Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 02.02.2011, Az.: VIII ZR 190/10
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die in S. ansässige Klägerin nimmt die in P. ansässige Beklagte auf Bezahlung von Kaufpreisforderungen aus Lieferungen im Zeitraum von Juni 2006 bis Januar 2008 in Höhe von 44.433,66 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Nach ihren Behauptungen wurden die Lieferungen auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgewickelt, die in § 7 als Erfüllungsort für die Lieferung und Zahlung sowie als ausschließlichen Gerichtsstand für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit Kaufleuten S. bestimmen und zum anzuwendenden Recht vorsehen, dass für die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit dem Vertrag deutsches materielles Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts gelten soll. Dem streitigen Verfahren ist ein Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Stuttgart vorausgegangen, in dem am 20. August 2008 ein Mahnbescheid erlassen wurde, der unter anderem folgende Anordnung enthält:
'Es wird angeordnet, dass Sie innerhalb einer Frist von einem Monat, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen haben, der in der Bundesrepublik Deutschland wohnt oder einen Geschäftsraum hat. Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere Zustellungen von Schriftstücken bis zur nachträglichen Benennung unter der Anschrift der Partei durch Aufgabe zur Post bewirkt werden. In diesem Fall gelten die Schriftstücke 1 Monat nach Aufgabe zur Post als zugestellt.'
Der Mahnbescheid ist der Beklagten auf Zustellungsersuchen vom 21. Januar 2009 nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EG Nr. L 324 S. 79 - im Folgenden: EuZVO) am 20. April 2009 über das zuständige Gericht in P. durch Übergabe zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe der Sache an das im Mahnbescheid zur Durchführung des streitigen Verfahrens benannte Landgericht Konstanz hat der Vorsitzende der mit der Sache befassten Zivilkammer nach Eingang der Anspruchsbegründung die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens unter Bestimmung einer Frist von zwei Wochen zur Verteidigungsanzeige angeordnet. Nachdem auf die am 4. August 2009 durch Aufgabe zur Post gemäß § 184 ZPO erfolgte Zustellung eine Verteidigungsanzeige nicht eingegangen war, hat das Landgericht Konstanz gegen die Beklagte durch Versäumnisurteil auf Zahlung von 44.433,66 € sowie auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren von 1.580 € (jeweils nebst Zinsen) erkannt. Die Zustellung dieses Versäumnisurteils ist gegenüber der Beklagten am 4. September 2009 durch Aufgabe der Sendung zur Post gemäß § 184 ZPO vorgenommen worden. Die Beklagte hat am 30. Oktober 2009 Einspruch eingelegt, mit dem sie die Wirksamkeit der nach § 184 ZPO vorgenommenen Zustellung beanstandet, einen tatsächlichen Zugang des Versäumnisurteils am 19. Oktober 2009 behauptet hat und der Klage unter Rüge der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Konstanz auch in der Sache entgegen getreten ist. Das Landgericht hat den Einspruch als unzulässig verworfen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Einspruch sei verspätet, da die zweiwöchige Einspruchsfrist, die einen Monat nach Aufgabe des Versäumnisurteils zur Post zu laufen begonnen habe, bereits am 18. Oktober 2009 geendet habe. Die auch im gerichtlichen Mahnverfahren zulässige und im Mahnbescheid enthaltene Anordnung nach § 184 ZPO sei der Beklagten nebst den erforderlichen Belehrungen am 20. April 2009 wirksam zugestellt worden. Bei dem Mahnbescheid, der die streitgegenständlichen Rechnungen im Einzelnen bezeichnet habe, habe es sich um ein den Anforderungen des europäischen Zustellungsrechts genügendes verfahrenseinleitendes Schriftstück gehandelt, durch das die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, ihre Rechte geltend zu machen, so dass das Landgericht nicht gehalten gewesen sei, vor Erlass des Versäumnisurteils erneut eine Anordnung nach § 184 ZPO zu treffen. Einer Wirksamkeit der Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post stehe nicht entgegen, dass darin der Geschäftsführer der Beklagten falsch bezeichnet worden sei, da angesichts der vollständigen Firmenbezeichnung der Beklagten und ihrer zutreffend angegebenen Adresse an der Identität des Zustellungsempfängers kein Zweifel bestanden habe. Ebenso wenig habe einer Wirksamkeit der Zustellung entgegengestanden, dass das Versäumnisurteil abweichend von § 313b Abs. 3 ZPO ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe abgefasst gewesen sei und das Landgericht keine besondere Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO bestimmt habe. Abgesehen davon, dass es sich bei der Zustellung nach § 184 ZPO um eine von § 339 Abs. 2 ZPO nicht erfasste Inlandszustellung gehandelt habe, sei einem durch den kurzen Lauf der Einspruchsfrist drohenden Rechtsnachteil der Beklagten auch dadurch begegnet worden, dass bereits das Mahngericht die Frist nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf einen Monat verlängert habe.
