Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 25.09.1986, Az.: VII ZR 349/85
Tatbestand
Der Beklagte - Inhaber eines "Modekontors" - war seit Anfang 1981 mit der Alleinvertretung der italienischen Firma R. Co., Fl., für mehrere Bezirke der Bundesrepublik Deutschland betraut. Seine Provision in Höhe von 10 % des Rechnungsbetrags aller in den Bezirken abgeschlossenen Verkäufe sollte gemäß Nr. 5 des mit der Firma R. abgeschlossenen Vertrags auf sein Bankkonto überwiesen werden, sobald die Firma R. "die Zahlung der Rechnungen der vom Handelsvertreter aufgenommenen Bestellungen bestätigen kann". Für diese Zahlungen räumte die Firma R. ihren deutschen Kunden in den Auftragsbestätigungen regelmäßig "deutsche Bedingungen" ein, vereinzelt auch "10 Tage 4 % - 60 Tage netto" oder "6 Wochen Valuta".
Mit Schreiben vom 5. August 1982 beauftragte die Firma R. die Klägerin - eine Bank in Fl., einen Betrag von 1.499,60 DM (Provisionen in Höhe von 10 % aus einer Umsatzsumme von 14.996,- DM der im einzelnen angeführten Rechnungen) auf das Konto des Beklagten bei der H. Sparkasse zu überweisen. Die Klägerin überwies daraufhin dem Beklagten als "Provisionen" irrtümlich den in dem Überweisungsauftrag angegebenen Rechnungsgesamtbetrag von 14.996,- DM. Die von ihr nach Entdeckung des Fehlers geforderte Rückzahlung des Mehrbetrags in Höhe von 13.496,40 DM lehnte der Beklagte ab, weil ihm die Firma R. zur Zeit der Überweisung aus Auftragsvermittlungen weitere Provisionen von 14.633,- DM schuldete. Dazu machte er geltend, er habe der Firma R. für die Herbst- und Wintersaison 1982/83 Aufträge im Gesamtwert von 133.300,- DM vermittelt. Einen Teil dieser Aufträge im Gesamtwert von 14.925,- DM brachte die Firma R. zwischen dem 22. Juli und dem 4. August 1982 in Fl. zum Versand.
Mit der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung des zuviel überwiesenen Betrags nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision, die die Klägerin zurückzuweisen bittet, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
I.Das Berufungsgericht führt aus, auf den Bereicherungsanspruch der Klägerin sei deutsches Recht anzuwenden. Zwischen den Parteien habe keine schuldrechtliche Beziehung bestanden, die von der italienischen Rechtsordnung hätte beherrscht werden können. Vielmehr liege ein Fall einer fehlgegangenen Leistung vor, der nach dem Recht des Empfängers, also nach deutschem Recht, zu beurteilen sei.
Entscheidungsgründe
Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. Heimann-Trosien in BGB-RGRK, 12. Aufl., Rdn. 49 und Schlechtriem in Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., Anm. 7, jeweils vor § 812). Zwar ist nach Nr. 10 des zwischen dem Beklagten und der Firma R. abgeschlossenen Handelsvertretervertrags "für das Vertragsverhältnis" das am Sitz der vertretenen Firma geltende Recht, also italienisches Recht, maßgebend. Auf dieses Vertragsverhältnis kommt es im Streitfall aber nicht an. Zu entscheiden ist allein, ob der Klägerin wegen des überwiesenen Mehrbetrags unmittelbar ein Anspruch gegen den Beklagten zusteht. Die von der Revision aufgeworfene Frage, in welchem Zeitpunkt nach italienischem Recht Provisionsansprüche des Beklagten entstanden sind, kann somit offen bleiben.
II.Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen unmittelbaren Anspruch auf Herausgabe des irrtümlich überzahlten Betrags, für den eine wirksame Anweisung von vornherein nicht vorgelegen habe. Die Firma R., deren Zahlungsanweisung nicht mißzuverstehen gewesen sei, habe nichts getan, was die Klägerin zur Zahlung des Betrags an den Beklagten hätte veranlassen können. Da die Zahlung ausschließlich auf einem Irrtum der Klägerin beruhe, wurzele der Fehler nicht im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma R. Er betreffe vielmehr ausschließlich die Parteien des Rechtsstreits und sei nur zwischen ihnen zu bereinigen und auszugleichen.
Für den Beklagten sei zwar nicht erkennbar gewesen, daß es sich bei der Zahlung um eine Fehlleistung der Klägerin gehandelt habe. Er habe aber nicht darauf vertrauen dürfen, daß die Firma R. Provisionszahlungen in dieser Höhe an ihn habe leisten wollen, weil er mit einer solchen Zahlung nicht habe rechnen können. Vielmehr habe zumindest ein objektiv Denkender von einer irrtümlichen Zuvielzahlung überzeugt sein müssen. Der Beklagte habe gegen die Firma R. rückständige Provisionsforderungen in Höhe von lediglich rund 1.500,- DM gehabt; weitere Provisionen seien nach dem Handelsvertretervertrag noch nicht fällig gewesen. Er habe deshalb davon ausgehen müssen, daß es sich bei dem streitigen Betrag um eine irrtümliche Zuvielzahlung gehandelt habe.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Der Klägerin steht ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zu.
