Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 29.10.1969, Az.: VIII ZR 202/67
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. April 1967 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Hotels, das sie im Jahre 1963 auf 10 Jahre an Jakob G. verpachtet hatte. Zum Hotel gehört eine Kegelbahn. Auf Bestellung des Pächters G. lieferten die Kläger Anfang 1964 für die Bahn u.a. 2 Gummigittermatten, 1 Kugelrücklauf, 2 Pudelrinnen, 2 Schlagwände, 1 Prellpolster und 1 Kegeltisch gegen Ratenzahlung und unter Eigentumsvorbehalt. Der Pächter zahlte nicht. Die Beklagte beendete das Pachtverhältnis mit ihm vorzeitig und verpachtete das Hotel einschlieÃlich der Kegelbahn an Otti L.. Der Pachtvertrag mit der neuen Pächterin läuft bis 1976.
Die Kläger haben auf Grund ihres vorbehaltenen Eigentums in der ersten Instanz Herausgabe der genannten Gegenstände von der Beklagten verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte antraggemäà verurteilt. In der zweiten Instanz haben die Kläger hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr den Anspruch gegen die Pächterin auf Herausgabe der Gegenstände abzutreten. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge auf Herausgabe bzw. Abtretung des Herausgabeanspruchs weiter.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.Das Berufungsgericht stellt fest, die Kläger seien auf Grund ihres Eigentumsvorbehalts nach wie vor Eigentümer der Gegenstände: sie hätten ihr Eigentum weder über §§ 93, 94, 946, 947 an die Beklagte verloren, noch habe diese gemäà § 932 BGB gutgläubig über den früheren Pächter C.. Eigentum erworben, weil diesem der Wille zu einer Ãbereignung der für ihn fremden Sachen gefehlt habe. Gleichwohl sei die auf § 985 BGB gestützte Herausgabeklage unter den gegebenen Umständen abzuweisen, weil die Beklagte nur mittelbare Besitzerin der Sache sei.
2.Dabei verkennt das Berufungsgericht nichts daà nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 2, 164, 166 [BGH 21.05.1951 - IV ZR 32/50];  12, 380, 397), [BGH 26.02.1954 - V ZR 135/52]die einer allgemeinen Meinung im Schrifttum entspricht, der Anspruch aus § 985 BGB auch gegen den mittelbaren Besitzer gerichtet werden kann, Nach ganz überwiegender Meinung des Schrifttums, dem der erkennende Senat betritt (Erman/Hefermehl 4. Aufl. § 985 Anm. 3; Palandt 28. Aufl. § 985 Anm. 2 b; RGRK/Johannsen 11. Aufl. § 985 Anm. 16; Staudinger/Berg 11. Aufl. § 985 Nr. 12; Westermann, Sachenrecht 4. Aufl. § 30 III 2; Wolff/Kaiser, Sachenrecht 10. Bearbeitung § 84 III 2; anderer Meinung: Baur, Sachenrecht 3. Aufl. § 11 C 2; differenzierend: Planck/Brodmann 5. Aufl. § 985 Anm. 1 b) ist dabei der Eigentümer nicht darauf beschränkt, von dem mittelbaren Besitzer die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den unmittelbaren Besitzer zu fordern; der Eigentümer kann vielmehr - entsprechend dem Wortlaut des § 985 BGB - auch den mittelbaren Besitzer grundsätzlich auf Herausgabe der Sache in Anspruch nehmen. Ein solches Urteil - und das spricht für diese Lösung - hat für den Eigentümer den Vorteil, daà die Vollstreckbarkeit unabhängig von einer etwaigen Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses ist. Besteht dieses im Zeitpunkt der Vollstreckung noch, so kann der Eigentümer das Urteil gemäà § 886 ZPO in der Weise vollstrecken, daà er sich den Anspruch des mittelbaren Besitzers gegen den unmittelbaren Besitzer auf Rückgabe der Sache zur Einziehung überweisen läÃt; er kann dann diesen Anspruch gemäà § 836 ZPO anstelle des mittelbaren Besitzern gegen den unmittelbaren Besitzer geltend machen. Ist aber inzwischen das Besitzmittlungsverhältnis durch Rückgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer beendet, so kann der Eigentümer unmittelbar bei diesem durch Wegnahme der Sache gemäà § 883 ZPO (oder - wenn es sich um eine unbewegliche Sache handelt - gemäà § 885 ZPO) vollstrecken. Von dieser rechtlichen Beurteilung geht zutreffend auch das Berufungsurteil aus.