Der gemäß § 184 ZPO getroffenen Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, habe das europäische Zustellungsrecht nicht entgegen gestanden, da die EuZVO für andere als verfahrenseinleitende Schriftstücke eine Zustellung nach der genannten Bestimmung nicht verbiete und insbesondere keine zwingenden Regeln dahin enthalte, dass Schriftstücke in einem bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren im Wege einer förmlichen Auslandszustellung zu übermitteln seien. Die EuZVO beschränke sich vielmehr darauf, zwingende Regeln für die Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks aufzustellen sowie die Anforderungen an vom nationalen Recht vorgesehene Auslandszustellungen festzulegen. Ob allerdings eine Zustellung ins Ausland erforderlich sei, richte sich im Anwendungsbereich des europäischen Zustellungsrechts - wie zuvor schon unter der Geltung des im Haager Übereinkommen geregelten Zustellungsrechts - nach der jeweiligen lex fori. Hierfür spreche auch, dass die EuZVO nach ihrem Erwägungsgrund 8 für Zustellungen an einen Bevollmächtigten keine Geltung beanspruche. Da es Sache des nationalen Prozessrechts sei zu bestimmen, ob eine Partei einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen habe, könne das nationale Recht auch an die unterlassene Bestellung eines Bevollmächtigten bestimmte Rechtsfolgen knüpfen, bei denen die Interessen der klagenden Partei an einer Beschleunigung des Rechtsstreits gegen die Interessen des Beklagten, seine Rechte effektiv wahrnehmen zu können, abzuwägen seien. Auch sonst sei es nach Sinn und Zweck der EuZVO nicht erforderlich, jedes gerichtliche Schriftstück während eines anhängigen Gerichtsverfahrens nach deren Bestimmungen förmlich zuzustellen. Vielmehr genüge es, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück gemäß den Regeln der EuZVO zugestellt worden sei und kein Zweifel daran bestehe, dass die beklagte Partei Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Schriftstück habe und sich dadurch ausreichend verteidigen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass § 184 Abs. 2 ZPO den Zustellungszeitpunkt fingiere, da die für ein Eingreifen dieser Fiktion vorgesehenen Fristen einschließlich bestehender Wiedereinsetzungsmöglichkeiten einen ausreichenden Schutz des Beklagten gewährleisteten.
Auch nach nationalem Prozessrecht sei im vorliegenden Fall eine Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post zulässig gewesen. Im Gegensatz zur vorherigen Gesetzesfassung, die möglicherweise eine Beschränkung auf bestimmte Fälle der Auslandszustellung enthalten habe, sei § 184 ZPO in der seit dem 13. November 2008 geltenden und damit hier maßgeblichen Gesetzesfassung auf jede vorhergehende Form der Auslandszustellung uneingeschränkt anwendbar. Das entspreche zugleich der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Intention des Gesetzgebers, wonach angesichts der unzuverlässigen Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein der Praxis eine effektive Möglichkeit geschaffen werden sollte, Zustellungen auf einfachem Wege vorzunehmen.
Der Beklagten habe schließlich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden können, da ihr dahin gehender Antrag erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden und daher verspätet sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei Art. 19 Abs. 4 EuZVO insoweit nicht anwendbar, da diese Vorschrift sich nur auf die Säumnis im Zusammenhang mit der Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks beziehe und im Übrigen auch die angemessene Frist zur Stellung des erforderlichen Antrages versäumt sei. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen des § 233 ZPO vor, da die Beklagte weder Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft gemacht noch innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Der Auffassung des Berufungsgerichts, § 184 ZPO lasse auch im Anwendungsbereich des europäischen Zustellungsrechts eine (Inlands-)Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post zu, ist nicht zu folgen.
1. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Zustellung nach § 184 ZPO, die nach allgemeiner Auffassung nicht als Zustellung im Ausland, sondern als eine mit Zugangsfiktion verbundene Form der Zustellung im Inland anzusehen ist (Senatsbeschluss vom 3. Februar 1999 - VIII ZB 35/98, WM 1999, 1085 unter II 1 c ee; BGH, Urteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97, NJW 1999, 1187 unter II 1 b mwN), im Anwendungsbereich des europäischen Zustellungsrechts überhaupt zulässig wäre oder - wie die Revision meint - auch über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks hinaus mit vorrangigen Zustellungsregeln der EuZVO kollidieren würde (zum Meinungsstand Heinze IPRax 2010, 155, 158 ff.). Denn § 184 ZPO erstreckt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schon nach seinem im nationalen Prozessrecht durch Bezugnahme auf § 183 ZPO festgelegten Anwendungsbereich nur auf diejenigen Zustellungen im Ausland, die gemäß § 183 Abs. 1 bis 4 ZPO nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen sind. Dagegen bleiben die Vorschriften der EuZVO, die nach deren Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs.1 mit Vorrang vor bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen Zustellungen in Zivil- oder Handelssachen erfassen, in denen - wie hier - ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedsstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist, von den Bestimmungen des § 183 ZPO nach dessen Absatz 5 unberührt. Dementsprechend erstreckt sich die in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelte Anordnungsbefugnis nicht auf Auslandszustellungen, die außerhalb des § 183 ZPO nach Maßgabe der Bestimmungen der EuZVO vorgenommen werden.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Zustellung des Versäumnisurteils durch die am 4. September 2009 vorgenommene Aufgabe zur Post allerdings am Maßstab der §§ 183 f. ZPO in der durch Art. 1 Nr. 3, 4 des Gesetzes zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2122) geänderten und gemäß Art. 8 Abs. 2 dieses Gesetzes am 13. November 2008 in Kraft getretenen Fassung beurteilt. Wenn sich - wie hier - im Verlauf der einzelnen Zustellungen und Zustellungsversuche die für die Zustellung maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften ändern und sich aus Überleitungsvorschriften oder Sinn und Zweck der Regelung nichts Abweichendes ergibt, finden nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts die geänderten Vorschriften auch in laufenden Verfahren oder Verfahrensabschnitten vom Tage ihres Inkrafttretens an auf die danach vorzunehmenden Zustellungen Anwendung (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05, WM 2007, 276 Rn. 19; OLG Hamburg, NStZ-RR 2003, 46; FG Hamburg, Urteil vom 17. Juni 2010 - 5 K 79/08, juris Rn. 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 25).
b) Ob Anordnungen nach § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO bei Zustellungen getroffen werden dürfen, die im Anwendungsbereich der EuZVO vorgenommen werden, war schon für die bis zum 12. November 2008 geltende Gesetzesfassung umstritten und ist auch für die Neufassung umstritten geblieben.
aa) Nach der Neufassung des § 184 Abs. 1 ZPO kann das Gericht bei der Zustellung nach § 183 ZPO anordnen, dass die Partei, sofern sie keinen Prozessbevollmächtigten bestellt hat, innerhalb einer angemessenen Frist einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten benennt. Andernfalls können spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird. § 183 Abs. 1 bis 4 ZPO besagt, dass eine Zustellung im Ausland nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen ist, und regelt sodann die Reihenfolge und Modalitäten der in Betracht kommenden Zustellungsformen sowie die Form des Zustellungsnachweises. § 183 Abs. 5 ZPO bestimmt, dass die Vorschriften der EuZVO unberührt bleiben und für die Durchführung die § 1068 Abs. 1, § 1069 Abs. 1 ZPO gelten. In der bis zum 12. November 2008 nach Maßgabe von Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz - ZustRG) vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) geltenden alten Fassung des § 184 Abs. 1 ZPO bezogen sich die genannten Anordnungsmöglichkeiten nur auf Zustellungen nach Abs. 1 Nr. 2 und 3 der gleichzeitig eingeführten Fassung des § 183 ZPO, nämlich auf Zustellungen im Ausland auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des fremden Staates oder durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes oder an im Auswärtigen Dienst stehende Deutsche. Dagegen war Absatz 3, der - jedenfalls in seiner durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) vom 4. November 2003 (BGBl. I S. 2166) erlangten Fassung - eine mit der Neufassung des § 183 Abs. 5 ZPO weitgehend übereinstimmende Vorbehaltsklausel enthielt, bereits im Wortlaut des § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Bezug genommen worden.
