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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 08.12.2011, Az.: 4 STR 500/11

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts; ferner erhebt er eine Verfahrensrüge.

Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte zwischen Dezember 2007 und Dezember 2008 von dem gesondert verfolgten H. sowie von einer anderen, unbekannten Person zahlreiche hochwertige Elektrowerkzeuge, wobei er wusste, dass diese zuvor gestohlen worden waren, und verkaufte sie nahezu vollständig an die ebenfalls gesondert verfolgten M. und A. V. - M. V. ist der Vater des A. V. - weiter, um mit den auf diese Weise erlangten Gewinnen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

In den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe übernahm der Angeklagte die Elektrogeräte jeweils unmittelbar nach deren Entwendung von H., der den Angeklagten zum Zweck der Übergabe regelmäßig nach vorheriger Ankündigung per SMS an dessen Wohnort aufsuchte und nach der Übergabe unverzüglich wieder zurückfuhr. Der Angeklagte seinerseits informierte M. und A. V. von zwei abwechselnd benutzten Mobiltelefonen aus über die Preise für die zum Verkauf stehenden Geräte und stellte das Diebesgut nach telefonisch erklärtem Einverständnis von M. und A. V. in eine von diesem gemietete Garage. Dort holten M. und A. V. die Geräte ab, nachdem sich der Angeklagte entfernt hatte. Das Landgericht hat sich in den Fällen II. 1 bis II. 8 seine Überzeugung von der objektiven und subjektiven Tatseite des Hehlereitatbestandes in der Tatmodalität des Ankaufs auf der Grundlage der weitgehend geständigen Angaben des als Zeugen vernommenen H. sowie der in die Hauptverhandlung eingeführten Verbindungsdaten des von H. zu den jeweiligen Tatzeitpunkten genutzten und ihm von dem Angeklagten zur Verfügung gestellten Mobiltelefons gestützt. Ferner hat es die Protokolle der Überwachung beider vom Angeklagten bei seinen Telefonaten mit M. und A. V. verwendeten Mobiltelefone herangezogen.

In den Fällen II. 9 und II. 10 sind die jeweils von Unbekannten entwendeten, vom Angeklagten gekauften und an M. und A. V. weiterverkauften Gegenstände in deren Garage sichergestellt worden. M. und A. V. haben, in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen, diese Gegenstände ihren Geschäften mit dem Angeklagten zugeordnet.

Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge der Verletzung von § 52 Abs. 3 StPO, weil die in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten als Zeugen vernommenen früheren Mitbeschuldigten M. und A. V. nicht über das ihnen wegen des zwischen ihnen bestehenden Vater-Sohn-Verhältnisses wechselseitig als Angehörige eines früheren Mitbeschuldigten zustehende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden seien, greift durch, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 9 und II. 10 verurteilt worden ist. Hinsichtlich der Fälle II. 1 bis II. 8 bleibt ihr der Erfolg im Ergebnis versagt. Insoweit hat auch die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil ergeben.

1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde:

Ausgangspunkt des vorliegenden Strafverfahrens war ein von der Staatsanwaltschaft Dortmund im Jahr 2008 wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Hehlerei durch den Ankauf hochwertiger Elektrowerkzeuge geführtes Ermittlungsverfahren gegen eine Tätergruppierung, der u. a. auch M. und A. V. angehörten. Aus der Überwachung der von beiden geführten Telefongespräche ergab sich gegen eine namentlich zunächst nicht identifizierte Person, die für die Kontaktaufnahme zu M. und A. V. zwei für nicht existierende Personen registrierte Mobilfunknummern nutzte, der Verdacht, Lieferant für die gestohlenen Werkzeuge zu sein. Im Fortgang der Ermittlungen konnte durch gerichtlich angeordnete Observationsmaßnahmen festgestellt werden, dass es sich bei der unbekannten Person um den Angeklagten handelte; das bei der Staatsanwaltschaft Dortmund geführte Ermittlungsverfahren wurde auch auf ihn erstreckt. Im Dezember wurden M. und A. V. festgenommen und belasteten den Angeklagten als Lieferanten der gestohlenen Gegenstände.

Mit Verfügung vom 28. Februar 2009 wurde das Ermittlungsverfahren, soweit es den Angeklagten betraf, vom Ursprungsverfahren abgetrennt und zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Essen abgegeben, die Anklage erhob. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten machten die als Zeugen geladenen M. und A. V., deren Strafverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, Angaben zur Sache, ohne zuvor gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO belehrt worden zu sein.

2. Mit Recht sieht die Revision in der unterbliebenen Belehrung einen Verstoß gegen § 52 Abs. 3 StPO. Die Belehrung des Zeugen M. V. und seines Sohnes A. V. über das ihnen wechselseitig zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO als frühere Mitbeschuldigte des Angeklagten ist rechtsfehlerhaft unterblieben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte der Angehörige eines Beschuldigten im Hinblick auf die Zwangslage, in der er sich befindet, das Zeugnis in vollem Umfang verweigern, wenn die Aussage auch seinen Angehörigen betrifft.