3.Es hält jedoch hier eine Vollstreckungsmöglichkeit nach § 886 ZPO - und damit auch die sinnvolle Möglichkeit einer Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe - nicht für gegeben, weil die Beklagte wegen des langfristigen Pachtvertrages überhaupt keinen Herausgabeanspruch gegen die Pächterin habe. Das trifft aber nicht zu. Eine Vollstreckung nach § 886 ZPO setzt nicht, wie das Berufungsgericht anscheinend annimmt, voraus, daà der mittelbare Besitzer einen fälligen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer habe. Da § 886 ZPO auf die Vorschriften verweist, welche die Pfändung und Ãberweisung einer Geldforderung betreffen (§§ 829 ff ZPO), ist vielmehr eine Vollstreckungsmöglichkeit nach dieser Bestimmung unter den gleichen Voraussetzungen gegeben, unter denen die Pfändung und Ãberweisung von Geldforderungen möglich ist. Pfändbar - und zur Ãberweisung geeignet - sind aber auch betagte, bedingte und sogar künftige Forderungen, letztere jedenfalls dann, wenn schon eine Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht, aus der die künftige Forderund nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann (BGH LM ZPO § 857 Nr. 4). Unter welche diese drei Kategorien der Anspruch eines Vermieters (Verpächters) gemäà § 556 BGB auf Rückgabe der Mietsache fällt, solange das Mietverhältnis noch nicht beendigt ist, kann unentschieden bleiben. Sicher ist, daà ein Gläubiger des Vermieters schon vor Beendigung des Mietverhältnisses in den Anspruch des Vermieters aus § 556 BGB vollstrecken kann. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb eine Vollstreckungsmöglichkeit nach § 886 ZPO und deshalb auch ein Herausgabeanspruch der Kläger gegen die Beklagte als mittelbare Besitzerin nicht verneint werden.
4.Der Grundsatz, daà gemäà § 985 BGB der Eigentümer auch den mittelbaren Besitzer auf Herausgabe der Sache verklagen kann, muà jedoch, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hinweist, im Hinblick auf § 283 BGB eingeschränkt werden.
Diese Bestimmung, die nach ihrem Wortlaut und ihrer Stellung im Gesetz in erster Linie für schuldrechtliche Ansprüche, also für Forderungen gilt, ist nach allgemeiner Meinung such auf dingliche Ansprüche, insbesondere auf den Anspruch aus § 985 BGB, anzuwenden (so schon RG Warn 1912 Nr. 375; ferner: Soergel/Reimer Schmidt 10. Aufl. § 283 Nr. 2; Staudinger/Werner 11. Aufl. § 283 Nr. 4). Demnach kann auch der Eigentümer, der gegen den mittelbaren Besitzer ein rechtskräftiges Urteil auf Herausgabe einer Sache erwirkt hat, diesem zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daà er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne (diese Frist kann er nach § 255 ZPO auch schon in dem Herausgabeurteil durch das ProzeÃgericht setzen lassen). Nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist kann er ohne weitere Voraussetzungen vom mittelbaren Besitzer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das aber kann in Widerspruch stehen zu den §§ 989 ff BGB, nach denen der Besitzer nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen für den Schaden verantwortlich ist, der dadurch entsteht, daà die Sache von ihm nicht herausgegeben werden kann. Falls diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, würde mithin der Eigentümer, der gegen den mittelbaren Besitzer ein rechtskräftiges Urteil auf Herausgabe der Sache erwirkt hat, über § 283 BGB vom mittelbaren Besitzer Schadensersatz auch dann erlangen können, wenn dieser nach den §§ 989 ff BGB nicht schadensersatzpflichtig wäre; denn gegenüber der Klage aus § 283 BGB könnte der mittelbare Besitzer nicht mehr mit Erfolg geltend machen, daà er die Nichtherausgabe nicht zu vertreten habe. Diese Einwendung ist ihm nämlich durch die Rechtskraft des Herausgabeurteils abgeschnitten. § 283 Abs. 1 Satz 3 BGB, nach dem die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht eintritt, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den der Schuldner nicht zu vertreten hat, gilt nach allgemeiner (Erman 4, Aufl. § 283 Anm. 4 c; Larenz, Schuldrecht I 8. Aufl. S. 257; RGRK/Nastelski 11. Aufl. § 283 Anm. 2; Soergel/Reimer Schmidt 10. Aufl. § 283 Nr. 4) und zutreffender Ansicht nur für Einwendungen, die der Schuldner im ersten Rechtsstreit noch nicht geltend machen konnte, mithin nur für die Einwendung einer nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit.
