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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 04.11.1987, Az.: IVA ZR 158/86

Tatbestand

Die Kläger sind als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in einer Sozietät verbunden. Sie nehmen den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Hauptschuldner ist der Vater des Beklagten, Herr K. W., der Inhaber der Glashütte. Über dessen Vermögen war das Konkursverfahren eröffnet worden. Er hatte die Kläger mit einem Sanierungsversuch zur Vorbereitung eines Zwangsvergleichs beauftragt. Am 31. März 1984 gab er zwei »Schuldanerkenntnisse« des Inhalts ab, daß er den Klägern als Honorar 115 700 DM und weitere 89 020 DM schulde. Am 25. Mai 1984 übernahm der Beklagte in schriftlichen Zusätzen die Bürgschaft für diese Forderung. Die Sanierung scheiterte bald darauf am Widerstand eines Gläubigers (Oberfinanzdirektion).

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 204 720 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht faßt die Erklärungen des Herrn K. W. als deklaratorische Schuldanerkenntnisse auf, durch die alle bis dahin entstandenen und bekannten Einwendungen gegen die Honorarforderung ausgeschlossen seien. Der Beklagte habe in nicht anfechtbarer Weise für diese Forderungen die unbedingte Bürgschaft übernommen und könne die Kläger wegen des Konkurses seines Vaters auch nicht auf eine Vorausklage verweisen. All das ist richtig und wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

II. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob der mit den Klägern geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) nichtig ist und die Anerkenntnisse deshalb kondiziert werden können.

1. Das Berufungsgericht führt dazu aus: Das Schwergewicht der Aufgaben der Kläger habe auf wirtschaftlichem Gebiet gelegen. Sie hätten ein Sanierungskonzept erarbeitet, wonach eine langfristige Bankfinanzierung habe besorgt werden sollen, um einen Zwangsvergleich zu ermöglichen. Hierfür sei es erforderlich gewesen, erstrangig gesicherte Schulden abzulösen, die Geschäfte der Glashütte zu reaktivieren und einen Treuhänder einzuschalten. Allerdings hätten auch Verhandlungen mit Gläubigern über deren Vergleichsbereitschaft geführt werden müssen; diese rechtliche Tätigkeit habe aber in unmittelbarem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung und nicht im Vordergrund gestanden. Die wirtschaftliche Beratung sei nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 WPO mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers vereinbar. Die mit der wirtschaftlichen Beratung unmittelbar zusammenhängende rechtliche Bearbeitung einer Angelegenheit sei durch Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG gedeckt.

2. Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat.

a) Der den Klägern erteilte Auftrag sollte ersichtlich nur von dem klagenden Wirtschaftsprüfer ausgeführt werden. Daß er mit dem klagenden Steuerberater in einer Sozietät verbunden ist, führt zwar zu dessen finanzieller Mitberechtigung und Mithaftung, beschränkt den Kläger zu 2 aber nicht in seiner Berufsausübung als Wirtschaftsprüfer. Da nur er tätig werden sollte, ist die Rechtsgültigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages allein an seiner beruflichen Qualifikation zu messen.

b) Zu seiner Aufgabe gehörte auch die Verhandlung mit Gläubigern des Hauptschuldners, um ihre Zustimmung zu einem Zwangsvergleich zu erreichen. Diese Tätigkeit des Klägers zu 2 im Rahmen des Sanierungsversuches war eine geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG. Sie lag nicht überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet, zielte vielmehr wesentlich auf eine Umgestaltung rechtlicher Verhältnisse, nämlich die Stundung und Herabsetzung von Forderungen ab (BGHZ 36, 321, 322). Daß diese rechtliche Umgestaltung nicht im Wege eines außergerichtlichen Vergleiches, vielmehr durch einen Zwangsvergleich nach den §§ 173 ff. KO erfolgen sollte, ändert nichts an dem rechtsbesorgenden Charakter der Tätigkeit, die ja diesen Zwangsvergleich vorbereiten sollte.