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass in irgendeinem Verfahrensabschnitt, also auch im Ermittlungsverfahren, ein gegen die mehreren Beschuldigten gerichtetes zusammenhängendes einheitliches Verfahren in Bezug auf dieselbe Tat im Sinne des historischen Geschehens anhängig war (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 29; BGH, Urteil vom 23. Juli 1986 - 3 StR 164/86, BGHSt 34, 138, 141). Für diesen Zusammenhang im Sinne einer prozessualen Gemeinsamkeit reicht die Gleichzeitigkeit der Ermittlungen im Sinne eines bloß faktisch gemeinsamen Vorgangs nicht aus. Sie kann nur durch eine ausdrückliche Willensentscheidung der Staatsanwaltschaft begründet werden (BGH, Urteil vom 4. November 1986 - 1 StR 498/86, BGHSt 34, 215, 217; BGH, Beschluss vom 4. Januar 1993 - StB 18/92, BGHR StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3 Mitbeschuldigter 8). Das Zeugnisverweigerungsrecht erlischt grundsätzlich erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des gegen den Mitbeschuldigten gerichteten Verfahrens oder mit dessen Tod (BGH, Beschluss vom 30. April 2009 - 1 StR 745/08, BGHSt 54, 1, 4 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der als Zeuge vernommene Angehörige eines früheren Mitbeschuldigten damals ebenfalls Mitbeschuldigter war (BGH, Urteil vom 3. Juli 1979 - 1 StR 137/79, MDR 1979, 952).

b) Nach diesen Grundsätzen hätte im vorliegenden Fall eine Belehrung des M. V. und seines Sohnes A. V. über das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO erfolgen müssen.

Durch das bei der Staatsanwaltschaft Dortmund geführte Ermittlungsverfahren bestand bis zur Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten die dafür erforderliche prozessuale Gemeinsamkeit. Denn die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren nach Bekanntwerden eines möglichen Abnehmers auch auf diesen erstreckt, indem sie Gerichtsbeschlüsse zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs und zur Observation des Angeklagten erwirkte. Selbst wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen gegen die Tätergruppe um M. und A. V. sowie den Angeklagten lediglich faktisch parallel geführt worden sein sollten, ist spätestens in dieser Verfahrenshandlung die für die Gemeinsamkeit erforderliche ausdrückliche Willensentscheidung der Staatsanwaltschaft zu sehen. Dass die Identität des Angeklagten erst im Zuge der weiteren Ermittlungen aufgedeckt werden konnte, ändert daran, wie die Revision mit Recht hervorhebt, nichts, zumal die gegen den Angeklagten gerichteten Überwachungsmaßnahmen auch danach noch weitergeführt wurden. Da die Belehrung unterblieben und dieser Verfahrensverstoß auch nicht anderweitig geheilt worden ist, bestand für die zeugenschaftlichen Angaben von M. und A. V. ein Verwertungsverbot (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 52 Rn. 32 m.w.N.).

c) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts beruht das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß jedoch nicht (§ 337 StPO), soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 8 verurteilt worden ist.

Der Senat kann vor dem Hintergrund der in den Urteilsgründen getroffenen Feststellungen und Wertungen sicher ausschließen, dass das Landgericht, hätten die Zeugen M. und A. V. nach ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO von ihrem nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, in diesen Fällen zu einer dem Angeklagten günstigeren Bewertung des Beweisergebnisses gekommen wäre.

Die vom Landgericht angenommene Tatmodalität des Ankaufens im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB setzt in objektiver Hinsicht das Einvernehmen zwischen Vortäter und Hehler im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung sowie die Übertragung der Verfügungsgewalt an den jeweiligen Gegenständen voraus (SSW-StGB/Jahn § 259 Rn. 19). Die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen dieser Merkmale des objektiven Tatbestandes konnte sich das Landgericht rechtsfehlerfrei bereits auf der Grundlage der Angaben des als Zeuge vernommenen H., der die Verkäufe an den Angeklagten eingeräumt hat, und durch die Auswertung der erhobenen Telekommunikations-Verbindungsdaten (Funkzellenauswertung) verschaffen. Damit sind die nächtlichen Fahrten des gesondert verfolgten H. zum Wohnort des Angeklagten unmittelbar nach den jeweils von ihm verübten Einbruchsdiebstählen bis in die Einzelheiten belegt. Dass der Angeklagte nach den Besuchen des H. in Essen über die gestohlenen Elektrowerkzeuge auch tatsächlich verfügte, konnte die Strafkammer den Inhalten der überwachten Telefonate entnehmen, in denen sich M. und A. V. über die entwendeten Gegenstände nach Art, Typ und Anzahl unterhielten. Von besonderer, nahezu geständnisgleicher Beweiskraft war dabei der auch in den Urteilsgründen mehrfach hervorgehobene Umstand, dass die Informationen über die Zusammensetzung der jeweiligen "Lieferung" mit den Stehlgutlisten in vollem Umfang korrespondierten. Dass die Angaben von M. und A. V. zur Zuordnung der Telefone (UA 23) angesichts dieser erdrückenden Beweislage einen messbaren Einfluss auf die Beweiswürdigung gehabt hätten, ist danach vernünftigerweise auszuschließen.

Für die eingehend und rechtsfehlerfrei begründete subjektive Tatseite waren die Bekundungen von M. und A. V. ohne jede Bedeutung.

c) Anders verhält es sich indes in den Fällen II. 9 und II. 10 der Urteilsgründe.

Dass der Angeklagte die in diesen Fällen von einem oder mehreren unbekannten Tätern entwendeten Elektrowerkzeuge ankaufte und an M. und A. V. weiterveräußerte, ergibt sich maßgeblich aus deren Bekundungen als Zeugen in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten. Beide Zeugen, die über Kontakte zu mindestens einem weiteren Lieferanten verfügten, haben die laut den Tatortbefundberichten in diesen Fällen gestohlenen Werkzeuge, die alle in der von A. V. gemieteten Garage sichergestellt wurden, ihren Geschäften gerade mit dem Angeklagten zugeordnet.

Mit der Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 9 und II. 10 entfällt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe.