Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 14.06.1972, Az.: VIII ZR 14/71
Tenor
Unter Zurückweisung der Revision des Beklagten im übrigen wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 3. Dezember 1970 zu I b des Urteilstenors und im Kostenpunkt abgeändert.
Es wird festgestellt, daà der Beklagte zum ausschlieÃlichen Bezug von Bier und nichtalkoholischen Getränken von der Klägerin verpflichtet ist, bis der Bierbezug auf Grund des Getränkelieferungsvertrages vom 8. Juli 1959 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 6. Juli 1964 den Umfang von 4.500 hl Bier erreicht hat, längstens jedoch bis zum 15. Juli 1979.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3.
Tatbestand
Der Beklagte erwarb Mitte 1959 im Zwangsversteigerungsverfahren das Anwesen O., T.straÃe ... mit der Gaststätte "B.", die er zunächst verschiedentlich verpachtete und seit 1968 selbst bewirtschaftet. Den Kaufpreis von 97.000 DM erhielt er als Darlehen von der Klägerin, die diesen Betrag ihrerseits bei ihrer Sparkasse aufgenommen hatte. Mit Vertrag vom 8. Juli 1959 verpflichtete sich der Beklagte gegenüber der Klägerin, das ihm gewährte Darlehen, das er inzwischen an rangsicherer Stelle zugunsten der Klägerin durch zwei Grundschulden von 50.000 DM bzw. 47.000 DM gesichert hatte, unmittelbar an die Sparkasse in Raten zurückzuzahlen. AuÃerdem übernahm er die Verpflichtung, die für den Betrieb der Gaststätte von ihm oder etwaigen Pächtern benötigten Biere und nichtalkoholischen Getränke auf die Dauer von zunächst 10 Jahren, mindestens aber bis zur Abnahme von insgesamt 4.500 hl Bier und bis zur völligen Rückzahlung des Darlehens an die Sparkasse ausschlieÃlich von der Klägerin zu beziehen. Diese lieà sich - abgesehen von der Eintragung eines Vorkaufsrechts - die Getränkebezugsverpflichtung durch eine Dienstbarkeit und die laufenden Verbindlichkeiten der Beklagten aus diesem Vertrag durch eine weitere Grundschuld von 15.000 DM sichern. Ihrerseits gewährte sie dem Beklagten abgesehen von dem vorgenannten Darlehen einen verlorenen Zinszuschuà von insgesamt 2.000 DM und einen Rabatt von 5 DM je abgenommenem Hektoliter Bier. Als der Beklagte Mitte 1964 die bisherige Biergaststätte in ein Speiselokal umwandeln und an einen Chinesen verpachten wollte, machte die Klägerin die ihr vorbehaltene Zustimmung zum Pächterwechsel davon abhängig, daà der Beklagte sich ab 1. Januar 1964 zur Mindestabnahme von jährlich 175 hl Bier und zur Zahlung eines Schadensersatzes von 15 DM für jeden nicht abgenommenen Hektoliter verpflichtete. Daà die dahingehend abgeschlossene Nachtragsvereinbarung vom 6. Juli 1964 die Verpflichtung zur Gesamtabnahme von 4.500 hl grundsätzlich unberührt lieÃ, ist nunmehr im Revisionsrechtszug zwischen den Parteien nicht mehr streitig.
Im März 1968 kündigte der Beklagte, der das Darlehen bei der Sparkasse bereits 1964 voll getilgt hatte, den Getränkebezugsvertrag zum 15. Juli 1969. Er hält den Vertrag vom 8. Juli 1959 nebst Nachtrag vom 6. Juli 1964 als Knebelungsvertrag schon wegen seiner langen Laufzeit für sittenwidrig und damit nichtig. Ãberdies sei, so meint er, die Geschäftsgrundlage deswegen weggefallen, weil er sich - dem veränderten Publikumsgeschmack eines Fremdenverkehrsortes wie O. entsprechend - zur Umwandlung der bisherigen Biergaststätte in ein Speiselokal habe entschlieÃen müssen und daher die vereinbarte Biermenge nicht abnehmen könne.
Mit der Klage hat die Klägerin Feststellung begehrt, daà die Kündigung unwirksam und der Beklagte solange zum ausschlieÃlichen Getränkebezug verpflichtet sei, bis er insgesamt 4.500 hl Bier abgenommen habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien in erster Linie um die Frage, ob der Getränkebezugsvertrag vom 8. Juli 1959 und der Nachtrag vom 6. Juli 1964 wegen Sittenwidrigkeit nichtig sind (§ 138 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht stellt dazu fest, die Parteien hätten allerdings von vornherein eine jährliche Abnahme von etwa 250 hl Bier noch als vertragsgemäà angesehen und seien damit von einer Laufzeit des Vertrages von insgesamt 18 bis 20 Jahren ausgegangen. Trotz dieser sehr langen Bindung des Beklagten könne der Vertrag jedoch deswegen nicht als sittenwidrig bezeichnet werden, weil die Klägerin ihrerseits erhebliche Leistungen zugunsten des Beklagten erbracht und ihm insbesondere durch die Darlehensgewährung den Ankauf des Grundstücks und damit den Betrieb der Gaststätte überhaupt erst ermöglicht habe. Auf den Nachtrag vom 6. Juli 1964, der zu einer weiteren Verlängerung des ursprünglichen Vertrages bis 1984 geführt habe, könne sich der Beklagte - insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - deswegen nicht berufen, weil er durch die Umgestaltung des Charakters der Gaststätte in ein Speiselokal, wenn auch möglicherweise aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen, den Rückgang des Bierumsatzes selbst herbeigeführt habe. Die Behauptung schlieÃlich, die Klägerin habe den Bedarf der Gaststätte an einem breiten Sortiment nichtalkoholischer Getränke, wie es heute von den Gästen eines Fremdenverkehrsortes verlangt werde, nicht erfüllen können und wollen, sei erst im zweiten Rechtszug, damit verspätet und überdies nicht hinreichend substantiiert aufgestellt worden.
II.Diese Feststellungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daà im Hinblick auf die allgemeine Vertragsfreiheit grundsätzlich auch lang fristige Bierlieferungsverträge - insbesondere wenn sie mit einer für den Gastwirt günstigen Darlehensgewährung durch die Brauerei verbunden sind - nicht gegen die guten Sitten verstoÃen. Eine Sittenwidrigkeit i.S. des § 138 Abs. 1 BGB liegt vielmehr erst dann vor, wenn durch die AusschlieÃlichkeitsbindung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise eingeengt und er dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät (RGZ 63, 390; 152, 251; BGH Urteile vom 2. Oktober 1969 - KZR 10/68 = WM 1970, 99 und vom 9. April 1970 - KZR 7/69 = WM 1970, 1188; Senatsurteil vom 7. Oktober 1970 - VIII ZR 202/68 = WM 1970, 1402; Hefermehl bei Soergel/Siebert, 10. Aufl. § 138 Anm. 68; Staudinger/Coing, 11. Aufl. § 138 Anm. 18 ff). Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Würdigung der schutzwürdigen Interessen beider Vertragspartner nach dem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Motiv und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter des Vertrages zu beurteilen (Senatsurteil vom 22. Dezember 1959 - VIII ZR 9/59 = LM BGB § 138 (Aa) Nr. 7 a). Dabei hängt die Frage, welcher Zeitraum einer vertraglichen Bindung des Gastwirts noch mit den guten Sitten vereinbar ist, vor allem auch von dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen ab, die die Brauerei dem Gastwirt im Zusammenhang mit dem Abschluà des Bierlieferungsvertrages gewährt.