War der Kläger zu 2 zu dieser Tätigkeit nicht befugt, so war der Beratungsvertrag nach § 134 BGB nichtig und es ist kein vertraglicher Honoraranspruch entstanden, den der Hauptschuldner anerkennen und für den der Beklagte die Bürgschaft übernehmen konnte; allenfalls wäre ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung entstanden (BGHZ 37, 258). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt also davon ab, ob der Kläger zu 2 im Rahmen seiner wirtschaftlichen Beratung auch zu rechtsbesorgender Tätigkeit befugt war.

c) Nach Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG stehen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes (Erlaubniszwang) dem nicht entgegen, daßöffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer in Angelegenheiten, mit denen sie beruflich befaßt sind, auch die rechtliche Bearbeitung übernehmen, soweit diese mit den Aufgaben des Wirtschaftsprüfers in unmittelbarem Zusammenhang steht. Seit Erlaß des Rechtsberatungsgesetzes im Jahre 1935 ist streitig, insbesondere zwischen Wirtschaftsprüfern einerseits und Rechtsanwälten andererseits, ob als »Aufgaben des Wirtschaftsprüfers« in diesem Sinne nur seine eigentliche Prüfungsaufgabe oder auch seine wirtschaftsberatende Tätigkeit zu verstehen ist (vgl. u. a. einerseits: Megow DJ 1938, 453; Brangsch AnwBl 1964, 42; Feyock DNotz 1964, 526; Dumoulin NJW 1966, 810; Rennen/Calibe, Rechtsberatungsgesetz Art. 1 § 5 Rdn. 51 ff.; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rechtsberatungsgesetz 7. Auflage Art. 1 § 5 Rdn. 434 ff.; LG Itzehoe AnwBl 19962, 285; OLG Köln ZIP 1980, 1107 und andererseits: Düring DJ 1938, 1185; Girgensohn BB 1962, 1308; Schwarz DB 1967, 627; Heßdörfer, Die Rechtsbesorgungsbefugnis der Wirtschaftsprüfer; BFH ZIP 1981, 204 mit zustimmender Anmerkung von Weiß; vergleiche auch Vorbescheid des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Februar 1963, mitgeteilt BB 1963, 625 und ergänzend bei Brangsch aaO). Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in seiner Entscheidung vom 21. März 1959 (VII ZR 66/58 = DB 1959, 1028) - allerdings ohne nähere Begründung - bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz wegen engen Sachzusammenhangs mit der sonstigen wirtschaftsberatenden Tätigkeit für eine Gesellschaft verneint. Nach Erlaß der Wirtschaftsprüferordnung (1961) hat der Ib-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Frage offen gelassen und unter eingehender Darstellung der Entstehungsgeschichte die Auffassung vertreten, daß auch die Wirtschaftsprüferordnung die Streitfrage nicht entschieden habe (BGHZ 48, 12, 20 ff.) [BGH 09.05.1967 - Ib ZR 59/65].

