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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 30.06.1987, Az.: VI ZR 257/86

Tatbestand

Die damals 13jährige Klägerin erlitt am 6. Februar 1976 einen Sportunfall und wurde wegen Verdachts auf eine Verletzung der Milz vom Unfallarzt in das Krankenhaus E. überwiesen, dessen Träger der beklagte Landkreis ist. Der als zweiter Oberarzt den abwesenden Chefarzt der chirurgischen Abteilung vertretende Chirurg Dr. Dr. H. untersuchte die Klägerin und entschloß sich zu einer operativen Öffnung der Bauchhöhle. Als er Verletzungen der linken Niere feststellte, entfernte er diese. Am nächsten Tag wurde die Klägerin wegen akuten Nierenversagens in die Universitätsklinik H. verlegt. Es stellte sich dort heraus, daß sie von Geburt an keine rechte Niere besaß, ihr mithin im Kreiskrankenhaus E. die einzige vorhandene Niere entfernt worden war. In H. fand zunächst eine stationäre Behandlung mittels einer künstlichen Niere statt. Auf Anraten der dortigen Ärzte erklärte sich die Mutter der Klägerin zu einer Nierenspende bereit. Am 31. März 1976 wurde ihr in G. eine Niere entnommen und der Klägerin implantiert. Ende April 1976 konnte die Klägerin in häusliche Pflege entlassen werden.

Die Klägerin hatte im Rechtsstreit Dr. Dr. H. und den beklagten Landkreis auf Ersatz ihrer eigenen materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch genommen. Insoweit ist der Rechtsstreit erledigt. Seitdem ist auch außer Streit, daß die Entfernung der Niere der Klägerin durch Dr. Dr. H. ein schuldhafter Behandlungsfehler war; die Niere hätte bei richtigem ärztlichem Vorgehen gerettet werden können. Die Klägerin verlangt jetzt noch die Feststellung, daß der beklagte Landkreis verpflichtet ist, ihrer Mutter vorbehaltlich des Übergangs von Ansprüchen auf Sozialversicherungsträger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser wegen der am 31. März 1976 durchgeführten Entnahme einer Niere entstehen. Sie hat sich insoweit etwaige Schadensersatzansprüche ihrer Mutter abtreten lassen.

Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und mit dem ebenfalls angefochtenen Ergänzungsurteil die Kostenentscheidung hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten ergänzt. Die Revisionen des Beklagten gegen diese Urteile hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom 3. Oktober 1986 in FamRZ 1987, 384, und NJW 1987, 710 veröffentlicht worden ist, hält einen Schadensersatzanspruch der Mutter der Klägerin für begründet. Es erwägt dazu im wesentlichen:

Der Mutter der Klägerin stehe wegen der geltend gemachten Schäden, die nicht mehr als Heilungskosten der Klägerin anzusehen seien, ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nach §§ 31, 89, 823 Abs. 1 BGB zu. Der Chirurg Dr. Dr. H. sei als eigenverantwortlich handelnder Vertreter des Chefarztes der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus als Organ des Beklagten anzusehen, für dessen Fehlverhalten dieser einzustehen habe. Ähnlich wie in den in der Rechtsprechung und im Schrifttum erörterten Rettungs- und Nothilfefällen sei die Nierenspende durch die der Klägerin gegenüber begangene unerlaubte Handlung herausgefordert worden. Es fehle mithin trotz der Freiwilligkeit des Entschlusses der Mutter der Klägerin weder an der (psychisch vermittelten) Kausalität zwischen der dem Beklagten zuzurechnenden unerlaubten Handlung und dem durch die Nierenspende entstandenen Körperschaden noch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Die Einwilligung der Mutter der Klägerin in die Operation zur Entfernung ihrer Niere beseitige auch nicht die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung im Verhältnis zum Beklagten.

II.Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage, die künftige materielle Schäden der Mutter der Klägerin zum Gegenstand hat, zutreffend für begründet gehalten. Auch nach Ansicht des erkennenden Senats hat die Mutter der Klägerin insoweit einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nach §§ 31, 89, 823 Abs. 1 BGB, den die Klägerin aus abgetretenem Recht im Wege der Feststellungsklage geltend machen kann.

1. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

2. Ob der Mutter der Klägerin gegen den Beklagten Ansprüche auf Ersatz zukünftiger Aufwendungen wegen des Verlustes der Niere auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB zustehen, was das Berufungsgericht verneint hat, kann offen bleiben. Sie kann, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, Ersatz für zukünftige Schäden aus diesem Ereignis von dem Beklagten jedenfalls nach § 823 Abs. 1 BGB aus unerlaubter Handlung wegen ihrer von Dr. Dr. H. verursachten und verschuldeten Körperverletzung verlangen.

a) Ein solcher Anspruch scheitert nicht, wie die Revision meint, schon daran, daß der Chirurg Dr. Dr. H. nicht als Organ des beklagten Krankenhausträgers anzusehen war, als er die Niere der Klägerin entfernte. Dr. Dr. H. hatte, weil der Chefarzt der chirurgischen Abteilung abwesend war, als dessen zuständiger Vertreter die Funktionen eines Chefarztes wahrzunehmen. Seine Stellung ist mithin rechtlich nicht anders zu beurteilen als die des Chefarztes selbst, wenn er anwesend gewesen wäre. Soweit die Revision dagegen Bedenken erhebt, daß auch der Chefarzt einer Abteilung des Krankenhauses (und nicht nur der leitende Chefarzt des Krankenhauses) als Organ des Krankenhausträgers tätig wird, verweist sie auf Rechtsprechung, die überholt und aufgegeben ist (so die des III. Zivilsenats in BGHZ 4, 138 ff., 152; vgl. BGHZ 77, 74, 79). Der erkennende Senat hat die in seiner Entscheidung vom 21. September 1971 - VI ZR 122/70 - (NJW 1972, 334 [BGH 21.09.1971 - VI ZR 122/70] = VersR 1971, 1123) noch offengelassene Frage inzwischen dahin entschieden, daß die Leiter einzelner Fachbereiche eines Krankenhauses als verfassungsmäßig berufene Vertreter des Krankenhausträgers anzusehen sind (BGHZ 77, 74 ff.;  95, 63, 70 [BGH 18.06.1985 - VI ZR 234/83];  Senatsurteil vom 29. Oktober 1985 - VI ZR 85/84 - VersR 1986, 295, 296 = NJW 1986, 776). Das muß jedenfalls solange gelten, als der Krankenhausträger nicht darlegt, daß im Einzelfall die Organisation im Krankenhaus zu einer anderen Beurteilung führen muß. Der Beklagte hat dazu in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen. Vielmehr ist über die nach §§ 31, 89 BGB in Betracht kommende Organhaftung des Beklagten für ein Verschulden des Oberarztes Dr. Dr. H. nie gestritten worden.

b) Der Oberarzt Dr. Dr. H. hat, als er der Klägerin unter Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten deren einzige Niere entfernte, nicht nur Körper und Gesundheit der Klägerin selbst verletzt. Er hat dadurch auch einen Gefahrenzustand geschaffen, der vor allem nahe Angehörige der Klägerin dazu veranlassen konnte, zur Rettung von Leben und Gesundheit der Klägerin eine Verletzung des eigenen Körpers in Kauf zu nehmen, indem sie eine Niere zur Implantation bei der Klägerin zur Verfügung stellten. Das so dem Organspender aufgezwungene Opfer der eigenen körperlichen Unversehrtheit ist ein Verletzungstatbestand, der bis auf noch zu erörternde Besonderheiten, die jedoch nicht zu einer abweichenden rechtlichen Wertung führen können, wie in anderen Rettungs- und Nothilfefällen eine Schadensersatzpflicht des für die Rettungs- und Notlage verantwortlichen Schädigers auch gegenüber dem Retter und Nothelfer, der bei der Rettungshandlung zu Schaden kommt, begründen kann.

aa) Ein haftungsrechtlich relevanter Ursachenzusammenhang zwischen der von dem Beklagten zu verantwortenden Entfernung der einzigen Niere der Klägerin und der Nierenspende ihrer Mutter steht außer Frage. Die Möglichkeit einer Nierentransplantation, auch die der sogenannten Lebendspende, war seinerzeit bekannt, und eine Nierenspende durch einen nahen Angehörigen keine so entfernte Möglichkeit, daß sie schon deswegen rechtlich außer Betracht zu bleiben hätte. Entgegen der Ansicht der Revision ist es vielmehr nachvollziehbar, daß eine Mutter auf Anraten der Ärzte sich zu einem solchen Opfer für ihr Kind bereit findet. Die Kausalkette wird auch nicht schon dadurch durchbrochen, daß die Nierenspende auf einem freiwilligen Entschluß der Mutter der Klägerin beruht; dieser Entschluß beruht nur auf dem Aufforderungscharakter der von dem Beklagten zu verantwortenden Gefahrenlage, in die die Mutter der Klägerin durch die ärztliche Fehlbehandlung gebracht worden war und ohne die es nicht zur Rettungshandlung gekommen wäre. Daß auch eine psychisch vermittelte Kausalität zur Haftungsbegründung ausreichen kann, entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 67, 163, 168 [BGH 23.08.1976 - RiZ R 2/76]; st. Rspr.) und der fast einhelligen Ansicht im Schrifttum. Die Revision greift das auch nicht an.