Demnach ist es notwendig, den Grundsatz, daà der Eigentümer auch vom mittelbaren Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen kann, einzuschränken, um zu verhindern, daà der Eigentümer sich über § 283 BGB einen ihm nicht zustehenden Schadensersatz verschafft. Ein Herausgabeanspruch gegen den mittelbaren Besitzer steht danach dem Eigentümer nicht zu, wenn der mittelbare Besitzer wegen der Ãberlassung der Sache an den unmittelbaren Besitzer auÃerstande ist, die Sache herauszugeben, es sei denn, daà er nach den §§ 989 ff BGB dem Eigentümer schadensersatzpflichtig ist (so auch: RGRK Johannsen § 985 Anm. 17; Erman/Hefermehl 4. Aufl. § 985 Nr. 3; Palandt 28. Aufl. § 985 Anm. 2 b; Soergel/Mühl 10, Aufl. § 985 Nr. 13; anderer Meinung: Westermann, der umgekehrt ein Vorgehen nach § 283 BGB ausschlieÃen will).
5.Von dieser rechtlichen Beurteilung ist zutreffend auch das Berufungsgericht für eine Hilfsbegründung ausgegangen. Es nimmt an, nach den gegebenen Umständen habe die Beklagte beim Abschluà des Pachtvertrages mit der jetzigen Pächterin ohne Verschulden annehmen dürfen, daà auch die hier streitigen Gegenstände ihr (der Beklagten) Eigentum seien; mangels Verschulden habe sie sich deshalb gegenüber den Klägern nicht schadensersatzpflichtig gemacht. Auch auf Grund dieser Hilfsbegründung ist das Berufungsurteil jedoch nicht zu halten.
a)Gegenüber dem Hilfsantrag kommt sie überhaupt nicht in Betracht. Dieser richtet sich auf Abtretung des Herausgabeanspruchs, also auf die Abgabe einer Willenserklärung. Ein dem Hilfsantrag entsprechendes Urteil würde gemäà § 894 ZPO zur Folge haben, daà die Abtretung mit der Rechtskraft des Urteils als erfolgt gilt. Auf Grund eines solchen Urteils könnten deshalb die Kläger nicht mehr gegenüber der Beklagten gemäà § 283 BGB vorgehen. Denn sie würden mit der Rechtskraft des Urteils bereits alles erlangt haben, was sie zu beanspruchen hatten. Der Hilfsantrag der Kläger - seine Voraussetzungen im übrigen unterstellt - wäre demnach auch dann begründet, wenn die Beklagte, wie das Berufungsgericht annimmt, ohne Verschulden die streitigen Gegenstände als ihr Eigentum angesehen und der Pächterin Lass überlassen hat.
b)Gegenüber dem Hauptantrag der Kläger auf Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ohne Verschulden die Gegenstände ihrer Pächterin überlassen, von Bedeutung (s. vorstehend zu 4). Zu Recht, rügt aber die Revision, daà das Berufungsgericht seine Feststellung, die Beklagte treffe wegen der Ãberlassung der Gegenstände an ihre Pächterin kein Verschulden, unter Verstoà gegen § 286 ZPO getroffen hat.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben die Kläger Frau L. als Zeugin dafür benannt, daà sie "bei der Anpachtung von dem Streit der Parteien gewuÃt habe". Das Berufungsgericht hat dieses Beweisangebot gemäà § 529 ZPO als verspätet zurückgewiesen, weil es angesichts der erheblichen, rechtlichen Bedeutung des Beweisangebots nur als grob nachlässig bezeichnet werden könne, daà es erst in der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt sei. Ob diese Begründung ausreicht, kann zweifelhaft sein. Denn der rechtliche Gesichtspunkt, daà es im Hinblick auf §§ 989 ff, 283 BGB auf die Gutgläubigkeit der Beklagten ankommen konnte, ist erstmals in der Berufungsbegründung erörtert worden, und in der Berufungsinstanz hat nur eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diese Bedenken können aber dahingestellt bleiben, ebenso wie die Frage, wieso es für die Frage der Gutgläubigkeit der Beklagtenüberhaupt von Bedeutung sein kann, was Frau Lass gewuÃt oder nicht gewuÃt hat. Denn jedenfalls hatten die Kläger schon in der Berufungserwiderung (S. 3; GA Bl. 69) den früheren Pächter G. der Beklagten als Zeugen dafür benannt, die Beklagte habe bei Rückgabe der Pachtsache seitens des Pächters gewuÃt, daà die Kläger die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt geliefert hatten und der Pächter sie noch nicht bezahlt hatte. Da das Berufungsgericht diesen Beweisantritt übersehen hat (§ 286 ZPO), ist für die Revisionsinstanz das Beweisthema als wahr zu unterstellen. Dann aber durfte auch der Hauptantrag der Klägerin auf Herausgabe der Sachen nicht abgewiesen werden.
6.Gemäà §§ 564, 565 ZPO war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem war auch die Entscheidung zu übertragen, welche Partei die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen hat, weil diese Kostenentscheidung von der erneuten Entscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache abhängt.