Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 25.10.1967, Az.: VIII ZR 215/66
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 31. März 1965 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger, Inhaber einer Immobilien-Maklerfirma in D., erfuhr im August 1962 durch ein Zeitungsinserat des Beklagten, daß dieser sein Einfamilienhaus in H. bei D. für einen "Festpreis von 370.000 DM" verkaufen wollte. Am 30. August 1962 besichtigte sein Angestellter, der Stadtoberamtmann i.R. H., das Haus. Der Beklagte gab ihm das Haus zum Verkauf an Hand, bestand jedoch auf dem Preis von 370.000 DM, obschon ihm H. sagte, daß nach dem Ergebnis seiner Besichtigung unter Berücksichtigung der damaligen Marktlage nur 300.000 DM "marktgerecht" seien. In dem Schreiben vom 1. September 1962, mit dem der Kläger dem Beklagten den Maklerauftrag bestätigte, hieß es:"Wunschgemäß werden wir einen Verkaufspreis von DM 370.000 fordern und uns solange um den Verkauf bemühen, bis wir einen passenden Interessenten nachweisen können ..."
Zur damaligen Zeit hatte der Kläger von den Eheleuten M. Auftrag, ihnen ein Villengrundstück in der Umgebung von D. zu vermitteln, das etwa 200.000-250.000 DM kosten sollte. Am 31. August 1962 zeigte ihnen H. ein Haus in H., das sie jedoch nicht besichtigen konnten, weil die Eigentümerin abwesend war. Als nun H. von dem Haus des Beklagten sprach, das er am Vortage besichtigt hatte, wünschten die Eheleute M. dieses Haus zu sehen, obschon H. ihnen sagte, daß der Beklagte auf einem Preis von 370.000 DM bestehe. Er führte die Eheleute noch am selben Abend zum Beklagten, der mit ihnen sogleich in Anwesenheit H. verhandelte. Die Eheleute waren am Ankauf sehr interessiert, jedoch nicht bereit, die geforderten 370.000 DM zu zahlen. Am folgenden Tage verhandelte der Beklagte mit ihnen weiter, wobei es wiederum im wesentlichen um den Preis ging. H. war mitgekommen, jedoch auf Wunsch des Beklagten bald wieder gegangen. Am 3. September 1962 einigte sich der Beklagte mit den Eheleuten M. auf 320.000 DM und ließ den Verkauf sogleich beurkunden.
Der Kläger, der von den Käufern 3 % Provision erhalten hat, verlangt auch vom Beklagten diese Provision.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 9.600 DM gerichteten Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Maklerlohn sei durch das Verhalten H. verwirkt (§ 654 BGB). Diesem sei zwar gestattet gewesen, auch für die Käufer tätig zu sein. Er habe dabei aber gegen seine Pflicht verstoßen, als ehrlicher Makler nach beiden Seiten hin unparteiisch zu vermitteln. Der Beklagte habe nämlich H. gesagt, er halte an seinem Preis von 370.000 DM fest, obschon dieser ihm vorgestellt habe, daß nach seiner Berechnung der Marktwert weit niedriger sei. Dennoch habe H. - so stellt das Berufungsgericht aufgrund dessen Aussagen fest - am 31. August 1962, als der Beklagte mit den Käufern über den Preis verhandelte, diesen erklärt, er halte 300.000 DM für richtig, dieser Preis sei auch für den Kläger als Grundstücksmakler der "marktgerechte Preis". Später, als die Verhandlung zu keiner Einigung geführt hatte, hätten, so stellt das Berufungsgericht weiter fest, die Eheleute M. H. nochmals nach dem Preis gefragt, den sie zahlen könnten. Dabei sei Frau M. in ihn gedrungen, "er möchte ihr nun wirklich sagen, was für das Grundstück bezahlt werden könne - ob der Kläger eine Taxe aufgenommen habe". Dies habe H. bejaht und nochmals gesagt, nach dieser Taxe sei der Verkaufspreis 300.000 DM.
Das Berufungsgericht hat in diesen Erklärungen H. eine "krasse Parteilichkeit" für die Käufer und gegen den Beklagten erblickt und daher die Voraussetzungen des § 654 BGB als erfüllt angesehen.
II.Die Revision hält diese Beurteilung der Erklärungen H. zu Unrecht für rechtsirrig.