d) Der Senat versteht unter »Aufgaben des Wirtschaftsprüfers« im Sinne des Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG die Tätigkeiten des Wirtschaftsprüfers die zu seinem anerkannten, herkömmlichen Berufsbild gehören. Das folgt aus Sinn und Zweck des Rechtsberatungsgesetzes und wird durch die wenig aussagekräftige Systematik der Wirtschaftsprüferordnung nicht in Frage gestellt. Mit dem Rechtsberatungsgesetz wollte der Gesetzgeber dem Mißstand begegnen, daß die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten weitgehend in die Hand von Personen geraten war, die »keine hinreichende Gewähr für die gerade hier unentbehrliche Sachkunde und Zuverlässigkeit« boten; der damalige Gesetzgeber hielt »sowohl zum Schutze der Rechtsuchenden, auf die das Winkeladvokatentum von jeher eine bedenklich starke Anziehungskraft ausgeübt habe, wie im Interesse der Behörden« die Einführung eines Konzessionszwanges für dringend geboten, weil es nur so möglich sei, »fachlich ungeeignete und nicht hinreichend zuverlässige Elemente von dem Beruf fernzuhalten und die Zahl der dem Beruf Angehörenden in den den sachlichen Bedürfnissen entsprechenden Grenzen zu halten« (vgl. BGHZ 38, 71, 84 f. mit Nachweis). Die Ausnahmeregelung in Art. 1 § 5 RBerG beruht dagegen auf der Erwägung, daß sich zahlreiche Berufe ohne gleichzeitige rechtliche Beratung nicht immer sachgemäß ausüben lassen; den dort genannten Unternehmern soll die Ausübung ihres Berufes nicht deshalb unmöglich gemacht werden, weil hiermit gleichzeitig eine rechtliche Tätigkeit verbunden ist. Unter die Ausnahmevorschrift fällt deshalb angesichts des Gesetzeszweckes, Mißbräuche auf dem Gebiete der Rechtsberatung zu verhindern, eine solche rechtliche Tätigkeit, die der Unternehmer im Rahmen und im Interesse seiner Berufsaufgabe ausführt (BGHSt 6, 135 [BGH 14.05.1954 - 2 StR 274/53]).

Zum anerkannten Berufsbild des Wirtschaftsprüfers gehörte schon bei Erlaß des Rechtsberatungsgesetzes die wirtschaftsberatende Tätigkeit. In der amtlichen Begründung zur Wirtschaftsprüferordnung (BT-Drucks. 201, 3. WP S. 34) heißt es dazu: »Die berufliche Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers besteht im Grundsatz in der Durchführung betriebswirtschaftlicher Prüfungen. Neben der Prüfungstätigkeit steht nach der Entwicklung die Beratungsaufgabe, durch die besonders aus Prüfungen gewonnene Erkenntnisse zum Nutzen der Betriebe verwertet werden. Die Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ist deshalb als Berufsaufgabe ausdrücklich zugelassen. Mit der Beratungstätigkeit ist auch die Befugnis zur Vertretung in wirtschaftlichen Angelegenheiten verbunden. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)«. Nach dem oben Gesagten entspricht es nicht der Zielsetzung des Rechtsberatungsgesetzes, diese wirtschaftsberatende Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer zu unterbinden, soweit die eigentliche Wirtschaftsberatung im Vordergrund steht. Ein Mißbrauch, wie ihn das Rechtsberatungsgesetz verhindern will, ist in derartigen Fällen nicht zu besorgen; vielmehr wird es gerade bei Sanierungsversuchen der hier vorliegenden Art vielfach dem wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten entsprechen, wenn alle zur Sanierung gebotenen Maßnahmen, auch die Verhandlungen mit Gläubigern, zum Zwecke einer vergleichsweisen Regelung von einem wirtschaftlich erfahrenen Berater durchgeführt werden. Gründe des Schutzes der Rechtsanwaltschaft vor Konkurrenz können dabei wegen Art. 12 GG nicht berücksichtigt werden.