bb) Auch ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem bekannt, daß der Entschluß, sich der Gefahr eigener Verletzungen auszusetzen, um einen anderen aus einer Gefahrenlage zu retten, nicht schon grundsätzlich eine neue Zurechnung eröffnet, die derartige Schädigungen des »Retters« haftungsrechtlich diesem selbst zuordnet und sie aus der Einstandspflicht des für die Gefährdung des »Geretteten« Verantwortlichen entläßt. Vielmehr hat schon das Reichsgericht dessen Haftung auch auf derartige Verletzungen des »Retters« jedenfalls dann erstreckt, wenn die Rettungshandlung im Hinblick auf den drohenden und abzuwendenden Schaden nicht unverhältnismäßig war (RGZ 29, 120 ff.: Bändigung durchgehender Kutschpferde; RGZ 50, 219, 223: Bändigung durchgehender Reitpferde; RGZ 164, 125 f.: Rettung von Fahrgästen aus einem Bus; OLG Stuttgart NJW 1965, 112 [OLG Stuttgart 24.11.1964 - 5 U 91/64]: Rettung von Insassen aus einem brennenden Kraftfahrzeug). Der erkennende Senat hat an diese Rechtsprechung in den sogenannten Verfolgungsfällen angeknüpft (Senatsurteile vom 24. März 1964 - VI ZR 33/63 - NJW 1964, 1363, 1364; BGHZ 57, 25, 29 ff.;  63, 189, 192 ff.). Dem entspricht jedenfalls im Grundsatz die einhellige Meinung im Schrifttum (u. a. Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rdn. 58 ff.; Staudinger/Schäfer aaO Vorbem. zu § 823 ff. Rdn. 90 ff., 112, 120 ff.; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. Rdn. 98; MünchKomm/Grunsky 2. Aufl., vor § 249 Rdn. 59; Deutsch, Haftungsrecht I S. 159 ff. jeweils m. w. Nachw.). Zwar besteht, wie der erkennende Senat bei anderer Gelegenheit klargestellt hat, kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, und andererseits auch kein allgemeines Verbot, sie zu einer Selbstgefährdung zu veranlassen (Senatsurteile vom 29. November 1977 - VI ZR 51/76 - = VersR 1978, 183, 184 = NJW 1978, 421 und vom 21. Januar 1986 - VI ZR 208/84 = VersR 1986, 578 = NJW 1986, 1865). Das gesellschaftliche Zusammenleben mit seinen zahlreichen Kontakten der Menschen führt zu vielfältigen Einflüssen des einen auf die Entschließungen des anderen, ohne daß sie schon deshalb von dem Einflußnehmenden haftungsrechtlich mitzuverantworten wären. Erst wenn der Schädiger verantwortlich einen Gefahrenzustand geschaffen hat, der von einem solchen Gewicht und von einem solchen Aufforderungscharakter an den Retter und Nothelfer ist, daß das von diesem auf sich genommene Risiko ebenso wie die für den zu Rettenden gesetzte Gefahr bei einer wertenden Betrachtung dem Schädiger zuzuordnen ist, weil er den zu Rettenden in eine Lage gebracht hat, die das Eingreifen des Retters und Nothelfers wenn nicht gebietet, so doch mindestens verständlich und billigenswert macht, muß er für die Selbstschädigung des Retters und Nothelfers einstehen. Es ist dann nicht mehr gerechtfertigt, das Eingreifen des Retters und Nothelfers isoliert von der Schaffung der »gesteigerten Gefahrenlage« (so Senatsurteil BGHZ 57, 29 [BGH 13.07.1971 - VI ZR 125/70]) durch den Schädiger zu betrachten. In diesem Sinn hat der erkennende Senat wiederholt von einer vorwerfbaren »Herausforderung« der Selbstgefährdung des Geschädigten durch den Schädiger gesprochen.

