wie ein Pkw, beispielsweise für Fahrten zur Arbeitsstätte oder für alltägliche Besorgungen, genutzt werde. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (VersR 2001, 208 ff.), das unabhängig vom Benutzungszweck einen Anspruch auf abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung bejahe, lasse außer Betracht, dass der Eigentümer eines Wohnmobils, der daneben über einen seine alltägliche Mobilität gewährleistenden weiteren Pkw verfüge, auf sein Freizeitgefährt für die eigenwirtschaftliche Lebensführung nicht typischerweise angewiesen sei. Dessen vorübergehender Entzug wirke sich deshalb auch nicht auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus. Es sei lediglich eine Einbuße in der Freiheit der Freizeitgestaltung gegeben. Darin liege aber kein ersatzfähiger Vermögensschaden.

II.

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt nach allgemeiner Rechtsauffassung grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern (vgl. Senat, BGHZ 45, 212, 215; 56, 214, 215; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. Kap. 3 Rn. 95 ff.; MünchKomm/Oetker, BGB, 5. Aufl. § 249 Rn. 60 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. vor § 249 Rn. 20 ff.; Vieweg in: Staudinger/Eckpfeiler (2005) S. 380 f.; Wussow/Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl. Kap. 41, Rn. 43).

Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des Bereicherungsverbots (Senatsurteile BGHZ 45, 212, 219 f.; 162, 161, 165 m.w.N. und Urteil vom 18. Dezember 2007 - VI ZR 62/07 - DAR 2008, 139). Dem betroffenen Eigentümer gebührt die Entschädigung daher nicht unabhängig davon, ob er seinen Wagen während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. So ist ein Nutzungsschaden nicht gegeben, wenn etwa wegen Erkrankung oder Ortsabwesenheit der allein für die Benutzung in Frage kommenden Person der Gebrauch des Fahrzeugs ohnehin nicht möglich war (Senat, BGHZ 45, 212, 219; Urteil vom 7. Juni 1968 - VI ZR 40/67 - VersR 1968, 803; BGHZ GSZ 98, 212, 220; BGHZ 40, 345, 353). Die Entbehrung der Nutzung muss darüber hinaus auch deshalb 'fühlbar' geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeuges für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Diese Einschränkung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt. Der Nutzungsersatz kommt nur für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht, denn der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (vgl. BGHZ GSZ 98, 212, 222 ff.). Hierzu kann auf die Verkehrsanschauung abgehoben werden, wenn diese auch nicht darüber entscheiden kann, wo die Grenze des § 253 BGB verläuft (vgl. Senat, BGHZ 89, 60, 62 f. m.w.N.).

Nach diesen Kriterien hat der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch dann eine Entschädigung zu leisten, wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen nicht beschafft hat. Wie oben dargelegt, ist die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens grundsätzlich geeignet, Zeit und Kraft zu sparen, so dass die dadurch gewonnenen Vorteile als 'Geld' zu betrachten sind. Auch hat der Geschädigte finanzielle Mittel zur Anschaffung und Haltung des Fahrzeugs eingesetzt, um den damit verbundenen 'geldwerten' Vorteil zu erreichen (Senat, BGHZ 45, 212, 215; 55, 146, 149; 56, 214, 216; 89, 60, 63; 161, 151, 154). Dass der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs für den Benutzer daneben einen Gewinn an Bequemlichkeit bedeuten kann, steht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise nicht im Vordergrund, weil Anschaffung und Unterhalt eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgen, der in der Zeitersparnis liegt (vgl. Senat, BGHZ 45, 212, 215; 89, 60, 63; BGHZ 40, 345, 349).

Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist. Dieser strenge Maßstab hat dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof mehrfach für den Nutzungsausfall von anderen Gegenständen als Kraftfahrzeugen eine Entschädigungspflicht verneint hat (vgl. BGHZ 63, 393 - Pelzmantel; BGHZ 76, 179 - privates Schwimmbad; BGHZ 86, 128 - Wohnwagen; BGHZ 89, 60 - Sportmotorboot). In den genannten Fällen ist die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs für den Nutzungsverlust letztlich daran gescheitert, dass sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dargestellt hat, sondern als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht vermögensrechtlicher Schaden.

Dies gilt auch für den Streitfall.

2. Anders als bei einem für den alltäglichen Gebrauch vorgesehenen Pkw ist die jederzeitige Benutzbarkeit des Wohnmobils für den Kläger nach seinem eigenen Vortrag zwar ein die Lebensqualität erhöhender Vorteil, der jedoch keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellt. Die Wertschätzung des Wohnmobils stützt der Kläger auf die Möglichkeit, seine Freizeit aufgrund der besonderen Mobilität besonders intensiv gestalten zu können. Dieser Gesichtspunkt betrifft indes nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich einer vermögensrechtlichen Bewertung. Entgegen der Auffassung der Revision ist die vorliegende Interessenlage durchaus mit der im sogenannten Sportmotorbootfall vergleichbar (Senat, BGHZ 89, 60, 64).

Zwar ist der Revision zuzugeben, dass anders als beim Wohnanhänger (BGHZ 86, 128, 133) das Wohnmobil auch der Personenbeförderung dient. Doch musste der Kläger diese Nutzung nicht infolge der Beschädigung entbehren, da ihm dafür ein Pkw zur Verfügung steht. Das Argument der Revision, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Wohnmobils nach heutiger Verkehrsauffassung kommerzialisiert sei, legt ebenfalls keine andere Betrachtung nahe. Zwar kann es für die Annahme eines Vermögensschadens sprechen, wenn ein Markt für den betreffenden Gegenstand besteht und anerkannte Maßstäbe zur geldmäßigen Bemessung einer vorübergehend entzogenen Gebrauchsmöglichkeit zur Verfügung stehen (BGHZ 63, 393 ff.; 45, 212, 217; 86, 128). Die Anerkennung einer Gebrauchsmöglichkeit als Vermögensgut bedeutet indes nicht, dass jeder Entzug von Gebrauchsvorteilen, jede Einbuße an Freizeit und jede Beeinträchtigung von Genussmöglichkeiten als ersatzfähiger Vermögensschaden anzuerkennen wären. Genussmöglichkeiten lassen sich heute weitgehend mit Geld erkaufen. Soll die in § 253 BGB getroffene Regelung nicht völlig ausgehöhlt werden, bedarf es der wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung die Benutzbarkeit einer Sache als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen werden kann und ob deshalb die Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit als solcher einen Vermögensschaden darstellt (Senat BGHZ 45, 212, 215 f.; BGHZ 63, 393; 76, 179; 86, 128, 131).

Nach diesen Kriterien begegnet es keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls die Nutzung des reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils nicht als vermögenswerten Vorteil angesehen hat. Ob anderes gilt, wenn mangels eines Pkws das Wohnmobil zur Bewältigung alltäglicher Transportaufgaben genutzt wird (vgl. OLG Hamm, VersR 90, 864; LG Kiel, VersR 1988, 47; AG Augsburg, ZfS 1988, 8 f.; AG Dresden Schaden-Praxis 1999, 54 f.), muss vom Senat in diesem Fall nicht entschieden werden. Da Vortrag zu konkreten Unkosten und Aufwendungen, die der Kläger infolge der Beschädigung des Wohnmobils getätigt hat, fehlt, muss die Klage auf Nutzungsersatz erfolglos bleiben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.10.2006 - 2/12 O 42/06 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 13.09.2007 - 1 U 224/06 -