e) An dieser Rechtslage hat die Wirtschaftsprüferordnung nichts geändert. Darin folgt der erkennende Senat dem Ib-Zivilsenat in seiner Entscheidung BGHZ 48, 12 [BGH 09.05.1967 - Ib ZR 59/65]. Zwar unterscheidet die Wirtschaftsprüferordnung zwischen der beruflichen Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen durchzuführen und Bestätigungsvermerke zu erteilen (§ 2 Abs. 1), der Befugnis, die Auftraggeber in steuerlichen Angelegenheiten zu beraten und zu vertreten (§ 2 Abs. 2), dem Auftreten als Sachverständige auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betriebsführung (§ 2 Abs. 3) und verschiedenen - sehr heterogenen - Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers vereinbar sind (§ 43 Abs. 4), wie der Beratung und Wahrung fremder Interessen in wirtschaftlichen Angelegenheiten, der Ausübung eines freien Berufes auf dem Gebiet der Technik und des Rechtswesens, der Tätigkeit an wissenschaftlichen Institutionen, der treuhänderischen Verwaltung oder der freien schriftstellerischen und künstlerischen Tätigkeit. Wie in BGHZ 48, 12, 22 [BGH 09.05.1967 - Ib ZR 59/65] ausführlich dargelegt, sollte nach dem Regierungsentwurf die Beratung und Vertretung auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten in § 2 geregelt werden. Von seiten der Anwaltschaft wurde dagegen die Befürchtung geltend gemacht, daß die Wirtschaftsprüfer künftig unter Berufung auf Art. 1 § 5 des Rechtsberatungsgesetzes auch die Rechtsberatung in wirtschaftlichen Angelegenheiten schlechthin übernehmen könnten. Es war aber nicht die Absicht des intervenierenden Anwaltsvereins, den Wirtschaftsprüfern diese beratende und vertretende Tätigkeit im Einzelfall zu nehmen; die Bedenken richteten sich nur dagegen, daß diese Tätigkeit als Berufsaufgabe formuliert werde. Daraufhin ist diese Tätigkeit in § 2 des Entwurfs gestrichen und in § 55 (§ 43 des Gesetzes) übernommen worden (vgl. Protokoll der Unterkommission »Berufsordnungsgesetze« des Wirtschaftsausschusses des Bundestages vom 25. Januar 1961, mitgeteilt in AnwBl 1964, 42). Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber der Wirtschaftsprüferordnung die bestehende Befugnis der Wirtschaftsprüfer zur Rechtsberatung und -besorgung einschränken wollte. Zum historisch gewachsenen Berufsbild des Wirtschaftsprüfers gehört nach wie vor neben der prüfenden und steuerberatenden die wirtschaftsberatende Tätigkeit. Das gleiche hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11. März 1987 (BGHZ 100, 132) für die treuhänderische Verwaltung durch einen Wirtschaftsprüfer angenommen, weil eine solche Tätigkeit einem Wirtschaftsprüfer gerade mit Rücksicht auf die berufsspezifische Sachkunde und Erfahrung auf betriebswirtschaftlichem Gebiet übertragen zu werden pflegt. Auch dort hat es der Senat bei der Zuordnung der treuhänderischen Verwaltung zum Berufsbild des Wirtschaftsprüfers als nicht entscheidend angesehen, daß diese Tätigkeit (erst) in § 43 Abs. 4 Nr. 4 WPO ausdrücklich unter denjenigen Betätigungen aufgeführt ist, die mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers »vereinbar« sind.

f) Voraussetzung einer Anwendung der eng auszulegenden Ausnahmeregelung des Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG ist allerdings, daß die wirtschaftsberatende oder -besorgende Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers im Vordergrund steht und die rechtsberatende Tätigkeit hiermit in unmittelbarem Zusammenhang steht. Dazu ist allerdings nicht erforderlich, daß diese Tätigkeit ohne Rechtsberatung schlechthin unmöglich ist. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist dann gegeben, wenn der Wirtschaftsprüfer ohne die rechtliche Bearbeitung seine eigentliche wirtschaftsberatende oder -besorgende Aufgabe nicht sachgemäß erledigen könnte (vgl. Altenhoff/Busch/Kampmann aaO Rdn. 452 m. w. Nachw.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung stand die eigentliche wirtschaftsbesorgende Tätigkeit des Klägers zu 2 ganz im Vordergrund seiner Aufgaben. Zur sachgemäßen Durchführung eines derartigen Sanierungsauftrages gehört auch die Verhandlung mit Gläubigern über eine Bereitschaft zur Stundung oder Herabsetzung ihrer Forderungen. Der Berufungsrichter hat deshalb zu Recht die Tätigkeit des Klägers zu 2 insgesamt als erlaubt angesehen.