Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 30.09.2009, Az.: VIII ZR 238/08
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 29. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Kläger waren von Januar 2005 bis zu einer von ihnen zum 31. Oktober 2007 ausgesprochenen Kündigung Mieter einer Wohnung der Beklagten in B. . Sie sind inzwischen Mieter einer anderen Wohnung und fordern von der Beklagten die Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, auf deren Vorlage ihr neuer Vermieter nach wie vor noch besteht. Dies verweigert die Beklagte, die einen zunächst gegen sie erhobenen Anspruch auf Erteilung einer Quittung über die geleisteten Mietzahlungen sofort anerkannt und erfüllt hat.
Das Amtsgericht hat die auf Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung erweiterte Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen, die zuletzt eine auf sie lautende Mietschuldenfreiheitsbescheinigung für die Dauer des Mietverhältnisses verlangt haben, in der die Beklagte zugleich zur Bestätigung/Mitteilung verpflichtet sein sollte, dass die Miete einschließlich vereinbarter Betriebskostenvorauszahlungen für den Mietzeitraum bezahlt worden sei, dass ein Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung für 2006 von 276,24 € wegen Strittigkeit der Forderung nicht bezahlt worden sei, dass die Betriebskostenabrechnung für 2007 noch nicht erteilt worden sei und dass die Kläger eine Kaution von 726 € geleistet hätten, die sich aufgrund des nicht freigegebenen Pfandes noch bei der Beklagten befinde. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger für ihr Verlangen nach Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung sei zwar nicht dadurch entfallen, dass sie zwischenzeitlich eine neue Wohnung bezogen hätten, weil der neue Vermieter nach ihrem unwidersprochenen Vortrag nach wie vor auf Vorlage der Bescheinigung bestehe. Zudem sei bei Beendigung des derzeitigen Mietverhältnisses zu erwarten, dass ein zukünftiger Vermieter wegen der Kürze der Mietdauer zusätzlich eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auch des vorletzten Vermieters verlange. Ein über die Quittungserteilung hinausgehender Anspruch auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung stehe den Klägern jedoch nicht zu. Die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Treue- und Mitwirkungspflichten fänden dort ihre Grenze, wo es nur um die Erleichterung des Abschlusses eines neuen Mietvertrages durch Ausstellung einer Bescheinigung gehe, die einen vom Mieter auch ohne Mitwirkung des bisherigen Vermieters belegbaren Sachverhalt lediglich zusammenfasse oder die noch nicht abgeschlossene Sachverhalte betreffe und keinen positiven Erklärungswert für einen neuen Vermieter aufweise. Die Dauer des Mietverhältnisses könnten die Kläger durch den Mietvertrag, ihre Kündigungserklärung und die von der Beklagten abgegebene Bestätigung des Vertragsendes nachweisen. Die vollständige Begleichung der Mieten einschließlich der geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen könnten die Kläger durch den Mietvertrag, die erteilten Betriebskostenabrechnungen sowie die von der Beklagten ausgestellten Quittungen lückenlos belegen. In gleicher Weise könnten sie die mittels Übergabe eines verpfändeten Sparbuches gestellte Kaution durch Vorlage der Verpfändungserklärung belegen. Dass die Kaution noch nicht abgerechnet sei, sei angesichts des Streits über die Betriebskostenabrechnung 2006 und die noch offene Betriebskostenabrechnung 2007 nahe liegend und müsse vernünftigerweise nicht belegt werden. Der Streit über die Höhe der Betriebskostenabrechnung 2006 sei einem Vermieter nach den genannten Unterlagen ohne weiteres plausibel zu machen. Ein Anspruch auf Bestätigung der offenen Schuld bestehe jedenfalls nicht, ganz abgesehen davon, dass eine ausdrückliche Bestätigung dieses Sachverhalts durch die Beklagte keinen Schluss auf die Zuverlässigkeit der Kläger als Mieter zulasse. Entsprechendes gelte für die Betriebskostenabrechnung 2007. Dass ein Teil der gewerblichen Vermieter im Raum D. gleichwohl Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen verlange, falle in die Interessen- und Risikosphäre des Mieters und sei auf Inhalt und Umfang der Treue- und Mitwirkungspflichten des bisherigen Vermieters ohne Einfluss.
