Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 24.04.2013, Az.: VIII ZR 265/12
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 13. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloss im August 2007 mit der Beklagten einen Leasingvertrag über einen PKW Audi Q7 Kilometerabrech- nung und einer Laufzeit von 36 Monaten. Dem Vertrag lagen die Leasingbedingungen der Klägerin für Geschäftsfahrzeuge in der Fassung von Dezember 2005 (im Folgenden: AGB-LV) zugrunde. Dort heißt es in Abschnitt IV. 1:
'Die Leasing-Raten, eine vereinbarte Sonderzahlung und eine Mehrkilometerbelastung nach Ziffer 3 sind Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges.' 1 Unter Abschnitt XVI. ist im Hinblick auf die Rückgabe des Fahrzeugs unter anderem Folgendes bestimmt:
'2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. Über den Zustand wird bei Rückgabe ein gemeinsames Protokoll angefertigt und von beiden Vertragspartnern oder ihren Bevollmächtigten unterzeichnet.
3. Bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasing-Zeit gilt folgende Regelung:
Entspricht das Fahrzeug bei Verträgen ohne Gebrauchtwagenabrechnung nicht dem Zustand gemäß Ziffer 2 Absatz 1, ist der Leasing-Nehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet. (...)'
Die Beklagte gab das Fahrzeug nach Ablauf der regulären Vertragslaufzeit im November 2010 zurück. Ein Übergabeprotokoll wurde nicht erstellt. Im März 2011 ließ die Klägerin das Fahrzeug durch einen Sachverständigen begutachten. Im Anschluss verkaufte sie das Fahrzeug - wie branchenüblich - zum kalkulierten Restwert an einen Vertragshändler.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Mängel und Schäden an dem Fahrzeug auf Ausgleich des Minderwerts nebst Zinsen in Anspruch, den sie unter Bezugnahme auf das Gutachten mit 4.600 Euro netto beziffert. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Minderwertausgleich weder als vertraglicher Erfüllungsanspruch noch als Schadensersatzforderung zu. Der Anspruch auf Ausgleich eines beschädigungsbedingten Minderwerts ziele nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf ab, die Differenz zwischen dem tatsächlichen Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem Wert bei einer Rückgabe im vertragsgemäßen Zustand bis zu dem Betrag aufzufüllen, der zusammen mit den Leasingraten zur Amortisation des Gesamtaufwandes der Leasinggeberin beitrage. Der Minderwert sei nicht nur bei einem vorzeitig beendeten, sondern auch bei einem regulär abgelaufenen Leasingverhältnis durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Verkaufserlös und dem kalkulierten Restwert des Fahrzeugs bei vertragsgemäßer Rückgabe zu ermitteln.
Einen solchen Anspruch habe die Klägerin nicht dargelegt. Denn sie habe keine Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem anzusetzenden Fahrzeugwert bei Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand vorgetragen. Stattdessen habe sie angegeben, das Fahrzeug, wie branchenüblich, an einen Händler zu dem auf der Basis eines vertragsgemäßen Erhaltungszustands kalkulierten Restwert weiter-5 veräußert zu haben. Ein etwaiger beschädigungsbedingter Minderwert sei damit bei der Klägerin nicht verblieben. Hieran ändere auch eine etwaige Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Vertragshändler nichts, nach der sie verpflichtet sei, einen Minderwert von mehr als 2.000 € netto gerichtlich gegen den Leasingnehmer geltend zu machen und den titulierten Betrag an den Händler auszukehren. Denn eine solche Abrede lasse den Minderwert nicht in der Person der Klägerin 'wiederaufleben'.
Aus denselben Gründen scheide auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus. Nach der Veräußerung des Fahrzeugs zum kalkulierten Restwert sei bei der Klägerin kein ersatzfähiger Schaden verblieben.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Wertverlusts, der auf eine über normale Verschleißerscheinungen hinausgehende Verschlechterung des geleasten Fahrzeugs zurückzuführen ist, nicht verneint werden.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen, dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung über einen als Erfüllungsanspruch ausgestalteten Anspruch auf Ausgleich eines etwaigen Minderwerts des Leasingfahrzeugs bei dessen Rückgabe in vertragswidrigem Zustand getroffen haben. Dieser Erfüllungsanspruch ergibt sich - was auch die Revisionserwiderung einräumt - aus der Regelung in Abschnitt XVI. Nr. 3 AGB-LV. Wie der Senat 9
- nach Erlass des Berufungsurteils - für eine identische Vertragsklausel entschieden hat, wird hierdurch ein Anspruch begründet, der aufgrund seiner leasingtypischen Amortisationsfunktion in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als vertraglicher Erfüllungsanspruch zu charakterisieren ist (eingehend Senatsurteil vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 19 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12 unter II 1, 2, zur Veröffentlichung bestimmt). Dem steht nicht entgegen, dass der Leasinggeber nach dem Wortlaut der Klausel 'zum Ersatz des entsprechenden Schadens' verpflichtet wird. Denn die Begriffe 'Minderwert' und 'Schaden' werden hier synonym gebraucht; dies gilt ebenso für die Begriffe 'Ausgleich' und 'Ersatz' (Senatsurteile vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 21 f.; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO unter II 2 c).