1.Nach ständiger Rechtsprechung des Senats vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses. Bei Fehlern im Deckungsverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen ist der Bereicherungsausgleich also in diesem Verhältnis vorzunehmen. Weist dagegen das Valutaverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger Fehler auf, ist der Ausgleich der Bereicherung in diesem Verhältnis abzuwickeln (Senat BGHZ 40, 272, 277; 61, 289, 291; 66, 362, 363; 87, 393, 395; 88, 232, 234 f [BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83]; 89, 376, 378; Senat NJW 1984, 2205). Der Senat hat allerdings wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Es kommt stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten sind (BGHZ 50, 227, 229 [BGH 27.05.1968 - AnwSt R 8/67]; 58, 184, 187; 61, 289, 292; 66, 362, 364; 66, 372, 374; 67, 75, 77; 72, 246, 250 f; 87, 393, 396; 88, 232, 235 [BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83]; 89, 376, 378; BGH NJW 1984, 2205).
So hat der Senat in einem Fall, in dem eine Anweisung zunächst wirksam erteilt und dem Empfänger durch Übergabe eines Schecks bekannt gemacht, dann aber noch vor Gutschrift oder Auszahlung ohne Kenntnis des Empfängers widerrufen worden war, entschieden, daß die Bank, die den Scheck gleichwohl eingelöst hat, keinen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Scheckinhaber hat, sondern einen etwaigen Bereicherungsausgleich bei ihrem Kunden suchen muß (BGHZ 61, 289; vgl. auch BGHZ 87, 246). Ebenso hat der Senat angenommen, daß einer Bank, die einen ihr erteilten, vom Auftraggeber später widerrufenen oder geänderten Dauerauftrag versehentlich unverändert weiter ausführt, kein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger zusteht, wenn dieser den Widerruf oder die Änderung des Dauerauftrags nicht kannte (BGHZ 89, 376; BGH NJW 1984, 2205).
Andererseits hat der Senat in Fällen, in denen der Anweisungsempfänger bei Empfang der Zahlung das Fehlen einer wirksamen Anweisung oder den Widerruf der Anweisung gekannt hat, einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger bejaht (vgl. BGHZ 66, 362; 66, 372; 67, 75; 87, 393, 396; 88, 232, 235 f [BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83]). Ebenso hat der II. Zivilsenat bei einer von der angewiesenen Bank irrtümlich vorgenommenen Doppelgutschrift einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch der Bank gegen den Zahlungsempfänger angenommen, obwohl diesem die irrtümlich erteilte zweite Gutschrift nicht bekannt war (BGHZ 72, 9, 12). Demgegenüber hat der Senat - wie ausgeführt - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch des Angewiesenen gegen den Zahlungsempfänger bisher nur dann bejaht, wenn der Empfänger wußte, daß eine wirksame Anweisung für die Zahlung des Angewiesenen an ihn fehlte und die Zahlung daher dem Anweisenden nicht als dessen Leistung zugerechnet werden kann. Maßgebend für diese Rechtsprechung war, daß sich in derartigen Fällen die Zahlung des Angewiesenen aus der Sicht des Zahlungsempfängers nicht als Leistung des Anweisenden darstellt (BGHZ 88, 232, 236)[BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83].
2.Wie die Rechtslage ist, wenn von vornherein eine wirksame Anweisung an die zahlende Bank fehlt und der Zahlungsempfänger davon keine Kenntnis hat, kann nach wie vor offen bleiben (vgl. Senat BGHZ 61, 289, 292; 88, 232, 236 [BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83]; 89, 376, 380; Senat NJW 1984, 2205, 2206). Denn hier ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) der der Klägerin unterlaufene Fehler ohnehin nicht innerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Firma R., sondern zwischen den Parteien zu bereinigen.
a)Die Firma R. hatte die Klägerin angewiesen, den Betrag von 1.499,60 DM auf das Konto des Beklagten zu überweisen. Damit liegt insoweit eine wirksame Anweisung vor. Auch wurden die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten nach deren übereinstimmenden Willen dahin festgelegt, daß die Klägerin eine Leistung von 1.499,60 DM an die Firma R. und diese wiederum eine Leistung in gleicher Höhe an den Beklagten erbringen soll. Führt - wie hier - die angewiesene Bank die ihr erteilte Anweisung irrtümlich fehlerhaft aus, wird dadurch die vom Anweisenden gegenüber dem Angewiesenen innerhalb eines intakten Rechtsverhältnisses erteilte Anweisung nicht etwa beseitigt. Denn der Anweisende hat mit der Anweisung zum Ausdruck gebracht, daß ein bestimmter Betrag an den Zahlungsempfänger überwiesen werden soll. Es ist also weiterhin eine wirksame Anweisung gegeben, die von der angewiesenen Bank lediglich mißverstanden wurde. Auch in einem solchen Fall will die zahlende Bank an sich nur eine Leistung an ihren Kunden, den Anweisenden, erbringen.
