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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 15.02.1990, Az.: VII ZR 175/89

Tatbestand

Der Kläger hatte einen Altbau erworben und ihn umgebaut. In diesem Zusammenhang bestellte er im Oktober 1983 bei der Beklagten eine nach Lageplan maßgefertigte Einbauküche aus dem Programm der Firma H. zum Preis von 26.500 DM abzüglich eines erheblichen Rabattes auf die Holz- und Elektroteile zuzüglich Mehrwertsteuer; er zahlte bislang 14.123,34 DM. Die Einbauküche, die unstreitig mangelhaft ist, wurde Anfang Juli 1984 geliefert und montiert; Ende März 1985 soll sie durch Ingebrauchnahme abgenommen worden sein.

Mit der am 21. Oktober 1986 zugestellten Klage hat der Kläger seine Zahlung in Höhe von 14.123,34 DM nebst Zinsen zurückgefordert; die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht ist dem gefolgt.

Mit der - zugelassenen - Revision, die der Kläger zurückzuweisen bittet, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Rückzahlung im wesentlichen mit folgender Begründung zuerkannt:

Das Wandlungsbegehren des Klägers sei nach den §§ 651 Abs. 1, 634, 467, 346 BGB berechtigt. Der Rückzahlungsanspruch sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verjährt. Gemäß § 638 Abs. 1 BGB gelte eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Die Lieferung und Montage der Einbauküche stelle nämlich eine Arbeit bei einem Bauwerk dar. Die einzelnen Teile seien fest mit dem Gebäude verbunden worden; ohne die Einbauküche sei das Gebäude nach der Verkehrsanschauung nicht als vollständig fertiggestellt anzusehen. Die vom Kläger in seinem Haus in der von ihm selbst genutzten Wohnung eingebaute Küche sei für das Gebäude von wesentlicher Bedeutung. Die Anwendung der langen Verjährungsfrist widerspreche auch nicht Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.

I. Entgegen der Meinung der Revision unterliegt das Vertragsverhältnis der Parteien nicht dem Recht des Kaufvertrages, sondern dem des Werkvertrages (§ 651 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB).

1. Der Kläger hat zwar bei der Beklagten eine Einbauküche aus einem serienmäßig hergestellten Programm von Küchenmöbeln der Firma H. einschließlich mehrerer, näher bezeichneter Elektrogeräte bestellt. Darin erschöpfte sich sein Auftrag jedoch nicht. Die Einbaumöbel und -geräte waren nach einem auf den Grundriß der Küche abgestellten Einbauplan zu liefern, zusammenzusetzen, an Ort und Stelle einzupassen sowie an das Wasser- und Elektronetz anzuschließen. Die Beklagte schuldete mithin nicht nur die Lieferung einzelner typisierter Möbelstücke und Geräte, sondern zunächst Beratung und Planung sowie alsdann Lieferung und Zusammensetzen der Möbel sowie den plangerechten Einbau einschließlich des störungsfreien Anschlusses der Geräte. Damit war unter Verwendung von vertretbaren Sachen ein unvertretbares, gerade für die Bedürfnisse und Zwecke des Klägers geeignetes Werk herzustellen (vgl. Senat: BGHZ 83, 197, 199; NJW 1987, 837 (in BGHZ 99, 160 [BGH 04.12.1986 - VII ZR 354/85] insoweit nicht abgedruckt)).