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den geltend gemachten Minderwertausgleich daran scheitern lassen, dass die Klägerin den kalkulierten Restwert des Fahrzeugs bei der anschließenden Veräußerung habe realisieren können und sie daher in vermögensrechtlicher Sicht genauso gestellt sei wie bei einer Rückgabe des Leasingfahrzeugs in vertragsgemäßem Zustand. Das Berufungsgericht hat hierbei den Inhalt des Minderwertausgleichs und die Eigenart eines Kraftfahrzeugleasingvertrags mit Kilometerabrechnung nicht hinreichend erfasst.
a) Die Parteien haben einen Kraftfahrzeug-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einer festen Laufzeit von 36 Monaten geschlossen. Zwar zielt auch ein solches Geschäftsmodell insgesamt darauf ab, dass der Leasinggeber bei planmäßigem Vertragsablauf die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erlangt. Der Anspruch des Leasinggebers auf Amortisation seines Anschaffungs- und Finanzierungsaufwands wird im Wege der 'Mischkalkulation' durch die 12 vom Leasingnehmer geschuldeten Zahlungen und durch die Verwertung des Leasingfahrzeugs erreicht, für dessen ordnungsgemäßen Zustand der Leasingnehmer einzustehen hat (Senatsurteile vom 1. März 2000 - VIII ZR 177/99, NJW-RR 2000, 1303 unter [II] 2 b mwN; vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 17 mwN; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO unter II 3 b aa).
b) Bei einer solchen Vertragsgestaltung finden jedoch typischerweise kein Ausgleich und keine Abrechnung des vom Leasinggeber intern kalkulierten Restwerts statt (Senatsurteile vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823 unter II 2 a bb; vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 17, 24). Die mit einem Kraftfahrzeug-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung bezweckte Vollamortisation des Aufwands des Leasinggebers baut folglich nicht auf einer Restwertabrechnung auf (Senatsurteile vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO unter II 3 b bb). Das Verwertungsrisiko und die Verwertungschance liegen vielmehr allein beim Leasinggeber (Senatsurteile vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, aaO mwN; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO). Dieser trägt bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragsgemäßem Zustand das Risiko, dass er bei dessen Veräußerung die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erzielt (Senatsurteile vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, aaO mwN; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO). Andererseits ist er nicht verpflichtet, den Leasingnehmer an einem durch Veräußerung des Fahrzeugs nach Vertragsablauf erzielten Gewinn zu beteiligen (Senatsurteile vom 24. April 1996 - VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033 unter II 1 b cc; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO).
c) Diese Grundsätze gelten auch für die Bemessung des Minderwertausgleichs bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragswidrigem Zustand. Ein solcher 14 Anspruch ist auf Zahlung des Betrages gerichtet, um den der Wert des Leasingfahrzeugs bei Vertragsablauf wegen der vorhandenen Schäden oder Mängel hinter dem Wert zurückbleibt, den das Fahrzeug in vertragsgemäßem Zustand hätte (Senatsurteile vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12 unter II 3 b cc; vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 18 f.; vom 1. März 2000 - VIII ZR 177/99, aaO unter [II] 2 a, b). Da er in Anbetracht der von den Leasingparteien bezweckten Vollamortisation - zusammen mit dem in vertragswidrigem Zustand zurückgegebenen Fahrzeug - wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs des Leasinggebers auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand tritt (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 18, 20), ändert sich an der oben beschriebenen Verteilung des Verwertungsrisikos und der Verwertungschancen nichts (Senatsurteil vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO). Daher sind für die Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs weder der vom Leasinggeber vorab intern kalkulierte Restwert noch der nach Vertragsablauf erzielte Verwertungserlös von Bedeutung (Senatsurteile vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12, aaO Rn. 24; vom 24. April 2013 - VIII ZR 336/12, aaO; vgl. ferner Senatsurteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, aaO [zum Fall einer konkreten Schadensberechnung bei vorzeitiger Beendigung eines Kraftfahrzeug-Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung]).
Soweit sich aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Senatsurteil vom 22. Januar 1986 (VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 ff.) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
3. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat die Klägerin den geltend gemachten Minderwertausgleich substantiiert dargelegt. Sie hat die von ihr beanstandeten Schäden und Mängel in der Klageschrift unter Be-16 zugnahme auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten konkret beschrieben. Die Revisionserwiderung überspannt die Substantiierungsanforderungen, wenn sie eine Offenlegung verlangt, in welchem Umfang 'die vertraglich geschuldete Vollamortisation nicht eingetreten ist'. Es genügt, wenn die Klägerin darlegt, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht der Zustand des zurück gegebenen Fahrzeugs aus ihrer Sicht von dem Erhaltungszustand abweicht, der nach Ablauf der Vertragslaufzeit und der vertraglich vereinbarten Kilometerleistung zu erwarten gewesen wäre. Ob ihre Einschätzung zutrifft oder nicht, ist keine Frage der Substantiierung, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs.
III.
Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zu dem von der Klägerin behaupteten Wertverlust des Fahrzeugs getroffen hat. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der neuen Ver-
handlung wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob alle von der Klägerin geltend gemachten Positionen erstattungsfähig sind.
Ball Milger Achilles Schneider Fetzer Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 09.02.2012 - 114 C 3810/11 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 13.08.2012 - 8 S 94/12 -