cc) Zur näheren Konkretisierung dieser haftungsrechtlichen Wertung hat der Senat bereits einige Grundsätze entwickelt. So darf die Intervention des Retters oder Nothelfers nicht vollständig frei sein; sie muß durch die erste Tat nahegelegt worden, durch sie, wie es der Senat in den bereits angeführten Entscheidungen ausgedrückt hat, »herausgefordert« worden sein. Darüberhinaus muß die Selbstgefährdung und die in Kauf genommene eigene Verletzung in einem angemessenen Verhältnis zu dem möglichen Erfolg des Eingreifens stehen und in ihrer Motivation nach den anerkannten gesellschaftlichen Verhaltensregeln wenigstens zu billigen sein (so für Verfolgungsfälle schon die Senatsurteile BGHZ 57, 31 [BGH 13.07.1971 - VI ZR 125/70] und 63, 193). Ohne solche, die Haftung begrenzenden Kriterien, die damit zunächst nur sehr allgemein umschrieben werden und im Einzelfall näherer Ausformung bedürfen, läge die Haftung desjenigen, der einem anderen Schaden zugefügt hat, für dadurch ausgelöstes Eingreifen Dritter nicht mehr im Schutzbereich der Verhaltenspflicht, keine herausfordernden Rettungs- oder Nothilfesituationen herbeizuführen. Die Selbstgefährdung und die Selbstverletzung des Retters oder Nothelfers gehören dann zu seinem von ihm allein zu verantwortenden Lebensbereich. Er handelt »auf eigene Gefahr« (zur notwendigen Haftungsbegrenzung bei psychisch vermittelter Kausalität vgl. u. a. Deutsch aaO S. 161 f.; BGB-RGRK/Steffen aaO Rdn. 93 ff.; MünchKomm/Grunsky aaO vor § 249 Rdn. 950; Staudinger/Medicus aaO vor § 249 Rdn. 62 f.; Staudinger/Schäfer aaO Vorbem. zu § 823 ff. Rdn. 90 ff., 120 ff.; Zimmermann JZ 1980, 10 ff., jeweils m. w. Nachw.).

dd) Diese Rechtsgrundsätze rechtfertigen es, im Streitfall die Nierenspende und die damit verbundene Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung der Mutter der Klägerin dem dieses Opfer nahelegenden, vom Beklagten zu verantwortenden Verhalten des Oberarztes Dr. Dr. H. haftungsrechtlich zuzurechnen. Die Nierenspende beruhte gerade darauf, daß Dr. Dr. H. die Mutter der Klägerin durch Verletzung ihres Kindes in eine Lage gebracht hat, in der sie sich zu einem solchen Opfer aufgefordert fühlen durfte. Fraglos ist ihr Verhalten sittlich hoch zu bewerten und von der Rechtsordnung deshalb zu billigen und anzuerkennen. Der medizinisch jedenfalls indizierte Versuch, durch die Spende einer gesunden Niere die körperliche und gesundheitliche Lage der Klägerin zu verbessern und die Dialyse-Behandlung mindestens erheblich abzukürzen, steht in einem vernünftigen und angemessenen Verhältnis zu der Selbstschädigung, die die Mutter der Klägerin auf sich genommen hat. Ihr Entschluß beruhte gerade auch auf eingehender Beratung durch die die Klägerin behandelnden Ärzte.