1.Vergeblich macht die Revision geltend, H. habe das, was er den Käufern gesagt und auf deren Fragen geantwortet hatte, sagen dürfen, ohne gegenüber dem Beklagten treuwidrig zu handeln. Mit Recht hat das Berufungsgericht die objektiven Voraussetzungen des § 654 BGB bejaht.
a)Der Makler muß die Interessen seines Auftraggebers loyal wahrnehmen. Er hat sich für einen günstigen Abschluß einzusetzen: bei einem Verkaufs-Auftrag für einen möglichst hohen Preis, bei einem Kauf-Auftrag für einen möglichst niedrigen. Wegen der schon deshalb widerstreitenden Interessen der Vertragsteile wird er daher im allgemeinen nur einem von ihnen uneingeschränkt treu dienen können. Dennoch wird ihm oft gestattet, auch für den anderen Teil tätig zu werden. Das folgt in aller Regel schon aus dem Inhalt seines Auftrages, wenn er nur für den einen Teil Vermittlungsmakler, für den anderen dagegen nur Nachweismakler ist (RG JW 1922, 164; OLG Stuttgart NJW 1954, 313 [OLG Stuttgart 13.10.1953 - 6 U 125/53]). Jedoch obliegt auch einem Makler, der durch bloßen Nachweis seine Provision verdient, eine nachwirkende Treupflicht: er darf, wenn er nach dem Nachweis noch weiter tätig wird, dabei nichts tun, was dem Interesse seines Auftraggebers zuwiderläuft (RG SeuffArch 56 Nr. 24; LZ 1931, 624). Daher ist das Vorbringen der Revision, der Kläger sei, wie sich aus seinem Bestätigungsschreiben vom 1. September 1962 ergebe, nur Nachweismakler des Beklagten gewesen, unerheblich. Andererseits wird es einem Makler, der Vertrauensmakler ist, nur selten gestattet sein, auch für den Gegner tätig zu sein (RG JW 1913, 200; Senatsurteil vom 22. April 1964 - VIII ZR 225/62 = LM § 652 Nr. 13 = BGH Warn 1964 Nr. 115 = NJW 1964, 1467). Im vorliegenden Fall wußte jedoch der Beklagte, daß H. schon von den Käufern beauftragt war. Er konnte daher nichts dagegen einwenden, daß dieser auch weiterhin die Käufer beriet. H. war somit nicht Vertrauensmakler des Beklagten, sondern Makler für ihn und für die Eheleute M.
b)Daß es bei solchen "Doppel-Aufträgen" zu Kollisionen der widerstreitenden Interessen kommen kann, liegt auf der Hand. Dennoch sind sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht verboten und in der Praxis, vor allem bei Immobilienmaklern, häufig. Dadurch entsteht die oft schwer zu beantwortende Frage, wann der Makler, dem nach beiden Aufträgen die Tätigkeit für den anderen Teil gestattet ist, dennoch "dem Inhalt des Vertrages zuwider" für den Gegner tätig geworden ist. Allgemeine Grundsätze können hier nur mit Vorsicht aufgestellt werden. Vieles hängt von den Umständen des konkreten Falles ab (BGB RGRK 11, Aufl. § 654 Anm. 2 mit RG Gruchot 65, 86 = RG WarnRspr 1920 Nr. 156; SeuffArch 56 Nr. 24).