Gleichwohl sind der vertraglichen Bindung zeitliche Grenzen gesetzt, die auch von dem Umfang dieser Zuwendungen weitgehend unabhängig sind. Das verständliche Bemühen der Brauereien, durch möglichst viele langfristige Absatzverträge die Voraussetzung für eine vorausschauende Produktions- und Investitionsplanung zu schaffen, eröffnet den Gastwirten ihrerseits die Möglichkeit, sich durch Abschluà von Bierlieferungsverträgen von den Brauereien Kredite oder sonstige Zuwendungen für Ausstattung, Renovierung und Ausbau ihrer Betriebe zu verschaffen. Wird ihnen diese Möglichkeit für eine weite Zukunft dadurch genommen, daà sie für Jahrzehnte an dieselbe Brauerei gebunden bleiben, so liegt die Gefahr nahe, daà sie dadurch trotz anfänglicher erheblicher, wenn auch einmaliger Vorteile bei Vertragsabschluà auf die Dauer entscheidend in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeengt werden. Entsprechendes gilt von der erfahrungsgemäà im Laufe der Zeit gegebenen Notwendigkeit, sich dem wandelnden Publikumsgeschmack durch Wechsel im Getränkeangebot oder einer Ãnderung in der Struktur der Kundschaft durch Umgestaltung des Chrakters der Gaststätte anpassen zu müssen.
Die Rechtsprechung hat daher von jeher eine zeitlich unbegrenzte Bindung bei Bierlieferungsverträgen als nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar angesehen (RG JW 1927, 119 mit Anmerkung von Nipperdey; BGH Urteil vom 2. Oktober 1969 - KZR 10/68 = WM 1970, 99). Darüber hinaus hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Oktober 1970 (VIII ZR 202/68 a.a.O.) ausgeführt, daà eine 20-jährige Bindung grundsätzlich bis an die äuÃerste Grenze des in einem Ausnahmefall noch Zulässigen geht und in dem dort zur Entscheidung stehenden Fall nur mit Rücksicht auf die besonderen Umstände als gerade noch hinnehmbar anzusehen war. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Sie tragen insbesondere dem Umstand Rechnung, daà erfahrungsgemäà ein Gastwirt nicht in der Lage ist, über einen derart ohnehin sehr langen Zeitraum hinaus das Risiko der von ihm eingegangenen Bindung hinreichend zu erkennen und abzuschätzen. Eine auf mehr als 20 Jahre abgeschlossene Verpflichtung, den gesamten Bierbedarf ausschlieÃlich bei derselben Brauerei zu decken, verstöÃt daher gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).
2.Geht man von diesen Grundsätzen aus, so hält die vom Berufungsgericht in I b des Urteilstenors getroffene Feststellung, der Beklagte sei bis zur Ahnahme von insgesamt 4.500 hl Bier an den Getränkelieferungsvertrag gebunden, einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)Allerdings stellt das Berufungsgericht fest (BU S. 17), daà die Parteien ursprünglich eine Bierabnahme von jährlich 250 hl noch als vertragsgemäà angesehen haben und daher eine Laufzeit von 18 bis 20 Jahren dem Willen beider Parteien entsprach. Eine derartige, höchstens 20-jährige Bindung des Beklagten würde, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausführt, in der Tat unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht zu beanstanden sein. Dabei mag zweifelhaft sein, ob der Gewährung eines verlorenen Zinszuschusses durch die Klägerin in Höhe von 2.000 DM und der Bewilligung eines Rabatts von 5 DM je Hektoliter, der nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten ohnehin jedem Dauerabnehmer zugebilligt wurde, für die Abwägung der beiderseits zu erbringenden Leistungen wesentliches Gewicht zukam. Entscheidend ist jedenfalls, daà - worauf auch das Berufungsgericht in erster Linie abstellt - die Klägerin durch die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 97.000 DM den Beklagten überhaupt erst in die Lage versetzt hat, das Grundstück käuflich zu erwerben und damit die Gaststätte zu betreiben. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin hat der Beklagte darüber hinaus dieses Grundstück inzwischen mit mindestens 300.000 DM belastet, es also ersichtlich in erheblichem Umfang zur Erlangung von Krediten benutzen können. Angesichts dieser ausschlaggebenden Bedeutung, die die Darlehensgewährung für den Beklagten bei Abschluà des Vertrages vom 8. Juli 1959 hatte, läÃt sich nicht feststellen, daà eine 20-jährige Verpflichtung des Beklagten zum ausschlieÃlichen Getränkebezug zu den von der Klägerin ihrerseits erbrachten Leistungen auÃer Verhältnis stand. Dabei mindert es den Wert der von der Klägerin erbrachten Leistungen nicht, daà sie wirtschaftlich gesehen das Darlehen nicht selbst gegeben, sondern lediglich vermittelt und ihr eigenes Risiko durch die dingliche Absicherung auf dem Grundstück des Beklagten von vornherein begrenzt gehalten hat; denn der Beklagte hat nicht ernsthaft vorgetragen, daà er auch ohne die Mithilfe der Klägerin in der Lage gewesen wäre, sich ein entsprechendes Darlehen unmittelbar von der Sparkasse oder von dritter Seite zu beschaffen. Anhaltspunkte dafür, daà die sonstigen dinglichen Sicherungen der Klägerin (Grundschuld über 15.000 DM zur Sicherung der laufenden Verbindlichkeiten des Beklagten, Vorkaufsrecht und Dienstbarkeit) die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Beklagten unzumutbar eingeschränkt haben, sind ebenfalls nicht ersichtlich. SchlieÃlich würde es nach Ansicht des Senats angesichts der erheblichen Leistungen der Klägerin auch nicht entscheidend ins Gewicht fallen, wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, dem Beklagten im Rahmen der Abnahmepflicht für nichtalkoholische Getränke alle von ihm im Schriftsatz vom 18. November 1970 näher bezeichneten Marken zu liefern. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht zu Recht insoweit das Vorbringen des Beklagten gemäà § 529 Abs. 2 und 3 ZPO als verspätet zurückgewiesen hat.
b)Eine 20-jährige Bindung des Beklagten an seine Getränkebezugspflicht wäre daher aus Rechtsgründen (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht zu beanstanden. Die Parteien haben jedoch - und das verkennt das Berufungsgericht - den Wegfall der Bindung ausdrücklich von einer Mindestabnahme von 4.500 hl Bier abhängig gemacht und damit die Möglichkeit in Kauf genommen, daà der Beklagte, wenn seine Bierabnahme hinter den Erwartungen zurückblieb, gegebenenfalls auch wesentlich länger als 20 Jahre gebunden blieb. Das wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daà die Parteien - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang (BU S. 19/20) zutreffend feststellt - bei Abschluà der Nachtragsvereinbarung vom 6. Juli 1964 und einer damals noch offenen Abnahmeschuld von etwa 3.600 hl eine Mindestabnahme von 175 hl jährlich festlegten und damit stillschweigend von einer möglichen Bindung des Beklagten bis 1984, also auf insgesamt mehr als 25 Jahre, ausgingen. Eine derart langfristige Bindung - mochte sie auch bei etwaiger Steigerung des Bierbezuges durch den Beklagten u.U. gegenstandslos sein - ist aber, wie oben ausgeführt, sittenwidrig und damit gemäà § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
c)Daraus folgt jedoch nicht zwingend, daà der gesamte Getränkelieferungsvertrag vom 8. Juli 1959 und der im Zusammenhang mit ihm abgeschlossene Nachtragsvertrag vom 6. Juli 1964 nichtig waren. Insbesondere schlieÃt die Sittenwidrigkeit einer u.U. über 20 Jahre hinausreichenden Bindung nicht aus, daà der Getränkelieferungsvertrag mit einer auf 20 Jahre begrenzten Dauer und damit einem - wie oben dargelegt - im Hinblick auf § 138 Abs. 1 nicht zu beanstandenden Inhalt aufrechterhalten bleibt. Zwar hat das Reichsgericht in zwei verhältnismäÃig frühen Entscheidungen (RG JW 1910, 62 und RGZ 76, 