II.
Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Ein Anspruch auf Ausstellung der geforderten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision als mietvertragliche Nebenpflicht der Beklagten weder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung aufgrund einer nach Vertragsschluss am Wohnungsmarkt in D. dahingehend entstandenen Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) noch ist die Beklagte sonst gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf die Interessen der Kläger an der Erlangung einer neuen Wohnung durch Ausstellung einer solchen Bescheinigung Rücksicht zu nehmen.
1. Zu Unrecht bezweifelt allerdings die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge das vom Berufungsgericht angenommene Rechtsschutzbedürfnis der Kläger an der Erlangung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Bei Leistungsklagen, zu denen auch die Klage auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung zählt, ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Existenz für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (BGH, Urteil vom 4. März 1993 - I ZR 65/91, WM 1993, 1248, unter II 1). Dass ausnahmsweise besondere Umstände das Verlangen der Kläger, in die materiellrechtliche Prüfung ihres Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen ließen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kommt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht darauf an, ob der neue Vermieter der Kläger auf die Vorlage einer solchen Bescheinigung einen Anspruch hat oder ob den Klägern durch die fehlende Beibringung einer solchen Bescheinigung für das gegenwärtige Mietverhältnis oder für künftige Mietverhältnisse Nachteile drohen. Es genügt für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses vielmehr schon, dass die Vorlage der begehrten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung für das derzeitige wie für etwaige künftige Mietverhältnisse tatsächlich vorteilhaft sein kann.
2. In der Sache rügt die Revision aber ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht es unterlassen hat, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu prüfen, ob den Klägern danach ein vertraglicher Anspruch auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung zusteht.
a) Der Mietvertrag der Parteien enthält zu dieser Frage keine Regelung. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass hierfür allein schon aus diesem Grund eine Regelung im Wege ergänzender Vertragsauslegung gefunden werden müsste. Vielmehr kann, falls die Vertragsschließenden zu einem bestimmten Punkt keine Regelung treffen, zumeist angenommen werden, dass sie die Ausgestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen dem dispositiven Gesetzesrecht überlassen haben (BGHZ 77, 301, 304; 40, 91, 103; Senatsurteil vom 19. März 1975 - VIII ZR 262/73, WM 1975, 419, unter IV 2 a). Als dispositives Gesetzesrecht kommt hier der vom Berufungsgericht - auch wenn es die Vorschrift nicht erwähnt hat - seinem sachlichen Gehalt nach behandelte § 241 Abs. 2 BGB in Betracht, wonach ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Allerdings gibt das dispositive Recht nur den allgemeinen, auf eine typisierte Interessenabwägung gegründeten Beurteilungsmaßstab vor, während die ergänzende Vertragsauslegung der individuellen Gestaltung des Einzelfalls Rechnung trägt, etwa weil der zu regelnden Sachverhalt Besonderheiten aufweist, denen das dispositiven Gesetzesrecht nicht oder nicht in vergleichbarer Weise Rechnung tragen kann (BGHZ 74, 370, 373 f.).
b) Die Revision macht dazu geltend, dass nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Kläger die Vorlage einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung im Raum D. nach Vertragsschluss - oder zumindest bei Vertragsschluss noch nicht erkennbar - eine Üblichkeit erlangt habe, die einer Verkehrssitte gleichzusetzen sei und der sich die Vertragsparteien nach der beiderseitigen Interessenlage angeschlossen hätten, wenn sie diese Entwicklung bei Vertragsschluss bedacht hätten. Das Entstehen einer solchen Verkehrssitte mit einer daraus mittlerweile folgenden allgemeinen Pflicht zur Ausstellung von Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Nach seinen Feststellungen verlangt nur ein Teil der gewerblichen Vermieter im Raum D. Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen. Diese tatrichterliche Feststellung beanstandet die Revision im Ergebnis ohne Erfolg als rechtsfehlerhaft.