b)Trotzdem ist im Streitfall aufgrund der besonderen Umstände die Zuvielüberweisung nicht als bloßer Vorgang innerhalb des Deckungsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrer Kundin, der Fa. R., zu behandeln. Denn aus der Sicht des Zahlungsempfängers - des Beklagten - kann hier hinsichtlich des von der Klägerin irrtümlich überwiesenen Mehrbetrags keine Leistung des Anweisenden - der Firma R. - an ihn angenommen werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Kenntnis des Anweisungswiderrufs und des Fehlens einer Anweisung durch den Zahlungsempfänger ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu bejahen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Beklagte mit einer Zahlung der Firma R. in der ihm gutgeschriebenen Höhe nicht rechnen. Er mußte vielmehr von einer irrtümlichen Zuvielzahlung überzeugt sein, weil ihm - was er wußte - zur Zeit der Überweisung ein Provisionsanspruch nur in Höhe von rund 1.500,- DM zustand, etwaige Provisionen für weiter vermittelte Verkäufe noch nicht fällig und Provisionsvorschüsse bei der bis dahin nur schleppenden Zahlungsweise der Fa. R. nicht zu erwarten waren. Der Beklagte konnte somit redlicherweise nicht annehmen, daß die Fa. R. eine Provisionszahlung in voller Höhe des auf sein Konto überwiesenen Betrags erbringen wollte. Andererseits kann der Firma R. die von der Klägerin fehlerhaft ausgeführte Mehrüberweisung auch nicht als eigene Leistung zugerechnet werden. Da es sich um eine einmalige Überweisung handelte, hat sie nicht etwa über einen längeren Zeitraum die falsche Abbuchung von ihrem Konto geduldet (vgl. Senat BGH NJW 1984, 2205, 2206). Vielmehr bestand für sie keine Möglichkeit, die fehlerhafte Überweisung zu verhindern.
Die Besonderheit des Streitfalls gebietet es daher, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Fehler der Klägerin nicht innerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen ihr und der Firma R., sondern in dem Verhältnis zwischen ihr und dem Beklagten zu bereinigen. Der Beklagte, der sich in Kenntnis aller Umstände bewußt unwissend gestellt hat - und zwar auch, was die Möglichkeit eines Irrtums gerade der klagenden Bank anlangt -, muß sich so behandeln lassen, als hätte er das Fehlen einer wirksamen Anweisung für den von der Klägerin irrtümlich überwiesenen Mehrbetrag gekannt. Dann aber ist der Bereicherungsausgleich im Verhältnis zwischen den Parteien vorzunehmen. Die Klägerin hat deshalb einen unmittelbaren Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung des zuviel überwiesenen Betrags.
c)Das ist auch sachgerecht. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß die Zahlungsanweisung der Firma R. an die Klägerin eindeutig und nicht mißzuverstehen war. Die Firma R. hat somit - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - nichts getan, was die Klägerin zur Zahlung des umstrittenen Betrags an den Beklagten veranlassen konnte. Da andererseits der Beklagte nicht auf eine Zahlung der Firma R. in der ihm gutgeschriebenen Höhe (des 10-fachen der geschuldeten Provision) vertrauen durfte, wäre es unbillig, die Klägerin wegen der Rückforderung des an den Beklagten irrtümlich überwiesenen Mehrbetrags an die Firma R. zu verweisen. Mit den Grundsätzen von Treu und Glauben wäre eine solche Behandlung eines Bankkunden, der sich seiner Bank gegenüber ordnungsgemäß verhalten hat, nicht zu vereinbaren.
3.Das Berufungsgericht nimmt auch mit Recht an, daß sich der Beklagte nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen kann. Zwar reicht die Kenntnis der Tatsachen, auf denen das Fehlen des rechtlichen Grundes beruht, für eine Kenntnis von dem Mangel des rechtlichen Grundes i.S.d. § 819 Abs. 1 BGB nicht aus. Liegen jedoch - wie hier - eindeutige Tatsachen vor, kann daraus auf die Kenntnis der Rechtsfolgen, also des Fehlens des rechtlichen Grundes, geschlossen und auf die Überzeugung eines objektiv Denkenden abgestellt werden (Lieb in MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 819 Rdn. 2 m.N.; vgl. a. BGHZ 26, 256, 260; 32, 76, 92 zur ähnlichen Problematik in § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es ist daher gerechtfertigt, hier die Kenntnis des Beklagten von dem Fehlen des rechtlichen Grundes für den ihm von der Klägerin gutgeschriebenen Mehrbetrag anzunehmen.
III.Nach alledem ist die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.