Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 21.03.2013, Az.: VII ZR 230/11
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. November 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil entschieden worden ist.
Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Honorar für Architektenleistungen, die ihr Ehemann erbracht hat. Die Klägerin ist Erbin ihres Ehemannes, des Architekten M.
Der Beklagte beauftragte M. mit den Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI für die Errichtung eines Wohnhauses. Streitig ist zwischen den Parteien, welche Vorgaben zu den Baukosten gemacht worden sind. Der vom Beklagten unterzeichnete Bauantrag vom 28. September 1998 wies Baukosten von insgesamt 1.541.700 DM aus. Er wurde am 15. März 1999 genehmigt. Der Beklagte realisierte nach seiner Behauptung das Bauvorhaben nicht, weil die Baukosten seine M. gegenüber zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von 800.000 DM weit überschritten hätten.
Die Klägerin macht Architektenhonorar in Höhe von zuletzt 27.887,89 ? geltend. Das Landgericht hat antragsgemäß erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Betrag auf 25.940,56 ? ermäßigt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung der 5. Änderungsverordnung (BGBl. I 1995, 1174, berichtigt BGBl. I 1996, 51) und das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anwendbar, die für die bis zum 31. Dezember 2001 geschlossenen Verträge gilt.
Das Berufungsgericht ermittelt einen Honoraranspruch von 25.940,56 ?. Dieser Anspruch sei fällig, denn der Beklagte habe die Leistung von M. abgenommen. Er habe auf der Grundlage der Planung des Erblassers einen Bauantrag eingereicht. Dieser sei auch bauaufsichtlich genehmigt worden.
Gegenansprüche wegen einer behaupteten Bausummenüberschreitung stünden dem Beklagten nicht zu. Der beweisbelastete Beklagte habe nicht bewiesen, dass eine Bausummenobergrenze von 800.000 DM vereinbart worden sei. Aus den Zeugenaussagen erschließe sich nur, dass über voraussichtliche Baukosten gesprochen, nicht aber, dass M. eine bestimmte Vorgabe hinsichtlich deren Höhe gemacht worden sei. Aus den Zeugenaussagen folge, dass der Beklagte in die Planung eingebunden gewesen sei.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Planungsleistung eines Architekten entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk vorsieht, dessen Errichtung höhere Herstellungskosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrags vereinbart sind. Der Architekt ist verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten. Dabei muss er nicht nur genau vereinbarte Baukostenobergrenzen einhalten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 362/01, BauR 2003, 566 = NZBau 2003, 281 = ZfBR 2003, 359; Urteil vom 13. Februar 2003 - VII ZR 395/01, BauR 2003, 1061 = NZBau 2003, 388 = ZfBR 2003, 452). Vielmehr ist er auch verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319 = ZfBR 2000, 28). Solche Kostenvorstellungen muss er grundsätzlich im Rahmen der Grundlagenermittlung erfragen. Denn der Architekt ist bereits in diesem Planungsstadium gehalten, den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken (BGH, Urteil vom 11. November 2004 VII ZR 128/03, BauR 2005, 400 = NZBau 2005, 158 = ZfBR 2005, 178; Urteil vom 17. Januar 1991 - VII ZR 47/90, BauR 1991, 366 = ZfBR 1991, 104). Insbesondere beim privaten Auftraggeber, dessen wirtschaftliche Verhältnisse nicht offen liegen und der die ihm aufgrund seiner Bauvorstellungen entstehenden Kosten regelmäßig schlecht einschätzen kann, ist eine gründliche Aufklärung notwendig. Der Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt. Er muss diese aufklären und darf nicht ohne Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des privaten Auftraggebers planen (Kniffka, Bauvertragsrecht, § 633 Rn. 99).