Das Vorbringen der Kläger in den Tatsacheninstanzen, wonach davon auszugehen sei, dass sich zumindest im Raum D. die Verkehrssitte der sogenannten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung herausgebildet habe, war entgegen der Auffassung der Revision keineswegs unwidersprochen geblieben. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass dem hierzu gehaltenen Sachvortrag der Kläger nicht nur die erforderliche Substantiierung in Bezug auf Anknüpfungstatsachen gefehlt hat, die zur Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung den Schluss auf eine hinreichend einheitliche und auf Konsens aller beteiligten Kreise hindeutende Verkehrsübung zulassen (vgl. BGHZ 111, 110, 112). Die Behauptung war von der Beklagten auch bestritten worden. Einen Beweis für die Üblichkeit der behaupteten Praxis und eine daraus folgende Verkehrssitte am Wohnungsmarkt im Raum D. hatten die Kläger nicht angetreten. Soweit unter Zeugenbeweis gestellt war, dass die G. Group mit einem Bestand von 42.000 Wohnungen in D. von jedem neuen Mieter die Vorlage einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlange, hätte das Berufungsgericht aus einer solchen Praxis nicht auf das Bestehen einer entsprechenden Verkehrssitte schließen müssen. Denn eine die Pflichtenlage der Beteiligten nunmehr prägende Verkehrssitte folgt hieraus noch nicht. Eine Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt vielmehr, dass sie auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung sämtlicher beteiligten Kreise an dem betreffenden, gegebenenfalls räumlich beschränkten Geschäftsverkehr zu Grunde liegt (BGHZ 111, aaO; Senatsurteil vom 2. Mai 1984 - VIII ZR 38/83, WM 1984, 1000, unter II 3 c bb; BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - V ZR 492/99, WM 2001, 1417, unter II 1 c; RGZ 114, 9, 12; Staudinger/Singer/Singer, BGB (2004), § 133 Rdnr. 66 m.w.N.). Demgegenüber genügt es zur Herausbildung einer Verkehrssitte noch nicht, dass die zugrunde liegende Übung nur von einem bestimmten, wenn auch quantitativ bedeutsamen Teil der beteiligten Verkehrskreise gepflogen wird; sie muss sich vielmehr innerhalb aller beteiligten Kreise als einheitliche Auffassung durchgesetzt haben (vgl. Senatsurteil vom 2. Mai 1984, aaO; RGZ 135, 339, 346).
c) Eine bestimmte Verkehrssitte zur Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung hat sich an Hand dieser Maßstäbe so lange nicht herausgebildet, wie nicht feststeht, dass die zu Grunde liegende Übung ganz allgemein am örtlichen Wohnungsmarkt in D. , und zwar etwa auch bei der Vielzahl von Vermietungen aus Privatbestand oder kleinerem gewerblichen Bestand, praktiziert wird. Dazu haben die Kläger indessen weder Konkretes vorgetragen noch Beweis angetreten. Das Berufungsgericht hätte deshalb die von ihnen als Anknüpfungspunkt für eine ergänzende Vertragsauslegung geltend gemachte Herausbildung einer bestimmten Verkehrssitte nicht feststellen können und müssen. Es ist daher am Maßstab des von der Revision als verletzt gerügten § 286 ZPO revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht nicht in die Prüfung einer ergänzenden Vertragsauslegung eingetreten ist, sondern sich darauf beschränkt hat, die begehrte Ausstellung der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung anhand der sich aus dem Schuldverhältnis allgemein ergebenden Treue- und Mitwirkungspflichten zu prüfen.
3. Insoweit rügt die Revision ebenfalls ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung nicht aus § 241 Abs. 2, § 242 BGB hergeleitet hat.