ee) Der Zurechnungszusammenhang kann entgegen der Ansicht der Revision nun nicht deswegen verneint werden, weil die Mutter der Klägerin ihren Entschluß zur Nierenspende nicht unter dem unmittelbaren Eindruck einer akuten Notlage gefaßt, sondern Zeit hatte, sich darüber mit Ärzten zu beraten und das Für und Wider reiflich zu überlegen. Wird ein Eingreifen des Retters und Nothelfers nahegelegt, dann kann es nicht darauf ankommen, ob er sozusagen aus der Situation heraus spontan gehandelt hat oder ob er vorher Chancen und Risiken seiner Intervention für sich abwägen konnte. An der »Herausforderungssituation« ändert das nichts, und der ursächliche Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung des Schädigers und der Selbstgefährdung oder Selbstschädigung des Retters und Nothelfers bleibt in jedem Fall erhalten. Es ist auch nichts Außergewöhnliches, daß ein Retter genügend Zeit zur Überlegung hat. Allerdings fällt unter den Begriff Rettung, verstanden als herausgefordertes Eingreifen zur Abwendung oder Geringhaltung des Schadens der vom Schädiger verantwortlich herbeigeführten Gefahrenlage, in aller Regel nicht mehr die Hilfe bei der Schadensbewältigung, insbesondere wo sie sich als bloße Unterstützung bei der Schadensregulierung darstellt. Diese kann haftungsrechtlich nicht mehr der Verletzungshandlung des Schädigers zugeordnet werden. Wann das Opfer desjenigen, der den eingetretenen Schaden mindern oder ihn jedenfalls eindämmen will, noch Rettung und Nothilfe ist, bedarf einer Wertung, die den inneren Bezug zur Herausforderungslage und sicherlich auch zeitliche und örtliche Zusammenhänge berücksichtigen muß. Die Nierenspende eines nahen Angehörigen - hier der Mutter - für das verletzte Kind ist bei solcher Betrachtung noch zwanglos als herausgeforderte Rettungsmaßnahme für das bedrohte Leben oder die bedrohte Gesundheit des Kindes anzusehen. Das Opfer der Mutter steht im inneren Zusammenhang mit der vom beklagten Arzt durch die Entfernung der einzigen Niere des Kindes verschuldeten bedrohlichen Lage. Die zeitliche Verzögerung, mit der es gebracht wird, erklärt sich weit weniger dadurch, daß nunmehr nach Eintritt des Gesundheitsschadens des Kindes Heilmaßnahmen eingeleitet wurden, sondern daraus, daß die rettende Organspende den Umständen nach nicht sofort, sondern erst einige Zeit später erbracht werden konnte. Deswegen ist im Streitfall die Nierenspende der Mutter der Klägerin als Folge der Verletzungshandlung anzusehen, für die der Beklagte deliktisch einzustehen hat (ebenso im Ergebnis Deutsch, Arztrecht und Arzneimittelrecht, 1983, S. 205 Rdn. 305; im angelsächsischen Rechtsbereich in Anwendung der »rescue doctrine« Urbanski v. Partel, Manitoba Queen's Bench v. 25. Januar 1978 - 84 D.L.R. 3 d 650 einerseits; Sirianni v. Anna - N.Y.S. 2 d 709 v. 21. Dezember 1967, Moore v. Sha - 458 N.Y.S. 2 d 33; 90 A.D. 2 d 389 - v. 30. Dezember 1982 u. Ornolas and Ornelas v. Fry, Court of Appeale of Arizonas - 727 P. 2 d 819 v. 6. Mai 1986 andererseits). Ganz außer Betracht zu bleiben hat bei diesen Überlegungen, ob der Oberarzt Dr. Dr. H. oder beklagte Krankenhausträger rechtlich oder sittlich verpflichtet waren, für eine Nierentransplantation zu sorgen. Daran kann das »herausgeforderte Opfer« der Mutter der Klägerin nicht gemessen werden.

ff) Entgegen den Überlegungen der Revision kann der Anspruch der Mutter der Klägerin nicht deswegen entfallen, weil sie nicht nur, wie wohl in den meisten Rettungs- und Nothilfefällen, eigene Verletzungen dabei nur als möglich in Kauf genommen hat, sondern sich diese Verletzung durch die Nierenspende hat beibringen lassen, also ganz bewußt ein Gesundheitsopfer gebracht hat. Auch dieser Umstand ändert weder etwas an der Herausforderungssituation, noch gibt er Anlaß zu einer haftungsbegrenzenden Wertung. Diese könnte nur darin liegen, daß die Verhältnismäßigkeit zwischen der Selbstschädigung und der Chance zur Rettung des Verletzten nicht gewahrt oder daß die Selbstschädigung sittlich nicht mehr zu billigen wäre. Weder das eine noch das andere ist der Fall. Im Gegenteil kann nach Ansicht des erkennenden Senates an der gebotenen Zurechnung zu der unerlaubten Handlung, für die der Beklagte einzustehen hat, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder der Sittlichkeit kein Zweifel bestehen.

gg) Der erkennende Senat vermag der Revision endlich auch nicht in der Ansicht zu folgen, die Mutter der Klägerin habe, rechtlich gesehen, keine zum Schadensersatz führende Körperverletzung erlitten, weil sie in die Operation zwecks Entfernung der gespendeten Niere eingewilligt habe. Sicherlich war die operative Entfernung der Niere durch den damit beauftragten Arzt deswegen rechtmäßig. Der Schädiger, der das so gesehen freiwillige Opfer an der Gesundheit und die in diesem Sinne einverständliche Körperverletzung veranlaßt und dafür einzustehen hat, kann sich aber seinerseits nicht darauf berufen, die Körperverletzung des intervenierenden Dritten sei freiwillig und deswegen rechtmäßig, und zwar auch dann nicht, wenn ein anderer die Körperverletzung, wie im Streitfall, erst herbeiführen muß, um dem Retter und Nothelfer seine Rettungshandlung zu ermöglichen. Die Mutter der Klägerin hat mit ihrer Einwilligung in die Entnahme einer Niere nicht auch darin eingewilligt, daß Dr. Dr. H. sie in die Lage gebracht hat, zur Rettung ihres Kindes das Opfer an ihrer Gesundheit zu bringen. Die ihr gegenüber begangene unerlaubte Handlung bleibt deswegen rechtswidrig (im Ergebnis ebenso Deutsch aaO).