Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 20.12.1973, Az.: VII ZR 153/71
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 3. März 1971 wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 37.926,56 DM nebst Zinsen verurteilt und dem Feststellungsantrag stattgegeben worden ist.
Im übrigen, auch im Kostenpunkt, wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von den Kosten der Revisionsinstanz hat die Beklagte 99/100 zu tragen. Die Entscheidung über das letzte Hundertstel wird dem Berufungsgericht übertragen.
Tatbestand
Der Kläger erteilte im Jahre 1961 durch seinen mit Planung und Bauleitung betrauten Architekten G. der Beklagten den Auftrag für die Rohbauarbeiten zur Errichtung eines Zweifamilienhauses mit gewerblichem Anbau und Garage. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB und den Baubeginn für Ende November 1961 ("Winterarbeit").
Nach Herstellung der Geschoßdecken tauchten im Frühjahr 1962 Zweifel an der Festigkeit auf. Nachdem die Beklagte am 25. Mai 1962 Schlußrechnung über 14.802,13 DM erteilt hatte, erließ die Bauaufsichtsbehörde im Juni 1962 ein Bauverbot und ordnete eine Belastungsprobe an. Diese ergab eine zu starke Durchbiegung der Decken über Wohn- und Eßraum. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige Hübner stellte im August 1962 weitere Baumängel fest. Die Beklagte beseitigte einen Teil dieser Mängel und brachte an den gefährdeten Decken des Wohnhauses Hilfskonstruktionen an. Mit Schreiben vom 7. November 1962 forderte der Kläger die Beklagte unter Aufzählung der noch vorhandenen Baumängel zu deren Beseitigung auf, die jedoch unterblieb.
Im März 1963 bezog der Kläger das im wesentlichen fertiggestellte Wohnhaus; der Ladenanbau befand sich noch im Rohbauzustand. Mit Schreiben seines Architekten vom 23. Dezember 1963 entzog der Kläger der Beklagten den Auftrag. Im November 1964 übersandte ihr der Architekt eine "Aufstellung der durch unsachgemäße Bauausführung entstandenen Mehrkosten" in Höhe von 19.807,17 DM.
Der Kläger hat als Schadensersatz für Mängelbeseitigung, Wertminderung, Mietzinsausfall und andere Unkosten 38.065,04 DM nebst Zinsen eingeklagt sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche künftig aus der mangelhaften Errichtung des Gebäudes entstehende Schäden zu ersetzen.
Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 25.582,87 DM nebst Zinsen sowie dein Feststellungsantrag, das Oberlandesgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.Das Berufungsgericht stellt fest, die von der Beklagten geleistete Bauausführung sei mangelhaft. Sie habe mehrfach gegen allgemein anerkannte Regeln der Baukunst verstoßen, wie sich im einzelnen aus den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Knodt und Volze in Verbindung mit dem Privatgutachten Hübner ergebe. Insbesondere seien noch die Decken im Ladenanbau wegen schlechter Betonqualität mangelhaft; weder sei die Betongüte 225 verwendet noch die vorgesehene Belastbarkeit der Decken erreicht worden. Dies liege sowohl an fehlerhafter Betonherstellung als auch an Frosteinwirkung und Wasserausschwemmung. Diese Fehler habe allein die Beklagte zu vertreten. Sie hafte in vollem Umfang für die verbliebenen Baumängel und die weiteren Schadensfolgen.
Zu Unrecht meint die Revision, der Kläger müsse sich eine Vernachlässigung der Bauaufsichtspflicht durch seinen Architekten G. als Mitverschulden zurechnen lassen. Ein Unternehmer, der mangelhaft gearbeitet hat, kann sich nicht darauf berufen, der Architekt des Bauherrn habe ihn besser beaufsichtigen müssen (BGH, Urteil vom 22. April 1965 - VII ZR 237/62 -; NJW 1971, 615). Der Bauherr ist dem Unternehmer nicht verantwortlich, wenn der Architekt seine Pflicht zur Bauaufsicht verletzt; insoweit ist der Architekt nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn (BGH, Urteile vom 14. Mai 1970 - VII ZR 154/69 -, vom 15. März 1971 - VII ZR 153/69 - und vom 29. November 1971 - VII ZR 101/70 - = WM 1972, 800, 801).
II.Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei fest, der Kläger habe das Werk nicht abgenommen und daher habe die Verjährungsfrist des § 13 Nr. 4 VOB (B) erst mit der endgültigen Verweigerung der Abnahme im Dezember 1963 zu laufen begonnen (RGZ 165, 41, 54; BGH Urteile vom 2. Mai 1963 - VII ZR 233/62 - = JZ 1963, 596, 597; vom 24. November 1969 - VII ZR 177/67 - = NJW 1970, 421, 422).
Infolgedessen kommt es im Ergebnis nicht darauf an, daß sich der Mangelbeseitigungsanspruch des Klägers hier nicht - wie das Berufungsgericht irrig meint - aus § 13 Nr. 5 VOB (B), sondern - mangels Abnahme - aus § 4 Nr. 7 VOB (B) ergibt (vgl. BGHZ 51, 275, 276) und daß nach neuerer Rechtsprechung des Senats auch Ersatzansprüche aus Mangelfolgeschaden in den kurzen Fristen des § 13 Nr. 4 VOB (B) verjähren, soweit nicht die Ausnahmevorschrift des § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB (B) eingreift (BGHZ 58, 332, 340).