a) Die Frage, ob ein Vermieter verpflichtet ist, seinem Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auszustellen, wird in der Instanzrechtsprechung und im mietrechtlichen Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird eine solche Verpflichtung als fortwirkende mietvertragliche Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich bejaht, weil eine solche Bescheinigung einerseits dem nachvollziehbaren Interesse des Mieters diene, dem künftigen Vermieter zum Erhalt der von ihm erstrebten neuen Wohnung die eigene Zahlungsfähigkeit nachzuweisen, während andererseits dem Vermieter hieraus kein größerer Aufwand entstehe (AG Hohenschönhausen, GE 2006, 974, 975; Beuermann, GE 2006, 1600; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rdnr. VII 251b). Teilweise wird eine solche Verpflichtung hingegen verneint, weil der Mieter auf eine solche Bescheinigung nicht zwingend angewiesen sei, sondern seine Mietschuldenfreiheit auch anders, etwa durch Vorlage des alten Mietvertrages, von Kontounterlagen oder ihm auszustellender Zahlungsquittungen, belegen könne, und zudem eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung nur sehr eingeschränkt geeignet sei, über die Zuverlässigkeit und Solvenz eines Mieters verlässlich Auskunft zu geben (AG Schöneberg, GE 2006, 975 f.; AG Tiergarten, GE 2008, 203; Daub, GE 2006, 961 f.; zweifelnd auch Herrlein, WuM 2007, 54, 56). Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug.
b) Ein Schuldverhältnis kann gemäß § 241 Abs. 2 BGB nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils verpflichten. Zu diesen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten, deren Inhalt bei Fehlen entsprechender Absprachen jeweils nach der konkreten Situation unter Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen ist (BT-Drs. 14/6040, S. 126; Blank, WuM 2004, 243, 244), können auch Abwicklungspflichten bei oder nach Beendigung eines Mietverhältnisses gehören. Insbesondere können bestimmte nachvertragliche Auskunfts- und Mitteilungspflichten bestehen oder die Vertragsparteien gehalten sein, die Eingehung neuer Mietverhältnisse der jeweils anderen Seite nicht unnötig zu behindern (vgl. Sonnenschein, PiG 20 (1985), 69, 100; ders., PiG 46 (1995), 7, 18; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdnr. 173). Eine Verpflichtung des Vermieters zur Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung überschreitet jedoch den Rahmen dessen, was ihm billigerweise an Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters zuzumuten ist.
aa) Es ist in der Rechtsprechung zwar seit langem anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung zwischen den Partnern einer rechtlichen Sonderverbindung auch ohne ausdrückliche Absprache bestehen kann, wenn die eine Seite in entschuldbarer Weise über den Umfang ihrer Rechte im Ungewissen ist, sie sich die zur Vorbereitung und Wahrnehmung dieser Rechte notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und die andere Seite die Auskünfte unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (BGHZ 149, 165, 174 f. m.w.N.). Eine solche Auskunftsverpflichtung scheitert hier aber schon daran, dass die Kläger über Art und Umfang ihrer Mietverbindlichkeiten nicht im Ungewissen sind. Sie sind - wie die Revision einräumt - jedenfalls unter Zuhilfenahme eigener Zahlungsbelege sowie der von der Beklagten gemäß § 368 BGB geschuldeten und erteilten Quittungen über die von den Klägern empfangenen Zahlungen ohne Weiteres in der Lage, die Erfüllung ihrer aus dem Mietvertrag sowie erteilten Nebenkostenabrechnungen und Nebenkostenanforderungen ersichtlichen Mietverbindlichkeiten zu belegen (vgl. Daub, aaO, S. 961).
bb) Eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ist nach ihrem Aussagegehalt nicht nur eine pauschale Bestätigung des Empfangs bestimmter Miet- und Nebenkostenzahlungen. Ihr kann auch die Erklärung des Vermieters entnommen werden, dass der Mieter abgesehen von ausdrücklich vorbehaltenen Forderungen von Mietschulden frei ist und ihm nichts mehr schuldet. Damit steht sie unübersehbar in einer gewissen Nähe zu der vor allem im Arbeitsrecht anzutreffenden Ausgleichsquittung (vgl. Daub, aaO, S. 962), der unter anderem die Wirkung einer Verzichtserklärung oder eines negativen Schuldanerkenntnisses dahin beigelegt wird, gegen den Schuldner keine bekannten oder unbekannten Ansprüche mehr zu haben (BGH, Urteil vom 13. Januar 1999 - XII ZR 298/96, NJW-RR 1999, 593, unter I 2 a; BAG, NJW 2008, 461, 462; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 2. Aufl., § 397 Rdnr. 23 m.w.N.). Zur Abgabe einer solchen, mit einer Verzichtswirkung verbundenen Erklärung ist ein Vermieter jedoch nicht verpflichtet (vgl. Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 538 Rdnr. 6). Selbst wenn der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung aber kein derart rechtsgeschäftlicher, über eine bloße Wissenserklärung hinausgehender Erklärungswert beizumessen sein sollte, kann ihr immer noch die Wirkung eines beweisrechtlich nachteiligen 'Zeugnisses gegen sich' selbst zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1996 - III ZR 88/95, VIZ 1997, 181, unter I b). Für diesen Fall müsste der Vermieter mit Ausstellung der Bescheinigung beweisrechtliche Nachteile befürchten, falls nachträglich noch Streit über den Bestand und die Erfüllung von Mietforderungen entstehen sollte (vgl. BGHZ 69, 328, 332 zur Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO). Die Abgabe einer in ihren Wirkungen unter Umständen derart weit reichenden Erklärung kann - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - einem Vermieter deshalb schon wegen einer möglichen künftigen Gefährdung eigener Rechtspositionen nicht zugemutet werden.