2. Die hiergegen von der Revision erhobenen Bedenken greifen nicht durch.

a) Der Senat hat in der Revisionsinstanz zugunsten der Beklagten davon auszugehen, daß etwa 95 % des Gesamtpreises auf die Küchenmöbel und -geräte sowie etwa 5 % auf den Einbau entfallen sind. An der rechtlichen Beurteilung ändert sich nichts, auch wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft. Die Montagekosten, die die Beklagte als weniger interessierende werkvertragliche Nebenleistung bezeichnet, sind hier für die rechtliche Einordnung der Leistung der Beklagten kein allein maßgebliches Kriterium. Denn der reine Zahlenvergleich spiegelt den werkvertraglichen Teil der Leistung der Beklagten nur unzureichend wieder. Hierzu gehörte nämlich nicht nur die Montage, sondern bereits die Mitwirkung bei der Planung der Kücheneinrichtung. Die Beklagte hatte auf der Grundlage der baulichen Vorgabe eine Lösung aus dem vorhandenen Programm der Firma H. zu erarbeiten, wobei die Einbauküche aufgrund des Zuschnitts des Raumes in zwei selbständigen Teilen jeweils über eine Ecke, die sich schräg versetzt in der Küche gegenüberliegen, zu planen war. Im Anschluß an die Bestellung waren die Möbel und Geräte zu liefern, zu montieren und anzuschließen. Nach der Aufstellung der Möbel und Geräte hätte die Beklagte die Einbauküche anderweitig nur schwer an Dritte veräußern können. Die Hängeschränke waren untereinander verschraubt und die Unterschränke mit einer nach Maß gefertigten Arbeitsplatte fest verbunden, so daß die Möbel und Geräte zu einer gerade für die Wohnung des Klägers individuell zugeschnittenen Einbauküche verbunden waren.

Damit hatte die Beklagte die nach Katalog zu bestellenden Sachen den besonderen Wünschen des Bestellers anzupassen und ein Werk herzustellen, das für sie nach dem Zusammensetzen nur schwer anderweitig absetzbar war; in diesem Fall liegt ein Werklieferungsvertrag über eine unvertretbare Sache vor (BGH NJW 1966, 2307; NJW 1971, 1793, 1794; WM 1977, 79, 80, WM 1977, 365, 366; vgl. OLG Köln BB 1982, 1578). Auf diesen Vertrag ist infolge der Verweisung in § 651 Abs. 1 BGB grundsätzlich Werkvertragsrecht anzuwenden, so daß für die Anwendung von Kaufvertragsrecht insoweit kein Raum bleibt.

b) Daß die Beklagte für die Herstellung der Einbauküche einzelne, aus einer Serie gefertigte Möbelstücke und diverse Elektrogeräte von verschiedenen Herstellern verwandte, führt nicht zur Anwendung von Kaufvertragsrecht. Denn im Vordergrund der Leistung der Beklagten stand ihre Verpflichtung, aus den im einzelnen bestellten Sachen eine individuell gestaltete und maßgefertigte Einbauküche herzustellen. Infolge des Zusammensetzens der einzelnen Teile und des Aufstellens wurde aus mehreren vertretbaren Sachen eine neue, den individuellen Wünschen des Bestellers angepaßte und damit unvertretbare Sache.

II. Das Berufungsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die fünfjährige Verjährungsfrist für Arbeiten "bei Bauwerken" gemäß § 638 Abs. 1 BGB angewandt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind unter Arbeiten "bei Bauwerken" im Sinne des § 638 Abs. 1 BGB nicht nur Arbeiten zur Herstellung eines neuen Gebäudes zu verstehen, sondern auch Arbeiten, die für die Erneuerung oder den Bestand von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind (Senat: BGHZ 53, 43, 45; NJW 1974, 136; NJW 1987, 837, in BGHZ 99, 160 [BGH 04.12.1986 - VII ZR 354/85] insoweit nicht abedruckt; vgl. weitere Nachweise bei Ingenstau/Korbion VOB, 11. Aufl. A § 1 Anm. 15 f.).

Welche Instandsetzungs- oder Anderungsarbeiten an einem bestehenden Gebäude als "bei Bauwerken" geleistet anzusehen sind, kann nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall entschieden werden (so BGHZ 19, 319, 325).

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes sind die zu der Einbauküche zusammengesetzten Teile mit dem Gebäude fest, das heißt eng und auf Dauer, verbunden worden. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine enge Verbindung zunächst in dem Anschluß aller Geräte der Einbauküche an die entsprechenden Kalt-, Warmwasser- und Elektroleitungen gesehen. Außerdem wurden die Hängeschränke untereinander verbunden und mit besonderen Dübeln an der Wand befestigt. Fugen zur Wand wurden verblendet und/oder abgedichtet.