III.Das Berufungsgericht erkennt dem Kläger 38.400 DM Mietausfall für 8 Jahre zu, nämlich 400 DM monatlich für 96 Monate von Oktober 1962 (geplante Bezugsfertigkeit des Ladenanbaus) bis September 1970 (Vermietung des Ladens). Es stellt dazu fest, weder die Decke über dem Lagerkeller noch die Geschoßdecke über dem Laden hätten die vorgesehene und erforderliche Belastbarkeit erreicht. Der Kläger habe sich um die Vermietung des Ladenlokals bemüht, sobald er gewußt habe, daß die Decken nicht abgerissen und vollständig erneuert werden mußten. Er habe somit nicht gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstoßen.
Zu Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht dem Kläger Mietausfall für volle 8 Jahre zugesprochen hat.
1.Der Kläger hat zwar zunächst, in seiner Berufungsbegründung, den 10.436,17 DM übersteigenden Mietausfall nur hilfsweise geltend gemacht, was auch im Berufungsurteil (S. 11 und 16) zum Ausdruck kommt. Der weitere Inhalt dieses Urteils, insbesondere die Ausführungen S. 16 und 30 zeigen jedoch, daß der Kläger später, jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, den Mietausfall insoweit nicht mehr nur hilfsweise, sondern mit in 1. Linie geltend gemacht hat, als das erforderlich war, um eine alsbaldige Entscheidung des Berufungsgerichts zu erlangen, d.h. insoweit, als die anderen eingeklagten Schadensposten noch nicht entscheidungsreif waren, sondern weiterer Beweiserhebung bedurft hätten, wie das Berufungsgericht (S. 16, 30 BU) feststellt. Dessen Entscheidung hält sich daher im Rahmen der Anträge des Berufungsklägers (§ 536 ZPO).
2.Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger habe bis zur Erstattung des Gutachtens Volze im Oktober 1969 mit Bemühungen um eine Vermietung des Ladenanbaus warten dürfen.
a)Das greift die Revision erfolglos an. Ihr ist allerdings zuzugeben, daß ein Bauherr nicht auf unabsehbare Zeit dem Anwachsen des Schadens tatenlos zusehen darf, sondern sich um baldmögliche Beseitigung der Mängel und Vermietbarkeit der Räume bemühen muß, wenn er Mietausfall fordern will (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71 - = WM 1973, 69, 71, in BGHZ 59, 365 insoweit nicht mit abgedruckt).
b)Der vorliegende Fall hat aber die Besonderheit, daß hier, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler feststellt, in der Tat ohne Schuld des Klägers jahrelang ungeklärt war, welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung erforderlich waren. Das Gutachten Hübner vom August 1964 gab dem Kläger zunächst berechtigten Anlaß, mit der Notwendigkeit eines Abrisses des Ladenanbaus zu rechnen und daher von einer zeitlich Ungewissen Vermietung Abstand zu nehmen. Die Parteien haben dann noch bis Dezember 1964 über die Schadensbeseitigung auf der Grundlage des Gutachtens Hübner verhandelt. Nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, bestand für den Kläger die Ungewißheit fort, ob nicht zumindest die Obergeschoßdecke des Ladenanbaus wieder entfernt und neu erstellt werden mußte. Nachdem die Klage erhoben und der Sachverständige Knodt mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden war, bestand für den Kläger kein Anlaß, noch zusätzlich ein Beweissicherungsverfahren zu betreiben, wie die Revision meint. Auch nachdem der gerichtliche Sachverständige das Gutachten Hübner im wesentlichen bestätigt hatte, bestand - wegen der Angriffe der Beklagten gegen dieses Gutachten - die Unsicherheit für den Kläger immer noch fort, ohne daß ihm eine Entscheidung zuzumuten war, den Ladenanbau entweder weiter auszubauen oder abzureißen. Erst das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Volze vom 6. Oktober 1969 schuf Klarheit, welche Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels erforderlich waren. Dann hat der Kläger aber auch innerhalb angemessener Frist eines Jahres den Laden fertiggestellt und vermietet.
c)Auf die zusätzliche Erwägung des Berufungsgerichts, dem Kläger hätten vorher die Mittel zur Mängelbeseitigung gefehlt, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
IV.Die übrigen von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (Art. 1 Nr. 4 BGHEntlG).
V.1. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zuerkannt: Mietausfall (16-21 BU)38.400,00 DM,Mängelbeseitigungskosten, Minderwert (21-27 BU)11.987,69 DM,weitere Unkosten (28-29 BU)2.341,00 DM,insgesamt:52.728,69 DM.Davon hat es den Werklohnrest der Beklagten abgezogen:14.802,13 DM,so daß danach dem Kläger zuzusprechen sind:37.926,56 DM.2. Das Berufungsgericht hat aber - ersichtlich infolge eines Rechenfehlers - den vollen eingeklagten Betrag von38.065,04 DMzugesprochen, so daß die Differenz von139,48 DM
nebst Zinsen einer Begründung entbehrt. Insoweit kann das angefochtene Urteil daher keinen Bestand haben. Die Sache ist insoweit nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht einen Teil der geltend gemachten Schadensposten bisher nicht geprüft hat (vgl. S. 30 BU oben), und ist daher in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses hat auch seine Entscheidung über die Kosten der beiden Vorinstanzen zu überprüfen und über die Verteilung des letzten Hundertstels der Revisionskosten zu befinden.
3.Im übrigen ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.