Inwieweit der Auftraggeber seine Kostenvorstellungen ausreichend zum Ausdruck gebracht hat, muss durch Würdigung im Einzelfall ermittelt werden. Eine Erklärung, die Baukosten sollten maximal einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, bringt die einzuhaltende Kostenvorstellung ausreichend zum Ausdruck (a.A. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Aufl., Einleitung Rn. 185). Nicht zwingend notwendig ist, dass der Auftraggeber dem Architekten gegenüber die Kostenvorstellungen selbst äußert. Es kann nach den Umständen des Einzelfalles ausreichen, dass diese Vorstellungen von den am Aufklärungsgespräch mit dem Architekten beteiligten Familienmitgliedern geäußert werden und der Auftraggeber ihnen nicht widerspricht oder anderweitig zum Ausdruck bringt, dass dies auch seine Vorstellungen sind. Die vom Auftraggeber im Rahmen der Grundlagenermittlung dem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen sind in dem Sinne verbindlich, dass sie vorbehaltlich einer Änderung den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht (vgl. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 6. Aufl., Rn. 2137). Jedenfalls sind sie beachtlich, wenn der Architekt erklärt, das schaffe er schon (a.A. Locher/ Koeble/Frik, HOAI, 11. Aufl., Einleitung Rn. 185, unter Berufung auf OLG Düsseldorf, BauR 2002, 1583). Es ist das Wesen des Architektenvertrags, dass nicht alle Planungsvorgaben bereits beim Abschluss des Vertrages feststehen, sondern erst im Laufe des Planungsprozesses entwickelt und zum Vertragsinhalt werden. Zu solchen im Laufe des Planungsprozesses zu entwickelnden Planungsdetails gehören auch die Kostenvorstellungen des Auftraggebers hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks, wenn sie nicht bereits bei Abschluss des Vertrags zum Ausdruck gebracht worden sind. Diese Kostenvorstellungen sind auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme (tendenziell abweichend Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Aufl., Einleitung Rn. 185). Derartige Angaben stecken im Regelfall einen Kostenrahmen ab, den der Auftraggeber nicht überschreiten will. Gibt er seiner Kostenvorstellung mit einer Angabe Ausdruck, die eine mit "circa" bezeichnete Summe enthält, so ist diese Bausumme für den Planer insoweit beachtlich, als sie ungefähr einzuhalten ist. Inwieweit eine "circa-Angabe" Planungsspielraum "nach oben" lässt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Architekt ist im Laufe des Planungsprozesses gehalten, Zweifel über den Grenzbereich der vom Auftraggeber noch hingenommenen Herstellungskosten auszuräumen (vgl. auch Wirth in Korbion/ Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., Einführung Rn. 237). Dazu kann zum Beispiel die von ihm anzustellende Kostenschätzung dienen. Hält diese sich in dem Rahmen, der von der "circa-Angabe" abgedeckt sein könnte, so darf der Architekt jedenfalls nach einem entsprechenden Hinweis auf die Problematik des Kostenrahmens regelmäßig darauf vertrauen, dass der Auftraggeber den in den Kostenermittlungen dargestellten Herstellungskosten widerspricht und seine bislang noch unpräzise Angabe verdeutlicht (vgl. auch Löffelmann/ Fleischmann, Architektenrecht, 6. Aufl., Rn. 2140; OLG Celle, BauR 2008, 122, 123). Ist das nicht der Fall, darf der Architekt die weitere Planung auf der Grundlage der Kostenschätzung entwickeln. Gleiches gilt für die Kostenberechnung, wenn bis dahin nicht bereits der Vertragsinhalt auch hinsichtlich der Herstellungskosten festgelegt ist. Dagegen sind Angaben in einem Bauantrag in der Regel nicht geeignet, den Inhalt des Architektenvertrags zu bestimmen. Sie können lediglich Indiz für einen bestimmten Vertragsinhalt sein (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 VII ZR 395/01, BauR 2003, 1061 = NZBau 2003, 388 = ZfBR 2003, 452).
2. Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, dass diese Grundsätze beachtet worden sind. Das Berufungsgericht beschäftigt sich lediglich mit einer festen Bausummenobergrenze von 800.000 DM. Es vermisst bestimmte Vorgaben des Beklagten zur Bausumme. Solche Angaben sind hingegen nicht notwendig. Es reicht vielmehr aus, dass die Ehefrau des Beklagten und sein Vater M. gegenüber eine Kostenvorstellung von circa 800.000 DM zum Ausdruck gebracht haben und der in den Gesprächen jeweils anwesende Beklagte diesen nicht widersprochen hat. Mangels anderer Anhaltspunkte hätte M. diese zu beachten gehabt, sofern er nicht seinerseits widersprochen hätte und ein anderer Rahmen vorgegeben worden wäre. Ein solcher Widerspruch läge nicht darin, dass die Herstellungskosten von ihm oder seiner Mitarbeiterin Dr. N. mit 600 DM/cbm angegeben worden seien. Daraus musste der Beklagte nicht ohne weiteres schließen, dass das im Planungsprozess entwickelte Haus die nach seiner Behauptung geäußerte Kostenvorstellung wesentlich überschreitet. Jedenfalls fehlen dazu jegliche Feststellungen. Umgekehrt durfte M. nicht davon ausgehen, dass diese Kostenvorstellungen unverbindlich würden. Keinesfalls durfte M. seine einseitigen Kostenvorstellungen zur Grundlage der Planung machen. Zur von ihm geschuldeten Kostenberatung gehört es geradezu, dass er bei erweiterten Planungswünschen des Beklagten dessen Kostenvorstellungen im Blick hat und ihn darauf hinweist, dass sie den vorgegebenen Rahmen sprengen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067 = ZfBR 1998, 22). Diese Aufgabe hat er - davon ist in der Revision auszugehen - nicht erfüllt. Insbesondere hat er keine Präzisierung oder Änderung des Kostenrahmens nach Vorlage einer Kostenschätzung oder Kostenberechnung erreicht. Die Kostenberechnung ist erst im Laufe des Prozesses vorgelegt worden. Nach der im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Behauptung des Beklagten ist ihm eine Kostenschätzung nicht zugegangen.
Allein die Unterzeichnung des Bauantrags durch den Beklagten ist kein ausreichendes Indiz dafür, dass die Parteien sich abweichend von einer ursprünglich vom Beklagten geäußerten Kostenerwartung von circa 800.000 DM auf einen davon abweichenden Kostenrahmen geeinigt haben. Nach der unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagten hat er den Bauantrag ohne Kenntnisnahme der dort ausgewiesenen Baukosten den von ihm vorgetragenen Umständen entsprechend in großer Eile unterzeichnet. Diese Behauptung ist für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen, weil das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, den Beweis nicht erhoben hat. Im Übrigen hat die Zeugin Dr. N. angegeben, dass über Kosten nicht gesprochen worden sei.
Ansonsten stützt das Berufungsgericht seine Erwägungen dazu, eine Bausummenobergrenze von 800.000 DM sei nicht vereinbart worden, in der Hauptsache darauf, dass der Beklagte in den Planungsprozess eingebunden gewesen sei. Dies belegt nur, dass das geplante Haus seinen Vorstellungen entsprach, ist aber nicht ausschlaggebend für die Frage, ob er bereit war, die Planung trotz der hohen Kosten zu akzeptieren.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Planung von M. den vertraglichen Anforderungen nicht genügt und für den Beklagten unbrauchbar war, weil das von M. geplante Haus Herstellungskosten von über 1,5 Mio. DM erfordert hätte. Das Berufungsgericht wird erneut in die Beweisaufnahme eintreten müssen und die zur Beschaffenheitsvereinbarung zu erhebenden Beweise unter den vom Senat entwickelten rechtlichen Gesichtspunkten würdigen müssen. Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, seine Auffassung zu überprüfen, die Planungsleistung von M. sei abgenommen. Eine Abnahme der Planungsleistung kann zwar auch darin liegen, dass der Auftraggeber nach Unterzeichnung des Bauantrags und nach Erteilung der Baugenehmigung die Planung stillschweigend als vertragsgerecht billigt. Jedoch kommt das nicht in Betracht, solange er keine Gelegenheit hatte, diese Planung daraufhin zu prüfen, ob sie den Vereinbarungen entspricht. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten kommt ein solcher Sachverhalt in Betracht. Sollte es darauf noch ankommen, wird das Berufungsgericht einen möglichen Schadensersatzanspruch prüfen müssen, der sich daraus ergeben könnte, dass M. seine Verpflichtung nicht erfüllt haben könnte, im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen des Bauvorhabens abzustecken und den Beklagten ausreichend und als sichere Grundlage für seine Bauentscheidung über die voraussichtlichen Kosten des Bauvorhabens zu informieren.