bb) Zu den Anordnungsmöglichkeiten nach § 184 Abs. 1 ZPO aF gehen die Instanzrechtsprechung und das Schrifttum überwiegend davon aus, dass der Wortlaut dieser Bestimmung bereits wegen seiner fehlenden Bezugnahme auf § 183 Abs. 3 ZPO aF keine Zustellungen im Rahmen der EuZVO erfasse (OLG Düsseldorf, IPRax 2010, 169, 170; Wieczorek/Schütze/Rohe, aaO, Vor §§ 183, 184 Rn. 22, § 184 Rn. 7; Heß, NJW 2002, 2417, 2424; Heiderhoff, EuZW 2006, 235, 237; Heckel, IPRax 2008, 218, 221) oder dass die Vorschriften des Buches 11 der ZPO mit den in § 183 Abs. 3 ZPO aF benannten Durchführungsvorschriften der §§ 1068 f. ZPO eine die Anwendbarkeit der §§ 183 f. ZPO verdrängende Spezialregelung enthielten (LAG Köln, IPRspr. 2008, 545, 546). Die gegenteilig vertretene Auffassung meint, aus der Gesetzesbegründung den Willen des Gesetzgebers herleiten zu können, dass § 184 ZPO aF auch dann anwendbar sein solle, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 ZPO aF, sondern gemäß § 183 Abs. 3 ZPO aF in Verbindung mit Art. 4 ff. EuZVO durch die Behörden des fremden Staates oder durch eine diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes zugestellt worden sei (MünchKommZPO/Häublein, 3. Aufl., § 184 Rn. 3).
Für die Neufassung des § 184 Abs. 1 ZPO bietet sich ein ähnliches Meinungsbild. Der Ansicht, wonach § 183 Abs. 5 ZPO lediglich der Klarstellung diene und der deutsche Gesetzgeber insoweit eine Anwendbarkeit des § 184 ZPO nicht habe ausschließen wollen (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 183 Rn. 79a; unklar Heinze, aaO, S. 157), wird überwiegend entgegen gehalten, dass auch der neu gefasste Gesetzeswortlaut einer Anwendbarkeit des § 184 ZPO auf Zustellungen entgegen stehe, die nach Maßgabe der EuZVO erfolgt seien. Diese Zustellungen hätten in dem in Bezug genommenen § 183 ZPO gerade keine Regelung erfahren, sondern fänden - wie § 183 Abs. 5 ZPO klarstelle - ihre Grundlage nach wie vor ausschließlich in den Bestimmungen der EuZVO (Rauscher/Heiderhoff, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Bearb. 2010, Einl EG-ZustVO 2007 Rn. 40; Musielak/Borth, ZPO, 7. Aufl., § 688 Rn. 8; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., § 184 Rn. 10).
cc) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug.
(1) Die in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF enthaltene Verweisung auf die Möglichkeit einer (Inlands-)Zustellung durch Aufgabe zur Post hat sich bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht auf Zustellungen erstreckt, denen eine grenzüberschreitende Zustellung nach Maßgabe der EuZVO oder ihrer Vorgängerregelung, der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 160 S. 37), vorausgegangen war. Auch im Gesetzgebungsverfahren zum Zustellungsreformgesetz waren die in § 184 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs benannten Zustellungen nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO allein auf Auslandszustellungen aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen bezogen (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 23). Die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Zustellung nach europäischem Zustellungsrecht ist erstmals im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens angesprochen worden. Die Bundesregierung hat in einer Gegenäußerung auf einen von ihr abgelehnten Vorschlag des Bundesrates, in dem im Entwurf vorgesehenen § 184 Abs. 1 Satz 1 die Angabe 'Nr. 2 und 3' zu streichen, um eine Zustellung durch Aufgabe zur Post auch nach vorausgegangener Auslandszustellung durch Einschreiben mit Rückschein bewirken zu können, auf das bevorstehende Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 hingewiesen und bemerkt, dass im Geltungsbereich des die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein regelnden Art. 14 dieser Verordnung 'für eine dem § 184 ZPO entsprechende Regelung gleichfalls kein Bedürfnis' bestehe (BT-Drucks. 14/4554, S. 32, 34). Das Verhältnis von § 183 des Entwurfs zum europäischen Zustellungsrecht ist schließlich auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages durch Einfügung eines Absatzes 3 in der Weise geregelt worden, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 unberührt bleiben sollten. Außerdem sollten die Bedingungen der in Art. 14 der Verordnung vorgesehenen Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein in einem Zustellungsdurchführungsgesetz festgelegt und - um Unsicherheiten in der gerichtlichen Praxis auszuschließen - hierin denen der Zustellung im Inland nach § 175 ZPO und bei der Auslandszustellung denen nach § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angeglichen werden (BT-Drucks. 14/5564 S. 8, 20 f.). Dies unterstreicht die beabsichtigte Eigenständigkeit dieser Regelungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 183 ZPO.