Auch an der auf Dauer angelegten Verbindung besteht kein Zweifel. Die von der Beklagten gelieferte Einbauküche wurde unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten mit besonderen Konstruktionen speziell eingepaßt. So mußten Spüle, Kühlschrank, Spülmaschine, Gefrierschrank und sonstige Teile nach den Anschlüssen für Strom und Wasser, nach den Beleuchtungsverhältnissen und nach den sonstigen baulichen Gegebenheiten angeordnet und eingebaut werden. Dies hat das Berufungsgericht den vorgelegten Grundrißzeichnungen und den Lichtbildern aus dem in einem Vorprozeß erstellten Sachverständigengutachten im einzelnen entnommen. Daß einzelne Teile der Küche mit nur geringem Aufwand wieder gelöst werden können, steht der Annahme einer dauerhaften Verbindung des Gesamtwerks nicht entgegen. Denn Bauwerke bestehen vielfach aus zusammengesetzten und häufig auch wieder trennbaren Einzelteilen.

b) Die Einbauküche ist auch im Rahmen der Erneuerung für das Gebäude des Klägers von wesentlicher Bedeutung. Dabei ist allerdings entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht auf die in der Rechtsprechung streitige Frage abzustellen, inwieweit eine Einbauküche nach heutiger Verkehrsauffassung einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes im Sinne der §§ 93, 94 BGB darstellt (vgl. zum Meinungsstand der Rechtsprechung: Palandt/Heinrichs BGB, 49. Aufl. § 93 Anm. 5 a). Zum einen lassen sich die von der Rechtsprechung als maßgeblich dargestellten Kriterien nicht uneingeschränkt auf die Frage des Vorliegens eines Bauwerkvertrages übertragen. So beruht die gesetzliche Regelung der §§ 93, 94 BGB hinsichtlich der Zuordnung einer Sache als eines wesentlichen Bestandteils des Gebäudes oder des Grundstückes auf dem Gedanken, die nutzlose Zerstörung wirtschaftlicher Werte zu verhindern und zu gewährleisten, daß eine Sache und ihre Bestandteile ein möglichst einheitliches rechtliches Schicksal haben (vgl. BGHZ 18, 226, 231 ff.; OLG Celle NJW-RR 1989, 913, 914 [OLG Celle 31.03.1989 - 4 U 34/88]; Holch in: MünchKomm, 2. Aufl. § 93 Anm. 1). Letzteres kann für die Frage der Verjährung nicht entscheidend sein. Zum anderen wird die Frage, ob eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes wird, ausweislich der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung regional unterschiedlich gesehen; auch die Verjährungsfrist dem folgend unterschiedlich zu bemessen, wäre aber wenig sachgerecht.

Maßgeblich für die Beurteilung der wesentlichen Bedeutung einer Leistung als Arbeit "bei Bauwerken" ist im vorliegenden Fall die Zweckbestimmung, nämlich unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel die Wohnung des Klägers im Rahmen des Umbaus in einer modernen Wohnansprüchen genügenden Weise herzustellen (vgl. Senat BauR 1973, 246, 247); dabei kann dieser Zweck auch in der Gestaltung eines Raumes seinen Ausdruck finden. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, daß der Kläger in seinem eigenen Haus und in der von ihm selbst genutzten Wohnung eine speziell auf diese Wohnung angepaßte Kücheneinrichtung hat einbauen lassen, ohne die das Gebäude nicht als vollständig fertig anzusehen ist. Die Einbauten stellen hier ihrer Zweckbestimmung nach keine, einem ständig möglichen Wechsel einzelner Möbelstücke unterworfene Ausstattung des Raumes, sondern einen auf Dauer angelegten Bestandteil der Küche dar.

2. Schließlich hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, der gesetzgeberische Zweck des § 638 BGB stehe der Auffassung nicht entgegen, den Einbau der Küche als Arbeit "bei Bauwerken" zu werten. Der Gesetzgeber hat nämlich bei der Bemessung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre nicht nur Konstruktionsmängel, sondern auch Mängel des Materials in Betracht gezogen, wobei durch die längere Verjährungsfrist Gewährleistungsansprüche bevorzugt werden sollten, die sich darauf gründen, daß der Bau - gleichviel in welcher Hinsicht - fehlerhaft ausgeführt worden ist (BGHZ 19, 319, 323 m.w.N.).

3. Die Beklagte hat danach Arbeiten bei einem Bauwerk ausgeführt. Die Gewährleistungsansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Das Berufungsgericht hat mithin die Verjährungseinrede der Beklagten zu Recht nicht durchgreifen lassen.