78) insoweit eine unmittelbare oder entsprechende Heranziehung des § 139 BGB und die Rückführung eines auf zu lange Zeit abgeschlossenen und deswegen sittenwidrigen Bierlieferungsvertrages auf eine angemessene zeitliche Bindung mit der Begründung abgelehnt, die Parteien hätten bei Vertragsschluà mit der Möglichkeit einer gemäà § 138 Abs. 1 BGB zu beanstandenden Laufzeit gar nicht gerechnet; dem Richter sei es daher verwehrt, den Vertrag mit einem ganz anderen, von den Parteien so nicht gewollten Inhalt aufrechtzuerhalten. Dieser Ansicht, die auch im Schrifttum von Anfang an Widerspruch gefunden hat (vgl. Nipperdey JW 1927, 120; Staudinger/Coing a.a.O. § 139 Anm. 8; Künstler, Der Bierlieferungsvertrag 3. Aufl. 1957 S. 101 f mit weiteren Nachweisen), vermag der Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, daà die Parteien im vorliegenden Fall gemäà Abschnitt V 2 des Vertrages vom 8. Juli 1959 dessen Aufrechterhaltung bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen ausdrücklich vorgesehen haben, würde eine grundsätzliche Nichtanwendung des § 139 BGB dem Sinn dieser Vorschrift widersprechen und zudem einem dringenden praktischen Bedürfnis nicht gerecht werden. Nach nahezu einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, langfristige Miet- und Pachtverträge, die lediglich wegen ihrer zu langen Laufzeit unwirksam sind, in Zeitabschnitte derart zu zerlegen, daà diese sich als Teile eines ganzen Vertrages i.S. des § 139 BGB darstellen, - mit der Folge, daà sie bei einem entsprechend bestehenden oder zu vermutenden Parteiwillen mit einer kürzeren, nicht zu beanstandenden Laufzeit aufrechterhalten bleiben (vgl. RGZ 82, 125; Senatsurteil vom 7. Februar 1962 - VIII ZR 161/61 = WM 1962, 428 = LM BGB § 139 Nr. 24 mit weiteren Nachweisen; Staudinger/Coing a.a.O. Anm. 8). Es sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich, diesen insbesondere im Hinblick auf § 1822 Nr. 5 BGB aufgestellten Grundsatz nicht auch auf Bierlieferungsverträge, die lediglich wegen ihrer zu langen Laufzeit gegen die guten Sitten verstoÃen, anzuwenden (so auch Staudinger/Coing § 139 Anm. 8); dies um so weniger, als die Rückabwicklung eines bereits weitgehend durchgeführten und insbesondere von der Brauerei erfüllten Bierlieferungsvertrages im Einzelfall praktisch zu kaum überwindbaren Schwierigkeiten führen würde.
Voraussetzung für eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 139 BGB ist allerdings, daà eine Aufrechterhaltung des Getränkelieferungsvertrages mit einer kürzeren Laufzeit dem tatsächlichen oder vermuteten Parteiwillen entsprechen würde. Das ist hier der Fall. Zwar haben die Parteien ersichtlich bei Abschluà der Vereinbarungen vom 8. Juli 1959 und 6. Juli 1964 die Möglichkeit, der Getränkebezugsvertrag könne wegen einer über 20 Jahre hinausgehenden Bindung gemäà § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, nicht in Betracht gezogen. Nach der Interessenlage beider Parteien ist aber davon auszugehen, daà sie - wären sie sich der rechtlichen Bedenken bewuÃt gewesen - den ursprünglichen Vertrag mit einer Laufzeit von längstens 20 Jahren abgeschlossen und auch nur mit dieser MaÃgabe am 6. Juli 1964 bestätigt hätten. Bei dieser Sachlage kann der Senat das Feststellungsbegehren der Klägerin selbst dahin bescheiden, daà die Bindung des Beklagten bei Abnahme von 4.500 hl Bier spätestens aber am 15. Juli 1979 endet.
III.Da die Parteien über den Bestand des Vertrages für den Zeitraum vom 15. Juli 1969 bis 1984 - also über eine Zeit von etwa 15 Jahren - streiten und insoweit die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren nur teilweise Erfolg hat, waren gemäà § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO beiden Parteien die Kosten des Rechtsstreits anteilmäÃig aufzuerlegen.