Der nationale Gesetzgeber hat auf diese Weise die von den europäischen Zustellungsvorschriften erfassten grenzüberschreitenden Zustellungen gerade nicht in die zur Durchführung von Auslandszustellungen aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen getroffenen Regelungen des § 183 ZPO integriert. Er hat sich vielmehr zur Vermeidung einer denkbaren Kollision mit dem in seinem Anwendungsbereich gegenüber völkerrechtlichen Vereinbarungen vorrangigen europäischen Zustellungsrecht auf die Klarstellung beschränkt, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 von den in § 183 Abs. 1 und 2 ZPO getroffenen Regelungen unberührt bleiben sollten, und sich - für grenzüberschreitende Zustellungen im Anwendungsbereich des europäischen Zustellungsrechts auf dieses verweisend - einer eigenen Regelung enthalten (vgl. Wieczorek/Schütze/Rohe, aaO, Vor §§ 183, 184 Rn. 22; Heckel, aaO). Auch soweit die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 noch der Ergänzung durch nationales Recht bedurfte, hat der nationale Gesetzgeber - nach einer übergangsweisen Verweisung auf § 183 Absatz 2 Satz 1 ZPO - die benötigten Ausführungsregeln zunächst im Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz - ZustDG) vom 9. Juli 2001 (BGBl. I S. 1536) geregelt. Im Zuge des EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetzes hat er sodann die Ausführungsregeln in das neu eingefügte Buch 11 der Zivilprozessordnung, nämlich in die §§ 1067 ff. ZPO, verlagert und auf diese Weise sogar gesetzessystematisch das im Buch 1 der Zivilprozessordnung geregelte Zustellungsrecht verlassen (vgl. BT-Drucks. 15/1062, S. 5, 7 f.). Die in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF für die Zulässigkeit einer (Inlands-)Zustellung durch Aufgabe zur Post erfolgte Bezugnahme auf eine vorausgegangene Auslandszustellung nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO aF hat mithin keine grenzüberschreitenden Zustellungen erfasst, die nach Maßgabe der EuZVO und der ihr vorausgegangenen Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 erfolgt waren.
(2) An dieser Rechtslage hat sich durch die seit dem 13. November 2008 geltende Neufassung der §§ 183, 184 Abs. 1 ZPO nichts geändert. Zwar enthält danach der Wortlaut des § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mehr die Beschränkung auf Zustellungen nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO, sondern nimmt allgemein auf § 183 ZPO Bezug. Dass jedoch beabsichtigt gewesen wäre, die nach den Vorschriften der EuZVO vorzunehmenden Zustellungen abweichend von der bisherigen Rechtslage in den Anwendungsbereich des § 184 ZPO einzubeziehen, ist nicht ersichtlich. Soweit es dem Gesetzgeber mit der Neufassung des § 184 ZPO darauf ankam, den Ermessensspielraum des Prozessgerichts bei der Entscheidung über Folgezustellungen durch Aufgabe zur Post zu erweitern (BT-Drucks. 16/8839, S. 19), hat dies nur darauf abgezielt, den Anwendungsbereich dieser Bestimmung bei Zustellungen aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung zu verbreitern (vgl. BT-Drucks. 16/8839, S. 21). Dass sich dagegen am Verhältnis zum europäischen Zustellungsrecht etwas ändern sollte, dessen Vorschriften nach § 183 Abs. 5 ZPO von den in § 183 Abs. 1 bis 4 ZPO getroffenen Regelungen für Zustellungen, die nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen waren, nach wie vor unberührt bleiben sollten, lässt die Gesetzesbegründung nicht erkennen, zumal die geänderte Fassung des § 183 Abs. 5 ZPO auch lediglich dem Inkrafttreten der Neufassung der EuZVO Rechnung tragen sollte (vgl. BT-Drucks. 16/8839, aaO). Die Änderung des § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat sich nach der dafür gegebenen Begründung vielmehr an die Systematik des § 183 Abs. 1 bis 4 ZPO angelehnt. Sie war - was bisher wegen der fehlenden Bezugnahme auf § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aF nicht möglich war - darauf gerichtet, 'die Zustellung durch Aufgabe zur Post nicht mehr generell auszuschließen, wenn das zuzustellende Schriftstück aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden darf'. Zu diesen Zustellungen aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen, die der Gesetzgeber bei der Neufassung im Blick hatte, zählen jedoch die von den Regelungen des § 183 ZPO unberührt gebliebenen grenzüberschreitenden Zustellungen nach Maßgabe der EuZVO gerade nicht.