Der dargestellte Charakter der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung als einer über das bloße Empfangsbekenntnis hinausgehenden Erklärung verbietet es entgegen der Auffassung der Revision auch, in dieser Bescheinigung lediglich eine in anderer Form zu erteilende Quittung im Sinne von § 368 Satz 2 BGB sehen zu wollen. Zu einer über den tatsächlichen Leistungsempfang hinausgehenden Erklärung, wegen der zugrunde liegenden Schuld befriedigt zu sein, kann § 368 BGB keine Anspruchsgrundlage bilden (vgl. Münch-KommBGB/Wenzel, 5. Aufl., § 368 Rdnr. 2; Staudinger/Olzen, BGB (2006), § 368 Rdnr. 7).
cc) Außerdem kann ein Mieter schon deshalb keine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung beanspruchen, weil sie den Vermieter unzulässig zwingen würde, sich (sofort) zum Bestand etwaiger Forderungen aus dem Mietverhältnis zu äußern. Selbst wenn der Mieter eine abzurechnende Kaution geleistet hat, muss der Vermieter sich bei Beendigung eines Mietverhältnisses nicht sofort über einen Bestand an verbliebenen Forderungen gegen den Mieter klar werden. Vielmehr ist ihm eine angemessene Frist zuzubilligen, innerhalb derer er sich über den Bestand etwaiger Forderungen vergewissern und entscheiden muss, ob und in welcher Weise er die Kaution zur Abdeckung seiner Ansprüche verwenden will (BGHZ 101, 244, 250; Senatsurteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 71/05, WuM 2006, 197, Tz. 9). Diese Überlegungsfrist würde ihm bei einer Verpflichtung zur Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung jedoch weitgehend genommen. Er müsste vielmehr befürchten, im Anschluss an deren Erteilung auch auf umgehende Abrechnung der Kaution in Anspruch genommen zu werden.
Darüber hinaus bestünde in den Fällen, in denen der Vermieter die verlangte Bescheinigung mit Einschränkungen erteilt, weil er meint, noch Forderungen zu haben, weil er sich über deren Bestand noch nicht klar ist oder weil er - ohne seine Rechtspositionen aufgeben zu wollen - es derzeit nicht für opportun hält, sich darüber zu äußern, die Gefahr, dass eine auf möglicherweise sogar noch unentschiedener Haltung beruhende Einschränkung einer erteilten Bescheinigung als Anspruchsberühmung aufgefasst würde, so dass er befürchten müsste, mit einer negativen Feststellungsklage überzogen zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2008 - V ZR 114/07, WM 2008, 1590, Tz. 32 m.w.N.). Einem solchen Risiko muss er sich jedoch nur stellen, wenn ihm eine dahin gehende Auskunftspflicht - wie etwa in § 840 ZPO zur Gewährleistung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden funktionsfähigen Forderungsvollstre-
ckung geschehen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 - XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, unter II 2 c) - aus besonderen Gründen eigens auferlegt worden ist.
Ball Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger Vorinstanzen:
AG Dippoldiswalde, Entscheidung vom 10.01.2008 - 2 C 686/07 -
LG Dresden, Entscheidung vom 29.07.2008 - 4 S 97/08 -