Ist dem Makler die Doppeltätigkeit gestattet, so bleibt dennoch die Grundpflicht des Maklers bestehen, für seinen (hier: seine) Auftraggeber treu tätig zu werden. Es ist anerkannt, daß er auch bei einem Doppelauftrag nicht den einen dadurch bevorzugen darf, daß er den Vorteil des anderen "schlecht und gewissenlos" wahrnimmt, gar "Mittel, die gegen die guten Sitten verstoßen", anwendet (so RG JW 1913, 641 = RG WarnRspr 1913 Nr. 288). Auch bei einem erlaubten Doppel-Auftrag ist deshalb der Makler gehalten, seinen Auftraggeber - hier also beide - über all das aufzuklären, was für dessen Entschluß bestimmend sein kann und was er wissen muß, um sich vor Schaden zu bewahren (RGZ 138, 94, 97; BGH Urt. v. 8. März 1956 - II ZR 73/55 = BB 1956, 733). Diese Pflicht zum Reden, die ihm gegenüber dem einen Auftraggeber obliegt, geht der gegenüber dem anderen Teil bestehenden Pflicht vor, die von diesem Teil ihm anvertrauten ungünstigen Umstände für sich zu behalten. Das entspricht dem wohl verstandenen Interesse seiner beiden Auftraggeber. Jeder von ihnen nimmt in Kauf, daß der Makler den Gegner über ungünstige Umstände aufklärt, weil dem der Vorteil gegenübersteht, vom Makler auch das zu erfahren, was dem Gegner ungünstig ist. Dennoch hat auch der Doppel-Makler die Interessen seiner beiden Auftraggeber zu wahren, indem er sich strenger Unparteilichkeit gegenüber beiden befleißigen muß, um ihnen in fairer Weise zu dienen (vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 1967 - VIII ZR 174/64 = MDR 1967, 582 = BB 1967, 263 und vom 26. April 1967 - VIII ZR 279/64 -).
c)Dieses Gebot hat H. verletzt. Der Beklagte hatte ihm eindeutig erklärt, er wolle 370.000 DM als Kaufpreis erzielen. Dies mußte für H. maßgebend sein und nicht der Kaufpreis, den er für richtig hielt. Der Preis einer Sache muß nicht ihrem Wert entsprechen. Er richtet sich gerade bei Grundstücken und vor allem, wie hier, bei luxuriösen Villengrundstücken nach Angebot und Nachfrage und wird jeweils zwischen Käufer und Verkäufer ausgehandelt. "Marktpreis" und objektiver Verkehrswert spielen keine entscheidende Rolle, vielmehr sind oft spekulative Momente (Kaufkraft, Geldwert usw.) von erheblicher Bedeutung, häufig auch die persönlichen Vorstellungen und Wünsche der Kaufinteressenten. Der Verkäufer versucht den höchstmöglichen Preis zu erzielen, mag dieser auch "unvernünftig" sein. Der Käufer ist bestrebt, möglichst wenig zu zahlen, mag dabei das Grundstück auch "verschenkt" sein. Wer bei diesem Ringen um den Preis den Gegner in seine Karten blicken läßt, hat bald verspielt (so treffend Reichel, Mäklerprovision 1913 S. 238). Der Grundstücksmakler hat nicht dafür zu sorgen, daß der Preis "angemessen", "inarktgerecht" oder "volkswirtschaftlich vernünftig" ist. Maßgebend ist, nachdem die Preisvorschriften aufgehoben sind, allein der Preis, auf den sich die Parteien einigen.
Daher darf der Makler, der einen Doppel-Auftrag hat, in die Preisverhandlungen - solange diese redlichen Gepflogenheiten entsprechend verlaufen - grundsätzlich nicht eingreifen. Zwar wird oft sein Auftraggeber ihn gerade deshalb um Vermittlung gebeten haben, weil er den Grundstücksmarkt kennt und ihn bezüglich des Preises sachverständig beraten kann. Der vom Käufer beauftragte Makler muß daher, wenn er das Grundstück selbst bewertet und eine "Taxe" aufgestellt hat, diese seinem Auftraggeber nennen und ihm sagen, was er fordern bzw. bieten soll. Das aber kann bei einem Doppel-Auftrag nicht mehr gelten. Hier darf der Makler - jedenfalls wenn er den Verkäufer schon über den Preis beraten und dieser dann seine Forderung gestellt hat - dem Gegner nicht mehr mit seinem Wissen und seinem Rat dienen. Auch wenn der Gegner ihn befragt, darf er ihn nicht mehr beraten, weil er sonst die Interessen des anderen Teiles beeinträchtigen würde; er muß ihn darauf verweisen, sich anderweit Rat zu holen. Will er ihm dennoch auch in dieser Preisfrage dienen, so muß er sich das von dem anderen Teil ausdrücklich erlauben lassen. Weigert sich dieser, so muß er, will er die Fragen des einen Auftraggebers trotzdem beantworten, dem anderen offen erklären, daß er nicht mehr für ihn tätig wird, von ihm also auch keine Provision mehr verlangen wird (so RG Recht 1911 Nr. 1119). Denn er kann unter solchen Umständen nicht beiden Teilen dienen. Tut er es dennoch, so nimmt ihm das Gesetz die Provision (§ 654 BGB). Erst dann wenn die Kontrahenten um seinen Rat bitten, weil ihre Verhandlungen zu scheitern drohen, darf er sich in die Diskussion um den Preis einschalten und auf einen Kompromiß hinwirken, mag er sich dabei auch gegen die Torstellungen eines seiner Auftraggeber wenden müssen. Ohne solche ausdrückliche Erlaubnis darf er nur dann auf den Preis einwirken, wenn es seinen Auftraggebern nicht so sehr auf einen möglichst günstigen Preis ankommt, sondern darauf, überhaupt zu einem Abschluß zu gelangen (RG Recht 1907 Nr. 3799 = Gruchot 52, 992; RG WarnRspr 1920 Nr. 156 = Gruchot 65, 86). So aber lag die Sache hier nicht. Dem Beklagten kam es vielmehr darauf an, seine Preisvorstellung durchzusetzen.