Ein hiervon abweichender Wille des Gesetzgebers, die nach den Vorschriften der EuZVO vorgenommenen Zustellungen über den Wortlaut des in Bezug genommenen § 183 ZPO hinaus zur Grundlage einer Anordnung nach § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO machen zu können, ist schließlich auch nicht im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gekommen. Soweit der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu § 183 Abs. 1 des Entwurfs um Prüfung gebeten hatte, ob der Vorrang der Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein vor der Zustellung durch die Rechtshilfebehörden gemäß Art. 4 bis 11 EuZVO angesichts eines dort nicht vorgesehenen Rangverhältnisses europarechtskonform erscheine (BT-Drucks. 16/8839, S. 35), hat sich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung auf die Aussage beschränkt, dass sich insbesondere auch hinsichtlich des Regelfalls der Postzustellung im Hinblick auf die EuZVO keine Anhaltspunkte für eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht ergeben hätten. Nach § 183 Abs. 5 des Entwurfs blieben die Regelungen der EuZVO vielmehr unberührt. Zudem führe die EuZVO kein abschließendes Regime für die Zustellung ein, sondern stelle den Mitgliedstaaten lediglich Mechanismen zur Verfügung, wie sie zügig und kostengünstig Zustellungen bewirken könnten (BT-Drucks. 16/8839, S. 38 f.). Dass der Gesetzgeber abweichend vom Gesetzeswortlaut die danach unberührt bleibenden Regelungen der EuZVO von den in den Absätzen 1 bis 4 des Entwurfs getroffenen Regelungen erfasst wissen wollte, lässt sich der Gesetzesbegründung deshalb nicht entnehmen. Demgemäß schließt auch die in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausgesprochene Bezugnahme auf § 183 ZPO nicht die vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausdrücklich ausgenommenen und hinsichtlich der erforderlichen nationalen Durchführungsbestimmungen anderweitig, nämlich in § 1068 Abs. 1 und § 1069 Abs. 1 ZPO, geregelten Zustellungen nach Maßgabe der EuZVO ein.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war danach die Einspruchsfrist des § 339 ZPO noch nicht abgelaufen, als die Einspruchsschrift am 30. Oktober 2009 bei dem Landgericht eingegangen ist. Die nach Maßgabe des § 184 ZPO bewirkte Zustellung des Versäumnisurteils hat die Einspruchsfrist nicht in Lauf setzen können. Denn eine Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nur zulässig, wenn die betroffene Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat, obgleich sie dazu gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO verpflichtet war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1972 - II ZR 7/71, BGHZ 58, 177, 179). Erfolgt die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, dagegen ohne gesetzliche Grundlage, weil sie - wie hier - für eine Fallgestaltung ausgesprochen wird, die von der in § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelten Anordnungsbefugnis nicht gedeckt wird, kann sie keine Wirkungen zu Lasten des Zustellungsempfängers entfalten (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 - X ZB 36/07, GRUR 2008, 1030 Rn. 4 - Zustellungsbevollmächtigter). Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass das zur Post aufgegebene Versäumnisurteil der Beklagten vor dem 19. Oktober 2009 tatsächlich zugegangen ist, so dass - nach dem der Entscheidung in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt - auch im Falle einer etwaigen Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO die Einspruchsfrist bei Eingang der Einspruchsschrift noch nicht abgelaufen war.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer Dr. Bünger Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.11.2009 - 5 O 251/09 B -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 24.06.2010 - 9 U 151/09 -