d)Zu Unrecht meint die Revision, der Makler müsse all das, was er von dem einen Auftraggeber erfahren habe, "gleichermaßen" auch dem anderen mitteilen. Das ist in dieser Allgemeinheit jedenfalls hinsichtlich des Preises nicht richtig.
Bei einem Doppel-Auftrag soll zwar der Makler beide Teile zusammenbringen und muß daher auf sie ausgleichend einwirken. Der Grundstücksmakler ist aber - anders als der Handelsmakler (§ 98) - nicht Schlichter zwischen den widerstreitenden Teilen. Er darf seine eigene Wertung nicht zur Geltung bringen (RG Recht 1911 Nr. 1119). Wohl darf er, wenn er den geforderten Preis für zu hoch hält, dies dem Verkäufer vorhalten - muß dies sogar, wenn sonst der Abschluß gefährdet ist und der Verkäufer Gefahr läuft, sein Grundstück gar nicht oder nur ungünstiger zu verkaufen (vgl. RG LZ 1931, 624, 625). Mit solchem Rat dient er den Interessen seines Auftraggebers. Er handelt ihnen aber zuwider, wenn er seine Wertvorstellung, wonach der geforderte Preis übersetzt sei, auch dem Käufer mitteilt und dadurch dem Verkäufer eine Verhandlungschance nimmt (vgl. Soergel/Siebert, BGB 9. Aufl. § 654 Rdnr. 2; RG Recht 1911 Nr. 1119). Auch wenn er diesem gesagt hat, wie hoch die "Taxe" ist, darf er sie dem Gegner nicht nennen, wenn er dadurch dessen Position verhärten würde. Fragt dieser ihn nach der Taxe, so muß er es dem Verkäufer überlassen, ob dieser deren Höhe offenlegen will.
2.Entgegen der Meinung der Revision unterliegt das Berufungsurteil auch hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen der Verwirkung keinen durchgreifenden Bedenken.
Nach § 654 BGB verwirkt der Makler den Lohn, den er durch Nachweis und Zuführung des Vertragsgegners an sich schon verdient hat, wenn er vertragswidrig auch für diesen anderen Teil tätig wird. Daß H. dies hier getan hatte, hat das Berufungsgericht, wie ausgeführt, rechtlich einwandfrei festgestellt. In einem solchen Fall der Treuwidrigkeit bedarf es in aller Regel keiner besonderen Feststellung mehr, daß der Makler sich auch subjektiv einer derartig schweren Treuwidrigkeit schuldig gemacht hat, daß er des Maklerlohnes "unwürdig" ist (vgl. BGHZ 36, 323, 327) [BGH 05.02.1962 - VII ZR 248/60]. Da H. wußte, daß der Beklagte darauf bestand, sein Grundstück für 370.000 DM zu verkaufen, trifft ihn der Vorwurf der Treuwidrigkeit ohne weiteres. Wenn das Berufungsgericht sein Verhalten als "krasse Parteilichkeit" bezeichnet und damit zum Ausdruck bringt, daß es auch die subjektive Seite der Verwirkung als gegeben ansieht, so kann das aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
III.Das Berufungsgericht hat daher die Klage mit Recht abgewiesen, so daß die Revision mit Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.